Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 5 W 310/06 - 92

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 27.10.2006, 12 O 274/06, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin beabsichtigt, die Antragsgegnerin auf Zahlung von Versicherungsleistungen aus einem von dem am 26.12.2005 verstorbenen Ehemann der Antragstellerin (im Folgenden: Versicherungsnehmer) abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag in Anspruch zu nehmen.

Der Versicherungsnehmer stellte mit einem unter dem Datum vom 30.12.2004 unterschriebenen Formular der Antragsgegnerin den Antrag auf Abschluss einer Risikolebensversicherung über eine Versicherungssumme von 200.000 EUR. Die unter der Rubrik "Gesundheitserklärung der zu versichernden Person" gestellten Gesundheitsfragen wurden von ihm sämtlich verneint und als Arzt, der am besten über seine Gesundheitsverhältnisse unterrichtet ist, Dr. V. in Kiel benannt (Bl. 26 ff d.A.). Da noch Fragen nach Vertragsdauer und Zahlweise im Antrag offen geblieben waren, wurde dem Versicherungsnehmer eine Antragskopie zwecks Vervollständigung zurückgeschickt, die dann ausgefüllt am 3.3.2005 bei der Antragsgegnerin einging. Dem Antrag beigefügt war, worauf im Antrag über der Unterschriftenzeile in Fettdruck ausdrücklich hingewiesen worden war, eine "Schlusserklärung des Versicherungsnehmers und der zu versichernden Person", in der es unter anderem heißt:

"Mit diesem Antrag gewähren wir vorläufigen Versicherungsschutz gemäß den hierfür geltenden Bedingungen..."

"Mir ist bekannt, dass ich die in diesem Antrag gestellten Fragen nach bestem Wissen und vollständig beantworten und auch von mir für unwesentlich gehaltene Erkrankungen, Störungen und Beschwerden angeben muss. Jede bis zur Annahme des Antrags noch eintretende oder bekannt werdende nicht unerhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der zu versichernden Person werde ich unverzüglich der C. schriftlich anzeigen. Ich weiß, dass die C. bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten vom Vertrag zurücktreten bzw. die Leistung verweigern kann. ..."

(Bl. 28 d.A.).

Nach Eingang des vollständigen Antrags veranlasste die Antragsgegnerin im Hinblick auf das Lebensalter des am 16.10.1939 geborenen Versicherungsnehmers einen ärztlichen Bericht seines Hausarztes, Dr. V., den dieser unter dem 5.4.2005 verfasste und der am 18.4.2005 bei der Beklagten einging (Bl. 20, 21 d.A.). Die dortigen Angaben waren insgesamt unbedenklich.

Nachdem die Antragsgegnerin den Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 5.1.2005 im Hinblick auf eine auf einem erhöhten Eingang von Anträgen beruhende verlängerte Bearbeitungszeit nochmals auf den vorläufigen Versicherungsschutz hingewiesen hatte, policierte sie am 21.5.2005 den Vertrag, in dem als Bezugsberechtigte für den Todesfall die Antragstellerin ausgewiesen ist (Bl. 5 ff d.A.).

Wegen einer seit Monaten bestehenden unklaren Gewichtsabnahme sowie Störungen des Geschmacksempfindens suchte der Versicherungsnehmer im April 2005 Dr. K. auf. Dieser veranlasste am 11.4.2005 ein MRT des Gehirns, das zu dem Verdacht eines Astrozytoms führte (Bl. 22 d.A.). Eine daraufhin angeordnete stationäre Untersuchung im Universitätsklinikum in Kiel in der Zeit vom 27.4.-29.4.2005 bestätigte den Verdacht auf Gliomatosis cerebri(Bl. 23, 24 d.A.). Die daraufhin im Rahmen eines weiteren stationären Aufenthalts in der Zeit vom 2.5.-6.5.2005 durchgeführte Biopsie ergab der Befund eines diffusen Astrozytoms WHO Grad II im Sinne einer Gliomatosis cerebri (Bl. 25, 25 RS d.A.).

