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Der Kläger beansprucht vom beklagten Land wegen einer fehlerhaften Auskunft Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung.
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Der am 19.10.1938 geborene Kläger war Sonderschulrektor an der F schule in M. Mit Schreiben vom 17.11.1998 (Anl. K 1 = Bl. 6 d.A.) wandte er sich an das L für Besoldung und Versorgung B (im Folgenden: L) und bat um Auskunft, zu welchen Terminen eine "Versetzung in den Ruhestand möglich ist ohne eine Minderung des Ruhegehalts bzw. welche Abzüge in Kauf genommen werden müssen bei einem früheren als dem gesetzlichen Ruhestand". Nach weiterer Korrespondenz erteilte das L mit Schreiben vom 16.03.1999 (Anl. K 3 = Bl. 8 d.A.) dem Kläger die erbetene Auskunft. Es wurde unter Vorlage zweier alternativer Berechnungen mitgeteilt, dass sowohl bei einer Dienstzeit bis 31.07.2002 als auch bei einer solchen bis 31.07.2003 dem Kläger ein Ruhegehalt in Höhe von 75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge zustehe. Die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge wurden mit insgesamt 8.063,45 DM angegeben. Das sich daraus ergebende Ruhegehalt wurde jeweils mit 6.047,58 DM errechnet.
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Unstreitig ist, dass die Ruhestandsbezüge für den Fall einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand ab dem 01.08.2002 wegen eines EDV-Eingabefehlers des Sachbearbeiters bei dem L falsch berechnet wurden, weil die Minderung nach § 14 Abs. 3 BeamtVG nicht berücksichtigt worden war, obwohl nach der – bereits damals geltenden – Rechtslage das Ruhegehalt hätte gemindert werden müssen.
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Auf der Grundlage dieser Auskunft entschied sich der Kläger für einen vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand zum 31.07.2002. Die Urkunde über die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wurde dem Kläger am 02.07.2002 ausgehändigt.
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Bereits mit Bescheid vom 12.06.2002 (Anl. K 4 = Bl. 9 d.A.) hatte das L die Versorgungsbezüge des Klägers festgesetzt. Sein Ruhegehalt wurde danach gem. § 14 Abs. 3 BeamtVG wegen des geplanten vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand um 2,4 % von 3.310,30 EUR auf 3.230,85 EUR, also um 79,45 EUR gekürzt.
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Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 27.06.2002 (Bl. 18 d.A.) Widerspruch ein, der mit Bescheid des L vom 16.07.2002 (Anl. K 5 = Bl. 10 d.A.) zurückgewiesen wurde. Die vom Kläger gegen den Widerspruchsbescheid beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereichte Klage wurde auf einen Hinweis des Gerichtes vom 09.09.2003 (Bl. 18 d.A.), wonach keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Versorgungsbezüge im Bescheid des L vom 12.06.2002 bestünden, zurückgenommen.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das beklagte Land müsse ihm wegen der fehlerhaften Auskunft Schadensersatz leisten. Er habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft den Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gestellt. Eine Rücknahme dieses Antrags sei ihm nach Erhalt des Bescheids vom 12.06.2002 faktisch nicht möglich gewesen.
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Der Kläger hat beantragt:
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Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger über die gewährten Versorgungsbezüge hinaus ab 31.07.2002 79,45 EUR pro Monat zu bezahlen.
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Das beklagte Land hat beantragt,
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Es hat die Meinung vertreten, der Kläger habe sich auf die Auskunft nicht verlassen dürfen. Der Fehler in der Berechnung sei erkennbar gewesen. Außerdem könne der Kläger wegen der mangelnden Rechtsverbindlichkeit der Auskunft keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Jedenfalls sei der Kläger wegen des langen Zeitablaufs zwischen Auskunftserteilung und Eintritt in den Ruhestand daran gehindert, sich auf den Berechnungsfehler des L zu berufen. Im übrigen sei der Kläger für etwaige Schäden selbst verantwortlich, weil er nach Erhalt des Bescheids vom 12.06.2002 den Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand nicht zurückgenommen habe.
