Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 11 UF 331/11

Tenor

I.

Dem Antragsteller wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt H.

bewilligt,

soweit er eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragsgegnerin Ziffer 2 ab dem 01.01.2012 verlangt.

Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe

zurückgewiesen.

II.

Der Senat schlägt den Beteiligten gemäß §§ 113 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO den Abschluss der folgenden Vereinbarung vor:

1. In Abänderung des Vergleichs des Amtsgerichts - Familiengericht - Aalen vom 16.12.2009 - 6 F 541/09 - zahlt der Antragsteller an die Antragsgegnerin Ziffer 2 monatlich jeweils im Voraus 157.- EUR, beginnend am 01.01.2012.

2. Es verbleibt bei der Kostenregelung erster Instanz. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 5/6 und die Antragsgegnerin Ziffer 2 zu 1/6. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller diejenigen der Antragstellerin Ziffer 1 und 2/3 derjenigen der Antragsgegnerin Ziffer 2, diese wiederum 1/6 derjenigen des Antragstellers. Die übrigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten selbst.

III.

Die Beteiligten werden gebeten, dem Senat bis zum

26.03.2012

mitzuteilen, ob der Vereinbarungsvorschlag angenommen wird.

Gründe

 
I.
Die am ... geborene Antragsgegnerin Ziffer 1 und die am ... geborene Antragsgegnerin Ziffer 2 sind die leiblichen Kinder des am ... geborenen Antragstellers aus dessen geschiedener Ehe mit der am ... geborenen Mutter der Antragsgegnerinnen. Der Antragsteller ist in zweiter Ehe verheiratet. Hieraus sind seine weiteren Kinder B., geboren am ..., und M. geboren am ..., hervorgegangen.
Durch Vergleich des Amtsgerichts Aalen vom 16.12.2009 - 6 F 541/09 - verpflichtete sich der Antragsteller zur Bezahlung von Kindesunterhalt an die Antragsgegnerinnen in Höhe von jeweils 250.- EUR ab Ende der seinerzeit angeordneten Kurzarbeit, mithin ab September 2010.
Der Antragsteller ist vollschichtig erwerbstätig. Ausweislich der vorgelegten Gehaltsbescheinigung für Dezember 2011 erzielte er im Jahr 2011 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.681,26 EUR. Darüber hinaus erhält er eine monatliche Rente in Höhe von 310,65 EUR.
Da seine Ehefrau ab September 2010 teilschichtig (70 % einer Vollzeitstelle) erwerbstätig ist, besuchen die Kinder B. und M. ab dieser Zeit einen Ganztageskindergarten, für welchen monatlich ohne Verpflegung ein Beitrag von 530.- EUR zu bezahlen ist.
Die Antragsgegnerinnen sind Schülerinnen und verfügen weder über Einkommen noch über Vermögen. Die Mutter der Antragsgegnerinnen erzielt ausweislich der im VKH-Verfahren vorgelegten Einkommensbescheide ein monatliches Nettoeinkommen von 1.784,09 EUR.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass der Mehrbedarf der jüngeren Kinder für den Kindergartenbesuch im Mangelfall zu berücksichtigen sei und beantragt die Abänderung des Vergleichs vom 16.12.2009 dahingehend, dass er ab dem 01.03.2011 lediglich noch zu Unterhaltszahlungen in Höhe von jeweils 155,54 EUR verpflichtet ist.
Das Familiengericht hat seinen Abänderungsantrag abgewiesen.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen ursprünglichen Antrag weiter und weist auf eine weitergehende Abänderungsmöglichkeit ab Volljährigkeit der Antragsgegnerin Ziffer 2 hin. Er beantragt Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.
Die Antragsgegnerinnen treten der Beschwerde entgegen.
II.
10 
Die zulässige Beschwerde hat gegenüber der Antragsgegnerin Ziffer 2 erst ab Eintritt deren Volljährigkeit im Januar 2012 hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb dem Antragsteller erst ab diesem Zeitpunkt Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden kann, §§ 113 FamFG, 114 ZPO. Gegenüber der Antragstellerin Ziffer 1 besteht keine hinreichende Erfolgsaussicht.
11 
Der Abänderungsantrag des Antragstellers ist zulässig, nachdem ihm nach dem Vergleich vom 16.12.2009 lediglich noch der notwendige Selbstbehalt von 900.- EUR verblieben war und dieser jedoch nach Vergleichsabschluss auf 950.- EUR angehoben wurde.
12 
In der Sache schuldet der der Antragsteller den Antragsgegnerinnen gemäß § 1601 BGB Kindesunterhalt. Der Bedarf besteht während der Minderjährigkeit der Antragsgegnerinnen zumindest in Höhe des Mindestbedarfs nach § 1612a BGB, somit jeweils in Höhe von 426.- EUR abzüglich hälftigem Kindergeld von 92.- EUR somit jeweils 334.- EUR monatlich.
13 
Die Leistungsfähigkeit des Antragstellers ist unstreitig eingeschränkt, da er 2 weiteren Kindern gegenüber gleichrangig zum Unterhalt verpflichtet ist, deren Bedarf bis einschließlich Juli 2011 jeweils 317.- EUR abzüglich 92.- EUR, also 225.- EUR beträgt. Ab August 2011 erhöht sich der Bedarf des Kindes B. nach Vollendung des 6. Lebensjahres auf 364.- EUR abzüglich 92.- EUR, somit 272.- EUR.
14 
Der Gesamtbedarf aller Kinder beträgt somit:
15 
             
