Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 6 W 59/03

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 12.08.2003 (24 O 221/03) wird

zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
Der durch Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt vom 18.07.2002 im Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... AG zum Insolvenzverwalter bestellte Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 12.08.2003, durch den sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die auf die Insolvenzanfechtung gestützte Klage zurückgewiesen wurde.
1.
Die (spätere) Schuldnerin hatte im Jahr 2001 die Beklagte Ziffer 1 beauftragt, ein Softwareprodukt zum Preis von 139.923,84 EUR zu entwickeln und fertig zu stellen. Der Beklagte Ziffer 2 ist Gesellschafter der Beklagten Ziffer 1 und außerdem Gesellschafter und Geschäftsführer einer ... GmbH. Auftraggeberin der Schuldnerin war die ... AG. Die Schuldnerin sollte je nach Projektfortschritt Zahlungen an die Beklagte Ziffer 1 erbringen. Nach der Vereinbarung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten Ziffer 1 vom 22./27.06.2001 (Bl. 57/59) sollte die Beklagte Ziffer 1 erst nach vollständiger Begleichung ihrer Forderung zur Auslieferung der Software an die ... AG verpflichtet sein. Am 10.01.2002 befand sich die Schuldnerin mit Zahlungen in Höhe von 101.788,84 EUR in Verzug. Die Schuldnerin und die Beklagte Ziffer 1 unterzeichneten am 10./17.01.2002 eine schriftliche Vereinbarung (Anlage K 3, Bl. 17/18), wonach sich die Beklagte Ziffer 1 vorab zu einer Auslieferung der fertig gestellten Software an die ... AG bereit erklärt, wenn die Schuldnerin die an sie geleistete Restzahlung der ... AG in Höhe von 60.375,10 EUR unverzüglich an die Beklagte Ziffer 1 weiterleitet. Diese Auslieferung an die ... AG sollte im Verhältnis der Schuldnerin zur Beklagten Ziffer 1 nicht als Erfüllung gelten; vielmehr sollte in diesem Verhältnis die Erfüllung erst eintreten, wenn die Zahlungsforderungen der Beklagten Ziffer 1 in Höhe von 139.923,84 EUR erfüllt sind. Die ... AG übersandte am 19.04.2002 an die Schuldnerin auf deren Schlussrechnung vom 21.12.2001 (Bl. 44) einen Verrechnungsscheck über 52.200,00 EUR (Bl. 45), den die Schuldnerin an die Beklagte Ziffer 1 weiterleitete, die den Scheck anschließend einlöste. Die Schuldnerin und die ... AG vereinbarten, dass damit alle vertraglichen Zahlungsansprüche erledigt sind, die ursprünglich vorgesehenen Wartungsleistungen sollten entfallen (Vereinbarung vom 19.04.2001, Bl. 46). Am 31.05.2002 stellte der Vorstand der Schuldnerin Insolvenzantrag (Anlage K 2, Bl. 16), nachdem einige Arbeitnehmer wegen Gehaltsrückständen zum Teil ab November 2001 bereits am 14.05.2002 Insolvenzantrag gestellt hatten (Anlage B 1, Bl. 36 ff.), das Insolvenzverfahren wurde am 18.07.2002 (Anlage K 1, Bl. 15) eröffnet.
Bereits am 27.07.2001 hatte die Schuldnerin eine schriftliche Verpflichtungserklärung (Anlage B 2, Bl. 47) mit folgendem Inhalt abgegeben:
"Hiermit verpflichtet sich die ... AG, Vorstand Herr ..., gegenüber der ... GmbH, GF Dr. ..., den, der ... noch zustehenden Restbetrag, aus dem Vertrag, vom 03.04.2001, mit der ... AG, bezüglich der Anpassung und Installation von ..., an die ... GmbH, Herrn Dr. ..., weiterzuleiten. Die Restforderung beläuft sich auf insgesamt 115.055 EUR; ... Der/die Verrechnungsscheck(s) wird/werden nach Girierung durch Herrn ..., unverzüglich als a conto Zahlung, primär zum Ausgleich für geleistete Entwicklungsarbeit im Rahmen des ... Projektes, an die ... GmbH weitergeleitet ..."
Es ist streitig, ob in dieser Verpflichtungserklärung die ... GmbH irrtümlich als Gläubigerin aufgeführt ist. Die Beklagten behaupten unter Beweisantritt, dass insoweit eine irrtümliche Falschbezeichnung vorliege; entsprechend der Vertragslage seien die Schecks an die Beklagte Ziffer 1 weiterzuleiten gewesen, in der Folgezeit seien am 28.09.2001 und am 24.10.2001 Zahlungen in Höhe von 20.735,00 EUR und in Höhe von 17.400,00 EUR abgewickelt worden.
