I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 29.7.2020 (1 O 3/19) abgeändert:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.857,32 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. September 2018 sowie außer gerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 958,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. September 2018 zu zahlen.
2.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 1/3, die Be klagte 2/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
|
|
| Der Kläger verlangt Ersatz von Fahrtkosten seiner Ehefrau für Besuchsfahrten und Ersatz für im Rahmen dieser Besuche erbrachte Leistungen der Ehefrau nach einem Unfallereignis vom 26. Januar 2015. |
|
| 1. Der Kläger ist am 26. Januar 2015 eine Treppe zum Heizungskeller der Turnhalle in xxx herabgestürzt und wurde dabei schwer verletzt; er erlitt unter anderem ein Polytrauma, ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und eine Rippenserienfraktur. Die Verletzungen bewirkten eine Pflegebedürftigkeit des Klägers. Er ist in einem Pflegeheim in xxx untergebracht. Im Rahmen eines vorangegangenen Verfahrens (1 O 93/15; Senat 4 U 24/16) wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger |
|
| 2/3 des durch das Unfallereignis entstandenen materiellen und immateriellen Schadens zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Die Parteien haben schließlich einen Vergleich abgeschlossen, wonach der Kläger ein weiteres Schmerzensgeld i.H.v. 116.333 EUR erhalten hat; die Feststellung der Ersatzpflicht für materielle Schäden aus den Urteilen des Landgerichts Rottweil vom 3. Februar 2016 (1 O 93/15) und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2016 (4 U 24/16) in den Ziffern I. 2a und 2c sowie III. wurde aufrechterhalten. |
|
| Der Kläger macht geltend, seine Ehefrau sei die einzige Bezugsperson für ihn, um kognitive Anreize, eine Teilhabe am Leben zu ermöglichen und ihm die dafür notwendigen Hilfestellungen zu geben. Für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis 31. August 2018 (also drei Jahre und drei Monate) macht der Kläger unter Berücksichtigung der festgelegten Quote Kilometergeld für insgesamt 834 Besuchsfahrten zu jeweils 13 Kilometer mit 0,30 EUR pro Kilometer geltend, weiterhin 30,00 EUR pro Besuchstag für die Leistungen seiner Ehefrau. |
|
| Zwischen den Parteien besteht Streit, ob insoweit ein Ersatzanspruch besteht. |
|
| Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: |
|
| 1. Der Kläger habe keinen Ersatzanspruch hinsichtlich der Fahrt- und Besuchskosten als Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Da sich der Kläger nicht mehr in einer stationären Krankenhausbehandlung befinde, um seinen Zustand zu verbessern, sondern in einer Pflegeeinrichtung, diene der Aufenthalt ersichtlich nicht mehr einer Verbesserung des Zustands des Klägers, sondern dessen notwendiger Pflege. Die Pflegeeinrichtung diene offensichtlich nicht der Heilung, sondern nur der Pflege und dem Erhalt der Fähigkeiten des Klägers, weshalb auch die Rechtsprechung zu einer Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten in Reha- oder Pflegeeinrichtungen nicht angewandt werden könne, zumal der Kläger mitgeteilt habe, dass er austherapiert sei. |
|
