Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 U 383/19

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 16.07.2019, Az. 5 O 280/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.794,72 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.01.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des PKWs X. mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ... .

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 Euro freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

IV.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 62 % und die Beklagte 38 %. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen der Kläger 66 % und die Beklagte 34 %.

V.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
A
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs.
Der Kläger hat am 15.08.2011 ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug X. mit einer Laufleistung von 8.860 km zum Preis von 24.455,00 Euro erworben. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von 143.558 km.
In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor mit der herstellereigenen Typenbezeichnung EA 189 verbaut, der die in der VO (EG) Nr. 715/2007 angeordneten Emissionsgrenzwerte bezüglich der Stickoxide zwar auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen im sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) einhält, jedoch im realen Straßenverkehr weit überschreitet, was darauf zurückzuführen ist, dass die Beklagte diesen Motor per Softwaresteuerung mit zwei Betriebsmodi versehen hat.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts verwiesen.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 14.085,28 Euro nebst Prozesszinsen seit dem 19.01.2019 Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Pkw verurteilt. Weiter hat es festgestellt, dass sich die Beklagte diesbezüglich in Annahmeverzug befinde und die Beklagte zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro verurteilt.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlich abgewiesenen Ansprüche weiter, die auf Rückzahlung des vollständigen Kaufpreises (d.h. ohne Anrechnung von Vorteilsausgleichen) und auf Zahlung von Deliktszinsen gerichtet sind.
Der Kläger beantragt, das landgerichtliche Urteil im Umfang seiner Beschwer abzuändern:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.455,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % p.a. seit dem 13.08.2011 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKWs X. mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ... zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 Euro freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
12 
Zur eigenen Berufung beantragt die Beklagte,
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das am 16. Juli 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Tübingen, Az. 5 O 280/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
16 
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
B
17 
Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist insgesamt unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist weit überwiegend unbegründet und führt lediglich zur Anrechnung eines höheren Vorteilsausgleichs und zur Anpassung des Freistellungsausspruchs wegen der vorgerichtlichen Anwaltskosten.
I.
18 
Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz seines Schadens gemäß § 826 BGB zu.
1.
19 
Die Beklagte hat durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs, dessen Betriebserlaubnis im Hinblick auf die im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens nicht offengelegte streitgegenständliche Umschaltlogik in Frage stand, sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB gehandelt. Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bestimmter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist, die dem Hersteller bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs bekannt waren. Diese konkludente Erklärung entsprach nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Bei der im streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandenen Einrichtung, die bei erkanntem Prüfstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert, handelt es sich um eine nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung (Senatsurteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris Rn. 18 - 21).
2.
20 
Der Abschluss des Kaufvertrages ist als Schadensereignis im Sinne von § 826 BGB anzusehen. Jemand kann auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (Senat, a.a.O., juris Rn. 23). Dies trifft auch auf den Kläger zu, denn im maßgebenden Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entsprach das Fahrzeug nicht den berechtigten Erwartungen des Getäuschten, da wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung eine Betriebsstillegung drohte.
3.
21 
Die Handlung der Beklagten, nämlich das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung, ist für den eingetretenen Schaden kausal. Die mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundene konkludente Täuschung durch die Beklagte über das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung wirkte fort, weil hinsichtlich derartiger Angaben der Fahrzeughändler lediglich das durch den Hersteller vermittelte Wissen weitergibt und der Käufer insoweit auf die Herstellerangaben vertraut (Senat, a.a.O., Rn. 26, juris). Der Kläger ist dem Irrtum auch erlegen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wäre ihnen bekannt, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen. Denn Zweck des Autokaufs ist grundsätzlich der Erwerb zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr (Senat, a.a.O., juris Rn. 27).
