1. Die Beschwerde des Beteiligten R. H. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürtingen vom 02.11.2010 - 21 F 958/09 - wird
2. Auf die Beschwerde des Beteiligten R. H. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürtingen vom 18.11.2010 - 21 F 958/09
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbands Baden-Württemberg - - zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 4,21 Versorgungspunkten, bezogen auf den 30.11.2009, übertragen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Beteiligten U. W. und R. H. gegeneinander aufgehoben.
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| | Der am … 1951 geborene Beteiligte R. H. und die am … 1964 geborene Beteiligte U. H. haben am 10.12.1982 geheiratet. Sie leben seit dem 29.07.2009 getrennt, der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 02.12.2009 zugestellt. |
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| | Ehezeitbezogen hat der Antragsgegner Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 41,1442 Entgeltpunkten, bezogen auf den 30.11.2009, erworben. Die Antragstellerin hat ehezeitbezogen 13,0178 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung und 13,64 Versorgungspunkte (korrespondierender Kapitalwert 2172,53 EUR) bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg (ZVK) erworben. |
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| | Der Antragsgegner bezieht seit dem 01.05.2010 eine bis zum 30.11.2012 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 1.390,99 EUR monatlich. Nach Abzug der Beiträge zu Kranken- und Rentenversicherung erhält er 1.253,98 EUR monatlich ausbezahlt. |
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| | Im Scheidungsverbundbeschluss vom 02.11.2010 hat das Familiengericht in Ziffer 2 lediglich die Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 6,5089 Entgeltpunkten zugunsten des Antragsgegners und in Höhe von 20,5721 Entgeltpunkten zugunsten der Antragstellerin ausgeglichen. Die Entscheidung wurde den Beteiligten am 08.11. und 09.11.2010 zugestellt. Am 17.11.2010 beantragte die ZVK telefonisch eine Entscheidung über die von der Antragstellerin bei ihr erworbenen Anwartschaften, deren Ausgleich sie in ihrer Auskunft vom 26.02.2010 nach Abzug von Teilungskosten von 211,39 EUR mit 4,21 Versorgungspunkten im Wege der internen Teilung vorgeschlagen hatte. Durch Beschluss vom 18.11.2010 „berichtigte“ das Familiengericht den Beschluss vom 02.11.2010 dahingehend, dass es im Wege der „Ergänzung von Ziffer 2 des Beschlusses“ anordnete, dass der Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der ZVK unterbleibt. Eine Begründung erfolgte nicht. |
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| | Der Antragsgegner greift die Regelung des Versorgungsausgleichs sowohl im Verbund- als auch im Berichtigungsbeschluss an. Er erstrebt den Ausschluss, hilfsweise die Aussetzung des Versorgungsausgleichs. |
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| | Die Antragstellerin beantragt Zurückweisung der Beschwerden. |
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| | Die Beschwerden sind form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Der Antragsgegner behauptet eine Beschwer durch den Ausgangsbeschluss dahingehend, dass der Versorgungsausgleich überhaupt durchgeführt wurde und nicht gemäß § 27 VersAusglG ausgeschlossen wurde, hinsichtlich des Berichtigungsbeschlusses rügt er gemäß § 42 Abs. 3 FamFG das Fehlen des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen. |
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| | Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 02.11.2010 ist unbegründet. |
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| | Zwar ist der angefochtene Beschluss insoweit unrichtig, als das Familiengericht lediglich die gesetzlichen Rentenanwartschaften der Eheleute ausgeglichen hat, ohne eine Entscheidung über den Ausgleich der Anwartschaften der Antragstellerin bei der ZVK zutreffen. Dies wird vom Beschwerdeführer jedoch nicht gerügt, vielmehr ist sein Beschwerdeziel insoweit der Ausschluss bzw. die Aussetzung des Versorgungsausgleichs insgesamt. Damit hat er in der Sache keinen Erfolg. |
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| | Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre, was nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist. |
