Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 U 389/19

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Grund- und Teilurteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.07.2019

aufgehoben,

soweit es die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. Insoweit wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Stuttgart

zurückverwiesen.

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem erstinstanzlichen Gericht vorbehalten.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 563.866,06 Euro

Gründe

 
A
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen kartellrechtswidriger Absprachen geltend.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts verwiesen. Zusammenfassend: Die Beklagte produziert und vermarktet Lastkraftwagen (LKW) unter der Marke Iveco. Mit – auf einem Vergleich (Settlement) mit den Betroffenen beruhenden – Beschluss vom 19. Juli 2016 (AT.39824) stellte die Europäische Kommission fest, dass die Beklagte und weitere LKW-Hersteller, u.a. MAN, Daimler, Volvo/Renault und DAF, durch Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere (zwischen 6 und 16 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht) und schwere Lastkraftwagen (über 16 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht) sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Fahrzeuge nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6 gegen Artikel 101 AEUV und Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen haben. Für die Zuwiderhandlung, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte und vom 17. Januar 1997 – unter Beteiligung der Beklagten ab dem 26. Juni 2001 – bis zum 18. Januar 2011 andauerte, verhängte die Kommission gegen die Beklagte ein Bußgeld von rund 494 Mio. Euro.
Die Klägerin ist Muttergesellschaft von Unternehmen, die in der Bau- und Logistikbranche tätig sind. Die Tochtergesellschaften haben, soweit noch im Berufungsverfahren anhängig, zwischen März 2003 und April 2005 mit in Deutschland ansässigen Autohäusern Kauf- bzw. Leasingverträge über insgesamt 23 von der Beklagten hergestellte Lastkraftwagen abgeschlossen (Nr. 1 bis 5, 7 bis 24 der Anlage K 251). Wegen dieser Fahrzeuge macht die Klägerin Schadensersatz wegen einer Preisüberhöhung und wegen überhöhter Haftpflichtversicherungsprämien in einer in das gerichtliche Ermessen gestellten Höhe geltend, mindestens jedoch 563.866,06 Euro (erstinstanzlicher Klageantrag Ziff. 1 abzgl. der auf den Iveco Euro Cargo gem. Anlage K 4 entfallenden Beträge). Weiter verlangt die Klägerin Zinsen, die sie allein für die Zeit bis Ende 2016 mit rund 290.000,00 Euro beziffert.
Das Landgericht hat mit seinem Grund- und Teilurteil vom 25. Juli 2019 die Klage für die noch im Berufungsverfahren anhängigen Beschaffungsvorgänge dem Grunde nach – einschließlich Zinsen – für gerechtfertigt erklärt. In einem Ergänzungsurteil hat es klargestellt, dass auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten hiervon umfasst sind. Gegen all dies richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlich gehaltenen Vortrag. Weiter trägt sie vor, dass entsprechend einer Analyse von C. ein Schadenseintritt nicht festgestellt werden könne.
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
das angefochtene Grund- und Teilurteil des Landgerichts Stuttgart (Az. 30 O 30/18) vom 25. Juli 2019 dahingehend abzuändern, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
10 
Wegen des weiteren Vortrags wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
B
11 
Da die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils nicht vorliegen, ist das Urteil des Landgerichts auf den Antrag der Beklagten insoweit aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 538 Absatz 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückzuweisen. Es liegen zwar alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten auf Schadensersatz vor, die für den Erlass eines Grundurteils erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadens kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, weil dies die Überprüfung der Belastbarkeit der von der Beklagten vorgelegten Regressionsanalyse mit sachverständiger Unterstützung erfordert. Es entspricht prozessökonomischen Grundsätzen, sogleich die Beweisaufnahme über die Schadenshöhe durchzuführen, was zweckmäßigerweise in der ersten Instanz erfolgen sollte.
12 
Im Einzelnen:
I.
