Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 U 125/19

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Tübingen vom 12. März 2019 (Az.: 2 O 108/18), berichtigt durch Beschluss derselben Kammer vom 11. April 2019, wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das unter Ziffer I. genannte Urteil   a b g e ä n d e r t   und wie folgt   n e u g e f a s s t:

Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jeder der Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für beide Rechtszüge: bis 30.000,- EUR

Tatbestand

 
A
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach dem Erwerb eines Personenkraftwagens.
Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf die Feststellungen des Landgerichts Tübingen in seinem angegriffenen Urteil.
Das Landgericht hat der Klage, unter Abweisung im Übrigen, teilweise stattgegeben, indem es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger 17.070,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent pro Jahr seit dem 01.03.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, und indem es eine weitergehende Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt hat.
Das Landgericht hat einen Anspruch aus § 826 BGB bejaht und vom Kaufpreis des Fahrzeugs einen Nutzungswert für die unstreitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom Kläger zurückgelegte Fahrleistung von 148.851 km abgezogen. Bei dessen Berechnung ist es von einer zu erwartenden Fahrleistung von 250.000 km ausgegangen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung eingelegt und jeweils fristgerecht eine Berufungsbegründung eingereicht.
Die Beklagte trägt im Kern vor, die Voraussetzungen des § 826 BGB seien nicht erfüllt. Das Landgericht habe zudem die Bedeutung des unstreitig aufgespielten Software-Updates verkannt, der Kläger müsse ab Februar 2016 ein Aufklärungsschreiben des Herstellers des Fahrzeugs erhalten haben. Das Landgericht habe einen gesetzwidrigen Zinssatz ausgeurteilt. Für eine Feststellungsklage fehle das notwendige Feststellungsinteresse.
Den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gehaltenen Vortrag des Klägers zum Verkauf des Fahrzeugs und zum Verkaufspreis bestreitet die Beklagte. Ebenso bestreitet sie, dass der Kläger einen Auftrag erteilt habe, der die verlangten außergerichtlichen Kosten verursacht habe, dass er den verlangten Betrag bezahlt habe und dass die Forderung nicht auf eine Rechtsschutzversicherung übergegangen sei (GA 529).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 12. März 2019 (Az.: 2 O 108/18) im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
10 
Zur Berufung des Klägers beantragt sie,
11 
diese zu verwerfen,
12 
hilfsweise,
13 
sie zurückzuweisen.
14 
Der Kläger beantragt zu seiner Berufung,
15 
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger folgende Beträge zu bezahlen:
16 
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger insgesamt 22.647,14 nebst Zinsen in Höhe von 4 % p.a. ab dem 01.03.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des X. mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... zu zahlen.
17 
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.514,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
18 
Zur Berufung der Beklagten beantragt er,
19 
diese zurückzuweisen.
20 
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil gegen die Angriffe der Berufung der Beklagten. Er moniert, das Landgericht hätte eine höhere zu erwartende Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zugrunde legen müssen. Klageerweiternd verlangt er Erstattung vorgerichtlicher Auslagen und Zinsen aus § 849 BGB.
21 
Unstreitig wurde das Fahrzeug durch die X.-Bank finanziert, und der Kläger hat die letzte Rate an die Bank am 15. April 2018 in Kenntnis der Abschalteinrichtung sowie der möglicherweise drohenden Stilllegung des Fahrzeugs bezahlt, obwohl im Vertrag ein Rückgaberecht verbrieft war. Er hat es dennoch übernommen, da dies für ihn steuerlich günstiger war.
22 
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07. Mai 2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
B
23 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Zahlungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die vom Landgericht zuerkannten Ansprüche nicht zu. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus dem Kauf des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs. Infolgedessen kann auch seine Klage im Übrigen keinen Erfolg haben.
I.
24 
Der Käufer eines Kraftfahrzeuges, das – wie das streitgegenständliche - mit einer nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung (eingehend BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 6 bis 16) in Verkehr gebracht worden ist, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz nach Maßgabe des § 826 BGB, wenn zwischen der als sittenwidrig einzustufenden Täuschung der Beklagten über das Vorhandensein einer solchen Einrichtung und dem Kaufvertrag ein Zurechnungszusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19; zum Ganzen auch schon OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris, m.w.N.). Dieser Anspruch besteht gegen den Hersteller des Motors auch dann, wenn der Motor von einem rechtlich selbstständigen Unternehmen bestimmungsgemäß in ein Kraftfahrzeug einer anderen Marke eingebaut und dieses dann auf den Markt gebracht worden ist.
II.
25 
Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob der erforderliche Zurechnungszusammenhang zu bejahen wäre. Denn der Senat ist nach der Anhörung des Klägers davon überzeugt, dass dieser sich bewusst und in Kenntnis aller für das Sittenwidrigkeitsurteil maßgebenden Umstände dafür entschieden hat, das Fahrzeug durch seine Schlusszahlung an die finanzierende X. Bank zu erwerben. Der Kläger hat angegeben, das Fahrzeug trotz der ihm zugekommenen Informationen übernommen zu haben, da die Übernahme steuerlich für ihn günstiger gewesen sei. Darin wäre, einen Schadensersatzanspruch vorausgesetzt, ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB zu sehen, das seinen Schadensersatzanspruch vollständig zu Fall brächte. Denn es wäre einem Kauf in Kenntnis dieser Umstände gleich zu werten.
III.
26 
Außerdem könnte den Klageanträgen mit Ausnahme etwaiger unter Berücksichtigung einer Nutzungswertanrechnung zu errechnender Zinsansprüche auch deshalb nicht stattgegeben werden, weil der Kläger das Fahrzeug nach eigenem Vortrag verkauft hat und weil er keinen Vortrag gehalten hat, der die von einem Zahlungsanspruch abzusetzende Nutzungswertentschädigung erlaubte.
C
27 
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Für die mit der Berufung verfolgte Klageerweiterung liegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen aus § 533 ZPO nicht vor. Im Übrigen folgt schon aus dem zur Berufung der Beklagten ausgeführten, dass dem Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen.
D
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
29 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
30 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.
31 
Die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht insbesondere nicht auf einer Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung.

