Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 4 VAs 1/06

Tenor

Die Sache wird auf Antrag der Antragstellerin an das Landgericht S. abgegeben.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin stellt Sound-Systeme für Kraftfahrzeuge her, die sie in Zusammenarbeit mit Automobilherstellern für die jeweiligen Kraftfahrzeugtypen entwickelt. Dies erfordert einen erheblichen finanziellen Aufwand, da ein Auto u.a. aufgrund großer Glasflächen, unterschiedlicher Innenraummaterialien und lauter Außengeräusche einen schwierigen akustischen Raum bildet.
Nach dem Vortrag der Antragstellerin seien aus der Firma … am 30. September 2004 zwei Mitarbeiter ausgeschieden, die etwa zwei Wochen später einem deutschen Automobilhersteller einen Prototyp eines Fahrzeuges mit einem Sound-System präsentiert hätten. Es sei ausgeschlossen, dass sie dieses selbst innerhalb kurzer Zeit entwickelt hätten. Vielmehr hätten sie auf Know-how der Antragstellerin zurückgegriffen und dieses für ihre eigenen Zwecke verwendet. Dabei habe sich einer der Beschuldigten zu der Zeit, zu der beide noch bei der Firma … beschäftigt gewesen seien, geheime Informationen verschafft, so ein geheimes Softwareprogramm, welches er auf seinem dienstlichen Computer „versteckt“ habe, um es auf ein externes Speichermedium zu übertragen und es auf diese Weise zu entwenden.
Die Antragstellerin erstattete gegen die beiden Beschuldigten und den Geschäftsführer der Gesellschaft, die diese gegründet hätten, um mit der Antragstellerin in Wettbewerb zu treten, Strafanzeige wegen Verdachtes des Verrates von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) und stellte insoweit Strafantrag. Diesem fügte sie Kopien von E-Mails bei, in denen die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalten seien. Die Geheimnisse habe die Antragstellerin aufgrund Vertrages gemäß §§ 123 ff. UmwG vom 2. Juni 2005 von der Firma … übernommen.
Aufgrund der Strafanzeige seien die Geschäftsräume der von den Beschuldigten betriebenen Gesellschaft sowie deren private Wohnungen durchsucht und dabei Speichermedien sichergestellt worden. Um deren Auswertung zu erleichtern, habe die Antragstellerin der Staatsanwaltschaft Codenamen, Schlagworte und Begriffe für die als geheim einzustufende Software sowie geheime Details zu Computerprogrammen mitgeteilt. Sie habe die Ermittlungsbehörde darum gebeten, den Beschuldigten die geheimen Informationen nicht zugänglich zu machen, um zu verhindern, dass diese sie (erneut) kopierten.
Mit Verfügung vom 22. Dezember 2005 hat die Staatsanwaltschaft der Antragstellerin mitgeteilt, sie beabsichtige, den Verteidigern umfassend Akteneinsicht zu gewähren. Hiergegen hat die Antragstellerin beim Oberlandesgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG gestellt. Sie beantragt, der Staatsanwaltschaft zu untersagen, den Beschuldigten und deren Verteidigern umfassend Akteneinsicht zu gewähren, ohne hinsichtlich der von ihr als geheimhaltungsbedürftig bezeichneten Teile die in Nr. 260 b RiStBV genannten Maßnahmen zu treffen, insbesondere die geheimhaltungsbedürftigen Dokumente vor der Gewährung von Akteneinsicht den einzusehenden Akten zu entnehmen. Hierdurch sei nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ der Akteneinsicht betroffen. Es gehe nicht um die Gewährung oder Versagung von Akteneinsicht, sondern um die Ergreifung geeigneter Geheimhaltungsmaßnahmen bei deren Gewährung.
II.
Die Antragstellerin ficht nach Inhalt und Ziel ihres Antrages zunächst die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 22. Dezember 2005 an (Anfechtungsantrag). Darüber hinaus begehrt sie eine Verfügung des Inhaltes, dass den Verteidigern nicht umfassend Akteneinsicht gewährt wird (Verpflichtungsantrag).
Entgegen ihrer Wertung betreffen ihre Anträge nicht nur das „Wie“ der Akteneinsicht, sondern auch das „Ob“.