| 2. Der Kläger könne sich auch nicht auf einen Ersatzanspruch aufgrund vermehrter Bedürfnisse gemäß § 843 Abs. 1 BGB berufen. Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien von Angehörigen übernommene Pflegeleistungen, die auch ein Dritter gegen Entgelt erbringen könne, im Rahmen des Erforderlichen auszugleichen; maßgeblich sei insoweit der Nettolohn einer vergleichbaren, entgeltlich eingesetzten Pflegekraft. Insoweit gehe es darum, dem verletzungsbedingt in seiner privaten Lebensführung beeinträchtigten Verletzten diejenigen finanziellen Mittel zukommen zu lassen, die notwendig seien, um diese Beeinträchtigungen auszugleichen. Ziel sei die Ermöglichung einer privaten Lebensführung, als ob keine Verletzung vorliege. Allerdings sei der Aufwand für vermehrte Zuwendungen nicht ersatzfähig, weil diesen aufgrund ihres höchstpersönlichen Charakters jeglicher Marktwert fehle, weshalb eine vermögensrechtliche Bewertung nicht möglich sei. Persönliche Zuwendung sei einer Kommerzialisierung nicht zugänglich. Die Besuche der Ehefrau seien zwar geeignet, das psychische Wohlbefinden des Klägers zu steigern und auch kognitive Anreize zu bieten, dies sei aber nicht zwingend notwendig und erforderlich, weil im Pflegeheim sämtliche notwendigen und erforderlichen Maßnahmen einer vollstationären Pflege gesichert werden müssten. |
|
| 3. Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens sei insoweit nicht veranlasst, da es nicht um medizinisch notwendige Heilbehandlungskosten gehe, sondern um die Frage vermehrter Bedürfnisse, die vom Kläger angeführten Tätigkeiten entweder durch das Pflegeheim abgedeckt würden (Hilfe bei den Mahlzeiten, Hilfe bei der Körperpflege etc.) oder aber auf der persönlichen Verbundenheit der Ehefrau beruhten, die einen höchstpersönlichen Charakter aufwiesen und daher nicht ersatzfähig seien. Insoweit sei nicht zu verkennen, dass die Ehefrau zwar einen weit überdurchschnittlichen Einsatz zeige, hierdurch die Lebensqualität des Klägers fraglos deutlich verbessert werde, zumal in Pflegeheimen infolge des Pflegenotstands eine optimale Versorgung nicht immer erreicht werden könne. Dass die Ehefrau des Klägers aus ihrer persönlichen Verbundenheit versuche, diesem ein annähernd vergleichbares Leben in Form von gemeinsamen Mittagessen, Fernsehen oder Spielen zu bieten, durch Motivieren und Üben eine Verbesserung seiner Fähigkeiten zu erreichen, obwohl dieser austherapiert sei, führe nicht zu einer Erstattungsfähigkeit nach den Grundsätzen vermehrter Bedürfnisse. |
|
| 4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zu den Feststellungen des Landgerichts wird auf das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 29. Juli 2020 (Az. 1 O 3/19) Bezug genommen (Blatt 107 - 115; § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). |
|
| Die Berufung des Klägers verfolgt die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter und rügt, die Entscheidung des Landgerichts habe gegen formelles und materielles Recht verstoßen, der Sachverhalt sei nicht richtig und vollständig festgestellt worden, entscheidungserheblicher Sachvortrag fehlerhaft gewertet worden, vom Kläger gestellte Beweisanträge und rechtserheblicher Sachvortrag übergangen worden. |
|
| 1. Der Kläger stützt seine Klage ausschließlich auf den Umstand, dass im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand, der durch das streitgegenständliche Unfallereignis verursacht worden ist, zusätzliche Pflege- und Betreuungsleistungen in Form von vermehrten Bedürfnissen notwendig geworden seien, um dem Kläger eine Teilhabe am Leben zu er möglichen. Ein mittelbarer Schaden eines Dritten werde mit der Klage keinesfalls geltend gemacht. Der Kläger stütze seinen Anspruch auf Erstattung vermehrter Bedürfnisse nach §§ 823, 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB, insbesondere auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. August 2018 (VI ZR 518/16). Dieser Anspruch solle dem Geschädigten er möglichen, sein gewohntes Leben trotz der erlittenen dauerhaften Beeinträchtigungen möglichst weitgehend aufrecht zu erhalten. Der Schädiger schulde nicht nur Betreuungs und Pflegeaufwand, welcher die Grundbedürfnisse des Geschädigten erfülle; vielmehr habe er einen Anspruch auf Teilhabe am Leben - soweit möglich - wie vor dem schädigenden Ereignis. Zu den vermehrten Bedürfnissen gehöre deshalb auch der Betreuungsaufwand naher Angehöriger, der über die üblicherweise im Krankheitsfall zu erwartende persönliche Zuwendung innerhalb der Familie hinausgehe. |