4.
22 
Die schädigende Handlung war sittenwidrig. Es erscheint lebensfremd, dass die Beklagte eine Software in ihre Fahrzeuge installiert, verbunden mit dem Risiko, die Zulassung der Fahrzeuge nicht zu erhalten und sich strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, ohne dass sie sich hiervon einen wirtschaftlichen Nutzen verspricht. Die Beklagte als Herstellerin hat in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand im Profitinteresse zentrale gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich die Kunden getäuscht. Die Beklagte hat nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschaltvorrichtung ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen (Senat, a.a.O., juris Rn. 30).
5.
23 
Der erforderliche Schutzzweckzusammenhang besteht. Die Haftung knüpft an die aus der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen an. Hiervon ist auch betroffen, wer das Fahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt erwirbt (Senat, a.a.O., juris Rn. 32).
6.
24 
Die Beklagte handelte vorsätzlich.
25 
Richtet sich der Anspruch – wie hier – gegen eine juristische Person, so hat sie gemäß § 31 BGB für den Schaden einzustehen, den ihr „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 13).
26 
Verfassungsmäßig berufene Vertreter im Sinne des § 31 BGB sind nicht nur Personen, deren Tätigkeit in der Satzung der juristischen Person vorgesehen ist. Vielmehr genügt es, dass dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, dass er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 13). Umfasst sind davon leitende Angestellte (BGH, Urteil vom 05. März 1998 – III ZR 183/96, juris Rn. 18).
27 
Für die vorliegende Entscheidung ist die Behauptung des Klägers als zugestanden anzusehen, ein Vorstandsmitglied oder jedenfalls ein leitender Angestellter habe die Implementierung der Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware in der Vorstellung angeordnet oder jedenfalls gebilligt, dass die so ausgestatteten Motoren in Fahrzeugen der Beklagten oder der Tochterunternehmen eingebaut würden und für diese unter Täuschung der zuständigen Behörde die EG-Typgenehmigung beantragt würde, obwohl die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, und die Fahrzeuge sodann veräußert werden würden. Die Beklagte hat lediglich bestritten, dass ein Vorstandsmitglied die erforderliche Kenntnis gehabt habe. Sie hat aber nicht in Abrede gestellt, dass ein (sonstiger) leitender Angestellter der Beklagten die Implementierung der Software beauftragt oder jedenfalls gebilligt hat und dabei in der Kenntnis gehandelt hat, dass die Abschalteinrichtung nicht konform mit den Voraussetzungen der EU-Typgenehmigung ist. Für die dahingehende Behauptung des Klägers, dass eine solche Entscheidung durch einen als Repräsentanten anzusehenden Mitarbeiter getroffen worden sei, spricht auch eine tatsächliche Vermutung.
28 
Zudem hat die Beklagte nicht ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Insbesondere hat sie nicht dargestellt, dass und wie einzelne Mitarbeiter unter Ausschluss der Unternehmensleitung die mangelhafte Software pflichtwidrig beauftragen, bezahlen und verwenden ließen. Damit liegen in dem namentlich nicht bekannten Repräsentanten alle Voraussetzungen vor, denn er wusste von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen (Täuschung bei Erlangung der EU-Typgenehmigung und Inverkehrbringen der mit dem Motor ausgestatteten Fahrzeuge) und nahm die Schädigung der Erwerber – und damit auch des Klägers – zumindest billigend in Kauf (vgl. ausführlich Senat, Urteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris Rn. 41 ff.).
II.
29 
Dem Kläger steht jedoch nicht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung des vollständigen Kaufpreises zu.
30 
In der Folge der sittenwidrigen Schädigung bei Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung ist der Geschädigte im Rahmen der Naturalrestitution (§ 249 Absatz 1 BGB) wirtschaftlich so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Dies führt zu einem Anspruch des Geschädigten auf Rückabwicklung des Vertrages unter Anrechnung der Vorteile, die der Kläger durch die Nutzung des Fahrzeugs gezogen hat (Senatsurteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris Rn. 52 bis 56).
31 
Die erlangten Nutzungsvorteile sind anhand einer zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung zu ermitteln. Der Senat geht in Ausübung seines ihm nach § 287 ZPO zustehenden Schätzungsermessens regelmäßig von einer erwarteten Gesamtleistung des Fahrzeugs von 250.000 km aus, ohne Rücksicht darauf, ob die Nutzung im konkreten Einzelfall tatsächlich diesen Wert erreicht oder überstiegen hat (Senatsurteil vom 02. April 2020 – 2 U 249/19, juris Rn. 56).
32 
Das Urteil des Landgerichts unterliegt insoweit einer zweifachen Korrektur: Zum einen hat es die erwartete Gesamtleistung höher eingeschätzt (300.000 km). Zum anderen ist die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der zweiten Instanz erfolgte Nutzung ebenfalls anzurechnen.
33 
Bei 134.698 gefahrenen Kilometern und einem Kaufpreis von 24.455,00 Euro beträgt der anzurechnende Vorteil 13.660,28 Euro. Mithin ist eine Forderung von 10.794,72 Euro begründet.
III.
34 
Die Berufung des Klägers ist auch im Hinblick auf die geltend gemachten Deliktszinsen unbegründet.
1.
35 
§ 849 BGB ist seinem Zweck nach im Anwendungsbereich zu reduzieren, wenn der Geschädigte durch den Täter im Gegenzug für die Hingabe des Geldes eine als gleichwertig anzusehende Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes erhalten hat und sich eine Wertminderung des Gegenstandes für den Geschädigten nicht ausgewirkt hat (eingehend Senatsurteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris Rn. 59 bis 63). So liegt es hier, da der Kläger die uneingeschränkte Möglichkeit der Nutzung des Fahrzeugs erhalten hat.
2.
36 
Zutreffend hat das Landgericht auch erkannt, dass auch keine Verzugszinsen verlangt werden können. Insbesondere enthält auch das Anwaltsschreiben vom 22.10.2018 (Anlage K 20) keine verzugsbegründende Mahnung im Sinne von § 286 Absatz 1 BGB.
37 
Die in der Mahnung enthaltene Leistungsaufforderung muss sich grundsätzlich auf die Leistung im richtigen Umfang, am richtigen Ort und in der richtigen Art und Weise beziehen. Eine unverhältnismäßig hohe, weit übersetzte Zuvielforderung kann den zu Recht angemahnten Teil so in den Hintergrund treten lassen, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich nicht als wirksam gemahnt ansieht. Am Verschulden fehlt es auch dann, wenn der Schuldner die wirklich geschuldete Forderung nicht allein ausrechnen kann, weil sie von ihm unbekannten internen Daten des Gläubigers abhängt (Senatsurteil vom 02. April 2020 – 2 U 249/19, juris Rn. 72). So liegt der Fall hier. Die Rückforderung des vollständigen Kaufpreises war weit übersetzt, da der Kläger keine Bereitschaft gezeigt hat, sich die gezogenen Nutzungen als Vorteile anrechnen zu lassen. Die Beklagte hatte auch keine Möglichkeit, die tatsächlich bestehende Forderung zu berechnen, da in dem Forderungsschreiben keine Daten zur Laufleistung angegeben waren.
IV.
38 
Aus den ebengenannten Gründen ist die Berufung der Beklagten auch insoweit begründet, als sie sich gegen die Feststellung des Annahmeverzugs wendet. Zwar kann in einer auf Zug-um-Zug-Leistung gerichteten Klageerhebung ein wörtliches Angebot liegen (BGH, Urteil vom 15. November 1996 – V ZR 292/95, juris Rn. 11). Der Eintritt des Annahmeverzuges scheitert jedoch daran, dass der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung des Kaufpreises ohne Anrechnung eines Vorteilsausgleichs begehrt und damit – auch noch in der Berufungsinstanz – eine weitaus höhere Zahlung fordert als geschuldet. Eine solche Zuvielforderung hindert den Eintritt des Annahmeverzugs (Senatsurteil vom 02. April 2020 – 2 U 249/19, juris Rn. 59 ff.).
V.
39 
Zutreffend hat das Landgericht ausgesprochen, dass auch vorgerichtliche Anwaltskosten dem Grunde nach zu erstatten sind (Senatsurteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, Rn. 69). Der Kläger hat seine Prozessbevollmächtigten mit der vorprozessualen Geltendmachung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche beauftragt (vgl. Anlage K 20).
40 
Der Gegenstandswert für die vorgerichtlichen Anwaltskosten bemisst sich nach der objektiven Berechtigung der Forderung (BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04, juris Rn. 8). Da der Kläger nicht vorgetragen hat, welchen Kilometerstand das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Mandatierung des Anwalts hatte, kann bei der Bestimmung des Gegenstandswertes nicht von einer höheren Forderung ausgegangen werden, als sie sich ergibt unter Berücksichtigung einer Vorteilsausgleichung nach Berechnung mit dem Kilometerstand, wie ihn der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung erster Instanz mitgeteilt hat. Bei einer damaligen Laufleistung von 132.313 km hätte sich der Vorteilsausgleich auf 12.519,88 Euro und der Anspruch des Klägers mithin auf 11.935,12 Euro berechnet. Dementsprechend errechnen sich die Anwaltsgebühren lediglich aus der Gebührenstufe von bis zu 13.000,00 Euro.
C
41 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 i.V.m. § 92 Absatz 1 ZPO. Bei der Bildung der Kostenquote wurde berücksichtigt, dass der Kläger nicht nur teilweise mit der Hauptforderung unterliegt, sondern auch mit den geltend gemachten Deliktszinsen in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis von 24.455,00 Euro für die Zeit vom 13.11.2011 bis zum 18.01.2019, mithin 7.026,96 Euro. Die unterschiedlichen Kostenquoten für die beiden Rechtszüge ergeben sich daraus, dass sich der Vorteilsausgleich, und damit die Höhe der begründeten Forderung, nach der jeweiligen Laufleistung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung richtet.
42 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 ZPO für eine unbeschränkte Zulassung der Revision liegen für beide Parteien vor (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris Rn. 74).

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