13 
Für den Schadensersatzanspruch ist das im Belieferungszeitraum geltende Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10, juris Rn. 13 – ORWI; BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17, juris Rn. 44 – Schienenkartell I).
14 
Demnach richtet sich der Anspruch bei den streitgegenständlichen Beauftragungen bis zum 30. Juni 2005 nach § 33 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der ab dem 01. Januar 1999 geltenden Fassung (fortan: GWB 1999). Danach ist derjenige, der vorsätzlich oder fährlässig gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstößt, die den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet. § 1 GWB 1999 verbietet Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.
15 
Konkurrierend ergibt sich ein Anspruch aus § 823 Absatz 2 BGB i.V.m. Artikel 81 Absatz 1 EG (ex-Art. 85 EGV, seit 2009: Artikel 101 AEUV), da die darin niedergelegten Verbote von abgestimmten Verhaltensweisen ihrer Natur nach geeignet sind, in den Beziehungen zwischen einzelnen unmittelbare Wirkungen zu erzeugen und deshalb unmittelbar in deren Person Rechte entstehen zu lassen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben (BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 – KZR 23/96, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 16 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 12 – LKW-Kartell II; zur Anspruchskonkurrenz: BGH, Urteil vom 06. Juli 2021 – KZR 35/20, juris Rn. 28 – Porsche-Tuning II).
II.
16 
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da ihr die Schadensersatzforderungen gegen die Beklagte von ihren Tochterunternehmen abgetreten worden sind. Die dahingehenden Feststellungen des Landgerichts sind gemäß § 529 Absatz 1 Nr. 1 ZPO bindend. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die von der Berufung unterbreitete Möglichkeit, die Unterschriften könnten einkopiert worden sein. Hierfür hatte die Klägerin als Konzernmutter keinen Anlass.
III.
17 
Zutreffend hat das Landgericht einen schuldhaften Verstoß der Beklagten gegen die genannten Normen festgestellt, weil die Beklagte über einen längeren Zeitraum an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligt war (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 17 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 13 – LKW-Kartell II).
1.
18 
Den Umfang der Zuwiderhandlungen hat das Landgericht zutreffend erfasst. Die Europäische Kommission hat im Beschluss vom 19. Juli 2016 festgestellt, dass die Beklagte, MAN, Volvo/Renault, Daimler und DAF eine komplexe Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 Absatz 1 AEUV begangen haben, bestehend aus verschiedenen Handlungen, die entweder als Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen einzustufen sind, und mit deren Hilfe die Beteiligten die Risiken des Wettbewerbs wissentlich durch die praktische Zusammenarbeit untereinander ersetzt haben. Die Europäische Kommission hat das Verhalten der Kartellbeteiligten als Preiskoordinierungen eingeordnet, die in der praktizierten Weise zu den schädlichsten Einschränkungen des Wettbewerbs gehörten.
19 
Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich den Randnummern 51 bis 54 des Kommissionsbeschlusses auch nicht entnehmen, dass sich an den dort beschriebenen Vorgängen der „ersten Phase“ ausschließlich Hauptverwaltungen beteiligt hätten, nicht aber auch Tochterunternehmen wie die Beklagte. Vielmehr fällt der zeitliche Beginn der Beteiligung der Beklagten gemäß Rn. 97 b der Entscheidung bereits in diese Phase. Auch handelte es sich ausweislich der Ausführungen in Rn. 55 bis 60 der Kommissionsentscheidung nicht um einen bloßen Informationsaustausch.
