1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.10.2019, Az. 20 O 198/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.200,00 EUR festgesetzt.
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| | Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs. |
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| | Die Klägerin kaufte am 05.08.2013 bei der Firma ... einen zuvor nur im Rahmen von Tageszulassungen bewegten, gebrauchten Skoda Yeti mit einen Kilometerstand von 10 km zu einem Kaufpreis von 25.200,00 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor vom Typ EA 189 (EU 5), der vom sogenannten Abgasskandal betroffen ist, ausgestattet. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, der Herstellerin des Motors, Schadensersatz. Der Kilometerstand betrug am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.03.2020 102.932 km. |
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| | Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Beklagte wie zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben. |
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| | Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. |
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| | Mit verschiedenen zwischen dem 27.01.2016 und dem 20.12.2016 erteilten Bestätigungen hat das KBA sämtliche betroffenen Fahrzeug- und Motorvarianten, darunter auch den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp, unter der Auflage freigegeben, dass ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update der Motorsteuerungsgerätesoftware installiert wird. Das Software-Update wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt. |
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| | Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. |
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| | Das Landgericht hat die auf Schadensersatz - in Form der Zahlung von 25.200 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinnsatz seit Rechtshängigkeit und Zinsen in Höhe von 4 % jährlich seit dem 05.08.2013 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs - sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs gerichtete Klage abgewiesen. |
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| | Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen aus: |
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| | Der Klägerin stünden bereits dem Grunde nach keine Schadensersatzansprüche zu, so dass sowohl offenbleiben könne, in welcher Höhe die Klägerin einen ausgleichspflichtigen Schaden erlitten habe, als auch, ob Ansprüche verjährt seien. Es bestehe kein Anspruch aus betrügerischen Handlungen, weil es an einer Täuschungshandlung fehle, insbesondere liege auch keine Täuschung durch Unterlassen vor, weil es in Bezug auf die Klägerin an einer Garantenstellung der Beklagten fehle. Es bestünden auch keine Ansprüche wegen schutzgesetzwidriger Handlungen. Denn die §§ 6, 27 EG-FGV seien nicht drittschützend. Im Hinblick auf Vorschriften des UWG seien - unabhängig von der fraglichen Schutzgesetzqualität - im Hinblick auf das Vermögen der Klägerin keine unwahren Angaben ersichtlich. Schließlich sei auch der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung unter keinem Gesichtspunkt erfüllt. Die Normen, die im Typengenehmigungsverfahren verletzt worden seien, stünden in keiner Beziehung zu Vermögensinteressen der betroffenen Partei. Der Schutzzweck der Regelungen zur Übereinstimmungsbescheinigung decke nicht den von der Klägerin geltend gemachten Schaden ab. Auch das Verschweigen betreffend die Software stelle keine sittenwidrige Schädigung dar, weil nicht dargetan sei, dass es sich insoweit um einen wertbildenden Faktor handele, der offenzulegen gewesen wäre. |
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| | Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. |
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| | Die Klägerin begehrt die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Verurteilung der Beklagten zu großem Schadensersatz ohne Anerkennung eines Anspruchs der Beklagten auf Nutzungsentschädigung, ferner Delikts- und Rechtshängigkeitszinsen und Feststellung des Annahmeverzugs. Ansprüche stünden ihr aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB als auch aus § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung, daneben auch aus § 826 BGB zu. Auf die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede geht die Klägerin in der Berufungsbegründung nicht mehr ein. Sie macht jedoch auf Seite 58 der Berufungsbegründung ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag zum Gegenstand des Berufungsverfahren. In der Klageerwiderung vom 19.09.2019 hatte die Klägerin ausführlich zur Frage der Verjährung Stellung bezogen. Die Ansprüche seien nicht verjährt und weiterhin durchsetzbar. Die Beklagte habe weder dargetan noch bewiesen, dass die Klägerin bereits im Jahr 2015 Kenntnis von der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs gehabt habe. Der Beginn der Verjährung sei wegen unsicherer Rechtslage hinausgeschoben gewesen. Klageerhebung bereits im Jahr 2015 sei nicht zumutbar gewesen. Es liege auch keine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin vor, weil diese allein aufgrund der aktienrechtlichen Publikationen im September 2015 keine Nachforschungen habe anstellen müssen. Zudem sei die Verjährung durch Anmeldung zur Musterfeststellungsklage bis sechs Monate nach Abmeldung gehemmt worden. Mittlerweile sei die Abmeldung erfolgt. Es sei auch nicht rechtsmißbräuchlich gewesen, sich der Musterfeststellungsklage anzuschließen. |