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Das Landgericht hat der Klage nach einer persönlichen Anhörung des Klägers (Bl. 14 d.A.) im Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aufgrund der fehlerhaften Auskunft des L im Schreiben vom 16.03.1999 dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung zustehe. Die falsche Auskunft sei für den Entschluss des Klägers, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, ursächlich geworden. Davon sei das Gericht aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers überzeugt. Der Kläger habe auf die falsche Auskunft vertrauen dürfen. Insbesondere hätte ihn das Ergebnis der Berechnungen, wonach er bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Dienst ungeminderte Bezüge erhalte, nicht "stutzig" machen müssen. Der Kläger habe nicht klüger sein müssen als der ihm zur Auskunft verpflichtete Beamte. Der Zeitablauf sei ohne Bedeutung, da keine relevante Rechtsänderung für die Berechnung der Bezüge eingetreten sei. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht wegen eines Mitverschuldens zu kürzen. Ihm sei es nicht zumutbar gewesen, nach Erhalt des Festsetzungsbescheides vom 12.06.2002 bis zur Übergabe der Urkunde über den Eintritt in den Ruhestand am 02.07.2002 seinen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand zurückzunehmen. Auch insofern war das Landgericht aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers davon überzeugt, dass es diesem angesichts der äußeren Umstände zwar rechtlich, aber keinesfalls faktisch möglich gewesen sei, seinen Antrag zurückzunehmen. Als Rechtsfolge müsse das beklagte Land den Kläger so stellen, wie dieser stünde, wenn sich das L amtspflichtgemäß verhalten hätte. Bei richtiger Auskunft hätte der Kläger seinen Dienst bis zur gesetzlichen Altersgrenze, also bis zum 31.07.2003 versehen. Dann wäre eine Minderung der Versorgungsbezüge nicht eingetreten. Der erstattungsfähige Schaden des Klägers bestehe somit in der Kürzung der Versorgungsbezüge um 79,45 EUR pro Monat. Dieser Betrag sei dem Kläger aber – anders als beantragt – nicht bereits zum 31.07.2002, sondern erst ab dem 01.08.2002 zuzusprechen, weshalb die Klage teilweise abgewiesen werden müsse.
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Dagegen wendet sich die Berufung des beklagten Landes, das nach wie vor der Ansicht ist, der Kläger könne keinen Schadensersatz verlangen. Das Land wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere weist es darauf hin, dass es dem Kläger aufgrund seiner beamtenrechtlich bestehenden Mitwirkungspflicht oblegen habe, das Auskunftsschreibens vom 16.03.1999 eigenverantwortlich zu überprüfen. Dem Kläger sei eine Prüfung der Plausibilität und der Übereinstimmung der Auskünfte mit der geltenden Rechtslage nach dem BeamtVG ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen. Es hätte ihm auffallen müssen, dass die Auskunft nicht richtig sein könne. Deshalb hätte er nochmals beim L nachfragen müssen. Darüber hinaus stehe § 3 Abs. 2 BeamtVG amtshaftungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen, die faktisch zu höheren Versorgungsbezügen führen würden, entgegen. Schlussendlich sei nicht daran zu zweifeln, dass es dem Kläger oblegen habe, seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand zurückzunehmen, nachdem er den Feststellungsbescheid vom 12.06.2002 erhalten hatte.
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Auf einen Hinweis des Senats hat der Kläger sein Klagebegehren geändert und zuletzt beantragt:
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Es wird festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch auf das volle Ruhegehalt ohne Minderung wegen vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand hat.