|
| Das Landgericht habe die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung insoweit nicht ausreichend berücksichtigt. |
|
| 2. Die Ehefrau des Klägers erbringe nicht nur Pflege- und Betreuungsleistungen höchst persönlicher Art, was vom Kläger in dieser Form auch nicht vorgetragen worden sei. Aus dem vorgelegten Attest ergebe sich insoweit lediglich, dass ein tägliches Üben und Motivieren des Klägers zum Erhalt seiner wesentlichen Fähigkeiten medizinisch notwendig sei. Dieses Üben und Motivieren könne auch durch eine therapeutische Fachkraft erfolgen; derzeit werde diese Leistung durch die Ehefrau des Klägers erbracht. Angesichts der persönlichen Situation des Klägers liege es nahe, dass die Ehefrau diese Leistungen als freiwillige Leistungen Dritter erbringe, was die Beklagte keinesfalls entlasten könne. Die Wertung des Landgerichts, die Ehefrau des Klägers erbringe höchstpersönliche Leistungen sei unzutreffend und finde im erstinstanzlichen Sachvortrag keine Stütze. Es handle sich um notwendige pflegerische Leistungen, um dem Kläger eine weitergehende Teilhabe am Leben zu ermöglichen. Die Besuche der Ehefrau des Klägers seien insoweit unabdingbar medizinisch notwendig, allerdings nicht im Sinne einer medizinischen Heilbehandlung der unfallbedingt erlittenen Verletzungen, die in der Tat austherapiert seien, sondern zur Teilnahme am Leben. Das Landgericht hätte insoweit dem Beweisantrag auf Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin nachgehen müssen, in welcher Form diese zusätzliche Pflege- und Betreuungsleistungen erbringe. Der Kläger habe insoweit schon erstinstanzlich vorgetragen, dass kognitive Anreize geschaffen werden müssten, um ihm eine solche Teilhabe zu ermöglichen und die notwendige Hilfestellung zu geben. Dies erfolge in der Regel durch persönliche Zuwendung und Betreuung der Ehefrau, die vom Pflegeheim nicht geleistet werden könne. Wegen der kognitiven Einschränkungen und seiner Sprachstörung könne der Kläger nur schwer Kontakte pflegen, er sei auf eine lebenslange Betreuung und Förderung angewiesen. Durch die täglichen Besuche und Spaziergänge erhalte der Kläger diese Unterstützung, Motivation und Kontakt zum sozialen Umfeld, zur Umgebung und Natur und damit zu mehr Lebensqualität. |
|
| 3. Soweit das Landgericht darauf abgestellt habe, dass die vermehrten Bedürfnisse durch das Pflegeheim abgedeckt würden, entspreche diese Rechtsansicht nicht der Lebenswirklichkeit. Außer den notdürftigen pflegerischen Maßnahmen (Waschen, Medikamente, Essensausgabe) könnten keinesfalls annähernd kognitive Anreize geschaffen oder weitere Betreuungs- und Pflegeleistungen erbracht werden, um dem Kläger eine würdige Teilhabe am Leben zu ermöglichen. Zudem habe das Landgericht insoweit eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen. Der Kläger habe insoweit erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass das Heim die zusätzlichen Pflege- und Betreuungsleistungen nicht erbringen könne. |
|
|
|
| Das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 29. Juli 2020 (1 O 3/19) wird abgeändert: |
|
| Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.748,01 EUR nebst Zinsen p.a. hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.09.2018 sowie als weitere Nebenforderung 1.100,51 EUR - Zinsen wie vorgenannt - seit Rechtshängigkeit zu zahlen. |
|
|
|
| Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. |
|
| Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. |
|