Am 26.12.2005 verstarb der Versicherungsnehmer an dem Gehirntumor. Nachdem die Antragstellerin der Antragsgegnerin hiervon Mitteilung gemacht hatte, übersandte diese der Antragstellerin am 9.1.2006 einen Fragenkatalog für die Durchführung der Leistungsprüfung. Zugleich holte sie einen ärztlichen Bericht des Dr. K. ein, der den Versicherungsnehmer seit 1996 ebenfalls ärztlich behandelt und seinen Tod festgestellt hatte. Dessen Bericht ging am 6.2.2006 bei der Antragsgegnerin ein (Bl. 29 ff d.A.). Zu der Frage des zeitlichen Beginns der zum Tode führenden Erkrankung ist ausgeführt "Diagnostik MRT-Hirn 11.4.2005".

Mit Schreiben vom 15.2.2006 erklärte die Antragsgegnerin wegen Verletzung der Verpflichtung des Versicherungsnehmers, die nach Antragstellung eingetretene erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes mitzuteilen, den Rücktritt und lehnte Leistungen ab (Bl. 9 ff d.A.).

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass der Versicherungsnehmer mangels Kenntnis von seiner Erkrankung bei Antragstellung keine Fragen falsch beantwortet habe, so dass die Voraussetzungen eines Rücktritts nicht vorlägen. Hierauf könne sich die Antragsgegnerin aber auch deshalb nicht stützen, weil sie die Frist für die Erklärung des Rücktritts im Hinblick darauf, dass sie bereits am 9.1.2006 Kenntnis von allen Umständen, die zu der Erkrankung des Versicherungsnehmers geführt hätten, gekannt habe.

Die Antragstellerin hat demgegenüber auf die Verletzung der Nachmeldeobliegenheit sowie darauf verwiesen, erst mit dem Bericht des Dr. K. Kenntnis von der Anzeigepflichtverletzung erlangt zu haben.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 34 ff d.A.) den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Verletzung der dem Versicherungsnehmer obliegenden Nachmeldepflicht, auf die ausdrücklich hingewiesen worden sei und die der Versicherungsnehmer jedenfalls dadurch verletzt habe, dass er die im April 2005 gestellte Diagnose nicht mitgeteilt habe, zum Rücktritt berechtigt gewesen sei; insoweit könne auch nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin die Frist für die Erklärung des Rücktritts versäumt habe.

Gegen den ihr am 2.11.2006 zugestellten Beschluss vom 27.10.2006 (Bl. 40 d.A.) hat die Antragstellerin mit bei Gericht am 16.11.2006 eingegangenem Faxschreiben Beschwerde eingelegt (Bl. 39 d.A.). Eine Begründung erfolgte trotz mehrfacher Ankündigungen nicht.

Mit Beschluss vom 22.12.2006 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde bereits wegen Fehlens einer Begründung zurückgewiesen und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit einem am 12.1.2007 eingegangenem Faxschreiben -angekündigt war eine Begründung bis längstens 6.1.2007 (Bl. 46 d.A.) - verweist die Antragstellerin darauf, dass die Tochter des Versicherungsnehmers die Antragsgegnerin bereits vor dem 9.1.2006, nämlich direkt nach Sylvester, telefonisch vom Tod des Versicherungsnehmers in Folge einer Krebserkrankung unterrichtet habe. Weiterhin vertritt sie die Auffassung, dass ihr im Hinblick auf den vorläufigen Versicherungsschutz Versicherungsleistungen zustünden. Letztlich macht sie geltend, dass der Versicherungsnehmer erst im Mai von seiner Krebserkrankung erfahren habe, und zwar erst wenige Tage vor dem 21.5.2005, so dass dieser gar nicht in der Lage gewesen sei, seiner Nachmeldepflicht nachzukommen. Gründe, warum der Vertrag nach Eingang des Berichtes des Dr. V. erst nach Wochen policiert worden sei, seien auch nicht ersichtlich. Von einer schuldhaften Pflichtverletzung könne nicht ansatzweise die Rede sein.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 127 Abs. 3, 567, 569, 571 ZPO).