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Das beklagte Land beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.11.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig. Insbesondere würden amtshaftungsrechtliche Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Auskunftserteilung durch § 3 Abs. 2 BeamtVG nicht tangiert. Eine Mitverantwortung des Klägers könne keinesfalls angenommen werden. Er habe nicht wissen müssen, dass ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst zwingend mit einer Minderung der Versorgungsbezüge verbunden sei. Die Rücknahme des Antrags auf Versetzung in den Ruhestand sei ihm nicht zumutbar gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verhandlungsprotokollierung Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Dem Kläger steht gegen das beklagte Land wegen falscher Auskunftserteilung ein Schadensersatzanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
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1. |
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Die mit Schreiben des L vom 16.03.1999 erteilte Auskunft war falsch. Bei Auskunftserteilung hat die Sachbearbeiterin die ihr dem Kläger gegenüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt. |
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Auskünfte, die ein Beamter erteilt, müssen nach dem Stand seiner Erkenntnismöglichkeit sachgerecht, d.h. vollständig, richtig und unmissverständlich sein, so dass der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 1991, 3027).
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a) |
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Die von der Sachbearbeiterin der L dem Kläger erteilte Auskunft genügt diesen Anforderungen nicht. Die Auskunft war – unstreitig – falsch, weil bei der Berechnung für eine Versetzung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand zum 31.07.2002 die Minderung der Bezüge nach § 14 Abs. 3 BeamtVG nicht berücksichtigt wurde. |
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b) |
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Die Sachbearbeiterin der L hat die ihr obliegende Amtspflicht auch fahrlässig verletzt. |
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Fahrlässig handelt ein Beamter, wenn er bei Anwendung der für seinen Pflichtenkreis erforderlichen Sorgfalt in der Lage ist, sein Verhalten als einen Verstoß gegen seine Amtspflicht zu erkennen. Dabei kommt es auf die Kenntnisse, Fähigkeiten und Einsichten, die für die Führung des übernommenen Amtes durchschnittlich erforderlich sind, an und nicht auf die, über die der Sachbearbeiter tatsächlich verfügte (etwa RGRK/Kraft, 12. Aufl., § 839 Rn. 289 m.w.N.).
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Das einem mit der Beantwortung von Fragen zur Versorgungsanwartschaften betrauten Sachbearbeiter die Bestimmung des § 14 Abs. 3 BeamtVG bekannt sein muss, ist nicht zweifelhaft.
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Vorliegend handelte der Beamte schuldhaft, weil er bei der Berechnung der Versorgungsbezüge falsche Daten in die EDV eingab und ihm außerdem nicht auffiel, dass das Rechenergebnis nicht richtig sein kann. Er hätte merken müssen, dass der Kläger bei einem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nicht die gleichen Ruhestandsbezüge erhalten kann.
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2. |
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Die rechtwidrige Pflichtverletzung war für den behaupteten Schaden kausal. Das Landgericht hat den Kläger persönlich angehört und dabei die Überzeugung gewonnen, dass dieser auf der Grundlage einer richtigen Auskunftserteilung nicht vorzeitig in den Ruhestand getreten wäre. In der angefochtenen Entscheidung wird diese Einschätzung ausführlich und überzeugend begründet. Der Senat ist daran gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen begründen. Auch die Berufung bringt keine Gründe vor, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten. |
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3. |
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Es besteht kein Anlass, wegen des Zeitablaufs den normativen Zurechnungszusammenhang zwischen der erteilten Auskunft und der Entscheidung des Klägers, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, zu verneinen. Das beklagte Land macht zu Unrecht geltend, der Kläger habe sich im Jahr 2002 nicht mehr auf die Richtigkeit der ihm im Jahr 1999 erteilten Auskunft verlassen dürfen. |
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a) |
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Unstreitig hatte sich die Gesetzeslage seit Auskunftserteilung nicht in relevanter Weise geändert. Die Mitteilung des L hatte nicht aufgrund einer nach Auskunftserteilung eingetretenen Gesetzesänderungen ihren Wert verloren. Die einschlägigen Bestimmungen über die Versorgungsbezüge bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand hatten in der Zeit von 1999 bis 2002 keine Änderungen erfahren, die sich auf den Fall des Klägers auswirken konnten. |
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Dem Risikobereich des Klägers wäre allenfalls die Gefahr einer relevanten Gesetzesänderung zuzuordnen gewesen. Selbstverständlich hätte er sich nicht darauf berufen können, dass er im Jahr 1999 eine anderslautende Auskunft erhalten habe, wenn die erteilten Informationen auf Grund einer nachträglichen Gesetzesänderung falsch geworden wären. Darum geht es hier aber nicht.
