Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 13 U 165/16

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 29.09.2016 wird

zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für beide Instanzen: 7.633,04 EUR

Gründe

 
I.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen eines Vorfalls, der sich am 02.10.2014 auf dem Cannstatter Wasen ereignete. Beide standen auf Bierbänken und stürzten herunter, woraufhin es zu einer Auseinandersetzung kam, deren Verlauf streitig ist. Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht wies die Klage ab. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 29.09.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 4.000,00 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2014 zu bezahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.320,00 EUR sowie einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 1.313,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2014 zu bezahlen,
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Vorfall vom 02.10.2014 im Festzelt S. zu ersetzen,
4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 664,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
II.
11 
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, wies das Landgericht die Klage mangels Nachweises einer Körperverletzungshandlung ab.
1.
12 
Zu Recht war das Landgericht nicht davon überzeugt, dass der Beklagte die Klägerin am 02.10.2014 am Körper oder der Gesundheit verletzte.
a)
13 
Richtig hatte das Landgericht schon Zweifel an der Nachweisbarkeit der Darstellung der Klägerin, der Beklagte sei für ihren Sturz verantwortlich.
aa)
14 
Voraussetzung einer Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB ist das Vorliegen einer vom Schädiger begangenen Handlung im Rechtssinne, an der es fehlt, da die Klägerin sie nicht beweisen kann.
(1)
15 
Verletzungshandlung im Rechtssinn ist nur ein der Steuerung durch Bewusstsein und Willen unterliegendes und insofern grundsätzlich beherrschbares menschliches Verhalten. Wird die zu einem Schaden führende Kausalkette hingegen durch einen unwillkürlichen, körperlichen Reflex oder durch eine physische Zwangslage (vis absoluta) in Gang gesetzt, hatte der Schädiger in Wahrheit gar keine Möglichkeit, sich anders zu verhalten, als er es getan hat. Da sowohl die durch das Deliktsrecht vermittelten Anreize zu sorgfältigem Verhalten in solchen Fällen ins Leere gehen als auch von personaler Verantwortung im rechtsethischen Sinn keine Rede sein kann, scheidet eine Haftung aus. Dieses Ergebnis entspricht der Wertung des § 827 S. 1 BGB, der die Verantwortlichkeit für einen im Zustand der Bewusstlosigkeit verursachten Schaden ausschließt und damit einen Ausschnitt aus dem Kreis der hier in Betracht kommenden Fälle regelt (Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 823 Rn. 63 m.w.N.).
(2)
16 
Das Vorliegen einer Rechtshandlung in diesem Sinn bestreitet der Beklagte, der geltend macht, von der Bank herunter gezogen worden zu sein. Die Berufungserwiderung stellt zwar auch in den Raum, dass nicht der Beklagte die Klägerin, sondern diese den Beklagten angestoßen haben könnte, was aber nicht der Einlassung des Beklagten anlässlich seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht entspricht. Dort gab der Beklagte an, die Klägerin mit seinem Rücken angestoßen zu haben, nachdem er, als die Bank, auf der er tanzte, gewackelt habe, „mehr oder weniger runtergezogen“ worden sei und das Gleichgewicht verloren habe oder, wie er später auf Nachfrage erklärte, die Klägerin angestoßen zu haben, nachdem er selbst, als er „irgendwie die Hände gehoben“ hatte, „wohl von der linken Seite angestoßen“ worden war, das Gleichgewicht verlor und „dann einen Schritt nach hinten zwischen die Bänke gegangen“ sei, „um nicht zu stürzen.“
(3)
17 
Schwierigkeiten bereitet die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, wenn Streit um das Vorliegen einer willkürlichen menschlichen Handlung besteht. Der BGH ist bereits zweimal mit dieser Frage konfrontiert worden und hat danach unterschieden, ob „das äußere Erscheinungsbild eines eigenständigen Handelns des Täters in Frage steht“ oder nicht. In der ersten Entscheidung ging es um eine Wirtshaus-Schlägerei, bei der sich nicht aufklären ließ, ob der schadensträchtige Wurf einer Kegelkugel in das Gesicht des Klägers auf einer willkürlichen Handlung des Beklagten oder vielmehr auf einer Reflexbewegung infolge eines Schlages in die Magengrube beruhte. Der BGH legte dem Geschädigten die Beweislast für das Vorliegen einer willkürlichen menschlichen Handlung auf und wies die Klage ab (BGHZ 39, 103). Genau anders herum entschied das Gericht mit Blick auf einen schweren Verkehrsunfall, bei dem sich nicht aufklären ließ, ob der Unfallwagen deshalb auf die Gegenfahrbahn geraten war, weil der Fahrer am Steuer einen Herzinfarkt erlitten hatte. Hier sah sich der BGH an die Wertung des § 827 S. 1 BGB gebunden und verallgemeinerte sie auf sämtliche Fälle, in denen das Fehlen einer willkürlichen menschlichen Handlung auf inneren Vorgängen beruht. Folgerichtig wurde der Haftpflichtversicherung die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt, dass ihr Versicherungsnehmer im Zeitpunkt der Schädigung bewusstlos war (BGHZ 98, 135). Die Beweislast liegt nach der Rechtsprechung des BGH also nur in den Fällen beim Schädiger, „bei denen bereits das äußere Erscheinungsbild eines eigenständigen Handelns des Täters in Frage steht“ (Wagner a.a.O. Rn. 65 m.w.N.).