| 1. Soweit die Berufung geltend mache, die Wertung des Landgerichts, seine Ehefrau erbringe höchstpersönliche Leistungen sei unzutreffend und finde im erstinstanzlichen Sachvortrag keine Stütze, habe das Landgericht sehr wohl das Spannungsfeld zwischen Ansprüchen des Klägers aufgrund vermehrter Bedürfnisse einerseits sowie nicht erstattungsfähiger mittelbarer Schäden Dritter andererseits erkannt und den klägerischen Sachvortrag insoweit zutreffend eingeordnet. Das Landgericht habe richtig ausgeführt, dass eine vermehrte Zuwendung durch Ehegatten nicht ersatzfähig sei. In diesem Zusammen hang habe das Landgericht zutreffend angenommen, dass die Tätigkeiten der Ehefrau entweder bereits durch das Pflegeheim abgedeckt sind, jedenfalls aber abgedeckt werden könnten und aufgrund vertraglicher Vereinbarung abzudecken seien, darüberhinausgehende Leistungen aufgrund der persönlichen Verbundenheit der Ehefrau einen höchstpersönlichen Charakter aufwiesen und deshalb nicht erstattungsfähig seien. Die Ehefrau des Klägers habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 24. Juni 2020 selbst ausgeführt, der Kläger benötige die persönliche Zuwendung, das sei Lebensqualität für ihn. Auch aus der als Anlage K 2 vorgelegten Aufstellung ergebe sich, dass die Ehefrau des Klägers keine Pflegeleistungen für vermehrte Bedürfnisse erbringe, sondern die vermehrten Zuwendungen im Schwerpunkt einen höchstpersönlichen Charakter haben. Tägliche Gespräche und Erklärungen sowie die Teilnahme an Mahlzeiten, Fernsehen und Spielen, Begleitung und Besuche seien persönliche Zuwendungen. Soweit die Ehefrau des Klägers anstelle des Personals Tätigkeiten übernehme, sei dies zwar anerkennenswert, führe allerdings nicht dazu, dass die Beklagte verpflichtet sei, insoweit einen doppelten Kostenaufwand zu tragen, weil die Ehefrau freiwillig Arbeiten übernehme, die aufgrund des Pflegevertrages vom Personal des Pflegeheims zu übernehmen seien. |
|
| Soweit in der Anlage K 2 ausgeführt werde, die Ehefrau des Klägers versuche, seine Isolation und Unzufriedenheit mit viel zu Sprache, Motivation und Unterstützung zu lindern, handle es sich ebenfalls um nicht ersatzfähige vermehrte Zuwendungen höchstpersönlichen Charakters. |
|
| Auch aus der als Anlage K 3 vorgelegten ärztlichen Bescheinigung ergebe sich nicht, dass die Ehefrau des Klägers notwendige Pflegeleistungen zur Deckung vermehrter Bedürfnisse übernehme, die nicht auch vom Pflegepersonal erbracht werden könnten. Auch in diesem Attest sei die Rede davon, dass die Ehefrau die einzige hierfür verfügbare Bezugsperson darstelle, womit der höchstpersönliche Charakter dieser Leistungen angesprochen sei. |
|
| 2. Entgegen der Auffassung der Berufung bestünden auch keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit des erstinstanzlich festgestellten Sachverhalts. Das Landgericht habe den Sachvortrag des Klägers zutreffend erfasst und zwischen persönlichen Zuwendungen im emotionalen Raum sowie den Beeinträchtigungen des Klägers differenziert. |
|
| Der bedauerliche Umstand, dass der Kläger aufgrund seiner physischen und psychischen Beeinträchtigungen nur noch eingeschränkt Kontakt mit der Umwelt aufnehmen könne, sei bereits bei der Bemessung des immateriellen Anspruchs abgegolten worden, führe aber nicht dazu, dass die streitgegenständlichen Besuche im Rahmen der vermehrten Bedürfnisse abzugelten seien. Nachdem die Heilbehandlung abgeschlossen sei, der Kläger aus therapiert sei, könnten Besuchskosten nicht mehr unlimitiert ersetzt werden. |
|
| Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den dazu vorgelegten Anlagen Bezug genommen. Hinsichtlich des Vortrags in der mündlichen Verhandlung und der Angaben der Zeugin xxx wird außerdem auf das Protokoll der Sitzung vom 14. April 2021 verwiesen. |
|