20 
Konkret bestand die Zuwiderhandlung der Kartellbeteiligten gegen Artikel 101 Absatz 1 AEUV nach den Feststellungen im Kommissionsbeschluss in einem kollusiven Verhalten bei der Preissetzung und der Anhebung von Bruttolistenpreisen für mittelschwere und schwere Lastkraftwagen sowie in der Koordinierung ihres Marktverhaltens bei den Zeitplänen und der Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für solche Lastkraftwagen nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6. Das kollusive Verhalten umfasste Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen bei Preissetzungen und Listenpreiserhöhungen mit dem Ziel, die Bruttopreise im EWR zu koordinieren, sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6. Sämtliche Kartellbeteiligten tauschten Preislisten und Informationen über Bruttopreise untereinander aus. Jeder der Beteiligten - mit Ausnahme von DAF - hatte Zugang zu mindestens einem computerbasierten LKW-Konfigurator eines der anderen Beteiligten.
21 
Die Zuwiderhandlung, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte, dauerte vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 an, unter Beteiligung der Beklagten ab dem 26. Juni 2001. Von 1997 bis 2010 fanden die kollusiven Kontakte mehrmals jährlich in Form regelmäßiger Treffen bei Tagungen von Industrieverbänden, Messen, Produktvorstellungen der Hersteller oder zum Zweck dieser Zuwiderhandlung organisierter Wettbewerbertreffen statt. Sie umfassten auch regelmäßige Kontakte über E-Mail und Telefon. In die Diskussion der Preise, Preiserhöhungen und die Einführung neuer Emissionsstandards waren bis Ende 2004 die Hauptverwaltungen aller beteiligten Unternehmen durch höhere Führungskräfte direkt eingebunden. Ab August 2002 wurden die Gespräche über deutsche Tochtergesellschaften geführt, die an ihre Hauptverwaltungen berichteten.
22 
Bei den Treffen besprachen die Teilnehmer ihre jeweiligen Listenpreiserhöhungen, und in einigen Fällen vereinbarten sie diese auch. In den Jahren 1997 und 1998 tauschten die Beteiligten bei zusätzlichen bilateralen Treffen, die neben den regelmäßigen detaillierten Diskussionen über zukünftige Listenpreiserhöhungen stattfanden, Informationen über die Harmonisierung der Preislisten für den Europäischen Wirtschaftsraum aus. Gelegentlich wurden unter Beteiligung von Vertretern der Hauptverwaltungen sämtlicher Beteiligter auch Nettopreise für einige Länder beraten. Die Kartellbeteiligten einigten sich außerdem auf den jeweiligen Zeitplan für die Einführung der EURO-Emissionsstandards und den damit verbundenen Preisaufschlag. Zusätzlich zu Vereinbarungen über den Umfang der Preiserhöhungen informierten sie sich regelmäßig über ihre geplanten zukünftigen Listenpreiserhöhungen. Ferner tauschten sie sich über ihre jeweiligen Lieferfristen und länderspezifische allgemeine Marktprognosen, aufgeschlüsselt nach Ländern und LKW-Kategorien, aus. Die bevorstehende Euro-Einführung wurde unter Einbindung aller an der Absprache Beteiligten zu Diskussionen über die Reduzierung von Rabatten genutzt. Nach Umstellung auf den Euro und mit der erstmaligen Erstellung gesamteuropäischer Preislisten für fast alle Hersteller begannen die an den Absprachen beteiligten Unternehmen sich systematisch über ihre jeweils geplanten Listenpreiserhöhungen über ihre deutschen Tochtergesellschaften auszutauschen, während in den Jahren 2002 bis 2004 parallel dazu die geheimen Kontakte auf Ebene der höheren Führungskräfte der Hauptverwaltungen fortgesetzt wurden.
23 
Die Absprachen versetzten die daran beteiligten Unternehmen zumindest in die Lage, die ausgetauschten Informationen bei ihren internen Planungsprozessen und der Planung zukünftiger Listenpreiserhöhungen für das kommende Kalenderjahr zu berücksichtigen. Die durch die jeweilige Hauptverwaltung festgelegten Listenpreise waren wiederum bei allen an den Absprachen beteiligten LKW-Herstellern der Ausgangspunkt der Preisgestaltung; sodann wurden die Verrechnungspreise für die Einfuhr der Lastkraftwagen in verschiedene Märkte durch eigene oder fremde Vertriebsunternehmen und anschließend die von den Händlern auf nationalen Märkten zu zahlenden Preise festgelegt. Die Endkundenpreise wurden schließlich entweder durch einen Händler oder – bei direktem Verkauf an Händler oder Flotten-Kunden – unmittelbar durch den Hersteller verhandelt und festgelegt.