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b) |
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Außerdem ist zu berücksichtigen, dass kein Nutzen damit verbunden gewesen wäre, wenn der Kläger beim L nachgefragt hätte, ob eine relevante Änderung der Gesetzeslage eingetreten sei. Ihm wäre dann lediglich mitgeteilt worden, dass dies nicht der Fall ist. Eine derartige Anfrage hätte demnach den Kläger in seiner Ansicht ohnehin nur bestätigen können. |
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Es ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Kläger gehalten gewesen sein sollte, das L aufzufordern, eine komplett neue Berechnung zu erstellen.
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4. |
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Die Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz werden durch § 3 Abs. 2 BeamtVG nicht tangiert. |
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§ 3 Abs. 2 BeamtVG verbietet Zusicherungen, Vereinbarungen, Vergleiche und Versicherungsverträge, die dem Beamten eine höhere als die gesetzlich zustehende Versorgung verschaffen sollen. Als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 BeamtVG tritt die Unwirksamkeit ein, d. h. die Zusicherung, die Vereinbarung oder der Vergleich erzeugen keine Bindungswirkung, bleiben demnach rechtsfolgenlos. Sie sind unbeachtlich. Aus ihnen können keine Rechte und Ansprüche hergeleitet werden (Plog/Wiedow, BeamtVG, Stand 7/03, § 3 Rn. 79).
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Vom Wortlaut des Gesetzes werden demnach nur bestimmte Handlungsformen, nicht aber einfache Auskünfte erfasst.
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Nach dem Sinn der Vorschrift sollen ebenfalls nur Regelungen ausgeschlossen werden, die unabhängig vom materiellen Gesetzesrecht einen Rechtsgrund für Versorgungsleistungen bilden können. Dabei kommt es zwar nicht auf ein zielgerichtetes Handeln der Akteure an. Maßgebend ist vielmehr allein, ob die Regelung objektiv geeignet ist, dem Beamten eine höhere Versorgung zu verschaffen (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., Rn. 45). Sinn und Zweck des § 3 Abs. 2 BeamtVG ist eine Ergänzung und Sicherung der Aussage des § 3 Abs. 1 BeamtVG, wonach die Versorgung der Beamten durch Gesetz geregelt wird. Nach der Zweckbestimmung der Vorschrift ist diese weit auszulegen (vgl. dazu Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Stand 11/2003, § 3 Rn. 2, Anm. 1). Im Zweifel werden alle Manipulationen, die unter Ausnutzung der Gestaltungsform des Rechts dem zu missbilligenden Zweck einer höheren Versorgung dienen, von der Vorschrift erfasst. Auskünfte werden daher auch als Zusicherung im Sinne des § 3 Abs. 2 BeamtVG angesehen, sofern ein Bindungswille der Verwaltung vorliegt (vgl. Stegmüller/Schmalhofer, a.a.O. Rn. 2, Anm. 5.1.1). Die Verwaltung soll daran gehindert werden, auf Grund von Manipulationen dem Beamten eine höhere Versorgung zu verschaffen. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Auskünfte zu Versorgungsbezügen haben keinen Regelungscharakter, sondern stellen schlichtes Verwaltungshandeln dar, bei welchem – wie hier – ein auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichteter Regelungswillen fehlt. Eine Auskunft soll keine Ansprüche vermitteln, die dem Betroffenen nach der gesetzlichen Regelung nicht zustehen.
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Danach schließt § 3 Abs. 2 BeamtVG Amtshaftungsansprüche auf Schadensersatz wegen falscher Auskunftserteilung nicht aus.