| Die Berufung ist zulässig, diese wurde insbesondere innerhalb der vorgegebenen Fristen ordnungsgemäß eingelegt und begründet. Die Berufung hat teilweise Erfolg. |
|
| Die Berufung führt ausdrücklich aus, dass der Kläger seine Klage ausschließlich auf den Umstand stützt, |
|
| dass im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand, welcher durch das streitgegenständliche Unfallereignis verursacht wurde, zusätzliche Pflege- und Betreuungsleistungen in Form von vermehrten Bedürfnissen notwendig geworden sind, um dem Kläger eine „Teilhabe am Leben“ zu ermöglichen (Blatt 40 eA), |
|
|
|
| nicht behauptet, die von seiner Ehefrau erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen seien zur Heilbehandlung der unfallbedingt erlittenen Verletzungen notwendig (Blatt 40 eA). |
|
| Um dem Kläger eine Teilhabe am Leben zu ermöglichen, sind deshalb die Besuche der Ehefrau des Klägers unabdingbar medizinisch notwendig; allerdings nicht im Sinne einer medizinischen Heilbehandlung der unfallbedingt erlittenen Verletzungen. Diese sind in der Tat „aus-therapiert“ (Blatt 42 eA, dto. Blatt 75 eA). |
|
| Danach macht der Kläger ausdrücklich geltend, dass er seine Ansprüche nicht auf eine erforderliche Heilbehandlung stützt. |
|
| Nach der Vernehmung der Zeugin xxx ist der Senat überzeugt, dass sie |
|
| Leistungen im Sinne vermehrter Aufwendungen für den Kläger erbringt, die es diesem ermöglichen, sein gewohntes Leben trotz der erlittenen dauerhaften Beeinträchtigungen möglichst weitgehend aufrecht zu erhalten, insoweit im konkreten Einzelfall als praktische Alternative auch der Einsatz fremder Hilfskräfte in Betracht kommt. Der Kläger muss sich allerdings einen Anteil an unvertretbaren höchstpersönlichen Zuwendungen anrechnen lassen, den der Senat gemäß § 287 ZPO auf 1/3 schätzt. |
|
| 1. Nach § 843 Abs. 1 BGB besteht ein Schadensersatzanspruch, wenn infolge einer Körper- oder Gesundheitsverletzung sogenannte vermehrte Bedürfnisse bestehen. Neben der in § 843 Abs. 1 BGB genannten Geldrente können auch einmalige Kosten als Mehrbedarf zu ersetzen sein (BGHZ 163, 351 [360]; BGH BeckRS 2004, 2239 unter II. 1.). |
|
| a. Der Begriff der „Vermehrung der Bedürfnisse" umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alle unfallbedingten Mehraufwendungen, die den Zweck haben, diejenigen materiellen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens und in seiner Lebensführung entstehen. Es muss sich demnach grundsätzlich um Mehraufwendungen handeln, die dauernd und regelmäßig erforderlich sind und die zudem nicht - wie etwa Heilungskosten - der Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Zudem umfasst der Begriff „vermehrte Bedürfnisse" in § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB nur solche Mehraufwendungen, die dem Geschädigten im Vergleich zu einem gesunden Menschen erwachsen und sich daher von den allgemeinen Lebenshaltungskosten unterscheiden, welche in gleicherweise vor und nach einem Unfall anfallen (BGHZ 163, 351 [360-362]; BGH BeckRS 2004, 2239 unter II. 1.). |
|
| b. Mehraufwendungen des Verletzten sind nur dann vom Schädiger zu ersetzen, wenn die Schädigung zu gesteigerten Bedürfnissen des Geschädigten geführt hat. Die Ersatzpflicht setzt mithin einen verletzungsbedingten Mehrbedarf voraus. Dieser kann verschiedene Ursachen haben. Er kann - wie etwa bei Mehraufwendungen für Verpflegung oder bei der Anschaffung orthopädischer Hilfsmittel - eine unmittelbare Folge der Verletzung sein, er kann sich aber auch durch Hinzutreten weiterer Umstände ergeben, etwa dadurch, dass der Verletzte unfallbedingt auf einen Pkw angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz erreichen zu können. In diesem Fall beruhen die vermehrten Bedürfnisse auf dem Mobilitätsbedürfnis des Geschädigten (BGH BeckRS 2004, 2239 unter II. 2.). |
|