In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen, unter denen einer Partei Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens zu bewilligen ist, nicht vorliegen.

Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dass das beabsichtigte Klageverfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann im Streitfall nicht festgestellt werden.

Auf der Grundlage des sich im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde darstellenden Sach- und Streitstandes ist nämlich davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin wirksam den Rücktritt vom Versicherungsvertrag erklärt hat.

a. Zum einen ist der am 15.2.2006 erklärte Rücktritt vom Versicherungsvertrag nicht verfristet.

Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt ist die Einhaltung der Erklärungsfrist gemäß § 20 Abs. 1 VVG. Nach dieser Vorschrift kann der Rücktritt nur innerhalb eines Monats erfolgen (Satz 1) und beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in welchem der Versicherer Kenntnis von der Verletzung der Anzeigepflicht erlangt (Satz 2).

Selbst wenn die Tochter des Versicherungsnehmers unmittelbar nach Sylvester die Antragsgegnerin davon unterrichtet haben sollte, dass ihr Vater in Folge eines Krebsleidens verstorben ist, und selbst wenn sie in diesem Zusammenhang, was der Beschwerdebegründung nicht eindeutig zu entnehmen ist, darauf hingewiesen haben sollte, dass die Krebserkrankung seit April/Mai 2005 bestand, gab dies der Antragsgegnerin nicht die Veranlassung, den Rücktritt vom Versicherungsvertrag bereits zu diesem Zeitpunkt auszusprechen.

Erforderlich ist nämlich die sichere und zuverlässige Kenntnis des Versicherers, dass der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht verletzt hat. Der Versicherer ist nicht gehalten, einen Rücktritt "auf Verdacht" auszusprechen. Er darf sich deshalb zunächst davon vergewissern, ob dem Versicherungsnehmer angelastet werden kann, erfragte, ihm bei Antragstellung bekannte oder vor Vertragsabschluss bekannt gewordene Gefahrumstände nicht oder nicht zutreffend angegeben zu haben. Gerade die Prüfung, ob dem Versicherungsnehmer die betreffenden Gefahrumstände tatsächlich bekannt waren, wird häufig nur durch Rückfragen bei den Ärzten, die ihn behandelt haben, ermöglicht. Hierfür ist dem Versicherer angemessene Zeit zu lassen (BGH, Urt. v. 28.11.1990, IV ZR 219/89, VersR 1991, S. 170 ff; OLG Hamm, RuS 1990, S. 37 ff; Römer/Langheid, aaO, § 20, Rdnr. 1, m.z.w.N.).

Unter Berücksichtigung dessen ist die telefonische Mitteilung, die überdies präzisierende Angaben zu Beginn, Art und Umfang in Bezug auf die Erkrankung nicht enthält, insgesamt nicht geeignet, eine die Frist des § 20 Abs. 1 VVG auslösende Kenntnis der Beklagten zu begründen. Die Beklagte war deshalb nicht verpflichtet, gleichsam auf Verdacht den Rücktritt auszusprechen, sondern sie durfte weitere Nachforschungen anstellen, was sie auch, wie der Eingang des ärztlichen Berichtes des Dr. K. zeigt, getan hat.

Soweit die Antragsgegnerin nach Eingang des ärztlichen Berichtes des Dr. K. am 6.2.2006 mit Schreiben vom 15.2.2006, bei den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin eingegangen am 21.2.2006, den Rücktritt erklärt hat, ist die Frist unzweifelhaft gewahrt.

b. Der Rücktritt ist auch gemäß §§ 16, 17 VVG gerechtfertigt.

