Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (1. Strafsenat) - I Ws 304/09
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 11.05.2009 - 26 Qs 81/09 - wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschuldigte trägt die Kosten des Verfahrens
Gründe
I.
- 1
Die als sofortige Beschwerde zu wertende "Beschwerde/Gegenvorstellung/Rechtsmittel" des Beschuldigten richtet sich gegen den Beschluss vom 11.05.2009 - 26 Qs 81/09 - , mit dem die 26. Kammer als Beschwerdekammer des Landgerichts Stralsund seinen Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Klingmüller als unzulässig verworfen hat. Dem ging folgendes voraus:
- 2
Der Verteidiger legte mit Schriftsatz vom 04.03.2009 Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 12.01.2009 - 15 Gs 5/09 - ein, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 12.03.2009 nicht abhalf. Das Landgericht gewährte dem Verteidiger Akteneinsicht, der anlässlich der Rücksendung der Akten mit Schriftsatz vom 02.04.2009 eine Stellungnahme mit gesonderter Post ankündigte. Das Landgericht teilte mit Faxschreiben vom 20.04.2009 dem Verteidiger mit, dass seiner "Stellungnahme/Beschwerdebegründung" bis zum 27.04.2009 entgegengesehen werde. Mit Schriftsatz vom 21.04.2009 beantragte der Verteidiger eine Fristverlängerung um drei Wochen bis zum 18.05.2009 "einschließlich", da ihm eine ordnungsgemäße Bearbeitung innerhalb einer Wochenfrist aufgrund von Vortragsverpflichtungen und diverser Gerichtsterminen in den kommenden Tagen nicht möglich" sei.
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Nunmehr verfügte der Vorsitzende, VRiLG Klingmüller, am 22.04.2009 die Mitteilung an den Verteidiger, dass angesichts der bereits am 04.03.2009 gefertigten Beschwerdeschrift die gesetzte Frist zur Begründung der Beschwerde bereits großzügig bemessen sei. Diese Mitteilung wurde dem Verteidiger am 23.04.2009 per Fax übermittelt.
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Daraufhin stellte der Verteidiger am 24.04.2009 den Befangenheitsantrag gegen VRiLG Klingmüller, wobei er mitteilte, dass er sich bis zum 14.04.2009 im Urlaub befunden habe.
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Der angefochtene Beschluss ist dem Beschuldigten auf richterliche Anordnung vom 11.05.2009 formlos übersandt worden.
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Am, selben Tag verwarf die Kammer die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 12.01.2009.
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Das gemäß § 300 StPO als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsmittel ist am 18.05.2009 bei dem Landgericht Stralsund eingegangen und mit Schriftsätzen vom 04.09.2009 und 25.10.2009 weiter begründet worden.
II.
- 8
Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten ist zulässig, aber nicht begründet.
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Gegen die Entscheidung, mit der das Landgericht Stralsund die Richterablehnung vom 11.05.2009 als unzulässig verwarf, ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO die sofortige Beschwerde statthaft. Sie wurde vom Beschuldigten gemäß §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegt.
1.
- 10
Das Rechtsmittel ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Zwar traf das Landgericht mit Beschluss vom selben Tag auch in der Beschwerdesache wegen der Durchsuchung eine Entscheidung, die gemäß § 310 StPO nicht weiter anfechtbar ist. Der Beschuldigte kann deshalb mit seiner sofortigen Beschwerde sein Ziel, dass nicht (auch) der abgelehnte Richter des Landgerichts über seine Beschwerde in der Durchsuchungssache (mit) entscheidet, nicht ohne weiteres mehr erreichen.
a)
- 11
Nach einer früher vertretenen Rechtsauffassung soll in einem solchen Fall allerdings das Rechtsschutzbedürfnis für die sofortige Beschwerde fehlen, weil das Rechtsmittel durch die bereits ergangene Sachentscheidung verfahrensrechtlich überholt oder "zwecklos und gegenstandslos" sei (vgl. zu dieser Auffassung die Hinweise in OLG Stuttgart, Beschl. v. 08.11.1993, 4 Ws 216/93). Diese Ansicht geht auf die Meinung zurück, dass ein Ablehnungsgesuch gemäß § 29 Abs. 1 StPO bereits mit der ersten Entscheidung, durch die es verworfen oder zurückgewiesen wird, erledigt ist, und nicht erst mit deren Rechtskraft (vgl. nur OLG Frankfurt MDR 1992, 409).
b)
- 12
Der Senat ist jedoch mit OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Celle Beschl. v. 16.01.1998, 3 Ws 410/97, 3 Ws 411/97; OLG München, Beschl. v. 07.05.1982, 2 Ws 501/82 der Auffassung, dass diese Gründe nicht durchgreifen. Der Wortlaut der Vorschrift ist nicht eindeutig, sondern auslegungsbedürftig. Auch gilt das Gebot der Verfahrensbeschleunigung nicht absolut. Ihm steht vielmehr das Recht des Beschuldigten auf den gesetzlichen Richter gegenüber. Vor allem aber führt diese Auffassung zu dem Ergebnis, dass die Anfechtbarkeit der Verwerfungs- oder Zurückweisungsentscheidung über ein Ablehnungsgesuch davon abhängt, ob der oder die abgelehnten Richter - zufällig oder bewusst - sofort oder alsbald nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch auch in der Sache selbst eine (unanfechtbare) Entscheidung treffen oder nicht. Ein solches Ergebnis vermag der Senat nicht zu billigen.
c)
- 13
Daher verdient die h.M., der sich der Senat anschließt, den Vorzug. Nach ihr ist ein Ablehnungsgesuch, dessen Verwerfung oder Zurückweisung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann - über das also nicht ein "erkennendes" Gericht zu befinden hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage § 28 Rdnr. 6; KK-Fischer, StPO, 6. Auflage, § 28 Rdnr. 2, 3) nicht schon mit der ersten Entscheidung über den Ablehnungsantrag, sondern erst mit dem formell rechtskräftigen Abschluss des Ablehnungsverfahrens erledigt (Meyer-Goßner, a.a.O., § 29 Rdnr. 3; KK-Fischer, a.a.O., § 29 Rdnr. 3). Danach hätte das Landgericht über die Beschwerde gegen die Durchsuchung noch nicht entscheiden dürfen. Vielmehr hätte es die Entscheidung des Senats über das Ablehnungsgesuch abwarten müssen. Der Umstand der verfrühten Sachentscheidung des Landgerichts lässt das Rechtsschutzbedürfnis des Beschuldigten an der Überprüfung der Verwerfung seines Ablehnungsgesuchs nicht entfallen. Dem Beschuldigten darf aus der Regelwidrigkeit dieser Situation nicht der Nachteil erwachsen, dass er dadurch das ihm nach dem Gesetz zustehende Rechtsmittel verliert.
2.
- 14
Ob dem Senat zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bei begründeter sofortiger Beschwerde gegen die Ablehnungsentscheidung auch die Befugnis zur Aufhebung der verfrüht getroffenen - aber selbst nicht anfechtbaren - Sachentscheidung des Vordergerichts zukommt, braucht nicht entschieden zu werden. Denn vorliegend ist die sofortige Beschwerde des Beschuldigten nicht begründet.
- 15
Der Ablehnungsantrag des Beschuldigten war, wie das Landgericht zu Recht entschieden hat, unzulässig.
- 16
Das Ablehnungsgesuch des Beschuldigten enthält keine für die Zulässigkeit eines Ablehnungsantrags hinreichende Begründung. Die Kammer hat den Befangenheitsantrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Gemäß § 26 a Abs. 1Nr. 3 StPO verwirft das Gericht die Ablehnung eines Richters u.a. dann als unzulässig, wenn durch die Ablehnung das Verfahren offensichtlich nur verschleppt werden soll. Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich vor. Insbesondere ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum der Beschuldigte erst im Ablehnungsgesuch den Urlaub seines Verteidigers anführt. Es hätte nahe gelegen, dies bereits im Fristverlängerungsantrag - und dann auch mit Hinweis auf die Dauer des Urlaubs - anzuführen. Selbst bei einem laienhaften Verständnis vom Sinn und Zweck richterlich gesetzter Fristen liegt es auf der Hand, im eigenen Interesse Anträge so gründlich wie möglich zu begründen.
- 17
Das Beschwerdevorbringen - zuletzt mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.10.2009 - rechtfertigt keine andere Entscheidung.
- 18
Nach alledem war daher die sofortige Beschwerde des Beschuldigten als unbegründet zu verwerfen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
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