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Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Entscheidung des BGH (NJW 2003, 3049, vgl. auch BSGE 49, 258, 260; 50, 294, 297; Schmitt LMK 2003, 218) zur Haftung bei falschen Rentenauskünften. Danach kann eine Rentenauskunft – trotz der nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB VI fehlenden Rechtsverbindlichkeit – Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen sein. Der BGH hat sich damit einer in der Literatur vertretenen Ansicht, wonach die fehlende Rechtsverbindlichkeit der Rentenauskunft dazu führe, dass ein berechtigtes Vertrauen nicht zu schützen sei (so Lilge in Bley/Gitter/Heinze, Gesamtkommentar Sozialversicherung, Stand 4/03, § 109 SGB VI Anm. 6; Terdenge in Hauck/Noftz, SGB VI § 109 Rn. 11), nicht angeschlossen. Aus der mangelnden Rechtsverbindlichkeit ergebe sich nicht, dass Amtshaftungsansprüche wegen falscher Auskunft ausgeschlossen sein sollen. Das folge aus dem Inhalt der Amtspflicht, wonach ein Beamter, der Auskünfte vollständig, richtig und unmissverständlich zu erteilen habe, so dass der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren könne (s.o.).
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Diese Bewertung lässt sich auf die Regelung in § 3 Abs. 2 BeamtVG übertragen. Der Regelungszweck beider Vorschriften ist vergleichbar. Es soll in beiden Fällen die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns dadurch sichergestellt werden, dass sich Inhalt und Umfang der Renten-/Versorgungsansprüche allein nach der Gesetzeslage bemessen. Auch im Bereich des BeamtVG gilt, dass Auskünfte vollständig und richtig erteilt werden müssen, um dem Beamten eine verlässliche Grundlage für seine Dispositionen zu verschaffen. Würde man Amtshaftungsansprüche ausschließen, wäre die Auskunft weitgehend entwertet.
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5. |
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Die Ansprüche des Klägers sind nicht wegen eines Mitverschuldens gem. § 254 BGB zu kürzen. |
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a) |
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Der Kläger musste die Richtigkeit der Auskunft nicht anzweifeln. |
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aa) |
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Entgegen der vom beklagten Land vertretenen Ansicht kann nicht angenommen werden, dass es dem Kläger oblegen habe, die Richtigkeit der Auskunft anhand der Regelungen im BeamtVG zu überprüfen. Andernfalls würde die Auskunft ihre Funktion verlieren, weil sich der Beamte dann ohnehin immer selbst kundig machen müsste. Das kann nicht richtig sein. |
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bb) |
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Dem Kläger musste sich die Unrichtigkeit der Auskunft nicht aufdrängen. Er war auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht gehalten, sich nochmals bei der L nach der Richtigkeit der Auskunft zu erkundigen. |
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Der Kläger hat dargelegt, weshalb er annahm, dass seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand keinesfalls zwingend zu einer Kürzung seiner Versorgungsbezüge führen müsse. Der Senat hält diese Ausführungen für plausibel, weshalb dem Kläger in seiner konkreten Situation ein Mitverschulden nicht vorgeworfen werden kann.
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Bereits aus dem Auskunftsverlangen des Klägers in seinem Anschreiben vom 17.11.1998 folgt, dass er sich speziell für die Frage interessierte, zu welchem Termin er vorzeitig ausscheiden könne, ohne dass sein Ruhegehalt gemindert werde. Dabei hat der Kläger zusätzlich darauf hingewiesen, dass "von Übergangsregelungen für die Jahrgänge 1938 bis 1940 die Rede war", wobei er seine Meinung artikulierte, dass für Lehrer andere Regelungen als für sonstige Beamte anzuwenden seien. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass er bereits vor Auskunftserteilung damit rechnete, dass nicht jede vorzeitige Versetzung in den Ruhestand automatisch zu Ruhegehaltskürzungen führen müsse. Auf dieser Grundlage ist verständlich, dass der Kläger nach Erhalt der Auskunft an deren Richtigkeit nicht zweifelte.