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| | Eine grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall die rein schematische Durchführung des Wertausgleichs unter den besonderen Begebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanwartschaften zu gewähren, in unerträglicher Weise widerspräche (Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., Rn. 13 zu § 27 VersAusglG unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung zu § 1587c BGB aF in BGH FamRZ 2009, 205; 2005, 1238). |
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| | Der Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs ist nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil dem Ausgleichspflichtigen durch den Versorgungsausgleich wenig Geld zum Leben, eventuell sogar nicht einmal der eigene angemessene Selbstbehalt verbleibt (OLG Rostock FamRZ 2011, 57 unter Verweis auf BGH FamRZ 2006, 769 zum alten Recht; OLG Köln, Beschluss vom 20.10.2010, 4 UF 79/10, zitiert nach juris). Zwar darf der Versorgungsausgleich nicht zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen. Unterhaltsrechtlich erhebliche Selbstbehaltgrenzen bestehen dabei aber nicht. Eine durch den Versorgungsausgleich entstehende Bedürftigkeit des Verpflichteten kann bei der Billigkeitsabwägung nach § 27 VersAusglG allenfalls dann relevant werden, wenn der Ausgleichsberechtigte bereits unter Berücksichtigung außerhalb der Ehezeit erworbener Anwartschaften oder seines sonstigen Vermögens über eine ausreichende Altersversorgung verfügt (vgl. BGH FamRZ 2006, 769 m.w.Nachw.). Derartige Umstände sind weder dargetan noch ersichtlich, wobei bereits im Ergebnis des beiderseitigen Ausgleichs der Selbstbehalt des Antragsgegners von 770.- EUR nicht betroffen ist. |
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| Er bezieht derzeit eine Rente von brutto |
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| Nach Saldierung verliert er durch den Versorgungsausgleich |
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| Bei einem aktuellen Rentenwert von 27,20 EUR entspricht dies einer Monatsrente von |
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| so dass nach dem Versorgungsausgleich verbleiben |
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| ./. Kranken- und Pflegeversicherung |
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| | Die Antragstellerin dagegen hat nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 16.10.2010 außerehelich lediglich Rentenanwartschaften in Höhe von 46,48 EUR monatlich erworben, hinzu kommen noch weitere ehezeitliche Anwartschaften von 354,08 EUR. Nachehelich erwirbt sie lediglich geringe Rentenanwartschaften aus einer Tätigkeit als Kassiererin, bei welcher sie - bereits unter Einschluss einer versicherungsfreien Nebentätigkeit - lediglich 1.000.- EUR monatlich netto verdient. Auch unter Berücksichtigung des mietfreien Wohnens in einer Eigentumswohnung wird dies im Rentenfall allenfalls zu einem Erreichen oder moderaten Überschreiten des eheangemessenen Bedarfs führen. |
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| | Angesichts der prognostizierten wirtschaftlichen Verhältnisse im Altersrentenfall kann sich der Antragsgegner nicht darauf berufen, dass er in Folge seiner Erwerbsunfähigkeit und des dadurch bedingten Rentenbezugs nicht in der Lage ist, seine wirtschaftliche Situation zu verbessern, während dies auf Seiten der Antragstellerin der Fall ist. In einer solchen Konstellation sah das Gesetz in § 101 Abs. 3 SGB VI bis zum 31.08.2009 vor, dass die Rente des Ausgleichspflichtigen erst zu dem Zeitpunkt gekürzt wird, zu welchem auch die Ausgleichsberechtigte Anspruch auf Rentenzahlungen erhält. Die Streichung dieses Rentnerprivilegs im Zuge der Reform des Versorgungsausgleichs war eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Solidargemeinschaft und kann deshalb nur in außergewöhnlichen Ausnahmefällen über die Billigkeitsprüfung des § 27 VersAusglG korrigiert werden, wenn nämlich zu der zwingenden gesetzlichen Folge des Wegfalls des Privilegs noch weitere den Ausgleichspflichtigen belastende Umstände hinzukommen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. |
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| | Der Versorgungsausgleich ist auch nicht deshalb auszuschließen, weil in Folge seiner Durchführung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Unterhaltsverpflichtung der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner entstehen würde. Zwar hat dieser bereits versucht, seine geschiedene Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch zu nehmen, allerdings wurde dieses Begehren in rechtlich nicht unerheblicher Weise unter Hinweis auf den Erhalt hoher Geldbeträge aus Lebensversicherung und Abfindung sowie einem Anspruch auf Erbauseinandersetzung in Höhe von ca. 160.000.- EUR zurückgewiesen, welchen Behauptungen der Antragsgegner nur in geringfügigem Umfang widersprochen hat. |