Nach ihrem Vorbringen hat die Antragstellerin der Staatsanwaltschaft unter anderem von ihr als geheimhaltungsbedürftig einzustufende Schriftstücke übersandt. Damit sind diese Teile der Akten geworden. Sie sollen nach ihrem Willen gemäß Nr. 260 b Abs. 1 RiStBV aus den Akten herausgenommen werden, weshalb sich der Antrag primär auf die Bestimmung des Umfanges der Akten bezieht. Indes würde hierdurch das Recht der Verteidiger auf Akteneinsicht beschnitten, denn die Schriftstücke, die herausgenommen werden sollen, werden ihrer Einsicht entzogen.
III.
Das Oberlandesgericht ist für die Bescheidung weder des Anfechtungs- noch des Verpflichtungsantrages zuständig. Vielmehr ist in entsprechender Anwendung von §§ 147 Abs. 5 Satz 2, 161 a Abs. 3 Satz 2 StPO das Landgericht berufen, hierüber zu befinden.
10 
1. Die angefochtene Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 22. Dezember 2005 stellt keine Maßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG dar, die von einer Justizbehörde auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen worden ist, was auch für die von der Antragstellerin erstrebte Verfügung gilt, da diese auf der selben Rechtsgrundlage beruht.
11 
Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG ist zur Überprüfung von solchen Maß- nahmen der Justizbehörden eröffnet, die als spezifisches Verwaltungshandeln einzuordnen sind. Im Gegensatz hierzu stehen die Prozesshandlungen, die nicht der Nachprüfung im Wege der §§ 23 ff. EGGVG unterliegen. Diese dienen der Einleitung, Durchführung und Gestaltung des Ermittlungsverfahrens und damit der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten. Sie sind funktionell nicht dem Bereich der Verwaltung, sondern der Rechtspflege zuzuordnen. Rechtsschutz gegen sie kann nur auf der Grundlage der StPO gewährt werden (h.M., vgl. etwa OLG Stuttgart Die Justiz 1986, 334; OLG Frankfurt NJW 1996, 1484; OLG Hamm wistra 2003, 317; KK-Schoreit, StPO und GVG, § 23 EGGVG Rn. 31; LR-Böttcher, StPO und GVG, 25. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 53; Meyer-Goßner, StPO und GVG, 48. Aufl., § 23 EGGVG Rn. 10).
12 
Demnach ist die Gewährung von Akteneinsicht an den Beschuldigten als Prozesshandlung anzusehen, da sie der Durchführung des Strafverfahrens dient. Ihre Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO. Akteneinsicht an Dritte hingegen dient nicht der Durchführung des Strafverfahrens; sie wurde deshalb als Justizverwaltungsakt angesehen und unterlag dem Geltungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG (vgl. OLG Stuttgart und OLG Frankfurt jeweils a.a.O.). Allerdings besteht seit dem Inkrafttreten des StVÄG 1999 vom 02. August 2000 (BGBl. I S. 1253) am 01. November 2000 insoweit Rechtsschutz nach §§ 478 Abs. 3 Satz 1, 475 StPO, sodass unabhängig davon, ob die Gewährung von Akteneinsicht an Dritte noch als Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG einzuordnen ist, der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht mehr eröffnet ist (§ 23 Abs. 3 EGGVG). Der Verletzte kann auf seinen Antrag hin am Strafverfahren beteiligt werden. Ihm stehen die Rechte aus den §§ 406 d ff. StPO zu. Deshalb hat er Anspruch auf Akteneinsicht gemäß § 406 e StPO, gegen deren Versagung gerichtliche Entscheidung beantragt werden kann (§ 406 e Abs. 4 Satz 2 StPO). Auch insoweit kann der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht beschritten werden.
13 
Vorliegend ist die Antragstellerin Verletzte. Zudem geht es um die Einschränkung der Akteneinsicht an die Beschuldigten, sodass kein Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG vorliegt. Hiernach steht der Antragstellerin der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht zur Verfügung.
14 
2. Auch § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO stellt der Antragstellerin nach seinem Wortlaut keine Möglichkeit der Anfechtung zur Verfügung.
15 
Gemäß § 147 Abs. 5 Satz 1 StPO entscheidet im Ermittlungsverfahren über die Gewährung von Akteneinsicht an den Verteidiger die Staatsanwaltschaft. Versagt sie diese, kann dagegen unter den Voraussetzungen des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO beim Landgericht (§ 161 a Abs. 3 Satz 2 StPO) gerichtliche Entscheidung beantragt werden.