März bis Juli 2011
        August bis Dezember 2011
M.
334.- EUR
334.- EUR
S.
334.- EUR
334.- EUR
B.
225.- EUR
272.- EUR
M.
   225.- EUR
   225.- EUR
        
1.118.- EUR
1.165.- EUR
16 
Im Mangelfall bleibt der vom Antragsteller hinsichtlich der Kinder B. und M. geltend gemachte Mehrbedarf für die Kosten des Kindergartens unberücksichtigt, da dieser gegenüber dem Tabellenunterhalt subsidiär ist (Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Gerhardt, 8. Auflage, 2011, 6. Kapitel, Rn. 745; Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Seiler, aaO, 6. Kapitel, Rn. 292).
17 
Diesen Mehrbedarf, welcher mit 530.- EUR monatlich ungefähr dem Tabellenbedarf von B. und M. entspricht, muss daher innerhalb der 2. Ehe des Antragstellers dessen Ehefrau tragen, weshalb es ausnahmsweise nicht angemessen ist, diese auch im Umfang ihres Einkommens am allgemeinen Tabellenbedarf für die gemeinsamen Kinder zu beteiligen.
18 
Die Leistungsfähigkeit des Antragstellers richtet sich nach seinen Einkünften aus Erwerbstätigkeit und Rente.
19 
Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab März 2011 erzielte der Antragsteller Einkünfte aus vollschichtiger Tätigkeit in dem Umfang, in welchem sie aus der Gehaltsbescheinigung für Dezember 2011 ersichtlich sind, wobei angesichts der Berufstätigkeit seiner Ehefrau mit intern höheren Einkünften entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen unterhaltsrechtlich hinzunehmen ist, dass eine Versteuerung nach Steuerklasse 4 gewählt wurde.
20 
Der Gesamtnettoverdienst im Jahr 2011 betrug     
20.175,15 EUR
monatsdurchschnittlich sind dies
1.681,26 EUR
./. 5 % Berufsaufwand
84,06 EUR
Rente
    310,65 EUR
        
1.907,85 EUR
./. notwendiger Selbstbehalt
    950,00 EUR
        
957,85 EUR
21 
Die Deckungsquote für den Kindesunterhalt liegt rechnerisch bis Juli 2011 bei 85,68 % und ab August 2011 bei 82,22 %.
22 
85,68 % von 334.- EUR sind
286,17 EUR,
82,22 % von 334.- EUR sind  
274,61 EUR.
23 
Beide Beträge liegen über dem titulierten Unterhalt von 250.- EUR, so dass eine Abänderung nicht in Betracht kommt.
24 
Ab Januar 2012 bemisst sich der Unterhalt der Antragsgegnerin Ziffer 2 nach Erreichen der Volljährigkeit nach der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, wobei nach Wegfall des Betreuungsunterhalts beide Elternteile gemäß § 1606 Abs. 3 BGB anteilig für den Barunterhalt haften.
25 
Der Bedarf der Antragsgegnerin Ziffer 2 errechnet sich grundsätzlich auf der Basis der zusammengerechneten Einkünfte der Eltern, wobei das Einkommen der Mutter nach den Gehaltsbescheinigungen, welche im VKH-Verfahren vorgelegt wurden,
26 
mindestens anzunehmen ist in Höhe von     
1.784,09 EUR
./. 5 % Berufsaufwand
    89,20 EUR
        