Gemäß § 16 Abs. 2 VVG kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss einen nach § 16 Abs. 1 VVG anzeigepflichtigen Umstand verschwiegen hat. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages "alle ihm bekannten Umstände", die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben, anzuzeigen. Die Anzeigeobliegenheit setzt eine positive Kenntnis des Versicherungsnehmers von den gefahrerheblichen und erfragten Umständen voraus. Sie kann sich aus Angaben der ihn zuvor behandelnden Ärzte ergeben. Aber auch ohne Vorliegen einer ärztlichen Einschätzung oder Diagnose ist der Antragsteller gehalten, symptomatische Beschwerden zu offenbaren, und zwar auch dann, wenn er sich deswegen (noch) nicht in ärztliche Behandlung begeben hat bzw. den symptomatischen Beschwerden keinen Krankheitswert beimisst, weil auch insoweit die Bewertung und Beurteilung dem Versicherer überlassen sein muss. Diese weit gefasste Pflicht zur Offenbarung findet ihre Grenze erst bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen (vgl. BGH, VersR 1994, S. 711 ff).

Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Anzeige entfällt auch nicht dadurch, dass erst nach Antragstellung gefahrerhebliche und damit offenbarungspflichtige Umstände bekannt geworden sind. Denn die Anzeigepflicht besteht bis zur Schließung des Vertrages, also in der Regel bis zur Annahme des Antrages durch den Versicherer (BGH, Urt. v. 21.3.1990, IV ZR 39/89, NJW 1990, 1851; vgl. auch Langheid in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., §§ 16, 17, Rdnr. 31, m.w.N.). Da allerdings nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass diese sog. "Nachmeldeobliegenheit" einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres bekannt ist, ist in aller Regel Voraussetzung der auf ihre Verletzung gestützten Rechte des Versicherers, dass er bei Aufnahme des Antrages ausdrücklich über sie belehrt worden ist – wie dies im Streitfall unzweifelhaft erfolgt ist- oder es sich jedenfalls um erhebliche Verschlechterungen seines gesundheitlichen Zustandes handelt, deren Bedeutung für den Versicherer sich ihm aufdrängen muss (vgl. hierzu auch Langheid, aaO, Rdnr. 34, m.w.N.; BGH, Urt. v. 20.4.1994, IV ZR 70/93, VersR 1994, 799; OLG Bamberg, OLGR 2003, 213).

Allerdings bezieht sich die Anzeigeobliegenheit zwischen Vertragsantrag und Annahme nicht auf einen bloßen Krankheitsverdacht. Einem Versicherer, der nur noch über nicht unerhebliche Verschlechterungen der Gesundheit zwischen Antrag und Angebotsannahme unterrichtet zu werden wünscht, sind deshalb nur gesicherte Erkrankungen von einigem Gewicht, also regelwidrige Gesundheitszustände mit gewissem Krankheitswert, mitzuteilen, die dem Versicherungsnehmer positiv bekannt sind. Deshalb kann sogar eine grob fahrlässige, nämlich auf einem Unterlassen sich aufdrängender Erkundigungen beruhende Unkenntnis davon, dass es vor Vertragsschluss noch zu einer Erkrankung von einigem Gewicht gekommen ist, nicht zu einem Rücktrittsrecht des Versicherers führen (BGH, Urt. v. 27.6.1984, Iva ZR 1/83, VersR 1984, 884; BGH, Urt. v. 20.4.1994, IV ZR 70/93, VersR 1994, 799).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Versicherungsnehmer seiner Anzeigepflicht in mehrfacher Hinsicht nicht genügt.

