Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (11. Zivilsenat) - 11 U 158/21

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 05.11.2021 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf bis 6.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen einer Mitteilung des beklagten Kreises an Betreuungsgerichte.

2

Die Klägerin arbeitet als Berufsbetreuerin. Sie wurde regelmäßig von Betreuungsgerichten als gesetzliche Betreuerin bestellt. Im Februar 2020 kam es zu einem persönlichen Gespräch der Klägerin mit Mitarbeitern des Beklagten, das im Streit endete. Am 20.02.2020 schrieb der Beklagte an die Betreuungsgerichte mehrerer Amtsgerichte, dass ihm Tatsachen bekannt seien, die Anlass zu begründeten Zweifeln an der Eignung der Klägerin als Betreuerin gäben. Aufgrund der Vielzahl der zu beanstandenden Betreuungsverfahren werde die Klägerin aus Sicht der Betreuungsstelle des Beklagten generell als ungeeignet zum Führen von Betreuungen eingeschätzt und nicht mehr als Betreuerin vorgeschlagen. In dem Schreiben sind 9 Betreuungsverfahren aufgeführt, bei denen es zu Beanstandungen an der Führung der Betreuung gekommen sein sollte. Die Klägerin erhielt eine Ausfertigung des Schreibens zur Kenntnisnahme.

3

Gegen die Entlassung als Betreuerin in zwei der beanstandeten Betreuungsverfahren wehrte sich die Klägerin erfolgreich mit der Beschwerde. Das Landgericht Lübeck hob die Entlassungsbeschlüsse auf (Az. 7 T 49/21 und 7 T 533/19), eine Rechtsbeschwerde des Beklagten hatte keinen Erfolg (BGH, Beschluss vom 15.09.2021, XII ZB 317/21).

4

Die Klägerin ist der Auffassung, die Mitteilung des Kreises sei rechtswidrig, und behauptet, sie werde von den Betreuungsgerichten nun nicht mehr als Betreuerin bestellt.

5

Sie hat zunächst vor dem Verwaltungsgericht Klage auf Unterlassung und Widerruf sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht erhoben, Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Aktenzeichen 6 A 222/20. Hinsichtlich des Antrags auf Feststellung einer Ersatzpflicht für eventuelle Schäden hat das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Lübeck verwiesen.

6

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

7

Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den finanziellen Schaden, der auf das Schreiben vom 20.02.2020 zurückzuführen ist, zu erstatten. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte amtspflichtwidrig gehandelt habe, indem er rechtswidrig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin eingegriffen habe. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs ergebe sich schon aus dem eigenen Vorbringen des Beklagten. Die Betreuungsstelle habe sich eine Art Aufsicht über die Klägerin angemaßt. Diese Aufsicht sei grundsätzlich Aufgabe der Betreuungsgerichte selbst. Selbst wenn es sich nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen gehandelt habe, habe es sich doch um unabgeschlossene Vorgänge gehandelt, die einer rechtlichen Bewertung jedenfalls so lange nicht hätten unterworfen sein dürfen, wie die Klägerin nicht Gelegenheit gehabt habe, dazu Stellung zu nehmen und weitere Unterlagen beizubringen. Dies zeige sich deutlich aus den Kammerbeschlüssen des Landgerichts Lübeck, mit denen auf die Beschwerde der Klägerin die Entlassungen aufgehoben worden seien. Der Klägerin sei nicht ausreichend Gelegenheit gegeben worden, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dazu habe ein rein mündliches Gespräch nicht ausgereicht.

8

Der beklagte Kreis wendet sich gegen das Urteil mit der Berufung. Er ist der Auffassung, dass mit § 7 BtBG eine spezielle Rechtsgrundlage für Mitteilungen der Behörden an die Betreuungsgerichte normiert sei. Danach habe die Behörde ein Mitteilungsrecht. Er werde ein Ermessensspielraum eröffnet. Gewollt sei, dass die Betreuungsbehörde eine starke, eigenverantwortliche Tätigkeit als gleichberechtigter Akteur in der Betreuungslandschaft ausübe. Deshalb bestehe bei möglichen Pflichtverletzungen des Betreuers ein Mitteilungsrecht. Der am 01.01.2023 in Kraft tretende § 9 Abs. 2 BtOG zeige, welchen hohen Stellenwert der Gesetzgeber der Betreuungsbehörde bei der Mitteilung von etwaigen Pflichtverletzungen für ein funktionierendes Betreuungssystem beimesse.