2.
24 
Diese Feststellungen im Beschluss der Kommission sind für den vorliegenden Rechtsstreit als nachfolgendem Schadensersatzprozess gemäß § 33 Absatz 4 GWB in der Fassung vom 15. Juli 2005 bindend (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 23 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 17 – LKW-Kartell II). Die Bindungs- oder Feststellungswirkung erstreckt sich auf alle Feststellungen tatsächlicher und rechtlicher Natur, mit denen die Wettbewerbsbehörde einen Verstoß gegen das materielle Wettbewerbsrecht begründet. Darüber hinausgehende Beschreibungen und Erwägungen erfasst sie hingegen nicht, und auch Fragen der Schadenskausalität sowie der Schadenshöhe nehmen nicht an ihr teil, sondern unterliegen der freien Beweiswürdigung des Gerichts (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 23 – LKW-Kartell I, juris Rn. 24; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 18 – LKW-Kartell II). Diese Bindungswirkung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen oder beschränkt, weil der Kommissionsbeschluss vom 19. Juli 2016 im Rahmen eines Vergleichsverfahrens nach Art. 10a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 (VO (EG) 773/2004) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 622/2008 ergangen ist (eingehend BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 23 – LKW-Kartell I, juris Rn. 25 ff.; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 19 – LKW-Kartell II).
3.
25 
Der Kartellverstoß geschah vorsätzlich. Die Kontakte wurden zunächst bis zum Jahr 2004 auf der Ebene der höheren Führungskräfte der Hauptverwaltungen organisiert und anschließend zwischen den Arbeitnehmern der deutschen Tochtergesellschaften. Aus der hohen Ansiedelung folgt, dass der Vorstand der Beklagten das Vorgehen gekannt und gebilligt hat (OLG Schleswig, Urteil vom 17. Februar 2020 – 16 U 43/19 Kart, juris Rn. 60). Im Übrigen wäre das Verschulden unabhängig davon gegeben, auf welcher Management-Ebene die kartellrechtlichen Verstöße jeweils begangen wurden. Den Organen der Beklagten fällt zumindest ein Organisationsverschulden zur Last, da sie ein kartellrechtswidriges Verhalten nicht verhindert haben (OLG Stuttgart, Urteil vom 04. April 2019 – 2 U 101/18, juris Rn. 129).
IV.
26 
Die Klägerin ist von der Kartellabsprache betroffen und damit anspruchsberechtigt (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 23 – LKW-Kartell I, juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 20 – LKW-Kartell II).
1.
27 
Der Kreis derjenigen, die berechtigt sind, einen Schadensersatzanspruch wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des § 1 GWB sowie des Artikels 101 AEUV geltend zu machen, bestimmt sich im Ausgangspunkt nach den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Allerdings sind die Vorgaben des Unionsrechts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17, juris Rn. 23 – Schienenkartell II). Die praktische Wirksamkeit des gemeinschaftsrechtlichen Kartellverbotes erfordert, dass jedermann Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränkt oder verfälscht, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10, juris Rn. 15 – ORWI; EuGH, Urteil vom 20. September 2001 – C-453/99, Rn. 26 – Courage; EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 – C-295/04 bis C-298/04, Rn. 60 – Manfredi; EuGH, Urteil vom 05. Juni 2014 – C-557/12, Rn. 22 – Kone; EuGH, Urteil vom 14. März 2019 – C-724/17, Rn. 26 – Skanska; EuGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – C-435/18, Rn. 27 – Otis). Der Kreis der durch das Kartellverbot des Artikel 101 Absatz 1 AEUV geschützten Personen ist nicht auf solche Abnehmer beschränkt, gegen die sich die Kartellabsprache gezielt richtet (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10, juris Rn. 16 f. – ORWI; BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17, juris Rn. 24 – Schienenkartell II). Deshalb ist es unerheblich, wenn die Fahrzeuge nicht unmittelbar von der Beklagten erworben wurden, sondern von einem selbständigen Händler.