Zum einen war er gehalten, den bereits seit September 2004 und somit noch vor Antragstellung eintretenden unerklärlich starken Gewichtsverlust, einhergehend mit seit Mai/Juni 2004 auftretenden Störungen des Geschmacksempfindens sowie körperlicher Leistungsminderung, zu offenbaren (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt, RuS 1997, 172). Denn insoweit handelt es sich um Störungen im Sinne der Gesundheitsfrage Ziffer 7 ("Litten Sie in den letzten 5 Jahren oder leiden Sie an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden ...."Bl. 27 d.A.). Der Versicherungsnehmer hat die Gesundheitsfrage verneint und damit objektiv falsch beantwortet. Er hatte auch Kenntnis von diesen gesundheitlichen Störungen, was sich aus der Anamnese des ärztlichen Berichtes der Universitätsklinik Schleswig Holstein, Kiel, vom 4.5.2005 zweifellos ergibt (Bl. 23 d.A.). Dass der Versicherungsnehmer die Störungen unter Umständen für unerheblich gehalten hat und ihnen kein besonderes Gewicht beigemessen hat, ist ohne Belang. Mangels eigener medizinischer Kenntnisse ist ein Versicherungsnehmer regelmäßig nicht in der Lage, die Gefahrerheblichkeit körperlicher Beschwerden oder (ungeklärter) Störungen zu beurteilen. Daher hat er die im Antrag gestellten Fragen nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden (insbesondere der im Klammerzusatz beispielhaft genannten Art) für den erfragten Zeitraum erschöpfend zu beantworten. Er darf sich bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken, noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen. Deshalb muss er auch solche Unregelmäßigkeiten im Gesundheitszustand bzw. Gesundheitsbeeinträchtigungen angeben, die er selbst als nicht bedeutsam empfindet. Dies gilt auch, wenn er glaubt, den auftretenden Beschwerden komme kein eigentlicher Krankheitswert zu. Denn die Bewertung und Beurteilung kommt allein dem Versicherer zu. Soweit die Offenbarungspflicht ihre Grenze dort findet, wo es sich um offensichtlich belangslose bzw. alsbald vergehende Unregelmäßigkeiten des Gesundheitszustandes handelt, liegt ein solcher Fall unzweifelhaft nicht vor. Im Hinblick auf das Ausmaß sowie die Dauer der Störungen konnte der Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen, dass es sich um eine „Bagatelle" handelte.

Zum anderen war er zu einer Nachmeldung der Krebserkrankung, die auf Grund einer während des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 2.5.-6.5.2005 durchgeführten Biopsie endgültig festgestellt worden war, verpflichtet. Soweit bereits am 11.4.2005 und während des stationären Aufenthaltes vom 27.4.-29.4.2005 der Verdacht auf einen Hirntumor (Gliomatosis cerebri) bestand, war dieser Umstand allein nicht geeignet, die Nachmeldeobliegenheit auszulösen, weil nach den Bedingungen der Antragsgegnerin, die eine Mitteilung einer nicht unerheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes verlangen, nur eine gesicherte Erkrankung die Nachmeldepflicht auslöst (s.o.). Die durchgeführten Untersuchungen boten auch noch nicht ohne weiteres eine tragfähige Grundlage für eine abschließende Krankheitsdiagnose. Dass es sich bei dem festgestellten diffusen Astrozytoms WHO Grad II im Sinne einer Gliomatosis cerebri um eine nicht unerhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherungsnehmers handelt, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Vertiefung. Dieser Befund ist dem Versicherungsnehmer unstreitig auch noch vor Vertragsannahme in einem Aufklärungsgespräch mitgeteilt worden.