9

Der Beklagte habe auch nicht gegen die Rechtsgrundlage gehandelt. Mit dem Schreiben seien Umstände im Sinne von § 7 BtBG mitgeteilt worden und zwar ausnahmslos wahre Tatsachen. Bei sämtlichen in dem Schreiben aufgeführten möglichen Pflichtverletzungen habe es sich um Verfügungen gehandelt, die über Vermögensbestandteile der Betreuten getroffen worden seien und im Falle ihrer Pflichtwidrigkeit einen nicht unerheblichen Vermögensschaden zur Folge hätten. Aus der Vielzahl möglicher Pflichtverletzungen habe auf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für bereits eingetretene und zukünftige Vermögensschäden geschlossen werden dürfen. Die angestrebte gerichtliche Überprüfung sei geeignet gewesen, diese Gefahr abzuwenden, beispielsweise durch eine Entlassung der Klägerin als Betreuerin. Diese Rolle sei der Betreuungsbehörde gesetzlich zum Schutz der Betroffenen zugewiesen. Sie könne im Einzelfall gerade nicht selbst die Vorwürfe überprüfen, könne aber das Gericht um eine Überprüfung ersuchen. In diesem Rahmen sei der Beklagte befugt gewesen, eine eigene rechtliche Beurteilung vorzunehmen und bestimmte Maßnahmen anzuregen. Dass das in dem Schreiben beanstandete Verhalten in zwei Fällen zur Entlassung der Klägerin durch das Betreuungsgericht geführt habe, belege, selbst wenn sich dies in der Rechtsmittelinstanz als Rechtsverletzung erwiesen habe, dass die rechtliche Bewertung nicht unvertretbar gewesen sei.

10

Eine Pflicht zur Anhörung der Klägerin durch die Betreuungsbehörde habe nicht bestanden. Diese Pflicht ergebe sich gerade nicht aus § 7 Abs. 1 BtBG und auch nicht aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht. Eine Mitteilung nach dieser Norm sei kein Verwaltungsakt. Die Gewährung rechtlichen Gehörs werde durch das betreuungsgerichtliche Verfahren sichergestellt.

11

Der Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erfasse keine bloßen Erwerbsaussichten. Berufsbetreuer hätten keinen Anspruch darauf, von der Betreuungsbehörde vorgeschlagen oder vom Betreuungsgericht bestellt zu werden. Durch die Ausübung der alleinigen Entscheidungskompetenz des Betreuungsgerichts sei der Ursachenzusammenhang zwischen dem Schreiben und den behaupteten Rechtsgutverletzungen unterbrochen.

12

Der Beklagte beantragt,

13

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

16

Die Klägerin verteidigt das Urteil. Sie behauptet, Mitarbeiterinnen des Beklagten seien bestrebt, ihre wirtschaftliche Situation zu zerstören. Es sei zwar das Recht des Beklagten, auf objektiv bestehende Eignungsmängel hinzuweisen. Derartige Umstände hätten aber objektiv nicht vorgelegen.

17

Aufgrund der inzwischen getroffenen rechtskräftigen gerichtlichen Feststellungen seien die Vorwürfe des Beklagten falsch. Es stehe rechtskräftig fest, dass eine erhebliche Gefahr für das Wohl der Betroffenen nicht bestanden habe. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 BtBG hätten deshalb nicht vorgelegen.

18

Die Pflicht des Beklagten zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts setze eine Anhörung der Betroffenen zwingend voraus. Eine solche Aufklärung des Sachverhalts sei aber nicht erfolgt. Wegen der Vielzahl von Einzelvorwürfen, die lange zurücklägen und Detailfragen beträfen, habe der Klägerin eine Stellungnahmefrist eingeräumt werden müssen. Die Anhörung sei zwingend schriftlich zu dokumentieren gewesen. Da es an der Dokumentation fehle, treffe die Behörde die Beweislast, dass der Rechtsverstoß nicht für den Schaden ursächlich geworden sei. Bei pflichtgemäßem Handeln hätte die Behörde erkannt, dass die der Klägerin vorgeworfenen Pflichtverletzungen nur leicht gewesen seien und nichts mit ihrer Ungeeignetheit als Betreuerin zu tun gehabt hätten. Der Beklagte habe das Gegenteil deshalb auch nicht den Gerichten gegenüber erklären dürfen.