(4)
18 
Geht man davon aus, dass der Beklagte ohne eigene Reaktion auf die Klägerin stürzte, als er selbst gestoßen wurde und deswegen das Gleichgewicht verlor , trägt die Klägerin die volle Beweislast, was die Berufung nicht in Frage stellt. Die Klägerin muss dann ausschließen, dass der Verletzungsvorgang unter physischem Zwang erfolgt oder als unwillkürlicher Reflex durch fremde Einwirkung ausgelöst worden ist.
(a)
19 
Die Berufung greift die diesbezügliche Beweiswürdigung des Landgerichts an, jedoch zu Unrecht. Zu Recht und mit zutreffender Begründung kam es zu dem Ergebnis, dass nicht nachweisbar ist, dass der Beklagte wegen eines eigenen Fehlverhaltens auf die Klägerin stürzte.
20 
Richtig stellte das Landgericht darauf ab, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellbar war, weshalb der Beklagte die Klägerin anstieß und die Einlassung des Beklagten nicht widerlegt werden kann, er sei mehr oder weniger von der Bierbank herabgezogen worden, wobei er das Gleichgewicht verloren habe. Die Klägerin und die Zeugin A. konnten nichts Sicheres dazu sagen, wie es dazu kam, dass der Beklagte die Klägerin anstieß. Die Klägerin äußerte bei ihrer Anhörung, in den Rücken gestoßen worden und dadurch zu Fall gekommen zu sein und nicht sagen zu können, wie es dazu gekommen sei. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte sie: „Der Beklagte ist heruntergefallen und hat mich hierbei mitgezogen.“ Die Zeugin R. konnte nichts dazu sagen, weshalb der Beklagte nach hinten kippte. Auch die übrigen Zeugen konnten zur Ursache des Sturzes des Beklagten keine Angaben machen. Wenn das Landgericht bei dieser Lage nicht mit der erforderlichen Sicherheit von der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin überzeugt war, der Beklagte habe verantwortlich im Rechtssinne gehandelt, ist das nicht zu beanstanden. Konkrete Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen bestehen nicht (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
(b)
21 
soweit die Klägerin meint, dass der Sturz auf das heftige Tanzen des Beklagten auf der Bierbank zurückzuführen gewesen sei, ließ sich ein solches Verhalten des Beklagten ebenfalls nicht nachweisen. Es wurde von den Zeugen nicht bestätigt, weshalb es nicht zu beanstanden ist, wenn das Landgericht hiervon nicht überzeugt war.
(5)
22 
Allerdings könnte man die Erklärung des Beklagten, die er auf Nachfrage abgab, einen Schritt nach hinten gegangen zu sein, um nicht zu stürzen, auch dahin interpretieren, dass der Beklagte eine willentlich gesteuerte Reaktion dahin zeigte und nicht nur reflexartig nach hinten ging. Dann läge eine Handlung im Sinne von § 823 BGB vor und die übrigen Voraussetzungen von § 823 BGB wären zu prüfen, was am Ergebnis jedoch nichts ändern würde (unten cc).
bb)
23 
Die Entlastung des Schädigers im Falle eines nicht willensgesteuerten Vorfalls setzt voraus, dass der Schädiger sich nicht schuldhaft in eine Lage manövriert hat, in der ihm eine Steuerung des eigenen Verhaltens nicht mehr möglich war. Folgerichtig kann sich nicht entlasten, wer am Steuer eines Kraftfahrzeuges einschläft, auf die Gegenfahrbahn gerät und dort mit einem entgegenkommenden Fahrzeug frontal zusammenstößt (Wagner a.a.O. Rn. 64 m.w.N.).