28 
Nach diesen Grundsätzen ist Voraussetzung des haftungsbegründenden Tatbestands eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs, dass dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das – vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise – geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers unmittelbar oder mittelbar zu begründen (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 31 – LKW-Kartell I). Auf die weitergehende Frage, ob sich die Kartellabsprache auf den in Rede stehenden Beschaffungsvorgang, auf den der Anspruchsteller sein Schadensersatzbegehren stützt, tatsächlich ausgewirkt hat und das Geschäft damit in diesem Sinn „kartellbefangen“ oder „kartellbetroffen“ war, kommt es im Rahmen der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität hingegen nicht an. Die Anforderungen an die Haftungsbegründung tragen damit dem Umstand Rechnung, dass das Kartellverbot als Gefährdungstatbestand bereits die Absprache zwischen den Wettbewerbern wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Freiheit des Wettbewerbsprozesses und der sich daraus ergebenden Störung insbesondere des wettbewerblichen Preisbildungsmechanismus ohne Rücksicht auf die aus ihr folgenden unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Marktakteure sanktioniert, die ohnehin nur mit erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden können. Angesichts der Besonderheiten des nicht gegen einzelne Marktteilnehmer, sondern die Marktgegenseite gerichteten kartellrechtlichen Deliktstatbestands bedarf es daher auch nicht der Feststellung einer konkret-individuellen Betroffenheit. Für die Feststellung der hiernach maßgeblichen Voraussetzungen gilt der Maßstab des § 286 ZPO (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 25 – Schienenkartell IV; BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 31 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 21 – LKW-Kartell II).
2.
29 
Demnach ist die Klägerin aus abgetretenem Recht anspruchsberechtigt, weil die Tochterunternehmen der Klägerin mit den Lastkraftwagen von der am Kartell beteiligten Beklagten Waren erworben haben, die Gegenstand des Austauschs über zukünftige Preislisten und Listenpreiserhöhungen sowie der weiteren festgestellten wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen und damit Gegenstand der Kartellabsprache waren (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 32 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 22 – LKW-Kartell II).
a)
30 
Die streitgegenständlichen Erwerbsvorgänge fallen sachlich, räumlich und zeitlich in den Bereich der Absprachen und Vereinbarungen.
31 
In sachlicher und räumlicher Hinsicht sind die Erwerbsvorgänge von den Absprachen und Vereinbarungen erfasst, da sich diese nach den Feststellungen der Europäischen Kommission auf mittelschwere und schwere Lastkraftwagen im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum bezogen, und zwar sowohl auf Sattelzugmaschinen als auch auf Solofahrzeuge. Ausgenommen sind lediglich Lastkraftwagen für den militärischen Bereich, der „After-sales“-Bereich, andere Dienstleistungen und Garantien für Lastkraftwagen, der Verkauf von gebrauchten Lastkraftwagen und sämtliche anderen von den Beteiligten verkauften Waren und erbrachten Dienstleistungen (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 34 – LKW-Kartell I). Insbesondere betreffen die Feststellungen der Europäischen Kommission auch Fahrgestelle für Kipper (OLG Stuttgart, Urteil vom 04. April 2019 – 2 U 101/18, juris Rn. 141). Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass allerdings im Betragsverfahren zu berücksichtigen sein wird, dass die Aufbauten selbst nicht Gegenstand der Kommissionsentscheidung sind.