19

Maßgebend für den Beklagten seien allein personenbezogene Gründe und die Absicht einer Schädigung der Klägerin gewesen. Da sie - die Klägerin - ausschließlich als Betreuerin tätig sei, sei die Grundlage ihrer beruflichen Tätigkeit betroffen. Es liege ein unmittelbarer Eingriff vor. Da der Klägerin bis zu dem Schreiben der Beklagten seitens der Betreuungsgerichte in großem Umfang seit vielen Jahren Betreuungen zugewiesen worden seien und jetzt nicht mehr, liege der Ursachenzusammenhang zwischen dem Schreiben und dem Schaden auf der Hand. Kein Betreuungsrichter werde ein Risiko eingehen und die Klägerin zur Betreuerin bestellen.

20

Der Senat hat die Akten Verwaltungsgericht Schleswig 6 A 222/20 beigezogen. Dort ist noch keine Entscheidung ergangen.

II.

21

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

22

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG wegen des Schreibens vom 20.02.202. Der Beklagte hat keine gegenüber der Klägerin bestehenden Amtspflichten verletzt, die zu einem Schaden der Klägerin geführt haben.

1.

23

Die Übersendung des Schreibens war nicht amtspflichtwidrig. Der Beklagte durfte das Schreiben übermitteln, ohne gegen die Klägerin schützende Datenschutzregelungen zu verstoßen.

1.1.

24

Nach Art. 5 Abs. 1 b DSGVO müssen personenbezogene Daten für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden. Weiterverarbeitung bedeutet dabei nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch die Übermittlung von Daten. Bei den Daten hinsichtlich der von der Klägerin geführten Betreuungen handelt es sich um personenbezogene Daten auch der Klägerin. Denn dies sind Informationen, die sich auf sie als identifizierte Person beziehen. Es gibt indessen festgelegte Zwecke, die die Übermittlung der Daten erlauben.

25

Grundlage der Übermittlung ist § 7 Abs. 1 BtBG. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde dem Betreuungsgericht Umstände mitteilen, die eine Maßnahme in Betreuungssachen erforderlich machen, soweit dies unter Beachtung berechtigter Interessen des Betroffenen nach den Erkenntnissen der Behörde erforderlich ist, um eine erhebliche Gefahr für das Wohl des Betroffenen abzuwenden. Unter Maßnahmen sollen dabei vor allem Maßnahmen zur Verhinderung von schwerwiegenden Nachteilen für den Betroffenen zu verstehen sein. Dabei kommen Maßnahmen gegen den bestellten Betreuer bei Pflichtverletzung in Betracht. Die Befugnis zur Mitteilung an das Gericht deckt auch Mitteilungen der Behörde ab, wenn sie erhebliche Zweifel an der Eignung eines Betreuers hat, diese Zweifel aus einem oder mehreren Einzelfällen begründet, wenn im Übrigen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 BtBG erfüllt sind (vgl. Kania in Jurguleit, Betreuungsrecht, 4. Aufl. 2018, § 7 BtBG , Rn. 7).

1.2.

26

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BtBG lagen vor, die Rechtsfolge (Mitteilung) war ebenfalls von der Vorschrift gedeckt. Auf der Tatbestandsebene hat die Behörde zu prüfen, ob die Maßnahme nach ihren Erkenntnissen erforderlich ist, um eine Gefahr für das Wohl der Betroffenen abzuwenden. § 7 Abs.1 BtBG eröffnet der Behörde dann Ermessen, sie kann Umstände mitteilen.

27

Dem Beklagten waren Tatsachen aus Betreuungsverfahren bekannt, die Zweifel an der Eignung der Klägerin als Betreuerin und erhebliche Gefahren für das Wohl von Betreuten begründen konnten.

28

Nach Auffassung der Klägerin und auch nach Auffassung des Landgerichts in den jeweiligen Beschwerdeverfahren rechtfertigten die im Schreiben vom 20.02.2020 genannten Umstände zwar nicht die Entlassung der Klägerin als Betreuerin, eine erhebliche Gefahr für das Wohl von Betroffenen, lag nach ihrer Ansicht nicht vor. Diese Prognose zugunsten der Klägerin hat der BGH in dem Rechtsbeschwerdeverfahren XII ZB 317/21 auch nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet.

29

An der Vertretbarkeit der Prognoseentscheidung des Beklagten ändern die Beschlüsse in den die Klägerin betreffenden Beschwerdeverfahren indessen nichts. Diese entlasten die Klägerin nicht, sie bewerten sie nur abweichend. Verfehlungen der Klägerin werden darin lediglich als nicht besonders schwer angesehen, weil es im Ergebnis dadurch zu keinem Schaden für Betroffene gekommen sei, sie zuvor stets Berichte, wenn auch teilweise nach mehrfacher Erinnerung, ordnungsgemäß eingereicht habe und keiner der Vorwürfe zu strafrechtlichen Ermittlungen geführt habe. Auch lasse die Anzahl der dargestellten Unregelmäßigkeiten in insgesamt 9 Betreuungsverfahren angesichts der von der Klägerin bislang geführten mehr als 150 Betreuungen als solche keinen Schluss auf die mangelnde Eignung zu.