2.
In der Sache ist die zulässige sofortige Beschwerde (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) zurückzuweisen, da das Landgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass nach dem bisherigen Sachstand unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers keine Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Insolvenzverwalters besteht (§ 114 ZPO). Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 InsO nicht vorliege und im Rahmen von § 133 InsO eine Kenntnis der Beklagten von einer Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin nicht hinreichend substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen sei.
a) Im Ausgangspunkt ist der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, die gesetzlichen Bestimmungen, auf die die Anfechtung gestützt wird, anzugeben, es genügt ein Vortrag zu der anzufechtenden Rechtshandlung und dem Sachverhalt, aus dem die Anfechtung hergeleitet werden soll; ergeben die vorgebrachten Tatsachen, dass die Anfechtung nach mehreren Gesetzesvorschriften begründet sein kann, ist anzunehmen, dass der Insolvenzverwalter die Anfechtung auf alle denkbaren Tatbestände stützen will (BGH NJW 1993, 3267 = BGHZ 123, 320). Im vorliegenden Fall kommt eine Anfechtung nach § 131 InsO wegen inkongruenter Deckung, möglicherweise auch nach § 133 InsO wegen vorsätzlicher Benachteiligung oder nach § 130 InsO bei kongruenter Deckung in Betracht, außerdem müssten hinreichende Anhaltspunkte für eine zumindest mittelbare Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 129 InsO bestehen. Die Voraussetzungen der genannten Anfechtungstatbestände sind auch unter Berücksichtigung des im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen großzügigen Maßstabs nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben, außerdem ist eine Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) zweifelhaft.
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt nach bisherigem Sachstand keine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO vor. Die Weitergabe eines Kundenschecks stellt sich zwar (anders als die verkehrsübliche Zahlung mit einem Scheck des Gemeinschuldners) im Allgemeinen als inkongruente Deckung dar (BGH NJW 1993, 3267, 3268 = BGHZ 123, 320; Münchener Kommentar-Kirchhof § 131 InsO Rn. 35), gleiches gilt für eine Direktzahlung des Auftraggebers eines Bauvertrags nach § 16 Nr. 6 VOB/B, da sie vom üblichen Zahlungsweg abweicht (BGH ZInsO 2002, 766; BGH WM 2003, 398). An sich wurde der Scheck am 19.04.2002 und damit innerhalb eines Monats vor dem zuerst am 14.05.2002 eingegangenen Insolvenzantrag (§ 139 Abs. 2 InsO) der Arbeitnehmer der Schuldnerin weitergeleitet wurde (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO), so dass es auf die grundsätzlich vom Insolvenzverwalter zu beweisenden (vgl. dazu Münchener Kommentar-Kirchhof § 131 InsO Rn. 57) weiteren Voraussetzungen von § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht ankäme. Die in § 142 InsO geregelte Ausnahme für Bargeschäfte gilt nicht für Fälle der inkongruenten Deckung, da der Wortlaut dieser Bestimmung (Leistung des Schuldners, "für die" unmittelbar eine gleichwertige Leistung in sein Vermögen gelangt) voraussetzt, dass Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft und damit kongruent sind (vgl. Gerhardt-Kreft, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 8. Aufl. 2003, Rn. 370 ff. unter Hinweis auf die zur KO ergangene Rechtsprechung des BGH, z. B. BGH NJW 1993, 3267, 3268 = BGHZ 123, 320; Münchener Kommentar-Kirchhof § 142 InsO Rn. 7). Die Inkongruenz ist vom Insolvenzverwalter zu beweisen, wobei genügt, dass die Behauptung des Anfechtungsgegners, auf den dieser seinen Deckungsanspruch stützt, widerlegt wird (Münchener Kommentar-Kirchhof § 131 InsO Rn. 59).