Gründe

 
B
23 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Zahlungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die vom Landgericht zuerkannten Ansprüche nicht zu. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus dem Kauf des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs. Infolgedessen kann auch seine Klage im Übrigen keinen Erfolg haben.
I.
24 
Der Käufer eines Kraftfahrzeuges, das – wie das streitgegenständliche - mit einer nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung (eingehend BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 6 bis 16) in Verkehr gebracht worden ist, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz nach Maßgabe des § 826 BGB, wenn zwischen der als sittenwidrig einzustufenden Täuschung der Beklagten über das Vorhandensein einer solchen Einrichtung und dem Kaufvertrag ein Zurechnungszusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19; zum Ganzen auch schon OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris, m.w.N.). Dieser Anspruch besteht gegen den Hersteller des Motors auch dann, wenn der Motor von einem rechtlich selbstständigen Unternehmen bestimmungsgemäß in ein Kraftfahrzeug einer anderen Marke eingebaut und dieses dann auf den Markt gebracht worden ist.
II.
25 
Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob der erforderliche Zurechnungszusammenhang zu bejahen wäre. Denn der Senat ist nach der Anhörung des Klägers davon überzeugt, dass dieser sich bewusst und in Kenntnis aller für das Sittenwidrigkeitsurteil maßgebenden Umstände dafür entschieden hat, das Fahrzeug durch seine Schlusszahlung an die finanzierende X. Bank zu erwerben. Der Kläger hat angegeben, das Fahrzeug trotz der ihm zugekommenen Informationen übernommen zu haben, da die Übernahme steuerlich für ihn günstiger gewesen sei. Darin wäre, einen Schadensersatzanspruch vorausgesetzt, ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB zu sehen, das seinen Schadensersatzanspruch vollständig zu Fall brächte. Denn es wäre einem Kauf in Kenntnis dieser Umstände gleich zu werten.
III.
26 
Außerdem könnte den Klageanträgen mit Ausnahme etwaiger unter Berücksichtigung einer Nutzungswertanrechnung zu errechnender Zinsansprüche auch deshalb nicht stattgegeben werden, weil der Kläger das Fahrzeug nach eigenem Vortrag verkauft hat und weil er keinen Vortrag gehalten hat, der die von einem Zahlungsanspruch abzusetzende Nutzungswertentschädigung erlaubte.
C
27 
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Für die mit der Berufung verfolgte Klageerweiterung liegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen aus § 533 ZPO nicht vor. Im Übrigen folgt schon aus dem zur Berufung der Beklagten ausgeführten, dass dem Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen.
D
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
29 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
30 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.
31 
Die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht insbesondere nicht auf einer Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung.

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