30

Gleichwohl war die Auslegung des § 7 BtBG durch den Beklagten, nämlich dass die Umstände eine Mitteilung rechtfertigten, vertretbar. Die Klägerin bestreitet selbst nicht, dass im Schreiben vom 20.02.2020 genannten Vorkommnisse aus 9 Betreuungsverfahren wahr gewesen sind. Sie beruft sich im wesentlichen darauf, dass diese Umstände anders zu werten seien, nicht in ihre Zuständigkeit fielen oder dass andere entlastende Umstände hinzugetreten seien, die eine andere Bewertung rechtfertigen. Das ändert allerdings nichts daran, dass die zugrundeliegenden Tatsachen selbst nicht falsch sind.

31

Der Beklagte durfte diese Umstände vertretbar als so schwerwiegend werten, dass sie Anlass zu der Annahme geben konnten, die Klägerin sei zur Führung der Betreuungen ungeeignet. Aus dem Schreiben vom 20.02.2020 ergibt sich, dass in einer größeren Zahl von Betreuungen Abrechnung nicht erstellt worden sind, Buchungen nicht belegt und Forderungen nicht beglichen wurden. Aus Sicht der Behörde konnte sich daraus die Gefahr ergeben, dass die Betreuten Vermögensschäden erleiden würden. Da die Klägerin - wie sie selbst betont - in einer Vielzahl von Betreuungsverfahren als Betreuerin bestellt war und voraussichtlich weiter bestellt würde, bestand eine erhebliche Gefahr für das Wohl vieler Betroffener.

32

Es war dem Beklagten auch nicht verwehrt, Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Verfahren zu verwerten und den Betreuungsgerichten mitzuteilen. Denn bei der Eignungsprognose sind auch Umstände zu berücksichtigen, die sich nicht aus dem konkreten Betreuungsverfahren ergeben, sondern auch aus Vorgängen im Zusammenhang mit anderen Betreuungen (vgl. BGH, XII ZB 317/21 Beschluss vom 15.09.2021, Rn. 15). Grundlage der Prognoseentscheidung hat eine Abwägung und Wertung möglichst umfangreicher Erkenntnisse aus Vergangenheit und Gegenwart zu sein (vgl. Reh, FamRZ 2022, 53-56).

1.3.

33

Ermessensfehler des Beklagten bei der Entscheidung, ob die Daten übermittelt werden, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat die gesetzlichen Zielvorstellungen (erheblichen Schaden von Betroffenen abzuwenden) beachtet und die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen Gesichtspunkte in die Erwägungen einbezogen. Dass sich der Beklagte ermessensfehlerhaft wegen einer persönlichen Feindschaft eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, vermutet die Klägerin zwar. Gründe hierfür nennt sie aber nicht und bietet hierfür auch keinen Beweis an.

34

In die Abwägung einstellen durfte der Beklagte, dass das Unterlassen von Mitteilungen zu erheblichen Vermögensschäden bei Betreuten und gegebenenfalls Schadensersatzansprüchen gegenüber den Betreuungsbehörden und dem Land führen konnte. Das Interesse, Betreute vor Vermögensschäden zu schützen, überwiegt auch das berechtigte Interesse der Klägerin, ihrem Beruf als Betreuerin nachzugehen. Dies gilt auch deshalb, weil eine abschließende Bewertung und Klärung der Vorwürfe den gerichtlichen Betreuungsverfahren vorbehalten war, die Klägerin unmittelbar durch die Mitteilung keine Betreuungen verlor. Vor diesem Hintergrund war die Mitteilung verhältnismäßig.

2.

35

Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass der Beklagte sie amtspflichtwidrig vor dem Versand des Schreibens vom 20.02.2020 nicht angehört hat. Dabei kann unterstellt werden, dass die Anhörung zu den einzelnen Vorwürfen unterblieben ist. Das Unterlassen ist jedenfalls nicht ursächlich für den Schaden geworden.