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| | 1. Das Urteil des LG Stuttgart vom 16.10.2019 (Az. 20 O 198/19) wird aufgehoben. |
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| | 2. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke: Skoda Typ: Yeti Fahrzeug-Identifizierungsnummer: ... an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 25.200,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%- Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. |
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| | 3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus 25.200,00 EUR seit dem 05.08.13 bis zu Beginn der Rechtshängigkeit zu bezahlen. |
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| | 4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Klageantrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet. |
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| | 5. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 2.077,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten. |
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| | die Berufung zurückzuweisen. |
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| | Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich. In der Berufungserwiderung geht sie auf die Frage der Verjährung nicht mehr ein. In der Klageerwiderung vom 28.08.2109 hatte sie jedoch die Einrede der Verjährung erhoben. Klageerhebung sei der Klägerin bereits 2015 möglich und zumutbar gewesen. Die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage habe die Verjährung nicht gehemmt, weil sie rechtsmissbräuchlich sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 23.09.2019 hat die Beklagte zudem bestritten, dass die Anmeldung zum Musterverfahren bereits im Jahr 2018 erfolgte. |
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| | Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. |
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| | Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. |
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| | Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz wegen des Erwerbs des mit dem Motor EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs zu, da das Fahrzeug bei seinem Inverkehrbringen durch die Beklagte mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 S. 2 der VO 715/2007/EG versehen war. Aufgrund dieser unzulässigen Abschalteinrichtung drohte der Widerruf der erteilten, aber lediglich formal wirksamen EG-Typgenehmigung und in der Folge die Betriebsuntersagung oder -beschränkung auf öffentlichen Straßen (vgl. Senat, Urteil vom 26. November 2019 - 10 U 199/19; Urteil vom 26. November 2019 - 10 U 154/19; Urteil vom 26. November 2019 - 10 U 338/19). |
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| | Dem Anspruch steht jedoch gemäß § 214 BGB die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Die Beklagte ist daher berechtigt, die Leistung von Schadensersatz zu verweigern. |
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| | Die Beklagte hat in ihrer Erwiderung auf die Berufung der Klägerin vom 27. Februar 2020 zur Frage der Verjährung nicht Stellung genommen. Sie hat aber bereits erstinstanzlich die Einrede der Verjährung erhoben. |
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| | Es genügt allerdings, dass die Einrede der Verjährung einmal erhoben wird. Einer ausdrücklichen Wiederholung der Einrede der Verjährung in der zweiten Instanz bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1988 - IX ZR 33/88; Bach in BeckOGK, Stand: 1.1.2020, § 214 BGB Rn. 45; Henrich in BeckOK BGB, Stand: 1.2.2020, § 214 Rn. 2; vgl. auch Rimmelspacher in MünchKomm-ZPO, 5. Aufl., § 529 Rn. 35; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl., § 529 Rn. 25). |
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| | Die Verjährung des Anspruchs aus § 826 ZPO richtet sich ebenso wie eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB nach §§ 195, 199 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Verjährungseinrede ist derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich auf Verjährung beruft, hier also die Beklagte. |
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| | Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs im Jahr 2013 entstanden(vgl. Senat, Urteil vom 24. September 2019 - 10 U 11/19, juris Rn. 44 ff.; Urteil vom 26. November 2019 - 10 U 154/19, juris Rn. 43 ff.). Zu diesem Zeitpunkt hatte sie aber noch keine Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs und der Person der Schuldnerin. |
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| | aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auf der Rechtsprechung zu § 852 BGB a.F. aufbaut, liegt die erforderliche Kenntnis im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Es ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (vgl. nur BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06 Rn. 27 mit Nachw. d. älteren Rspr.; Urteil vom 12. Mai 2009 - VI ZR 294/08 Rn. 17; Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 217/12, BGHZ 201, 129, juris Rn. 38; Versäumnisurteil vom 17. Juni 2016 - V ZR 134/15 Rn. 10). Die Erhebung einer Klage muss bei verständiger Würdigung in einem Maße Erfolgsaussicht haben, dass sie zumutbar ist (BGH, Urteil vom 11. September 2014 - III ZR 217/13 Rn. 15; Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115, juris Rn. 49; Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 17/14 Rn. 46; Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 309/12 Rn. 14; Urteil vom 8. November 2016 - VI ZR 594/15 Rn. 11; BAG, Urteil vom 13. März 2013 - 5 AZR 424/12, BAGE 144, 322, juris Rn. 24). Nicht ausreichend ist die Kenntnis von Anknüpfungstatsachen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Geschädigte aus den Anknüpfungstatsachen den Schluss auf eine Pflichtverletzung durch eine bestimmte Person zieht oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gezogen hat (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2016 - V ZR 134/15 Rn. 10). |
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| | Der Verjährungsbeginn setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 217/12, BGHZ 201, 129, juris Rn. 38; Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115, juris Rn. 49; Beschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210, juris Rn. 26; Urteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172, juris Rn. 86; Urteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 233/16 Rn. 94; BAG, Urteil vom 13. März 2013 - 5 AZR 424/12, BAGE 144, 322, juris Rn. 24). Der Gläubiger muss zumindest aufgrund der Tatsachenlage beurteilen können, ob eine rechtserhebliche Handlung von dem üblichen Vorgehen abweicht (Spindler in BeckOK BGB, Stand: 1.2.2020, § 199 Rn. 26). Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, Urteil vom 1. Juni 2011 - VIII ZR 91/10 Rn. 23 m.w.N.; Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115, juris Rn. 35; Urteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172, juris Rn. 86). |
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| | Ausgehend von diesen Grundsätzen lagen die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vor. |
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| | Insbesondere stand dem Verjährungsbeginn nicht die fehlende Zumutbarkeit einer Klageerhebung im Jahr 2015 entgegen. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich weder aus der „schleppenden Aufarbeitung des Abgas-Skandals und seiner Ausmaße durch die Beklagte“ noch aus der sich „anfangs sehr zögerlich entwickelnden Instanzenrechtsprechung“. Die Beklagte hat die breite Öffentlichkeit und damit nicht nur die potentiellen Erwerber von Kraftfahrzeugen, die mit dem Motor EA 189 ausgestattet sind, sondern auch die Besitzer solcher Fahrzeuge, in Form von Pressemitteilungen ab Ende September 2015 bis Mitte Oktober 2015 darüber informiert, dass dieser Motor mit einer Abschalteinrichtung versehen ist, die vom KBA als nicht ordnungsgemäß angesehen wird und daher zu entfernen ist (vgl. Senat, Urteil vom 26. November 2019 -10 U 199/19, juris Rn. 54; Urteil vom 26. November 2019 - 10 U 338/19, juris Rn. 52). Zeitgleich war der sog. Diesel- oder Abgasskandal Gegenstand einer sehr umfassenden Presseberichterstattung. Die Öffentlichkeit wurde ferner durch das KBA über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189 informiert. Die Beklagte schaltete Anfang Oktober 2015 eine Website frei, auf der durch Eingabe der FIN überprüft werden kann, ob ein konkretes Fahrzeug mit der Abschalteinrichtung versehen ist, also von dem sog. Dieselskandal betroffen ist. Dies wurde ebenfalls in einer Pressemitteilung bekannt gegeben und war, wie allgemein bekannt ist, Gegenstand einer umfangreichen Presseberichterstattung. |
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| | Vorliegend hatte die Klägerin, die ihr Dieselfahrzeug mit einem EA 189-Motor bereits im Jahr 2013 erworben hatte, zur Überzeugung des Senats bereits im Jahr 2015 mindestens grob fahrlässige Unkenntnis von den gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen, weil sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat (Palandt-Ellenberger, 78. Aufl. 2019, § 199 Rdnr. 39). |
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| | In der Replik vom 19.09.2019 (GA 122-133) hatte die Klägerin noch umfangreich zur Verjährungsfrage Stellung genommen und Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen bestritten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart am 23.09.2019 (GA 179-184) hat die Klägerin allerdings folgendes angegeben: Sie habe schon beim Kauf gewusst, dass ihr Skoda mit einem VW-Dieselmotor ausgestattet sei. Sie habe seit September 2015 aus der Berichterstattung der Presse zum Abgasskandal zunächst herausgehört, dass es um Diesel gehe. Dann habe sie festgestellt, dass es um ein Fabrikat gehe, das sie auch habe. Sie habe sich dann an ihr Autohaus gewandt und gefragt, ob sie betroffen sei. Die hätten eine Tabelle mit den Einstufungen, insbesondere, ob sie EU 5 oder EU 6 habe, gehabt. Ihr Modell sei dort drin gewesen. Dort sei ihr gesagt worden, sie würde noch informiert werden, das dauere recht lange. Sie habe sehr lange gewartet und zwischendurch auch einmal nachgehakt. An der Infothek des Autohauses habe man ihr seinerzeit gesagt, man bedauere, dass sie womöglich betroffen sei. Man habe ihr nicht definitiv gesagt, dass sie betroffen sei, sie müsse dieses Schreiben abwarten. Am 15.02.2016 (Bl. 181 d.A.), sei ein Brief gekommen, dass sie betroffen sei. Der konkrete Rückruf sei dann am 01.11.2016 erfolgt. |
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| | Auf der Grundlage dieser Einlassung im Rahmen der persönlichen Anhörung steht fest, dass die Klägerin zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs vom „Abgasskandal“ hatte. Sie wusste, dass in ihrem Skoda ein Dieselmotor der Beklagten verbaut war. Sie erfuhr schon im Herbst 2015, dass ihr Fahrzeug in einer Liste geführt wurde, aus der sich ergab, was für ein Motor in dem Fahrzeug verbaut war. Sie war auch ganz offensichtlich dahingehend besorgt, weil sie beim Autohaus auch noch einmal nachgehakt hat, weil von Skoda noch kein Brief angekommen war. Wenn sie bis zum Eintreffen des Schreibens von Skoda, weiterhin darauf vertraut haben sollte, dass ihr Fahrzeug nicht betroffen sein würde - was sie im Übrigen so nicht behauptet hat - so hat sie sich der Erkenntnis der Betroffenheit ihres Fahrzeugs unter objektiv schwerwiegender und subjektiv nicht entschuldbarer Außerachtlassung der Sorgfalt, die man in eigenen Angelegenheiten obwalten lässt, und damit grob fahrlässig verschlossen. Dass das Autohaus einschränkend gesagt habe, definitiv könne man nichts sage, sie müsse das Schreiben abwarten, stellt sich bei verständiger Würdigung als ein Vorbehalt dar, der lediglich erkennbar die übergeordnete Verantwortlichkeit des Herstellers respektieren sollte. Auf der von der Klägerin selbst ermittelten Tatsachengrundlage hätte es in dieser Situation nahegelegen, sich beim Hersteller direkt um endgültige Aufklärung der Frage der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs zu bemühen. |
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| | Unerheblich ist vor diesem Hintergrund, ob die Beklagte den Skandal im Jahr 2015 nur schleppend aufgearbeitet hat. Unerheblich ist insbesondere, dass die Beklagte damals wie heute bestreitet, dass verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten von der Verwendung der Abschalteinrichtung Kenntnis hatten und deshalb der subjektive Tatbestand der deliktischen Anspruchsnormen erfüllt sei. Insoweit haben sich seit dem Jahr 2015 bis zur Klageerhebung keine neuen Erkenntnisse ergeben. Angesichts des unsubstantiierten Bestreitens der Beklagten unter Berücksichtigung von deren sekundärer Darlegungslast stand und steht die fehlende Detailkenntnis der Klägerseite vom Wissen der Repräsentanten der Beklagten um die Abschalteinrichtung einer Klage nicht entgegen (vgl. zB Senat, Urteil vom 24. September 2019 - 10 U 11/19, juris Rn. 67 ff.; Urteil vom 26. November 2019 - 10 U 154/19, juris Rn. 66 ff.). |
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| | Im Jahr 2015 stand keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Beklagte den Erwerbern von Kraftfahrzeugen mit dem Motor EA 186 deliktisch haftet, der klageweisen Geltendmachung eines solchen Anspruchs entgegen. Vielmehr gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Entscheidungen zu dieser Frage. Alleine der Umstand, dass offene, bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Rechtsfragen maßgeblich sind, macht eine Klageerhebung nicht unzumutbar. Der Rechtsweg dient gerade dazu, solche Fragen zu klären (Piekenbrock in BeckOGK, Stand: 1.2.2020, § 199 BGB Rn. 129). Ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Klärung einer entscheidungserheblichen Frage ist stets zumutbar. Zuwarten allein lässt keine Klärung der Rechtslage erwarten (BAG, Urteil vom 13. März 2013 - 5 AZR 424/12, BAGE 144, 322, juris Rn. 27). |
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| | Eine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage besteht nicht schon dann, wenn noch keine höchstrichterliche Entscheidung einer bestimmten Frage vorliegt. Verlangt wird vielmehr ein „ernsthafter Meinungsstreit in Rechtsprechung und Schrifttum“ (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - XI ZR 348/09 Rn. 21; Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 187/12 Rn. 41). Es gab 2015 aber auch keinen derartigen „ernsthaften“ Meinungsstreit in Rechtsprechung und Schrifttum bezüglich der Frage einer Haftung der Beklagten wegen des Motors EA 186. Unerheblich ist, ob die Rechtslage möglicherweise nach 2015 unsicher oder zweifelhaft geworden ist. Die Verjährungsfrist wird nicht verlängert, wenn die Rechtslage erst unsicher wird, nachdem die Verjährung zu laufen begonnen hat (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115, juris Rn. 45). |
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| | Eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung kann nicht aus den „sehr hohen Hürden“ abgeleitet werden, die an eine Haftung gemäß § 826 BGB gestellt werden. Die Vorschrift ergänzt als „kleine Generalklausel“ neben den Tatbeständen des § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB das Deliktsrecht um einen unmittelbaren Schutz von Vermögensschäden (Förster in BeckOK BGB, Stand: 1.2.2020, § 826 vor Rn. 1; vgl. auch Wagner in MünchKomm-BGB, 7. Aufl., § 826 Rn. 4). Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich ein abstrakt schwer zu fassender Tatbestand (so Förster in BeckOK BGB, Stand: 1.2.2020, § 826 vor Rn. 1), der durch eine Vielzahl von Fallgruppen in der Rechtsprechung konkretisiert wird. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen bei der Rechtsanwendung führen indes nicht zur Unzumutbarkeit einer Klageerhebung im Jahr 2015. Es gibt keinen Grundsatz dahingehend, dass die Verjährung eines auf eine Generalklausel gestützten Anspruchs erst beginnt, wenn sich in der Rechtsprechung eine entsprechende Fallgruppe herausgebildet hat. Vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen bei dem Grundsatz, dass der Beginn der Verjährungsfrist nur ausnahmsweise herausgeschoben ist, wenn die Rechtslage unsicher oder zweifelhaft ist. Dies ist nicht bereits der Fall, wenn es um die Anwendung einer „schwierigen“, weil generalklauselartig gefassten Norm auf einen Sachverhalt geht und Rechtsprechung hierzu noch nicht ergangen ist. Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens. Zum einen soll der Schuldner davor bewahrt werden, nach längerer Zeit mit von ihm nicht mehr erwarteten Ansprüchen überzogen zu werden. Zum anderen soll die Verjährung den Gläubiger dazu veranlassen, rechtzeitig gegen den Schuldner vorzugehen, wobei es dem Gläubiger auch möglich sein muss, den Anspruch durchzusetzen (BGH, Urteil vom 15. März 2011 - VI ZR 162/10 Rn. 16; s.a. BGH, Urteil vom 30. September 2003 - XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232, juris Rn. 53; Versäumnisurteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310, juris Rn. 15). Es widerspräche der dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit dienenden Funktion des Verjährungsrechts, wenn es für die Frage des Verjährungsbeginns darauf ankäme, ob der geltend gemachte Anspruch auf eine „einfache“ oder eine „schwierige“ Norm gestützt wird. |
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| | Auch der Umstand, dass - wie sich im vorliegenden sowie einer Vielzahl weiterer sogenannter „Dieselverfahren“ gegen die hiesige Beklagte oder andere Konzerngesellschaften des Volkswagen-Konzerns eindrücklich zeigt - das Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz im Streit steht, genügt nicht, um das Vorliegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage zu bejahen. Andernfalls ergäbe sich alleine daraus, dass eine beklagte Partei das Vorliegen der Voraussetzungen eines gegen sie geltend gemachten Anspruchs umfassend bestreitet oder dass sie über einen längeren Zeitraum das Ergehen rechtskräftiger ober- und höchstrichterlicher Entscheidungen gegen sie verhindert, ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns. Hierfür besteht aber keine Veranlassung. |
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| | Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass dem Kläger bereits im Jahr 2015 die Erhebung einer Klage zumutbar war. Die Verjährungsfrist begann daher mit dem Schluss des Jahres 2015 zu laufen und endete mit dem Schluss des Jahres 2018. |
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| | Eine Hemmung der Verjährung vor Ablauf der Verjährungsfrist ist nicht erfolgt. Die Klageerhebung erfolgte erst im Jahr 2019 und konnte daher nicht mehr zur Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist führen. Auch die Anmeldung zum Musterfeststellungsverfahren erfolgte ausweislich der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Anmeldebestätigung erst am 28.02.2019 und kam damit zu spät, um die Verjährung, die mit dem 31.12.2018 eingetreten war und auf die sich die Beklagte berufen hat, zu hemmen. |
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| | Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 sowie § 711 S. 1 u. 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO. |
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| | Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO zugelassen. Die Frage der Zumutbarkeit der Klageerhebung des Eigentümers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs der Beklagten gegen die Beklagte im Jahr 2015 ist für zahlreiche andere rechtshängige Verfahren relevant und hat grundsätzliche Bedeutung. |
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