1.694,89 EUR
27 
Das zusammengerechnete Einkommen der Eltern (1.694,89 EUR + 1.907,85 EUR) beträgt 3.602,74 EUR, so dass der Bedarf der Antragsgegnerin Ziffer 2 aus Gruppe 7 der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen ist und 664.- EUR abzüglich 184.- EUR, mithin 480.- EUR beträgt.
28 
Die Anteilshaftung des Antragstellers errechnet sich ohne Vorwegabzug des den minderjährigen Kindern geschuldeten Unterhalts (OLG Stuttgart FamRZ 2007,75; Wendl/Klinkhammer, 8. Auflage, 2011, § 2, Rn. 598 f. unter ausdrücklicher Aufgabe der bis zur Vorauflage gegenteilig vertretenen Auffassung; abweichender jedoch abzulehnender Rechenweg lediglich bei Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 6. Aufl., 2010, V, Rn. 179 f.).
29 
Vergleichseinkommen Antragsteller
1.907,85 EUR ./. 1.150.- EUR
757,85 EUR
Vergleichseinkommen Mutter
   1.694,89 EUR ./. 1.150.- EUR
   544,89 EUR
Der Haftungsanteil des Antragstellers liegt
bei 58,17 % von 480.- EUR, also gerundet
 
280,00 EUR
30 
Der Gesamtbedarf der gleichrangig berechtigten Kinder gegenüber dem Antragsteller beträgt:
31 
M.
334,00 EUR
S.
280,00 EUR
B.
272,00 EUR
M.
   225,00 EUR
        
1.111,00 EUR
32 
Die Deckungsquote errechnet sich in Höhe von 86,22 %, so dass der Mangelfallanteil der Antragsgegnerin Ziffer 1 bei 287,97 EUR liegt, somit wiederum über dem titulierten Betrag von 250.- EUR.
33 
Hinsichtlich der Antragsgegnerin Ziffer 2 errechnet sich der Mangelfallanteil auf 241,42 EUR, gerundet auf 242.- EUR (Haftungsanteil der Mutter 238.- EUR).
34 
Bei Bezahlung des gesamten Unterhalts für 4 Kinder nach der dargestellten Mangelfallberechnung ist allerdings der angemessene Selbstbehalt von 1.150 EUR abzüglich Synergieeffekt von 10 %, mithin 1.035.- EUR, nicht gewahrt, so dass für den Fehlbetrag von 85.- EUR (1.035.- EUR ./. 950.- EUR) grundsätzlich die Haftung der Mutter der Antragsgegnerin Ziffer 2 nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB eingreift (BGH FamRZ 2011, 454; Wendl/Klinkhammer aaO, § 2, Rn. 599). Ihr Anteil von 238.- EUR würde sich somit um 85.- EUR auf insgesamt 323.- EUR erhöhen.
35 
Deren Unterhaltsanteil darf jedoch wiederum den Betrag nicht übersteigen, welcher sich bei alleiniger Haftung für den Volljährigenunterhalt ergäbe (BGH FamRZ 2006, 99). Da sie 2 Kindern gegenüber zum Barunterhalt verpflichtet ist (sie deckt bei der Antragsgegnerin Ziffer 1 den Unterschiedsbetrag des Mindestbedarfs von 334.- EUR zu titulierten 250.- EUR), würde sie nach ihrem Einkommen Unterhalt nach Gruppe 2 der Düsseldorfer Tabelle schulden in Höhe von 513.- EUR ./. 184.- EUR, somit 329.- EUR.
36 
Für diesen Betrag wäre sie auch leistungsfähig, da ihr verbleiben    
1.694,89 EUR
./. Unterhalt S.
329,00 EUR
./. ungedeckter Bedarf M.
    84,00 EUR
        
1.291,89 EUR
37 
Nach Abzug des errechneten erhöhten Haftungsanteils der Mutter    
verbleibt ein Restbedarf von
480.- EUR
./. von der Mutter zu decken
323.- EUR
        
157.- EUR
welchen der Antragsteller zu erbringen hat.
        
38 
Für den Fall des Abschlusses der vorgeschlagenen Vereinbarung wird die Aufhebung des Verhandlungstermins vom 29.03.2012 in Aussicht gestellt.

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