Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 5 U 74/2004

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 08.04.2004 - 3 O 625/03 III - wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens:  EUR 30.921,50

Gründe

I. Die Kläger als Eigentümer eines mit Johannisbeerbüschen bepflanzten landwirtschaftlichen, ca. 0,8 ha großen Grundstücks, Parzelle Nr. 4060 im Gewann Seitenäcker, Laufen, verlangen von dem Beklagten, dem Pächter eines landwirtschaftlichen Nachbargrundstücks, Parzelle Nr. 4050, Schadensersatz in Höhe von EUR 30.921,50 (Kosten der Rodung, Neubepflanzung und Unkrautbehandlung sowie entgangenem Gewinn durch Minderertrag neuer Jungpflanzen etc.) wegen Zerfressens ihrer Johannisbeerplantage durch Dickmaulrüssler und deren Larven im Jahr 2002, die von einem auf dem Pachtgrundstück des Beklagten befindlichen Komposthaufen stammen sollen, wobei die Kompostierung nur durch einen Feldweg vom Grundstück der Kläger getrennt war. Wegen der Einzelheiten wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen im ersten Rechtszug und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Heilbronn Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht Heilbronn hat mit Urteil vom 8. April 2004 die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Beklagte hafte für die Zerstörung der Johannisbeerplantage der Kläger nicht, weil diese ausschließlich auf Naturkräften beruhe und das Anlegen des Komposthaufens auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche keine besondere Gefahrenquelle darstelle.
Mit ihrer Berufung, die sich nur noch gegen den Beklagten, nicht mehr gegen seine in erster Instanz mitverklagte Ehefrau richtet, erstreben die Kläger weiterhin vollen Schadensersatz im wesentlichen mit der Begründung, durch die Anlegung und den mehrjährigen Betrieb des Komposthaufens, der mit der Bewirtschaftung des Pachtgrundstücks des Beklagten als Weinberg nicht in Zusammenhang stehe, habe der Beklagte eine Gefahrenquelle geschaffen, da die Kompostierung durch Zurückhaltung von Kompostresten mit der Folge der Ansäuerung des neu hinzugekommenen Abfallmaterials die Käfer- und Larvenbildung ermöglicht habe, so dass die Zerstörung ihrer Johannisbeeranlage nicht auf einem bloßen Naturereignis beruhe.
Die Kläger beantragen,
1. das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 8. April 2004 (3 O 625/03 III) wird aufgehoben.
2. Der Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Kläger/Berufungskläger 30.921,50 EUR Schadensersatz nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf sämtliche Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden verwiesen.
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Der Senat hat zu den Fragen, ob die Dickmaulrüssler und deren Larven von der Kompostierung des Beklagten stammten und durch diese besonders angezogen worden sind, die Zeugen H , Z , B und K vernommen und ein mündlich erstattetes Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Z , Institut für Phytomedizin der Universität H , eingeholt. Auf die Protokollniederschrift der Verhandlung vom 18.10.2004 wird verwiesen.
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II. Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
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Den Klägern steht gegen den Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB), Störerhaftung (§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB), Schutzgesetzverletzung (§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 907 BGB) oder einem verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog) ein Anspruch auf Schadensersatz wegen ihrer durch Dickmaulrüssler und deren Larven zerstörten Johannisbeeranlage zu.
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Gemeinsame Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches sowohl aus dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten, einer Störerhaftung, einer Schutzgesetzverletzung wie eines verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ist der Umstand, dass die schadensverursachende Gefahr nicht auf einem zufälligen, von menschlicher Einwirkung weitgehend unabhängigem Naturereignis beruht (BGH NJW-RR 2001, 1208 ff.). Vielmehr muss die Eigentumsbeeinträchtigung wenigstens mittelbar durch eigene Handlungen oder ein pflichtwidriges Unterlassen des Störers herbeigeführt worden sein (BGH NJW 1991, 2770, 2771; BGH NJW 1993, 1855, 1856). Der Schaden der Kläger darf sich insbesondere nicht als Folge eines von niemandem zu beherrschenden Naturereignisses, das heißt als ein allgemeines Risiko darstellen, das die Kläger selbst zu tragen haben (sog. Wolllaus-Fall BGH NJW 1995, 2633, 2644).