| c. Als vermehrte Bedürfnisse sind grundsätzlich nur materielle Nachteile der privaten Lebensführung ersatzfähig, jedoch nicht Aufwendungen, die dem Ausgleich immaterieller Einbußen zu dienen bestimmt sind (BGH BeckRS 2004, 2239 unter II. 2.; BGH NJW-RR 1992, 792 [793]; OLG Koblenz BeckRS 2011, 26254; Eichelberger in BeckOGK zum BGB, Stand 01.12.2020, § 843 Rn. 321 mit Beispielen aus der Rechtsprechung in Rn. 321.1 und 321.2).-12- |
|
| d. Grundsätzlich besteht ein Anspruch nur für tatsächlich entstandene Kosten. Ein Anspruch auf Erstattung fiktiver Aufwendungen kommt nicht in Betracht (BGH BeckRS 2005, 11281 unter II. A. 2. a) aa). Eine Ausnahme gilt dann, wenn Dritte (insbesondere Pflege-) Leistungen unentgeltlich erbringen, die den Schädiger nicht entlasten sollen (BGH BeckRS 2018, 29307 Rn. 12; BGH NJW 1999, 2819; BGHZ 140, 39 [44 f.]). Zu den vermehrten Bedürfnissen gehört insoweit auch der Betreuungsaufwand naher Angehöriger - wie hier der Ehefrau des Klägers - der über die üblicherweise im Krankheitsfall zu erwartende persönliche Zuwendung innerhalb der Familie hinausgeht. Der ersatzfähige Aufwand zur Befriedigung vermehrter Bedürfnisse, insbesondere des Pflegebedarfs, bestimmt sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter in seiner besonderen Lage treffen würde. Maßgebend ist grundsätzlich, was ein verständiger Geschädigter an Mitteln aufwenden würde, wenn er diese selbst zu tragen hätte und tragen könnte. Kommen zum Ausgleich der Pflegebedürftigkeit verschiedene Möglichkeiten mit unter schiedlichem Kostenaufwand in Betracht (z.B. Einstellung einer Pflegekraft, Unterbringung in einem Pflegeheim oder Versorgung durch einen Familienangehörigen), so bestimmt sich die Höhe des Anspruchs danach, welcher Bedarf in der vom Geschädigten in zumutbarer Weise gewählten Lebensgestaltung tatsächlich anfällt. Die Frage, ob der Geschädigte seine Lebensgestaltung in zumutbarer Weise gewählt hat, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf Ersatz vermehrter Bedürfnisse einen Ausgleich für die Nachteile schaffen soll, die dem Geschädigten infolge dauernder Störungen seines körperlichen Wohlbefindens entstehen. Er will es dem Geschädigten ermöglichen, sein gewohntes Leben trotz der erlittenen dauerhaften Beeinträchtigungen möglichst weitgehend aufrecht zu erhalten. Dem entspricht es, dass ein Schwerstgeschädigter, sofern er dies will, in die ihm vertrauten früheren Lebensumstände zurückgeführt wird (BGH NJW 2019, 362 [364 Rn. 20, 22]; BGH BeckRS 2018, 29307 Rn. 12, 20, 21). |
|
| e. Eine Ersatzpflicht für Betreuungsaufwand hat zur Voraussetzung, dass sich der geltend gemachte Aufwand in der Vermögenssphäre als geldwerter Verlustposten konkret niedergeschlagen hat. Dies ist einerseits bei einem Verdienstausfall der unentgeltlich ein springenden Angehörigen gegeben, andererseits aber auch dort, wo der Vermögenswert der geleisteten Dienste im Sinne eines „Marktwerts“ objektivierbar ist, da sie ihrer Art nach in vergleichbarer Weise ohne weiteres auch von einer fremden Hilfskraft übernommen werden könnten. Hingegen sind Aufwendungen an Zeit, die sich nicht in diesem Sinne konkret in der Vermögenssphäre niederschlagen, im Rahmen deliktischer Haftungsbeziehungen nicht ersatzfähig (BGH NJW 1999, 2819; BGHZ 106, 28 [31]). Auf der Grundlage dieser Überlegungen kann eine zusätzliche Betreuung nur dann als vermögenswerte Leistung im Rahmen der vermehrten Bedürfnisse schadensersatzrechtlich ersatzpflichtig sein, wenn sie den Bereich der „unvertretbaren“ Zuwendung verlässt und sich so weit aus dem selbstverständlichen, originären Aufgabengebiet heraushebt, dass nicht nur theoretisch, sondern als praktische Alternative ein vergleichbarer Einsatz fremder Hilfskräfte in Betracht kommt (BGH NJW 1999, 2819). |
|