Im vorliegenden Fall bestand jedoch spätestens aufgrund der unstreitigen Vereinbarung vom 10./17.01.2002 zwischen der späteren Schuldnerin und der Beklagten Ziffer 1 ein kongruenter Anspruch der Beklagten Ziffer 1 auf Weiterleitung des Kundenschecks, auf die streitige Vereinbarung vom 27.07.2001 kommt es in diesem Kontext gar nicht mehr entscheidend an. Selbst wenn ein ursprünglich vereinbarter Leistungsinhalt nachträglich geändert worden sein sollte, wäre dies unstreitig vor dem durch den (am 14.05.2002 eingegangen) Insolvenzantrag der Arbeitnehmer zu bestimmenden (§ 139 Abs. 1 und Abs. 2 InsO) Dreimonatszeitraum (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO) geschehen mit der Folge, dass nunmehr eine kongruente Deckung vorliegt und eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO ausscheidet, es kann stattdessen lediglich eine Anfechtung der abändernden Vereinbarung nach § 133 InsO in Betracht kommen (BGH NJW 1993, 3267, 3268 = BGHZ 123, 320; Münchener Kommentar-Kirchhof § 131 InsO Rn. 10).
10 
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem derzeitigen Sachstand sogar viel dafür spricht, dass bereits aufgrund der Vereinbarung vom 27.07.2001 vorgesehen war, dass Schecks der ... AG an die Beklagte Ziffer 1 weitergeleitet werden sollten. Die Beklagten haben Beweis dafür angetreten, dass die ... GmbH dort irrtümlich als Gläubigerin aufgeführt wurde. Es kann dahinstehen, ob der Kläger, wie vom Landgericht betont, sich angesichts seines Auskunftsanspruchs aus § 97 InsO auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken durfte. Jedenfalls wurde der weitergehende Vortrag der Beklagten, dass in der Folgezeit am 28.09.2001 und am 24.10.2001 Schecks der ... AG in Höhe von 20.735,00 EUR und in Höhe von 17.400,00 EUR in der vereinbarten Weise an die Beklagte Ziffer 1 (und nicht an die ... GmbH) weitergereicht worden seien (vgl. S. 7 des Schriftsatzes vom 23.06.2003, Bl. 29), nicht substantiiert bestritten. Dass die Benennung der ... GmbH in der Vereinbarung vom 27.07.2001 aller Wahrscheinlichkeit auf einer falsa demonstratio beruhen dürfte, wird nicht nur durch die spätere Abwicklung dieser Teilzahlungen, sondern auch durch die übrigen bei den Akten befindlichen Schriftstücke belegt. Die Aufhebungsvereinbarung zwischen der ... AG und der Schuldnerin vom 19.04.2002 (Bl. 46), betreffend den in diesem Verhältnis bestehenden Vertrag vom 03./12.04.2001 (auf den auch im ersten Absatz der Vereinbarung vom 27.07.2001 Bezug genommen wird), deutet in Ziffer 4 (... AG steht es frei, mit ... & Friends direkt einen Wartungsvertrag abzuschließen) darauf hin, dass der Subunternehmervertrag mit der Beklagten Ziffer 1 und nicht mit der ... GmbH bestand.
11 
c) Eine Anfechtung nach § 133 InsO wegen vorsätzlicher Benachteiligung würde voraussetzen, dass der Anfechtungsgegner den (zumindest bedingten) Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte. Den Vorsatz des Schuldners und die Kenntnis (nicht den Vorsatz) des Anfechtungsgegners hat grundsätzlich, wenn kein Fall des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vorliegt, der Insolvenzverwalter zu beweisen (Münchener Kommentar-Kirchhof § 133 InsO Rn. 22). Bei einer inkongruenten Deckung wird sowohl der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis seitens des Anfechtungsgegners indiziert (BGH NJW 1993, 3267, 3268 = BGHZ 123, 320; BGH NJW 1995, 2348, 2350; BGH WM 1997, 1633; BGH NJW 1998, 2592, 2598; BGH WM 2002, 1690, 1694; Münchener Kommentar-Kirchhof § 133 InsO Rn. 29). Auch bei inkongruenten Geschäften kann der Benachteiligungsvorsatz aber in Frage gestellt sein, wenn der Schuldner aufgrund konkreter Feststellungen davon ausging, er werde sämtliche Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen können (BGH WM 1997, 1633; BGH NJW 1998, 2592, 2598 mit weit. Nachw.), da dann die Indizwirkung erschüttert ist.
12 
Da wie bereits ausgeführt (vgl. oben b) kein Fall der inkongruenten Deckung vorliegt, entfällt diese Indizwirkung, der Kläger muss deshalb nach den genannten Beweislastgrundsätzen die Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nachweisen. Ein solcher Beweisantritt ist in den bisherigen Schriftsätzen des Klägervertreters nicht enthalten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass angesichts der zweifelhaften objektiven Gläubigerbenachteiligung (dazu unten e) auch die subjektiven Merkmale auf Seiten des Schuldners und der Anfechtungsgegnerin fraglich sind.
