Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (16. Zivilsenat) - 16 W 37/05

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin, eine Yachtwerft, hat gegen den Antragsgegner, einen Malermeister, die Durchführung des vorliegenden selbstständigen Beweisverfahrens beantragt. Sie hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu behaupteten Mängeln bei der Ausführung von Spachtel- und Lackierungsarbeiten an einer Segelyacht beantragt.

2

Das Landgericht hat gem. §§ 485, 490 ZPO antragsgemäß einen Beweisbeschluss erlassen.

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Bei dem vom Sachverständigen auf den 26.05.2004 anberaumten Ortstermin zur Untersuchung der Yacht kam es zu Unstimmigkeiten über die Teilnahme eines Privatgutachters aufseiten des Antragsgegners. Der Geschäftsführer der Antragstellerin wies den Privatgutachter vom Werftgelände. Gegen eine Verwertung der vom gerichtlichen Sachverständigen durchgeführten Untersuchung hat der Antragsgegner Einwendungen erhoben und eine Wiederholung des Ortstermins beantragt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29.06.2004 die Wiederholung des Ortstermins angeordnet und der Antragstellerin aufgegeben, die Anwesenheit des vom Antragsgegner eingeschalteten Privatgutachters zu dulden. Gegenvorstellungen der Antragstellerin hiergegen blieben erfolglos.

4

Der daraufhin vom gerichtlichen Sachverständigen auf den 25.08.2004 anberaumte erneute Ortstermin konnte nicht durchgeführt werden, weil der Eigner der Yacht diese nach Angabe der Antragstellerin zwischenzeitlich in die Schweiz hatte verbringen lassen. Ein Ortstermin in der Schweiz erwies sich als nicht durchführbar, weil der Eigner nicht mitwirkte.

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Die Antragstellerin erklärte mit Schriftsatz vom 07.01.2005 die Hauptsache für erledigt. Dem schloss sich der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 14.01.2005 an.

6

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.01.2005 hat das Landgericht der Antragstellerin die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gem. § 91 a ZPO auferlegt.

7

In dem Beschluss ist ausgeführt, hierbei sei zu berücksichtigen, ob die beantragte Beweiserhebung nachträglich durch tatsächliche Veränderungen oder Wegfall des rechtlichen Interesses an ihr hinfällig geworden und wem dies zuzurechnen sei. Die Verantwortung für die Undurchführbarkeit der Beweisaufnahme habe die Antragstellerin zu tragen. Es falle in ihren Verantwortungsbereich, dass das Ergebnis des Ortstermins vom 26.04.2004 wegen der Verletzung des Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit gem. § 357 ZPO nicht verwertet werden könne.

8

Mit Schriftsatz vom 26.01.2005 hat der Antragsgegner mitgeteilt, er habe zwischenzeitlich Werklohnklage wegen der streitigen Malerarbeiten erhoben.

9

Mit ihrer sofortigen Beschwerde rügt die Antragstellerin, eine Entscheidung nach § 91 a ZPO sei unzulässig gewesen. Im Übrigen liege auch keine Beweisvereitelung vor, weil die Abholung der Yacht durch den Eigner nicht habe verhindert werden können. Auch sei der Privatsachverständige nicht herangezogen worden, um den Antragsgegner bei der Formulierung fachlich geeigneter Fragen zu unterstützen. Dazu sei der fachkundige Antragsgegner selbst in der Lage gewesen. Der Privatsachverständige habe vielmehr den gerichtlichen Sachverständigen kontrollieren sollen. Das sei vom Grundsatz der Parteiöffentlichkeit nicht gedeckt.

II.

10

Die nach § 91 a Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.

11

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil er ohne Rechtsgrundlage ergangen ist.

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1. Ob im selbstständigen Beweisverfahren eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO nach übereinstimmender Erledigungserklärung ergehen darf, ist umstritten (dazu Nachweise bei BGH NJW-RR 2004, 1005; ferner Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 494 a Rdnr. 5).