| Insoweit können die Grundsätze der Rechtsprechung zu elterlichen Zuwendungen ohne weiteres auch auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden, weil es sich bei den Zuwendungen eines Ehegatten um einen vergleichbaren Sachverhalt handelt. |
|
| 2. Die Beweisaufnahme hat vermehrte Bedürfnisse des Klägers bestätigt. |
|
| Die Ehefrau des Klägers hat ihre Leistungen bereits in einer schriftlichen Stellungnahme wie folgt umschrieben (K 2, Blatt 25, vergleiche auch Blatt 79 eA): |
|
| Mein Ehemann xxx erlitt am 26.1.2015 ein schweres Schädelhirntrauma, das in Folge zu einer Hirnschädigung und dem Verlust seiner Selbstständigkeit auf fast allen Ebenen führte. |
|
| Er ist immobil (gehunfähig, sitzt im Multifunktionsrollstuhl und ist inkontinent - Dauerkatheter durch die Bauchdecke). |
|
| Er hat kognitive Einschränkungen und leidet an einer schweren Gedächtnisstörung. |
|
| Er ist örtlich, zeitlich und situativ teilweise desorientiert und hat einen erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung. Auch wenn sich seine Sprachstörung (Aphasie) gebessert hat, hat er immer noch Probleme mit der Verständigung und Mitteilung z.B. Ärzten gegenüber. |
|
| Mein Mann braucht vor allem viel Zuwendung, Verständnis und Fürsorge um die schweren Folgen des Unfalles zu verarbeiten. Ich versuche seine Isolation und Unzufriedenheit mit viel Zusprache, Motivation und Unterstützung zu lindern. Denn sein Zustand ist ihm immer mehr bewusst geworden. Er ist oft depressiv, launisch und unzufrieden und hat oft Schmerzen durch nur Liegen oder Sitzen im Rollstuhl. Er hat immer die Hoffnung endlich gesund zu werden und ein normales Leben ohne Einschränkungen und Schmerzen zu führen. Das wird leider nicht möglich sein. |
|
| Daher wird er immer auf die Unterstützung eines nahen Angehörigen angewiesen sein. Auch ist ein Pflegeheim aus zeitlichen Gründen, dazu und vielen anderen persönlichen Unterstützungen die er benötigt, nicht in der Lage. |
|
| Ich, als Ehefrau, Bevollmächtigte und Betreuerin bin dazu die einzige verfügbare Person. |
|
| Folgende Aufgaben und Betreuungsmaßnamen wurden und werden von mir übernommen: |
|
| - Tägliche Gespräche, Erklärungen und Motivation zur Verbesserung der Sprachstörung und Isolation, |
|
| - wenn möglich tägliche Spaziergänge (Multifunktionsrollstuhl mit elektr. Schiebehilfe) - teils gemeinsame Mahlzeiten (teilw. Hilfe), |
|
| - gemeinsames Fernsehen (Natursendungen, Programmauswahl und Suche durch mich) - gemeinsame Spiele (Kartenspiele, Domino, Puzzle, Bücher ansehen), |
|
| - Kontakte, Gespräche und Termine mit Ärzten (Zahnarzt, Hautarzt, Urologe, Neurologin, Wundmanager, Friseur, Fußpflege ec.), |
|
| - Begleitung und Besuche zu Rehamaßnahmen und bei Krankenhausaufenthalten (Kon takte und Gespräche mit Ärzten und Therapeuten), |
|
| - Kontakt zu Therapeuten (Ergo-, Logo u. Physiotherapie) und Personal im Pflegeheim, |
|
| - Hilfe bei der Körperpflege (Schneiden der Fingernägel, zusätzl. Haare waschen, da nur 1xDuschen/Woche im Pflegeheim), |
|
| - abendliches Eincremen (Rücken, Beine und juckende Hautstellen) da sehr hautempfindlich, |
|
| - Überwachen bzw. Öffnen und Schließen Fenster und An- u. Ausschalten Heizung im Zimmer, |
|
| - sämtlich anfallender Schriftverkehr und Kontakt zur Betreuung (Anwalt, Betreuungsgericht, Rentenantrag, Krankenhaus, Rehamaßnahmen), |
|
| - Verstellen des Multifunktionsrollstuhles in Liegeposition zum Mittagsschlaf und bei Schmerzen durch langes Sitzen. |
|