24 
Zu Recht kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass das Tanzen des Beklagten auf der Bierbank eine solche Annahme nicht rechtfertigt. Es ist nicht als vorwerfbar anzusehen, dass der Beklagte zum Tanzen auf die Bierbank stieg. Dieses Verhalten birgt zwar die Gefahr, angestoßen zu werden und dadurch andere herabzustoßen und zu Fall zu bringen, in sich. Richtig sah das Landgericht dieses Verhalten aber als im Festzelt üblich und daher als zulässig und nicht zu beanstanden an.
25 
Richtig führte das Landgericht aus, es sei bei Besuchern eines Festzeltes, wie dem vorliegenden, durchaus üblich, dass diese kollektiv auf die Bierbänke steigen und dort zur Musik tanzen (VG Stuttgart, Urteil vom 31.01.2014 - 1 K 173/13, juris Rn. 23). Das Verhalten des Beklagten wie auch der Klägerin entspreche dem einer Vielzahl der übrigen Gäste im Zelt, so auch dem aller Zeugen und Begleiter der Beteiligten. Daher könne im Besteigen der Bierbank zum Tanzen keine Pflichtwidrigkeit gesehen werden. Die Gefahr, dass die Bierbank, wenn Personen sie besteigen und auf ihr tanzen, wackelt und hierdurch Personen das Gleichgewicht verlieren und stürzen können, habe von Anfang an bestanden und sei für alle Personen - die Klägerin eingeschlossen - erkennbar gewesen (OLG Hamm, Beschluss vom 20.10.2015 - 9 U 142/14, juris Rn. 4 a.E.). Durch den Beklagten sei keine über diese allgemeine Gefahr hinausgehende Gefährdung geschaffen worden.
26 
Die allgemeine Gefahr kannte die Klägerin und nahm sie in Kauf. Daher liegt mangels nachweisbaren weitergehenden Fehlverhaltens des Beklagten wie bei Sport oder Spiel, wenn die Regeln eingehalten werden, ein nach früherer Dogmatik die Rechtswidrigkeit und nach heute vorherrschender Ansicht die Pflichtwidrigkeit des Tuns des Beklagten ausschließendes Handeln der Klägerin auf eigene Gefahr vor (Wagner a.a.O. Rn. 79 f., 691 ff. m.w.N.).
cc)
27 
Interpretiert man die weitere, auf Nachfrage abgegebene Erklärung des Beklagten, einen Schritt nach hinten gegangen zu sein, um nicht zu stürzen, dahin, dass der Beklagte den Schritt nach hinten aufgrund einer willentlich gesteuerten Reaktion tat und nicht nur reflexartig nach hinten ging, läge darin wie oben erwähnt eine Handlung im Sinne von § 823 BGB. Die Prüfung der übrigen Voraussetzungen von § 823 BGB führt jedoch ebenfalls zu einer Verneinung der Haftung.
28 
Der Schritt nach hinten ist nicht als Pflichtwidrigkeit anzusehen, sondern als ein Verhalten des Beklagten im Rahmen der an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen. Nachdem er angestoßen worden war und das Gleichgewicht verloren hatte, war er berechtigt, um einen Sturz zu verhindern, den Schritt nach hinten zu machen.
(1)
29 
Die Kriterien, nach denen sich der Umfang deliktischer Sorgfaltspflichten bestimmt, sind weitgehend identisch mit denjenigen Gesichtspunkten, von denen ihre Existenz abhängt. Nach einer stehenden Formulierung der Rechtsprechung umfasst die rechtlich gebotene Verkehrssicherung diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Danach bestehen Verkehrspflichten immer nur im Rahmen der dem Sicherungspflichtigen in der konkreten Handlungssituation ex ante zur Verfügung stehenden faktischen und rechtlichen Handlungsmöglichkeiten. Die deliktischen Sorgfaltspflichten verlangen keine absolute Sicherheit in dem Sinne, dass der Eintritt von Rechtsgutsverletzungen schlechthin ausgeschlossen wäre, denn: „Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch“. Der Sicherungspflichtige ist daher weder gehalten, jede abstrakte Gefahr auszuschließen, noch dazu verpflichtet, konkrete Gefahren gänzlich auszuschließen oder auf einen Wahrscheinlichkeitswert nahe null zu minimieren. Die deliktsrechtlichen Sorgfaltspflichten enden nicht erst am empirisch-technisch und rechtlich Möglichen, sondern bereits an der Grenze des Zumutbaren. Soweit sich die vom Geschädigten erlittene Rechtsgutsverletzung nicht durch zumutbare Sorgfaltsmaßnahmen hätte verhindern lassen, kann sie dem Schädiger nicht als „Unrecht“ vorgeworfen werden, sondern ist vom Geschädigten als „Unglück“ hinzunehmen (Wagner a.a.O. Rn. 421 ff. m.w.N.).