36

Für eine Anhörungspflicht spricht einiges. Nach § 87 LVwG SH sind vor Erlass belastender Verwaltungsakte Beteiligte anzuhören. Der Beklagte hat zwar nicht durch Verwaltungsakt gehandelt. Die Rechtspflicht zur Anhörung gilt indessen auch für andere Einzelmaßnahmen mit unmittelbarer Außenwirkung. Insoweit ist § 28 VwVfG (gleichlautend: § 87 LVwG SH) als Ausdruck rechtsstaatlichen Verfahrens und zugleich eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes jedenfalls dann entsprechend anwendbar, wenn eine dem Verwaltungsakt entsprechende Entscheidungssituation besteht, die beabsichtigte Maßnahme wie ein Verwaltungsakt unmittelbar in Grundrechtspositionen eines Rechtssubjekts einzugreifen droht und vergleichbare Wirkungen hätte, sofern spezielle Rechtsvorschriften fehlen. Liegen diese Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung des § 28 VwVfG nicht vor, kann ein Anspruch auf Verfahrensteilhabe auch unmittelbar aus Verfassungsrecht bestehen, etwa bei staatlichem Informationshandeln (Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 28 Rn. 25).

37

Gegen das Erfordernis der Anhörung ließe sich zwar argumentieren, dass der erst am 01.01.2023 in Kraft tretende § 9 Abs. 2 BtOG ausdrücklich keine Anhörung, wohl aber eine gleichzeitige Unterrichtung des Betreuers von einer Information der Behörde an das Gericht anordnet. Dies spricht dafür, dass jedenfalls nach neuem Recht eine vorherige Anhörung nicht geboten ist, da es sonst nahe gelegen hätte, diese mit der - neu kodifizierten - Informationspflicht in die Vorschrift aufzunehmen.

38

Da das Schreiben des Beklagten unmittelbare Außenwirkung hatte und für die Klägerin auch erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben konnte, spricht indessen alles dafür, dass jedenfalls nach dem Rechtsstand 2020 eine Anhörung geboten war.

39

Es steht aber nicht fest, dass das Unterlassen der Anhörung den klägerischen Schaden verursacht hat. Hat die Behörde eine Ermessensentscheidung zu treffen, ist die Kausalität einer Amtspflichtverletzung für einen Schaden nur dann gegeben, wenn feststeht, dass die Behörde bei fehlerfreier Ausübung des Ermessens zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (vgl. Itzel/Schwall Praxishandbuch des Amts-, Staatshaftungs- und Entschädigungsrechts, 3. Auflage Rn. 163; BGH, III ZR 37/81 und III ZR 198/84). Es liegt nahe, dass der Beklagte auch bei detaillierter Anhörung der Klägerin die Umstände als so schwerwiegend bewertet hätte, dass er darüber die Gerichte informieren durfte. Aus den oben genannten Gründen war die Rechtsauffassung des Beklagten, dass die Voraussetzungen des § 7 BtBG vorlagen, zumindest vertretbar.

40

Dass auch nach einer weiter gehenden Anhörung eine inhaltsgleiche Entscheidung ergangen wäre, ergibt sich zudem daraus, dass der Beklagte im Beschwerdeverfahren 7 T 49/21 und Rechtsbeschwerdeverfahren XII ZB 317/21 den Standpunkt vertreten hat, die Klägerin sei ungeeignet im Sinne des § 1897 Abs. 1 BGB. Im Verlauf dieser Verfahren ist die Klägerin umfassend angehört worden, der Beklagte ist gleichwohl bei seinem vertretbaren Rechtsstandpunkt geblieben. Es gibt deshalb keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte im Verwaltungsverfahren von diesem Rechtsstandpunkt abgewichen wäre.

41

Für die von der Klägerin angeführte Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität ist unter diesen Umständen kein Raum.

3.

42

Anders als das Landgericht gemeint hat, kann der Amtshaftungsanspruch auch nicht darauf gestützt werden, dass die Mitteilung das Recht der Klägerin am Gewerbebetrieb verletze. Wie oben ausgeführt, war die Mitteilung nicht widerrechtlich, sondern durch eine gesetzliche Grundlage, nämlich § 7 BtBG gedeckt.

4.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

44

Hinsichtlich des Wertes hat sich der Senat an der von den Parteien nicht beanstandeten erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung orientiert.

5.

45

Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze beider Parteien boten keinen Anlass, wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten. Die Frage der Ursächlichkeit eines möglichen Fehlers bei der Anhörung für den der Klägerin entstandenen Schaden ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Die hierauf von der Klägerin vorgebrachten Argumente ändern aus den unter Nr. 2 genannten Gründen nichts daran, dass der Senat die Ursächlichkeit nicht feststellen kann.


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