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d) Eine Anfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO bei einer kongruenten Deckung wegen einer Rechtshandlung in den letzten drei Monaten vor dem zuerst gestellten Insolvenzantrag (§ 139 Abs. 2 InsO) würde voraussetzen, dass der Anfechtungsgegner zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 Abs. 1 ZPO) die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) bzw. die Umstände kannte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO). Insoweit greift auch die Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2, wonach Zahlungsunfähigkeit in der Regel vorliegt, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat und die Illiquidität über Wochen fortbesteht (BGH NJW 2002, 515, 517 = BGHZ 149, 178). Der Anfechtungsgegner muss die tatsächlichen Umstände kennen, aus den bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH NJW 2002, 515, 517 = BGHZ 149, 178), die Zahlungseinstellung ist dann bekannt, wenn der Antragsgegner seine Ansprüche ernsthaft eingefordert hat, diese verhältnismäßig hoch sind und er weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, die Forderung zu erfüllen (BGH NJW 1998, 607, 608 mit weit. Nachw.). Die Beweislast für die Kenntnis des Anfechtungsgegners liegt beim Anfechtenden (BGH NJW 1984, 1557, 1559 = BGHZ 89, 189; Münchener Kommentar-Kirchhof § 130 InsO Rn. 65).
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Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 21.07.2003 und in der Beschwerdebegründung vom 18.09.2003 zu diesem Punkt nicht ausreichend. Der Kläger hat lediglich darauf abgestellt, dass sowohl im Juli 2001 als auch im November 2001 Zahlungsrückstande der Klägerin in Höhe von über 100.000,00 EUR offen standen, ein weitergehender Beweisantritt ist nicht erfolgt. Wie sich aus den von den Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anlagen B 7 – B 9, Bl. 63/66) ergibt, war im fraglichen Zeitraum zwischen der ... AG und der Beklagten Ziffer 1 streitig, wem die Urheberrechte an dem Programm ... zustehen sollten, im November 2001 war ausweislich der Anlage B 7 sogar die Gründung einer gemeinsamen GmbH in der Diskussion. Daraus folgt, dass die Zahlungsverweigerung der ... AG nicht zwingend monetäre Gründe gehabt haben muss, sondern auch sachlich bedingt gewesen sein kann. Zumindest diesen Einwand müsste der Kläger widerlegen, um mit einer Anfechtung nach § 130 InsO durchdringen zu können.
15 
e) Schließlich ist nach wie vor offen, ob überhaupt als gemeinsames Merkmal für alle Anfechtungstatbestände, eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 129 InsO vorliegt. Die Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 InsO ist wie nach altem Recht der KO zu definieren (BGH NJW 2002, 2568), d. h. die Insolvenzgläubiger werden benachteiligt, wenn die Insolvenzmasse durch die anfechtbare Handlung verkürzt wird und sich deshalb der Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH WM 1994, 171, 172 = BGHZ 124, 76). Die Gläubigerbenachteiligung ist grundsätzlich vom Anfechtenden zu beweisen, auch dass insoweit keine voll ausgleichende Gegenleistung erbracht wurde (BGH NJW 1980, 1962, 1963; = BGHZ 77, 250; Münchener Kommentar-Kirchhof § 129 InsO Rn. 228), allerdings treffen den Anfechtungsgegner sekundäre Darlegungspflichten (Münchener Kommentar-Kirchhof § 129 InsO Rn. 228, zu Beweiserleichterungen Rn. 229). Von den Fällen § 132 Abs. 1 und § 133 Abs. 2 InsO abgesehen, bei denen der Nachteil durch die Rechtshandlung selbst eingetreten sein muss, genügt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung (Münchener Kommentar-Kirchhof § 129 InsO Rn. 112 und 121). Eine solche mittelbare Gläubigerbenachteiligung kann etwa dann gegeben sein, wenn die Schuldnerin Kundenschecks an den Antragsgegner weitergibt, statt diese wie üblich bei der Hausbank zum Einzug einzureichen, um so eine Gutschrift auf dem Konto zu erreichen (BGH NJW 1993, 3267, 3268 = BGHZ 123, 320).