(2)
30 
Nachdem der Klägerin wie den anderen Festzeltbesuchern die allgemeine Sturzgefahr durch das Tanzen auf den Bierbänken bekannt war und sie und die weiteren auf den Bierbänken tanzenden Personen andere Besucher durch ihr Tun ebenfalls in Gefahr brachten, war der Beklagte, nachdem er angestoßen worden war, berechtigt, zur Verhinderung eines Sturzes zu reagieren. Dass es ihm durch den Schritt nach hinten nicht gelang, sicher auf den Boden zu kommen, sondern er dabei die Klägerin anstieß und beide stürzten, hält sich im Rahmen des von allen Hinzunehmenden und ist als dem Beklagten nicht anzulastendes Unglück anzusehen.
b)
31 
Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landgericht nicht von der Behauptung der Klägerin überzeugt war, der Beklagte habe sie nach dem Sturz ins Gesicht und gegen den Hals geschlagen. Die Klägerin bekundete dies zwar anlässlich ihrer Anhörung. Ebenso bestätigte die Zeugin R. dies. Dem steht jedoch das Bestreiten des Beklagten gegenüber, das durch die Aussagen der Zeuginnen K. und H. bestätigt wurde, die beide erklärten, dass die Klägerin den Beklagten angriff. Auffällig ist zwar, worauf die Berufung hinweist, dass diese beiden Zeuginnen nichts vom Sturz des Beklagten und der Klägerin wussten. Daraus kann jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit abgeleitet werden, dass sie in Bezug auf die dem Sturz nachfolgende Auseinandersetzung die Unwahrheit sagten und der Wahrheit zuwider bekundeten, nicht der Beklagte habe die Klägerin, sondern diese den Beklagten angegriffen. Die beiden Zeuginnen kannten den Beklagten nicht und tanzten nur zufällig mit ihm zusammen auf der gleichen Bierbank, stehen ihm also nicht nahe und hatten daher keinen Anlass, zu seinen Gunsten unwahr auszusagen. Ebenso bekundete der Zeuge M., gesehen zu haben, wie die Klägerin den Beklagten schlug. Er erklärte zwar auch, nicht zu wissen, was dem voranging, weil er immer zur Bühne geschaut habe. Doch daraus ergibt sich jedenfalls nichts zu Gunsten der Klägerin. Wenn das Landgericht bei dieser Sachlage nicht davon überzeugt war, dass der Beklagte die Klägerin körperlich angriff, ist dies nicht als fehlerhaft im Sinne von § 529 ZPO anzusehen.
2.
32 
Zu Recht, im Ergebnis aber ohne Belang, beanstandet die Berufung die rechtliche Beurteilung des Landgerichts dahin, dass die Klägerin jedenfalls ein solch überwiegendes Mitverschulden treffe, dass ein Verschulden des Beklagten, sofern man ein solches annehmen wollte, dahinter zurücktreten würde, weil sie wie der Beklagte auf einer Bierbank tanzte und dabei ihr Bierglas in der Hand hielt, was das Abfangen eines Sturzes erschwerte. Dieses Verhalten ist nicht dazu geeignet, ein solch überwiegendes Mitverschulden der Klägerin zu begründen, dass ein mögliches Verschulden des Beklagten dahinter vollkommen zurücktreten könnte.
a)
33 
Unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung gemäß § 254 BGB ist die vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen. Ob ein vollständiger Haftungsausschluss gerechtfertigt ist, kann jeweils nur nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (BGH, Urteil vom 07.02.2006 - VI ZR 20/05, juris Rn. 12 m.w.N.).
b)
34 
Die Gefahr, beim Tanzen auf der Bierbank derart heftig angestoßen zu werden, dass ein Sturz unausweichlich war, war für die Klägerin nicht derart groß, dass sie damit unmittelbar rechnen musste und deshalb in ihrem Tanzen auf der Bank oder dem Halten des Bierglases beim Tanzen auf der Bank ein solch großes Verschulden gesehen werden müsste, dass ein Verschulden des Beklagten dahinter auf jeden Fall zurücktreten würde. Ein solch überwiegendes Mitverschulden könnte nur angenommen werden, wenn für die Klägerin aufgrund besonderer Umstände, die hier nicht vorliegen, erkennbar gewesen wäre, dass sie angestoßen werden und zu Sturz kommen würde.
35 
Doch kommt es auf diese fehlerhafte landgerichtliche Beurteilung mangels feststellbaren Verschuldens des Beklagten nicht an.
III.
36 
Die Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
37 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
38 
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
IV.
39 
Das Landgericht berücksichtigte bei der Streitwertbemessung den Feststellungsantrag nicht. Der Streitwert war daher für beide Instanzen auf 7.633,04 EUR festzusetzen.

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