Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (1. Strafsenat) - 20 Ws 309/17

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Verurteilten werden die Weisungen zu Ziffer 3 und 4 des Bewährungsbeschlusses des Landgerichts Neubrandenburg vom 28.07.2017 in der Fassung der teilweisen Nichtabhilfeentscheidung der Kammer vom 15.08.2017 aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Neubrandenburg verurteilte den Beschwerdeführer wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Seine dagegen eingelegte Berufung verwarf das Landgericht Neubrandenburg mit Urteil vom 28.07.2017 als unbegründet. Mit Beschluss vom selben Tag setzte es die Bewährungszeit auf drei Jahre fest und beauflagte den Verurteilten, an die Landesbezirkskasse € 1.500 in monatlichen Raten zu je € 100 zu zahlen. Ferner wies die Kammer den in Polen wohnhaften Verurteilten an, jeglichen Wohnsitzwechsel dem Gericht vorab mitzuteilen und für den Zeitraum von drei Jahren ab Urteilsrechtskraft das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zu betreten.

2

Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte Revision und für den Fall ihrer Verwerfung zugleich gegen den Bewährungsbeschluss, ausweislich der Begründung beschränkt auf die darin erteilten Weisungen, Beschwerde eingelegt. Auf die Beschwerde hin hat das Landgericht im Wege der teilweisen Abhilfe das Betretungsverbot durch die Weisung ersetzt, sich im Falle der Einreise unverzüglich bei dem für die Bewährungsüberwachung zuständigen Amtsgericht zu melden.

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Gegen diesen geänderten Bewährungsbeschluss hat der Angeklagte erneut und diesmal bedingungslos Beschwerde eingelegt.

4

Die Revision des Angeklagten hat der Senat mit gesondertem Beschluss vom heutigen Tage nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

II.

5

Die gemäß § 305a Abs. 1 Satz 1 StPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Verurteilten, über die gemäß § 305a Abs. 2 StPO durch das Revisionsgericht zu befinden war, hat Erfolg.

6

Gemäß § 305a Abs. 1 Satz 2 StPO kann das Rechtsmittel nur darauf gestützt werden, dass eine der in dem nach § 268a Abs. 1 StPO ergangenen Bewährungsbeschluss nach § 56a bis § 56d StGB getroffene Anordnung gesetzwidrig ist. Eine Überprüfung der Ermessensausübung durch das untere Gericht oder eine eigene Ermessensentscheidung sind dem Beschwerdegericht hingegen von Gesetzes wegen verwehrt.

7

Eine Bewährungsweisung ist gesetzwidrig, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist, oder wenn sie sonst die Grenzen des dem Tatgericht eingeräumten Ermessens überschreitet (OLG Nürnberg, Beschluss vom 05. Mai 2014 - 2 Ws 704/13 -, Rn. 29, juris). Gesetzwidrig ist eine Weisung ferner dann, wenn sie einen unzulässigen Zweck verfolgt (OLG Nürnberg, a.a.O.). So ist es hier.

8

Bewährungsweisungen dienen - anders als Bewährungsauflagen - nicht dem Ausgleich für das vom Täter schuldhaft verursachte Unrecht. Wie sich aus § 56c Abs. 1 Satz 1 StGB ergibt, kommt ihnen vielmehr die Aufgabe zu, dem zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe Verurteilten dabei zu helfen, zukünftig ein straffreies Leben zu führen. Sie haben damit ausschließlich spezialpräventiven Charakter. Weisungen dürfen daher lediglich zu dem Zweck erteilt werden, dem Verurteilten Hilfe zu seiner zukünftigen Straffreiheit zu gewähren (BGH, Beschluss vom 07. Oktober 2014 - 1 StR 426/14 -, juris).

1.

9

Gemessen daran ist die Weisung, sich im Falle der Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland unverzüglich bei dem für die Bewährungsüberwachung zuständigen Amtsgericht zu melden (Ziff. 4 des neugefassten Bewährungsbeschlusses), gesetzwidrig.

10

Der dahinter stehenden - fraglichen - Erwartung, der Verurteilte werde, weil er sich bei jeder Einreise in das Bundesgebiet zunächst bei dem für die Bewährungsüberwachung zuständigen Amtsgericht melden müsse, jedenfalls im Inland keine weiteren Straftaten mehr begehen, weil er dort unter gerichtlicher Beobachtung steht, liegen ersichtlich generalpräventive Zwecke zugrunde. Eigentliches Ziel dieser Weisung ist nicht eine Hilfestellung für den Verurteilten, sondern der Schutz der inländischen Bevölkerung vor neuerlichen Straftaten durch ihn, indem ihm, wiewohl er als EU-Bürger Freizügigkeit nach Art. 45 Abs. 1 GR-Charta genießt, eine unkontrollierte Einreise in das Bundesgebiet untersagt werden soll. Er soll durch dieses Erschwernis nach Möglichkeit von einer Einreise abgehalten werden. Die Weisung gerät damit faktisch in die Nähe eines Einreiseverbots, wie es vom Landgericht zunächst auch ausgesprochen worden war.

11

Bewährungsweisungen gegenüber einem Ausländer, unverzüglich aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen und nicht mehr einzureisen, sind jedoch in der Regel unzulässig. Ob etwas anderes gilt, wenn festgestellt werden kann, dass ein Verurteilter wiederholt nur deshalb nach Deutschland eingereist ist, um hier Straftaten zu begehen (LG Dresden, Beschluss vom 09. März 2007 - 3 Qs 36/07 -, Rn. 4, juris; LG Berlin, Beschluss vom 01. Dezember 2003 - 511 Qs 118/03 -, Rn. 11, juris), kann vorliegend dahinstehen, denn derartige Feststellungen hat das Landgericht vorliegend nicht getroffen.

12

Eingriffe in die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern, die im Ergebnis einem Einreiseverbot gleichkommen, sind nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG nur unter den Voraussetzungen von § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 FreizügG/EU in der Fassung vom 21.1.2013 und in dem dort dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahren möglich, wobei allein die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für eine solche Entscheidung nicht genügt (§ 6 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU). Für eine Bewährungsweisung nach § 56c StGB, die auf ein ausländerrechtliches Einreiseverbot hinausläuft, ist deshalb kein Raum, denn sie liefe auf eine Umgehung der genannten ausländerrechtlichen Bestimmung, die dies gerade nicht zulässt, hinaus (a.A. für Ausweisungen offenbar OLG Köln, Beschluss vom 25. Mai 2009 - 2 Ws 243/09 -, Rn. 13, juris).

2.

13

Das gilt auch für die jedenfalls nicht unter § 56c Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 StGB fallende Weisung, jeden Wohnsitzwechsel dem Gericht vorab mitzuteilen (Ziff. 3 des Bewährungsbeschlusses). Eine solche Weisung ist nur gesetzmäßig, wenn damit der Zweck verfolgt wird, auf die zukünftige Lebensführung des Verurteilten positiv Einfluss nehmen zu können (BGH, a.a.O.). Das wird nur ausnahmsweise anzunehmen sein (OLG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 Ws 44/08 -, Rn. 5, juris). Einen solchen Ausnahmefall vermag der Senat vorliegend ebenfalls nicht zu erkennen, zumal der Beschwerdeführer nicht der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt wurde. Hier soll mit der Anweisung, jeden Wohnungswechsel mitzuteilen, ersichtlich nur bewirkt werden, dass der Verurteilte während des Laufes der Bewährungszeit für das Gericht erreichbar ist, sollte es zu Auflagen- oder Weisungsverstößen kommen, die eine Reaktion erfordern.

III.

14

Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO analog.

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