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Vorliegend vermochten die hierfür beweisbelasteten Kläger zur Überzeugung des Senats jedoch nicht zu beweisen, dass die Anlegung des Komposthaufens durch den Beklagten ab dem Jahre 2000 den Befall ihrer Johannisbeeranlage in der Folgezeit durch Dickmaulrüssler und deren Larven zumindest begünstigt hatte. Zwar steht durch die glaubhaften Angaben der Zeugen W , K , J B , A Z und A H fest, dass die Dickmaulrüssler und deren Larven, die die Johannisbeerbüsche der Kläger zerfressen hatten, von dem Komposthaufen des Beklagten stammten. So bekundete der Zeuge K , dass er zusammen mit dem Kläger im Sommer 2002 nachts festgestellt habe, „dass sie (Dickmaulrüssler) aus dem Kompost kamen bzw. ein Verkehr von Käfern zwischen dem Kompost und den Pflanzen stattgefunden hat. Herr L (Kläger Ziff. 1) hat dann eines Tages den Kompost abgespritzt, woraufhin in vermehrtem Umfang Käfer aus dem Kompost herausgekommen sind. Ich (Zeuge) habe nur Käfer gesehen, die sich vom Kompost zum Beerenfeld bewegt haben und zwar nur in dieser Richtung. Sie sind nicht vom Beerenfeld zurück in Richtung Kompost gelaufen.“ Der Zeuge H beschrieb seine Beobachtungen bei einem Ortstermin am 09.09.2002 mit den Worten: „Er (der Komposthaufen) war mit Kalkstickstoff umgeschichtet worden. Es waren jedoch noch abgestorbene Pflanzenreste als Decke zu sehen. Um den Komposthaufen herum war ein Rest von (toten) Käfern in Marschrichtung zu den Johannisbeerplantagen des Klägers festzustellen. ... Die Käfer habe ich z.B. in der Mitte zwischen den beiden Anlagen auf dem dort befindlichen Querweg gefunden, aber auch im unbefestigten Bereich. Man fand Käfer vom Kompost her und zwar auf der gesamten Strecke von Südwest bis Nordwest. Sie waren zum Teil vom Regen weggeschwemmt worden und es waren nicht mehr so viele, aber sie waren noch deutlich zu sehen. Lebende habe ich nicht mehr gesehen. Ich nehme an, dass der Tod auf den Kalkstickstoff zurückzuführen ist.“ Weiterhin bekundete dieser Zeuge, dass er in einem Umkreis von etwa 600 m Untersuchungen angestellt habe, um befallene Stellen festzustellen. In etwa 300 m habe sich eine weitere Johannisbeeranlage befunden, bei der er jedoch habe feststellen können, dass sie völlig befallfrei gewesen sei. Andere Quellen, aus denen die Schädlinge gekommen sein könnten als den Komposthaufen, habe er nicht festgestellt. Dazuhin konnte der Zeuge B anlässlich eines Ortstermins am 07.08.2002 feststellen, dass die Schäden an den Blättern der Johannisbeerpflanzen der Kläger mit fortschreitender Entfernung vom Komposthaufen des Beklagten abgenommen haben. Aufgrund dieser Zeugenangaben kam auch der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Z bei seinem mündlichen Gutachten zu dem Ergebnis, dass andere Herkunftsquellen der Dickmaulrüssler als der Komposthaufen des Beklagten, nämlich ein Einschleppen der Insekten im Zusammenhang mit der Bepflanzung der Johannisbeerbüsche durch die Kläger selbst oder ein Einwandern aus der übrigen Umgebung des Grundstücks der Kläger ausscheiden. Vielmehr, so der Sachverständige, sprechen die Beobachtungen der Zeugen dafür, dass tatsächlich die Quelle sich im Bereich des Komposts befand. Insoweit sei zu sagen, dass der Kompost als solcher eigentlich eine schlechte Nahrungsgrundlage (für die Tiere) sei. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, dass Tiere sich insbesondere in den oberen Schichten des Komposthaufens entwickelt hätten, nachdem er (der Sachverständige) auch gehört habe, dass dieser immer wieder mit Fremdmaterial aus der Bevölkerung beladen worden sei. Auch der vom Zeugen H beschriebene Kompostbewuchs (an der Oberfläche) könne einen Nährboden darstellen, ebenso die Wärme, die in einem solchen Komposthaufen vorzufinden sei und der lockere Boden, der den Insekten zugute käme. Der eigentlich ungeeignete Lebensraum (Dickmaulrüsselkäfer schätzen tote organische Masse nicht, vielmehr bevorzugen sie lebendes, frisches Pflanzenmaterial) könnte daher durch das heterogene Material (des Komposthaufens) verbessert worden sein. Dazuhin spreche für den Umstand, dass die Käfer aus dem Kompost gekommen seien neben den Angaben der Zeugen, dass sich die Tiere vom Kompost in Richtung Plantage bewegt haben, auch die Tatsache, dass bei einem Erstbefall der Johannisbeerbüsche der Kläger die Käfer sicher sich mehr in der Plantage breitgemacht hätten, statt sich in den Kompost zu verziehen, wo nicht ihr eigentlicher Lebensraum sei.
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Mit der Feststellung des Komposthaufens als Ausgangsgebiet der Dickmaulrüssler ist jedoch noch nicht geklärt, wie und weshalb die Tiere auf den Kompost gelangt sind. Insoweit konnte der gerichtliche Sachverständige mangels weiterer Anhaltspunkte sich jedoch nicht festlegen, welche der in Betracht kommenden weiteren Ausgangsursachen die wahrscheinlichste ist. Als Möglichkeiten kommen hierbei in Betracht das Einschleppen der Dickmaulrüssler mit von ihnen bereits befallenem und vom Beklagten von der Firma G (G ) erworbenem Kompostmaterial, die Einbringung der Käfer durch von ihnen befallenem Pflanzenmaterial, das Dritte auf den Komposthaufen abgelegt haben sowie das zufällige Niederlassen der Tiere auf dem Komposthaufen. Zwar bewertete der Sachverständige die Möglichkeit des Einschleppens der Tiere durch von ihnen befallenes, vom Beklagten erworbenes Kompostmaterial eher als unwahrscheinlich, nachdem der Komposthaufen jedenfalls nach Angaben des Lieferanten entsprechend aufbereitet (erwärmt) worden sei. Andererseits sei ein sogenannter sporadischer Käferbefall immer und überall möglich, wobei er, der Sachverständige, hierüber nur spekulative Angaben machen könne. Wenn er gefragt werde, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass die Käfer entweder aus dem zugelieferten Kompostmaterial, aus der Bepflanzung des Komposthaufens oder von Fremdmaterial, das von Dritten auf dem Komposthaufen abgelagert wurden sei, stammten, so könne er hierzu aus seiner wissenschaftlichen Sicht keine verlässlichen Angaben machen. Alles, was er hierzu sagen würde, wäre Spekulation. Ebenso wolle er über Wahrscheinlichkeiten dieser Möglichkeiten keine Prozentangaben treffen.
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Damit verbleibt jedoch insbesondere auch die Möglichkeit, dass die ersten Dickmaulrüssler sich zufällig auf dem Komposthaufen niedergelassen hatten, ohne dass dieser einen besonderen, über die Anlockungsreize seiner Umgebungsbewachsung hinausgehende besondere zusätzliche Gründe für die Erstansiedlung der Tiere gesetzt hatte. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der Oberflächenbewuchs des Komposthaufens grundsätzlich keine größeren Anlockungsreize für die Niederlassung der Tiere ausstrahlte als insbesondere die Johannisbeerbüsche auf dem Nachbargrundstück der Kläger. Auch steht für den Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit bzw. Wahrscheinlichkeit fest, dass die Tiere bei ihrer Erstansiedlung dem Komposthaufen deshalb den Vorzug gegeben hatten, weil dieser neben seinem Oberflächenbewuchs auch noch warmen lockeren Untergrundboden bot, denn Dickmaulrüssler schätzen das übrige tote und verrottende Kompostmaterial als Nahrungsgrundlage gerade nicht.
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Damit konnten die Kläger zur Überzeugung des Senats nicht beweisen, dass der Beklagte durch die Anlegung des Komposthaufens eine konkrete Gefahrenquelle dadurch geschaffen hatte, dass der Befall des Komposthaufens durch die Dickmaulrüssler und deren Larven begünstigt worden ist und das Zerstören der Johannisbeerbüsche der Kläger durch diese Insekten die Verwirklichung einer solchen Gefahrenquelle darstellte (BGH NJW 1995, 2634).
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Da eine Haftung des Beklagten bereits dem Grunde nach nicht besteht, kann die weitere Klärung der Höhe des Schadensersatzanspruches dahinstehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 2 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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