Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 16 UF 221/03

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Sigmaringen - Familiengericht - vom 02.07.2003 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht der Vater des Klägers ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 2.000,-- EUR

Gründe

 
Der Kläger wurde am 02.12.1998 während der Ehe seiner Mutter M. H. mit dem Beklagten geboren. Die Eltern des Klägers haben sich im März 1996 getrennt. Auf einen am 15.07.1998 eingegangenen und am 26.03.1999 zugestellten Scheidungsantrag der Mutter des Klägers wurde die Ehe durch Urteil des Amtsgerichts Sigmaringen vom 26.01.2000 (1 F 209/98) rechtskräftig seit 14.04.2000, geschieden. Der Kläger ficht die Vaterschaft des Beklagten an mit der Begründung, sein Vater sei G. S., nachdem dies durch ein von seiner Mutter und Herrn S. in Auftrag gegebenes DNA-Gutachten des Sachverständigen Dr. M. in Neu-Ulm vom 22.12.1998 (Bl. 6 - 9 d.A.) mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,965 % festgestellt worden sei. G. S. hat die Vaterschaft durch Urkunde vom 24.06.1999 (Bl. 10 d.A.) anerkannt; die Mutter des Klägers hat dem Anerkenntnis durch Urkunde vom selben Datum (Bl. 11 d.A.) zugestimmt. Die Zustimmung des Beklagten erfolgte durch Urkunde vom 25.04.2002 (Bl. 12 d.A.). Das zuständige Standesamt Sigmaringen ist nicht bereit, die Vaterschaft des G. S. im Geburtenbuch des Klägers beizuschreiben.
Das Familiengericht hat die Anfechtungsklage abgewiesen, weil es die Vaterschaft von G. S. durch wirksames Anerkenntnis gem. § 1599 Abs. 2 ZPO bereits für gegeben ansieht. Auf das erstinstanzliche Urteil wird Bezug genommen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Anfechtungsklage weiter. Der Beklagte hat sich, wie bereits in erster Instanz, nicht geäußert.
Der Senat hat die Mutter des Klägers als Zeugin vernommen. Sie hat bekundet, während der vom 05.02.1998 bis 04.06.1998 dauernden Empfängniszeit mit dem Beklagten keinen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben.
Die nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
1. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage ist zu bejahen, weil das zuständige Standesamt nicht bereit ist, G. S. als Vater des Klägers im Geburtenbuch beizuschreiben, nachdem es die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses verneint hat. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Familiengerichts, das die Wirksamkeit des Anerkenntnisses bejaht und deshalb die Vaterschaft von G. S. zum Kläger bereits als festgestellt ansieht. Ob im Falle des § 1599 Abs. 2 BGB nur die Anerkennungserklärung des Mannes innerhalb des Jahresfrist gemäß Satz 1 der genannten Vorschrift zu erfolgen hat oder ob darüber hinaus auch alle sonstigen erforderlichen Zustimmungen vor Ablauf der Jahresfrist erteilt werden müssen, ist streitig. Der Gesetzeswortlaut lässt beide Auslegungen zu. Der Senat schließt sich der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum an, die dafür plädiert, die Ausnahmevorschrift des § 1599 Abs. 2 BGB eng auszulegen (Kirchmeier Kind-Prax 1998, 145, 147; Wachsmann StAZ 2000, 375; Gaul FamRZ 2000, 1461, 1466; FamRefK/Wax, § 1599 BGB Rn. 4; MüKo/Wellenhofer-Klein, BGB, 4. Aufl., § 1599 Rn. 49; Staudinger/Thomas Rauscher, BGB, Neubearbeitung 2000, § 1599 Rn. 89; a.A. Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl., § 1599 Rn. 10; Bamberger/Roth, BGB, § 1599 Rn. 3; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 546). Die Jahresfrist soll nach dem Willen des Gesetzgebers einen unnötig langen Schwebezustand vermeiden (Bundestagsdrucksache 13/4899, 53). Der Schwebezustand lässt sich aber nur durch eine wirksame Vaterschaftsanerkennung beenden, da bei Verneinung einer Befristung für die Zustimmungen eine erklärte, aber noch nicht wirksame Anfechtung unvorhersehbar lange in der Schwebe bleiben könnte. Das in § 1599 Abs. 2 Satz 1 BGB geforderte Anerkenntnis der Vaterschaft ist daher als wirksames Anerkenntnis aufzufassen. Erforderlich ist also das Vorliegen aller Wirksamkeitsvoraussetzungen binnen Jahresfrist. Eine enge Auslegung des § 1599 Abs. 2 BGG ist auch deshalb geboten, da es sich bei dem dort geregelten scheidungsakzessorischen Statuswechsel durch privatautonome Erklärungen (Veit, FamRZ 1999, 902 ff.) um eine Sonderlösung zu dem Grundsatz des § 1599 Abs. 1 handelt. Das Kind hat ein berechtigtes Interesse daran, eine möglichst rasche Klärung seiner Vaterschaft herbeizuführen. Dies gebietet die Rechtssicherheit, der Rechtsfrieden und speziell die Bestandskraft des Kindschaftsstatus (BGH FamRZ 1999, 778 zum Zweck der Anfechtungsfrist nach § 1600 b Abs. 1 BGB). Die Ablehnung einer Befristung für die Zustimmungen nach § 1599 Abs. 2 Satz 2 BGB könnte auch einen Statuswechsel noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist nach § 1600 b Abs. 1 BGB für den Zustimmenden ermöglichen. Dies widerspricht dem Grundsatz der Rechtssicherheit.
2. Der Beklagte ist nicht der Vater des Klägers. Die Vaterschaftsvermutung gem. den §§ 1600 c Abs. 1, 1592 Nr. 1 BGB ist widerlegt durch die glaubhafte Aussage der Mutter des Klägers, wonach diese während der vom 05.02.1998 bis 04.06.1998 dauernden Empfängniszeit (§ 1600 d Abs. 3 BGB) keinen ehelichen Verkehr mehr mit dem Beklagten hatte, des weiteren durch das vom Kläger vorgelegte Parteigutachten, in dem die Vaterschaft des G. S. als "praktisch erwiesen" festgestellt ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 c ZPO. Im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des OLG Celle (a.a.O.) zur Befristung der Zustimmungserklärungen wird die Revision zugelassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

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