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| | Eine Aussetzung des Versorgungsausgleichs kommt ebenfalls nicht in Betracht, da auch die Einbeziehung der Anwartschaften der Antragstellerin bei der ZVK diese Rechtsfolge nicht rechtfertigen würde. Ganz im Gegenteil ist in Fällen, in denen zwar eine Anwartschaft aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Rechts von der Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit der Startgutschriften betroffen ist, der Ausgleichsberechtigte jedoch bereits Rentenleistungen bezieht, der Versorgungsausgleich trotz der rechtlich unsicheren Berechnungsgrundlage durchzuführen (BGH FamRZ 2009, 303; Anm. Borth in FamRZ 2008, 1085; 2011, 223). |
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| | Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 18.11.2010 führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. |
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| | Die Beschwerde rügt zu Recht, dass eine Berichtigung nach § 42 FamFG aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt. Es liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor, vielmehr hat das Familiengericht die Entscheidung über den Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der ZVK in der Verbundentscheidung vergessen gehabt. Aus dieser Entscheidung wird auch - ebenso wie aus dem Berichtigungsbeschluss - nicht erkennbar, welche Erwägungen das Familiengericht zu der getroffenen Entscheidung geführt haben, so dass bereits aus diesem Grund eine Grundlage für eine Berichtigung nicht ersichtlich ist und die Entscheidung keinen Bestand haben kann. |
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| | Zwar beantragt der Antragsgegner nicht ausdrücklich, den Ausgleich der Anwartschaft der Antragstellerin zu seinen Gunsten vorzunehmen, allerdings rügt er, dass dieser ausgeschlossen wurde, weshalb die Entscheidung über die Durchführung oder Nichtdurchführung des Ausgleichs beim Beschwerdegericht angefallen ist und seiner Entscheidungsbefugnis unterfällt. |
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| | Hierbei kann es ausdrücklich dahingestellt bleiben, ob das Familiengericht gemäß § 43 FamFG unter hier eingehaltener 2-Wochen-Frist des § 43 Abs. 2 FamFG berechtigt war, eine Entscheidung über das vergessene Anrecht nachzuholen (dagegen mit nicht überzeugender Begründung Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rn. 1068 unter Berufung auf BGH-Rechtsprechung zum alten Recht, welche bereits deshalb nicht einschlägig sein kann, weil beim früheren Einmalausgleich im Falle einer Berichtigung in bereits bestandskräftige anderweitige Ausgleichsmechanismen hätte eingegriffen werden müssen), jedenfalls ist im Beschwerdeverfahren eine Entscheidung hierüber nicht nur gestattet, sondern auch geboten (so auch OLG Koblenz, Beschluss vom 21.07.2010, 11 UF 403/10, zitiert nach juris). |
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| | Der Ausgleich ist entsprechend dem der Höhe nach von den Beteiligten nicht beanstandeten Vorschlag des Versorgungsträgers gemäß § 10 VersAusglG durch Übertragung von 4,21 Versorgungspunkten im Wege der internen Teilung zugunsten des Antragsgegners durchzuführen. |
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| | Zwar handelt es sich um einen geringfügigen Ausgleichswert im Sinne des § 18 Abs. 2 VersAusglG, jedoch gebieten es die unterschiedlichen Versorgungssituationen der Eheleute, den Ausgleich ausnahmsweise vorzunehmen (Johannsen/Henrich/Holzwarth, a.a.O., Rn. 15 zu § 18 VersAusglG). Gerade der Ausgleich auch geringfügiger Anwartschaften mildert für den Antragsgegner die Folgen der Rechtsänderungen zum 01.09.2009 ab, wonach ihm trotz Rentenbezug bereits mit Rechtskraft der Scheidung die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht unerheblich gekürzt wird, während die Antragstellerin hieraus für einen Zeitraum von wahrscheinlich noch 20 Jahren keinen wirtschaftlichen Nachteil erleidet. Hieraus korrespondiert wirtschaftlich gesehen ein Nachteil des Antragsgegners mit einem Vorteil der Solidargemeinschaft der Versicherten. Dementsprechend entspricht es der Billigkeit, im Rahmen des § 18 VersAusglG dem Antragsteller zur teilweisen Kompensation einen Vorteil zuzubilligen und den Nachteil der Solidargemeinschaft der bei der ZVK Versicherten zuzuweisen, nachdem hauptsächlicher Schutzzweck des § 18 VersAusglG der unverhältnismäßig hohe Verwaltungsaufwand des Versorgungsträgers ist (BT-Drucks. 16/10 144, S. 60). |
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