In diesem Zusammenhang vermag sich die Antragstellerin auch nicht darauf zu stützen, dass selbst im Falle der Beachtung der Nachmeldeobliegenheit der Vertrag policiert worden wäre. Zwar kann anerkanntermaßen ein Unterlassen der gebotenen Anzeige nur dann zu einem Rücktrittsrecht des Versicherers führen, wenn sich die unverzügliche Anzeige auf die Entscheidung des Versicherers noch ausgewirkt hätte, ihm also so zeitig zugegangen wäre, dass ihm genügend Zeit geblieben wäre, um von einer Vertragsannahme abzusehen oder sie zumindest gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 BGB zu widerrufen (BGH, Urt. v. 28.11.1990, IV ZR 219/89, VersR 1991, 171; BGH, Urt. v. 27.6.1984, IVa ZR 1/83, aaO). Dass vorliegend eine unverzüglich abgesandte Anzeige des Versicherungsnehmers, der gehalten war, seiner Obliegenheit so lange nachzukommen, wie ihm der Versicherungsschein noch nicht zugegangen war, den Entschluss des Versicherers, den Antrag anzunehmen, aus Zeitgründen nicht mehr hätte beeinflussen können, ist indes nicht ersichtlich. Selbst wenn, wie die Antragstellerin behauptet, dem Versicherungsnehmer die „Krebsdiagnose" nur wenige Tage vor Annahme des Antrages bekannt geworden sein sollte -ein entsprechendes Aufklärungsgespräch hat offensichtlich am 12.5.2005 stattgefunden (Bl. 25 RS d.A.)- , so ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen eine sodann erfolgte unverzügliche Mitteilung, zu der der Versicherungsnehmer verpflichtet war (BGH, aaO), den Vertragsabschluss nicht mehr hätte beeinflussen und die Antragsgegnerin hiervon nicht mehr hätte Abstand nehmen lassen können.

Aus dem Umstand, dass der von der Antragsgegnerin angeforderte ärztliche Bericht des Dr. V. bei dieser am 18.4.2005 eingegangen und der Antrag sodann "erst" unter dem 21.5.2005 angenommen worden ist, vermag die Antragstellerin ebenfalls nichts für sich herzuleiten. Zum einen hat die Antragsgegnerin bereits in ihrem Schreiben vom 5.1.2005 nicht nur darauf hingewiesen, dass ein zu verzeichnender erhöhter Antragseingang zu einer Verlängerung der Bearbeitungszeit führen könne, sondern in diesem Zusammenhang (erneut) auf das Bestehen eines vorläufigen Versicherungsschutzes. Zum anderen ist ohne Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte nicht ersichtlich, inwiefern eine Policierung rund vier Wochen nach Eingang des ärztlichen Berichtes eine verzögerliche - und für die Nachmeldeobliegenheit Folgen auslösende - Bearbeitung begründen soll.

c. Auch der von der Antragsgegnerin mit Antragstellung gewährte vorläufige Versicherungsschutz führt nicht zu einem Leistungsanspruch der Antragstellerin. Dieser vorläufige Versicherungsschutz hat mit der Vertragsannahme geendet. Denn der vorläufige Versicherungsschutz, der als Zeitvertrag besonderer Art einen von dem Hauptvertrag rechtlich selbständigen Vertrag darstellt, endet entsprechend dem Vertragszweck, wenn der materielle Versicherungsschutz aus der Hauptversicherung beginnt oder der Antrag darauf abgelehnt wird oder sich aus sonstigen Gründen erledigt (vgl. Kollhosser in Prölss/Martin, aaO, vor § 159, Rdnr. 37, 39, m.w.N.; Schwintowski in: Berliner Kommentar zum VVG, 1998, § 5 a, Rdnr. 87 ff, 111 m.w.N.). Dass der Hauptvertrag mit der Vertragsannahme am 21.5.2005 zustande gekommen war, steht außer Streit. Damit hat auch der vorläufige Versicherungsschutz geendet.

Der vorläufige Versicherungsschutz ist durch den erklärten Rücktritt, der auf eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit - § 16 VVG- gestützt worden ist, auch nicht wieder aufgelebt. Da der auf vorläufigen Versicherungsschutz gerichtete Vertrag mit dem Beginn des materiellen Versicherungsschutzes aus dem Hauptvertrag seine Beendigung gefunden hat, existiert ein Vertragsverhältnis, aus dem die Antragstellerin ihr Leistungsbegehren herleiten könnte, nicht mehr.

Von daher hat das beabsichtigte Klageverfahren insgesamt keinen Erfolg und ist die sofortige Beschwere der Antragstellerin zurückzuweisen.

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