16 
Vorliegend sind die Voraussetzungen dieser Bestimmung schon deshalb nicht gegeben, weil die Staatsanwaltschaft die Einsicht in die Akten nicht versagt hat, sondern im Gegenteil umfassend gewähren will. § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO ist auf die Rechte des Verteidigers zugeschnitten, dem keine Akteneinsicht gewährt wird. Er wurde ebenfalls durch das StVÄG 1999 neu gefasst. Bis zu dessen Inkrafttreten war die Versagung von Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren nach überwiegender Ansicht nicht anfechtbar; es blieb nur der Weg der Dienstaufsichtsbeschwerde, da auch der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG als nicht eröffnet angesehen wurde (vgl. LR-Lüderssen, StPO, 23. Aufl., § 147 Rn. 157 m.w.N.). Dies empfand man insbesondere im Schrifttum als unbefriedigend, da der Beschuldigte bei Versagung von Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft keinerlei Einfluss auf den Gang des Ermittlungsverfahrens habe nehmen können. Deshalb wurden dem Verteidiger in den in § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO bezeichneten Fällen die Möglichkeit gegeben, die Versagung von Akteneinsicht gerichtlich überprüfen zu lassen (vgl. Bundestagsdrucksache 14/1484 S. 21/22). Die Anfechtbarkeit von Akteneinsicht an den Beschuldigten durch einen Dritten (den Verletzten) ist im Gesetzgebungsverfahren nicht diskutiert worden und daher nicht Inhalt von § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO.
17 
3. Für die Anfechtung der Verfügung vom 22. Dezember 2005 steht sonach weder § 23 EGGVG noch § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO zur Verfügung. Indes kann hieraus nicht gefolgert werden, dass die Verfügung unanfechtbar ist. Hiergegen spricht nämlich, dass im Fall der Gewährung umfassender Akteneinsicht an die Verteidiger das Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Eigentumsgarantie) verletzt sein könnte. Als juristische Person kann sie sich auf dieses Grundrecht berufen (Art. 19 Abs. 3 GG; vgl. etwa BVerfGE 66, 116 (130)). Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Unter Gewerbebetrieb ist die Gesamtheit der sachlichen, persönlichen und sonstigen Mittel in allen ihren Erscheinungsformen und Ausstrahlungen zu verstehen, die in der Hand des Betriebsinhabers zu einem einheitlichen Organismus zusammengefasst sind (so Papier in Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 95). Der Gewerbebetrieb umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebes ausmacht, also auch betriebsbezogene gespeicherte Daten und die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers über Belange des Arbeitgebers, somit auch den Schutz von Geschäftsgeheimnissen (vgl. Palandt/Sprau/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 823 Rn. 127 i.V.m. § 611 Rn. 41). Deshalb fällt auch ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis hierunter.
18 
Wegen des mit der Gewährung von Akteneinsicht möglicherweise verbundenen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG könnte deshalb unbeschadet der o.a. Bedenken, dass es sich bei der Bewilligung von Akteneinsicht an die Beschuldigten begrifflich nicht um einen Justizverwaltungsakt handelt, der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet sein (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 23 EGGVG Rn. 10: Prozesshandlungen der Staatsanwaltschaft seien keine Justizverwaltungsakte und deshalb der Anfechtung entzogen; eine Ausnahme sei aber im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG zu machen, soweit es sich um in Grundrechte eingreifende Maßnahmen handele). Hierfür kann auch angeführt werden, dass § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO nur die Versagung von Akteneinsicht regelt, gegen die sich der Verteidiger wehren kann, hingegen nicht die Bewilligung der Akteneinsicht, die einen Dritten beschweren kann. Auch bei verweigerter Akteneinsicht in Spurenakten ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (BVerfGE 63, 45; Meyer-Goßner a.a.O. § 147 Rn. 40; a.A. KK-Laufhütte a.a.O., § 147 Rn. 25: § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO analog).