16 
Diese Rechtsprechung kann allerdings auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Eine Gläubigerbenachteiligung ist etwa dann zu verneinen, wenn durch die Zahlung eines Schuldners des Gemeinschuldners an den Dritten, die nicht zum Erlöschen der Verbindlichkeit des Schuldners geführt hat, nur die tatsächliche Durchsetzung der Forderung des Gemeinschuldners erschwert wird (BGH NJW 1999, 2969, 2970 für den Fall, dass eine Gemeinde/Auftraggeberin wegen des allgemeinen Veräußerungsverbots nicht mehr nach § 16 Nr. 6 VOB/B befreiend an den Subunternehmer des Gemeinschuldners/Auftragnehmers leisten konnte). An einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt es aber auch dann, wenn Auftraggeber des Schuldners die Zahlung ihrer Entgelte verweigern dürfen und dieses Gegenrecht dadurch abgelöst wird, dass die zurückgehaltenen Teile des Entgeltes an die vom Schuldner beauftragten Werkunternehmer ausgekehrt werden, um die Fertigstellung des Werkes zu ermöglichen (BGH WM 2002, 558, 560 f.). Maßgeblich ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Bedeutung und der Auswirkungen auf die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger (BGH NJW 1995, 659, 660 = BGHZ 128, 184). Die Beklagten haben zu Recht darauf hingewiesen, dass einerseits die Beklagte Ziffer 1 nach der bereits zu Beginn des Vertragsverhältnisses getroffenen Vereinbarung vom 22.06.2001 (Bl. 57/59) die Auslieferung des Programms an die ... AG bis zur vollständigen Zahlung ihrer Vergütungsansprüche verweigern durfte, dies hätte die ... AG ihrerseits berechtigt, Zahlungen an die ... AG zurückzuhalten (eine Vorleistungspflicht der Bestellerin ... AG ist weder vom Kläger vorgetragen noch nach dem Gesetz vorgesehen oder der Interessenlage der Beteiligten sinnvoll). Um die Blockade beider Vertragsverhältnisse (nämlich des Vertragsverhältnisses Subunternehmer/Hauptunternehmer und des Vertragsverhältnisses Hauptunternehmer/Besteller) aufzulösen, wurde am 19.04.2002 einerseits die Weitergabe der Schecks der Bestellerin an die Subunternehmerin vereinbart (und zwar anders als im Fall BGH NJW 1993, 3267 = BGHZ 123, 320 vor der Dreimonatsfrist) und in unmittelbarem Zusammenhang am selben Tag die Abnahme durch die ... im Verhältnis zur ... AG erklärt (vgl. Bl. 46). Die Sachlage unterscheidet sich insoweit auch von dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Zahlung des Auftraggebers an den Subunternehmer nach § 16 Nr. 6 VOB/B (vgl. BGH ZInsO 2002, 766; BGH WM 2003, 398). Im Baurecht hat der Auftraggeber in der Regel Zugriff auf die bisher erbrachten Werkleistungen des Auftragnehmers und kann sich diese nutzbar machen. Bei einem Werkvertrag auf Erstellung einer Spezialsoftware hat der Besteller hingegen keinerlei Möglichkeit, überhaupt in den Besitz auch nur eines Teils des Programms zu gelangen, solange ein Subunternehmer die Auslieferung berechtigterweise zurückhält. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus dem Schreiben der Beklagtenvertreter vom 29.10.2002 (Anlage B 3, Bl. 48/50) nicht zwingend, dass die Software tatsächlich bereits vor der Übergabe des Schecks vom 19.04.2002 an die ... AG überlassen worden war; entscheidend ist aber, dass jedenfalls die urheberrechtlichen Befugnisse noch nicht auf ... AG übertragen waren mit der Folge, dass dieser lediglich eingeschränkte Nutzungsrechte zustanden.
17 
Die Insolvenzmasse ist deshalb objektiv nicht geschmälert worden, wenn ohne eine Zahlung an die Beklagte Ziffer 1 und die Auslieferung des Programms auch die ... AG nicht hätte zahlen müssen. Der insoweit beweispflichtige Kläger (BGH NJW 1980, 1962, 1963; = BGHZ 77, 250; Münchener Kommentar-Kirchhof § 129 InsO Rn. 228) wäre gehalten gewesen, Beweis dafür anzutreten, dass sich im vorliegenden Einzelfall die Weiterreichung des Schecks entgegen dieser sich aufdrängenden Interessenlage für die Insolvenzmasse nicht als neutral, sondern als nachteilig ausgewirkt hat.
3.
18 
Die Kostenentscheidung bzgl. der Gerichtskosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Kostenverzeichnis Nr. 1956 zum GKG, gemäß § 127 Abs. 4 ZPO werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

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