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Unterstrichen wird diese Einschätzung dadurch, dass der Kläger in erster Instanz einen Auszug aus der Zeitschrift "Schulintern" vom Dezember 1992 vorlegte (Bl. 18 d.A.). Aus dem Artikel folgt, dass es keinesfalls immer zu einer Kürzung der Bezüge kommen muss. Vielmehr bestimmte Übergangsbestimmungen gelten, nach denen eine Kürzung ausgeschlossen ist.
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Auch wenn berücksichtigt wird, dass dieser Zeitschriftenauszug bereits damals ein gewisses Alter hatte und nicht mehr der Gesetzeslage entsprach, kann aus ihm doch abgeleitet werden, dass dem Kläger nicht vorgeworfen werden kann, er habe sich einer offensichtlich bestehenden Rechtslage verschlossen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger sich kundig gemacht hat und auf dieser Grundlage die Auskunft des L für richtig halten durfte. Jedenfalls hat das für ein Mitverschulden darlegungs- und beweisbelastete Land keine Tatsachen vorgetragen, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten.
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b) |
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Dem Kläger kann als Mitverschulden auch nicht angelastet werden, dass er seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand nicht zurückgenommen hat. |
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Richtig ist zwar, dass der Kläger zu einem Zeitpunkt Zweifel an der Richtigkeit der erteilten Auskunft bekommen musste, als er seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand noch hätte zurücknehmen können. Durch den Bescheid des L vom 12.06.2002 (Anl. K 4 = Bl. 9 d.A.) war ihm mitgeteilt worden, dass sein Ruhegehalt gekürzt werde. Zu diesem Zeitpunkt war ihm die Urkunde zur vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand noch nicht ausgehändigt worden, weshalb er seinen Antrag noch hätte zurücknehmen können (vgl. dazu BVerwG NVwZ 1997, 581, 582).
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Gleichwohl lässt sich daraus ein Mitverschulden nicht ableiten. Dem Kläger war es in der damaligen Situation nicht zumutbar, seinen Antrag zurückzunehmen. Das Landgericht hat den Kläger auch insofern persönlich angehört und dabei die Überzeugung gewonnen, dass es ihm faktisch nicht möglich war, innerhalb der verbleibenden kurzen Zeit nach Erhalt des Bescheids vom 12.06.2002 durch Antragsrücknahme zu reagieren. Der Senat macht sich diese Ausführungen zu eigen. Von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist ohnehin gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auszugehen. Die vom Landgericht im Rahmen der Bewertung nach § 254 BGB angelegten Maßstäbe sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
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6. |
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Nach § 249 BGB ist der Kläger so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Auskunftserteilung gestanden hätte. In diesem Fall hätte sich der Kläger nicht vorzeitig in den Ruhestand versetzen lassen. Das hätte zur Folge gehabt, dass seine Ruhegehaltsbezüge nicht nach § 14 Abs. 3 BeamtVG gekürzt worden wären. Das beklagte Land hat diesen Schaden zu ersetzen, weshalb der Klage nach der (zulässigen) Änderung des Antrags stattzugeben war. |
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Nach allem war die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen. Der landgerichtliche Tenor war allerdings der Antragsänderung anzupassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92, 269 (analog) ZPO. Der Übergang auf die positive Feststellungsklage hat zur Folge, dass sich der Streitwert um einen Abschlag von 20 % gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage ermäßigt. Dieser Abschlag ist auch dann vorzunehmen, wenn – wie vorliegend – ohne weiteres damit zu rechnen ist, dass die Beklagte der festgestellten Leistungspflicht freiwillig nachkommen wird (vgl. dazu BGH MDR 1997, 385; NJW-RR 1999, 362; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 3 Rn. 16: "Feststellungsklagen"). Die sich aus der Antragsänderung ergebende Streitwertreduzierung war bei der Kostenentscheidung gem. § 269 ZPO (analog) zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt, da der vorliegende Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Insbesondere ist die Frage, ob § 3 Abs. 2 BeamtVG Schadensersatzansprüche wegen falscher Auskunftserteilung tangiert, durch die Rechtsprechung des BGH zu § 109 Abs. 4 S. 2 SGB VI (NJW 2003, 3049, 3050) hinreichend geklärt.
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