19 
Andererseits ist jedoch zweifelhaft, ob § 23 EGGVG neben § 147 StPO überhaupt Anwendung finden kann (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 147 Rn. 40: grundsätzlich nicht außer im Fall von Spurenakten; KK-Laufhütte a.a.O.: in keinem Fall; OLG Hamm a.a.O.: nur ausnahmsweise). Gegen eine Anwendung von § 23 EGGVG im vorliegenden Fall spricht entscheidend, dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht: Würde der Senat dem Antrag stattgeben und Akteneinsicht nur in beschränktem Umfang bewilligen, könnten die Beschuldigten zumindest nach Abschluss der Ermittlungen gemäß § 147 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 161 Abs. 3 Satz 2 StPO beim Landgericht gerichtliche Entscheidung beantragen. Das Landgericht wäre nicht an die Entscheidung des Senats gebunden und könnte Akteneinsicht in vollem Umfang bewilligen. Ebenso hat der BGH (St 39, 112 = NStZ 1993, 351 mit Anm. Otto) zu § 406 Abs. 4 Satz 2 StPO in der bis zum Inkrafttreten des StVÄG 1999 geltenden Fassung im umgekehrten Fall entschieden, dass der Beschuldigte das Landgericht anrufen kann, wenn die Staatsanwaltschaft dem Verletzten Akteneinsicht gewährt. Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG sei für den Beschuldigten nicht eröffnet, da anderenfalls die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bestehe: Versage das OLG auf Antrag des Beschuldigten hin dem Verletzten Akteneinsicht, könne dieser das Landgericht gemäß § 406 e Abs. 4 Satz 2 StPO anrufen mit der Folge, dass dessen Antrag stattgegeben und Akteneinsicht bewilligt werde. Im Rahmen des § 406 e Abs. 4 Satz 2 StPO stellt sich dieses Problem nicht mehr, da diese Bestimmung insoweit durch das StVÄG 1999 geändert wurde. Um aber im Bereich des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, muss der Verletzte in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung beim Landgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen können.
IV.
20 
1. Eine Verweisung der Sache entsprechend § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Landgericht ist nicht möglich (vgl. OLG Frankfurt NJW 1996, 1484; OLG Hamburg NStZ 1995, 252; OLG Stuttgart wistra 2002, 38 und NStZ-RR 2003, 191; vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 17 bis 17 b GVG Rn. 2). Dem hilfsweise gestellten Antrag auf formlose Abgabe an das Landgericht ist jedoch zu entsprechen.
21 
2. Zum weiteren Verfahren ist zu bemerken:
22 
Zunächst wird zu klären sein, ob der Vortrag der Antragstellerin zutrifft, es handele sich um Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse im Sinne von Nr. 260 b Abs. 1 RiStBV.
23 
Hinsichtlich des Anfechtungsantrages wird in Anbetracht dessen, dass Führung und Gestaltung des Ermittlungsverfahrens in der Verantwortung der Staatsanwaltschaft liegen und eine gerichtliche Überprüfung einzelner Maßnahmen sich auf deren rechtliche Zulässigkeit zu beschränken hat und nicht deren Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit umfassen darf (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 162 Rdnr. 14), der Strafverfolgungsbehörde bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Akteneinsicht zu beschränken ist, ein Ermessen einzuräumen sein. Hinweise für die Ausübung dieses Ermessens gibt Nr. 260 b RiStBV. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich entsprechend der Regelung in § 28 Abs. 3 EGGVG auf die fehlerfreie Ausübung dieses Ermessens.
24 
In der angefochtenen Verfügung vom 22. Dezember 2005 wurde das - nach dem Vortrag berechtigte - Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin nicht gewürdigt und gegebenenfalls in der Weise berücksichtigt, dass bei der Gewährung von Akteneinsicht an die Verteidiger Maßnahmen getroffen werden, um es zu schützen. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb ihr Ermessen nicht ausgeübt. Auf Nr. 260 b RiStBV wird nicht eingegangen.
25 
Angesichts des der Staatsanwaltschaft zustehenden Ermessens kann das Landgericht über den Antrag, den Verteidigern nur beschränkt Akteneinsicht zu gewähren, nicht abschließend entscheiden. Vielmehr wird - sofern es zu einer Aufhebung der Verfügung vom 22. Dezember 2005 kommt - analog § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verfahren sein, so dass zunächst die Staatsanwaltschaft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu befinden haben wird. Gegen deren Entscheidung kann gemäß § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO i.V.m. § 161 a Abs. 3 Satz 2 StPO Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden, allerdings nur insoweit, als es um die Beschränkung der Akteneinsicht geht, die auf der Grundlage von Nr. 260 b Abs. 1 RiStBV vorgenommen werden kann (dann anfechtbar durch den Verteidiger) oder wenn eine Beschränkung abgelehnt wird (dann anfechtbar durch den Dritten in entsprechender Anwendung der genannten Bestimmungen). Die Art und Weise, in der Akteneinsicht gewährt wird (vgl. Nr. 260 b Abs. 2 RiStBV), ist jedenfalls dann unanfechtbar, wenn es um die Überlassung der Akten in die Kanzleiräume des Verteidigers geht (s. § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO, Nr. 260 b Abs. 2 Satz 3 RiStBV).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen