Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (1. Strafsenat) - 20 Ws 276/16

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 07.09.2016 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 07.09.2016 lehnte die Rechtspflegerin des Landgerichts Schwerin den Antrag des mit seit dem 29.02.2016 rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Schwerin vom 04.02.2016 vom Vorwurf des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrern u.a. Freigesprochenen auf Festsetzung der ihm durch Beauftragung seines Wahlverteidigers, Rechtsanwalt K., entstandenen Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in Höhe von 2.133,08 EUR gegen die Staatskasse ab.

2

Gegen diese seinem Verteidiger am 19.09.2016 zugestellte Entscheidung wendet sich der Freigesprochene mit der nicht weiter ausgeführten „Beschwerde“ im Schreiben seines Rechtsanwalts vom 23.09.2016, die am 26.09.2016 beim Landgericht eingegangen ist. Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel - unnötigerweise (vgl. § 311 Abs. 3 Satz 1 StPO) - mit weiterem Beschluss vom 18.10.2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21.10.2016 nicht abgeholfen.

II.

3

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

4

1. Die angefochtene Entscheidung ist im Verfahren nach § 464b StPO ergangen und keine solche nach § 55 RVG, weil Rechtsanwalt K. nicht Pflicht-, sondern „nur“ Wahlverteidiger des Freigesprochenen gewesen ist. Gegen den ablehnenden Kostenfestsetzungsbeschluss ist deshalb nach § 464b Satz 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 RPflG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wobei sich das Beschwerdeverfahren selbst nach h.M. wieder nach StPO-Grundsätzen richtet (BGH NJW 2003, 763).

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Die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO ist vorliegend gewahrt. Der in Kostensachen geltende Beschwerdegrenzwert des § 304 Abs. 3 StPO wird überschritten. Über das Rechtsmittel war durch den Senat in der für Strafverfahren vorgeschriebenen Dreierbesetzung zu entscheiden (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 160).

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2. Das somit statthafte und zulässig angebrachte Rechtsmittel ist unbegründet.

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Dem Beschwerdeführer war bereits anlässlich der Vorführung vor dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Ludwigslust am 02.07.2015 Rechtsanwalt D. gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO als notwendiger Verteidiger beigeordnet worden. Mit Schreiben vom 20.08.2015 teilte Rechtsanwalt K. seine Absicht mit, den seinerzeit in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten zu verteidigen und beantragte deshalb die Erteilung eines Sprechscheins. Mit weiteren Schreiben vom 01.09.2015 zeigte Rechtsanwalt K. unter Vollmachtsvorlage an, dass er die Verteidigung des Beschuldigten übernommen habe und beantragte unter dem 21.09.2015 die Durchführung einer mündlichen Haftprüfung. Am Haftprüfungstermin am 30.09.2015 haben beide Verteidiger teilgenommen. Der Beschuldigte erklärte damals zu Protokoll, er wolle künftig von Rechtsanwalt K. „vertreten“ werden, woraufhin die Beiordnung von Rechtsanwalt D. aufgehoben wurde. Rechtsanwalt K. ist nachfolgend bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens als Wahlverteidiger für den dann Freigesprochenen tätig gewesen.

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Die Staatsanwaltschaft hat unter dem 07.10.2016 Anklage zum Landgericht Schwerin erhoben, das sie mit Beschluss vom 17.12.2015 unter Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung zugelassen hat. Wegen Terminskollisionen des Wahlverteidigers wurde dem Angeklagten mit Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 13.01.2016 erneut Rechtsanwalt D. als Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger beigeordnet. Die Hauptverhandlung hat am 21.01., 27.01, 03.02. und 04.02.2016 stattgefunden, wobei Rechtsanwalt D. an sämtlichen Terminen, Rechtsanwalt K. hingegen nur am 21.01. und 03.02.2016 teilgenommen hat.

9

Angesicht dieser Sachlage steht dem Freigesprochenen kein Anspruch gegen die Staatskasse auf Ersatz der Gebühren und Auslagen seines Wahlverteidigers zu.

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Die Kosten mehrerer Anwälte - vom Fall eines notwendigen, vom Angeklagten nicht zu vertretenden Anwaltswechsels abgesehen - sind im Fall eines Freispruchs nur in dem Umfang zu erstatten, in welchem sie die Kosten eines Rechtsanwaltes nicht übersteigen (§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 464a Rn. 13). Dieser - verfassungsrechtlich unbedenkliche (BVerfG NJW 2004, 3319f) - Grundsatz gilt auch im Verhältnis zwischen Wahlverteidiger und Pflichtverteidiger; neben Letzterem ist eine Wahlverteidigung regelmäßig nicht mehr "notwendig". Dementsprechend sieht das Gesetz in § 141 Abs. 1 StPO die Bestellung eines Verteidigers nur dann vor, wenn der Angeklagte nicht bereits einen (Wahl-)Verteidiger hat. Die Kosten eines (zusätzlichen) Wahlverteidigers kann er im Falle einer ihm günstigen Kostenentscheidung insoweit nicht bzw. nur in Höhe der Differenz zu den entstandenen Pflichtverteidigerkosten gegen die Staatskasse geltend machen (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2002, 317). Wurde - wie im vorliegenden Fall - zunächst der Pflichtverteidiger bestellt, so sind die Gebühren des später beauftragten Wahlverteidigers mithin regelmäßig um die an den Pflichtverteidiger gezahlten Gebühren zu kürzen (KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464a Rn. 13).

11

Der Grundsatz der Anrechnung von Pflichtverteidigerkosten auf die erstattungsfähigen Gebühren eines daneben tätigen Wahlverteidigers gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Insbesondere wird die ungekürzte Erstattungsfähigkeit der Wahlverteidigerkosten ausnahmsweise als gerechtfertigt angesehen, wenn das Nebeneinander von Wahl- und Pflichtverteidiger nicht der Sphäre des Angeklagten zuzuschreiben ist (KG StV 2003, 175), die (Aufrechterhaltung der) Beiordnung eines Pflichtverteidigers also nicht von dem Angeklagten oder seinem Wahlverteidiger zu vertreten ist. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn einem Beschuldigten ohne dessen Veranlassung, also aus verfahrensbezogenen Gründen, neben dem Wahlverteidiger ein Pflichtverteidiger zur Verfahrenssicherung bestellt wird (so OLG Köln, Beschluss vom 24.08.2004, Az. 2 Ws 383/04 bei juris; Hanseatisches OLG Hamburg MDR 1986, 518; KG NStZ-RR 2000, 163; OLG Jena, Beschluss vom 14.12.1999, Az. 1 Ws 355/99) oder wenn eine zuvor erfolgte Pflichtverteidigerbestellung entgegen §143 StPO nicht zurückgenommen wird (so Hanseatisches OLG Hamburg a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; KG StV 2003, 175; OLG Oldenburg NStZ RR 2010, 63; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 287).

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Vorliegend kann indessen nach dem oben dargestellten Verfahrensgang keiner dieser Ausnahmefälle bejaht werden. Der Beschwerdeführer hatte mit Rechtsanwalt D. bereits einen notwendigen Verteidiger, bevor er mit Rechtsanwalt K. einen Wahlverteidiger mandatierte. Die Beiordnung von Rechtsanwalt D. wurde daraufhin auch nicht etwa aufrechterhalten, sondern sofort aufgehoben, bis sich später herausstellte, dass der Wahlverteidiger nicht an allen angesetzten Hauptverhandlungsterminen teilnehmen konnte und eine Verschiebung der Hauptverhandlung wegen des in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebots nicht in Betracht kam. Nur deshalb, mithin wegen eines allein in der Sphäre des damals Angeklagten und seines gewählten, aber teilweise verhinderten Verteidigers wurzelnden Umstandes kam er zur erneuten Beiordnung von Rechtsanwalt D. Dieser hat alle dem Pflichtverteidiger zustehenden Regelgebühren abgerechnet und erhalten, so dass es auch keinen „Überhang“ an ausschließlich dem Wahlverteidiger zustehenden Gebühren gibt.

III.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO. Für das Beschwerdeverfahren sind Gerichtsgebühren in Höhe von 60 EUR angefallen (vgl. Vorb. 3.6 i.V.m. Nr. 1812 KVGKG).

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