13

a) Während die Gegner einer Anwendbarkeit von § 91 a ZPO auf selbstständige Beweisverfahren darauf abheben, es liege kein Prozessrechtsverhältnis vor, die Prüfung der sachlichen Rechtslage sei im Rahmen des Beweisverfahrens nicht möglich (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 91 Rdnr. 193; OLG Hamburg MDR 119, 1998, 242, 243; OLG Dresden JurBüro 1999, 594), bejahen die Befürworter eine Anwendung von § 91 a ZPO auch im selbstständigen Beweisverfahren wegen eines praktischen Bedürfnisses für solche Entscheidungen (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., vor § 485 Anm. IV 1; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 494 a Rdnr. 6; MüKo-Lindacher, ZPO, 2. Aufl., § 91 a Rdnr. 146; Zöller/Herget, a.a.O. , § 495 a Rdnr. 5; OLG Report Hamm 1999, 220). Dabei sei nur darauf abzustellen, ob der Beweisantrag bis zur Erledigungserklärung zulässig und begründet gewesen sei (OLG München BauR 2000, 139).

14

Der Senat hält die Begründungen beider Seiten nicht für überzeugend, weil sie den maßgeblichen Gesichtspunkt verfehlen.

15

Es herrscht Übereinstimmung, dass § 91 a ZPO nicht auf Rechtsstreite im engeren Sinne, sondern auf alle kontradiktorischen Verfahren der ZPO anwendbar ist, in denen eine Kostengrundentscheidung möglich ist (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a Rdnr. 7).

16

Am letzteren fehlt es aber für die Zulässigkeit einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO im selbstständigen Beweisverfahren. In diesem Verfahren ergeht nämlich grundsätzlich keine Kostenentscheidung (BGH NJW-RR 2004, 1005). Die einzige gesetzliche Ausnahme nach § 494 a Abs. 2 ZPO ist, weil Ausnahme, eng auszulegen (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 91 Rdnr. 194).

17

Als weitere Ausnahme hat sich in der Praxis allerdings durchgesetzt, bei Zurückweisung des Antrages als unzulässig und bei Antragsrücknahme die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen (Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rdnr. 13 „selbstständiges Beweisverfahren“).

18

Schon hiergegen bestehen Bedenken. Wie nicht anders zu erwarten, sind aus diesen Ausnahmen weitere Ausnahmefälle abgeleitet worden. So soll die Nichtzahlung des Vorschusses einer Rücknahme gleichstehen, ebenso das Nichtbetreiben des Verfahrens, sogar die einseitige Erledigungserklärung (a.a.O.).

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Die angebliche Zulässigkeit einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO gehört in diesen Zusammenhang. In allen Fällen wird die gesetzgeberische Entscheidung, die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens dem künftigen Erkenntnisverfahren in der Hauptsache vorzubehalten oder die Parteien auf die Geltendmachung materieller Kostenerstattungsansprüche zu verweisen, missachtet.

20

c) Eine Anwendung des § 91 a ZPO auf das selbstständige Beweisverfahren scheidet auch bei Berücksichtigung aller genannten Ausnahmen von dem Grundsatz des Unterbleibens einer Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren schon deshalb aus, weil eine Kostenentscheidung zulasten des Antragsgegners stets ausgeschlossen ist (BGH NJW-RR 2004, 1005/1006). § 91 a ZPO setzt aber gerade voraus, dass bei der Ermessensentscheidung über die Kosten nach dieser Vorschrift je nach Sach- und Streitstand jeder der Parteien Kosten auferlegt werden können. Ist dies im selbstständigen Beweisverfahren, weil es immer nur zu Kostenentscheidungen zulasten des Antragstellers kommen kann, ausgeschlossen, kann eine Befugnis des Gerichts, davon abzuweichen, nicht durch bloße übereinstimmende Erledigungserklärungen begründet werden. Vielmehr fehlt es dann bereits an einer Grundvoraussetzung für eine direkte oder analoge Anwendung des § 91 a ZPO.

21

2. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

22

3. Eine Kostenentscheidung hat zu unterbleiben, da nach dem erörterten Grundsatz des Unterbleibens von Kostenentscheidungen im selbstständigen Beweisverfahren im Beschwerdeverfahren nur in den Fällen des § 97 Abs. 1 ZPO isoliert über die Kosten zu entscheiden ist (Zöller/Herget, a.a.O. , § 490 Rdnr. 5).


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