| Im Rahmen ihrer Vernehmung vor dem Senat hat die Zeugin glaubhaft und überzeugend bestätigt, dass sie die in der Anlage K 2 erbrachten Tätigkeiten erbringt, hier vor allem die gemeinsamen Spiele, Spaziergänge, Körperpflege und den Schriftverkehr, die allesamt auch durch Dritte erbracht werden können. Die Zeugin hatte insoweit keinerlei Belastungstendenzen, was sich beispielsweise an der ungenauen Zeitangabe zu den Besuchszeiten ablesen lässt. Soweit der Kläger daran anknüpft, sein gewohntes Leben trotz der erlittenen dauerhaften Beeinträchtigungen möglichst weitgehend aufrecht zu erhalten, auf seine möglichst weitgehende Teilhabe und den Kontakt zur Außenwelt als elementaren Anspruch abstellt, erbringt seine Ehefrau weit überobligatorische Leistungen, die dessen Lebenssituation nachhaltig verbessern. Es handelt sich auch um kommerzialisierbare Positionen. Der Senat geht insoweit aufgrund der Angaben der Zeugin von einem Aufwand von mindestens zwei Stunden am Tag aus, der als verletzungsbedingter Mehrbedarf ein zuordnen ist. |
|
| Die Zeugin hat ebenfalls bestätigt, dass wegen einer Verbesserung seiner kognitiven Fähigkeiten sehr wohl eine Kommunikation mit dem Kläger möglich ist, ihm seine Situation bewusst ist und deshalb mit den geschilderten Aktivitäten ein Ausgleich der Nachteile erfolgt, die dem Kläger infolge des Treppensturzes entstanden sind. |
|
| Soweit die Beklagte eingewandt hat, hinsichtlich der pflegerischen Leistungen sei der Kläger auf den abgeschlossenen Heimvertrag zu verweisen, dieser decke alle pflegerischen Leistungen ab, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Die Zeugin hat glaubhaft bestätigt, dass Defizite bestehen, die von ihr ausgeglichen werden, was angesichts des auch dem Senat bekannten Pflegenotstands absolut nachvollziehbar erscheint. |
|
| Jedenfalls soweit die Besuche dazu dienen, durch Ablenkung und Tröstung die Leiden des Klägers zu lindern, handelt es sich aber um Leistungen, die die Ehefrau des Klägers als dessen engste Bezugsperson erbringt, weshalb eine Ersatzfähigkeit nach den oben dargestellten Gründen mangels einer die Vermögenssphäre betreffenden Leistung und einer entsprechenden Vermögenseinbuße nicht in Betracht kommt. Der Senat schätzt diesen Anteil gemäß § 287 ZPO auf 1/3 des Aufwands. Auch bezüglich des Schadens geht der Senat gemäß § 287 ZPO vor. |
|
| Danach - hierauf wurde bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen - kann der Kläger bei durchschnittlich 3 Stunden Besuchszeit 2/3, also 2 Stunden pro Tag, als vermehrten Betreuungsaufwand geltend machen, wobei mit einem Betrag von 10,00 EUR pro Stunde zu rechnen ist. Für die lediglich geltend gemachten 834 Besuche - nach Auffassung des Senats könnte ein Besuch pro Tag geltend gemacht werden, was jedoch nicht beantragt ist (§ 308 Abs. 1 ZPO) - ist mithin ein Aufwand von 1.668 Stunden entstanden, also ein Betreuungsmehraufwand in Höhe von 16.680,00 EUR. Unter Berücksichtigung der rechtskräftig festgestellten Mitverschuldensquote ergibt sich ein Mehraufwand in Höhe von 11.120,00 EUR. |
|
| Der Kläger kann außerdem die Kosten der Besuchsfahrten verlangen, bei 834 Fahrten x 13 Kilometern x 0,25 EUR pro Kilometer (in Anlehnung an § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG) sind dies 2.710,50 EUR, 2/3 hiervon sind 1.807,00 EUR. Abzüglich der seitens der Haftpflichtversicherung bezahlten 1.069,68 EUR verbleibt mithin ein Betrag in Höhe von 737,32 EUR. |
|
| Insgesamt kann der Kläger danach 11.857,32 EUR an vermehrten Bedürfnissen geltend machen. |
|
|
|
| Der Kläger hat außerdem Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus 12.927,00 EUR, die sich danach wie folgt errechnen: |
|
| Der Höhe nach errechnet sich dies wie folgt: |
|
|
|
|
|
1,3 Gebühr gern. Nr. 2300 RVG-VV aus 11.857,32 EUR |
|
|
Auslagenpauschale gern. Nr. 7002 RVG-VV MwSt. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
| Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine |
|
| typische Einzelfallentscheidung unter Auswertung und Beurteilung festgestellter Tatsachen. |
|