32 
Auch in zeitlicher Hinsicht fügen sich die Erwerbsvorgänge der Jahre 2003 bis 2005 in die festgestellten Kartellabsprachen ein. Die Beklagte war ab dem 26. Juni 2001 an den Absprachen, die sich auf die jeweiligen Folgejahre bezogen, beteiligt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04. April 2019 – 2 U 101/18, juris Rn. 142 und BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 36 – LKW-Kartell I).
b)
33 
Für die Betroffenheit ist unerheblich, ob und inwieweit die Transaktionspreise der vom jeweiligen Anspruchssteller erworbenen Fahrzeuge durch die Kartellabsprache beeinflusst waren. Es genügt, dass diese Fahrzeuge auf den Grundmodellen („Ecktypen“) aufbauten, deren Listenpreise Gegenstand der Absprachen waren, da die durch das Kartell bewirkte Verfälschung der Bedingungen des Marktgeschehens damit jedenfalls geeignet war, sich auf die individuellen Transaktionspreise für Fahrzeuge der kartellbeteiligten LKW-Hersteller auszuwirken (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 33 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 23 – LKW-Kartell II). Selbst wenn für die vom Endkunden bezahlten Preise auch die sehr unterschiedlichen und sehr unterschiedlich teuren Aufbauten und sonstigen Ausstattungen von erheblicher Bedeutung sind, ändert dies nichts daran, dass in den nicht wegzudenkenden Kostenerhöhungen für die Basismodelle immer auch das kartellbedingt erhöhte Niveau gleichsam mitläuft (OLG Schleswig, Urteil vom 17. Februar 2020 – 16 U 43/19 Kart, juris Rn. 88). Aus dieser Bedeutung der Listenpreise ergibt sich zugleich, dass Mitglieder der Marktgegenseite, die Fahrzeuge der Kartellbeteiligten erworben haben, von dem Kartellverstoß so betroffen waren, dass nachteilige Folgen für ihre Vermögenslage eintreten konnten. Weiterer Feststellungen zu den Auswirkungen auf einzelne Transaktionen bedarf es für die haftungsbegründende Kausalität nicht (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 33 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 23 – LKW-Kartell II).
c)
34 
Die Beklagte hat auch keine Umstände vorgetragen, weshalb wegen fehlender Kartelldisziplin oder aus anderen Gründen im Einzelfall ein Verkaufsvorgang nicht von der Kartellabsprache umfasst gewesen sein soll. Insoweit besteht die von der Beklagten zu widerlegende Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigt haben (EuGH, Urteil vom 04. Juni 2009 – C-8/08, Rn. 51; EuGH, Urteil vom 19. März 2015 – C-286/13 P, Rn. 127). Entgegenstehenden Vortrag hat die Beklagte nicht gehalten, nachdem sie die unzutreffende Auffassung vertritt, sie habe sich lediglich an einem bloßen Informationsaustausch beteiligt, weshalb es keine Kartelldisziplin habe geben können.
V.
35 
Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils liegen jedoch nicht vor. Das Gericht kann nach § 304 Absatz 1 ZPO über den Grund vorab entscheiden, wenn der Rechtsstreit hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen zur Entscheidung reif ist, nicht aber hinsichtlich des Betrags. Erforderlich ist danach, dass die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach vorliegen und nur noch Fragen offen sind, die im Betragsverfahren zu beantworten sind. Voraussetzung ist weiter, dass es zumindest wahrscheinlich ist, dass der geltend gemachte Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17, juris Rn. 38 – Schienenkartell I).
1.
36 
Zugunsten des Abnehmers eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens streitet der Erfahrungssatz, wonach eine auf der hohen Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehens beruhende tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17, juris Rn. 40 – Schienenkartell II; BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 39 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 – KZR 56/16, juris Rn. 35 – Grauzementkartell II). Zu einem Anscheinsbeweis führt dieser Erfahrungssatz jedoch nicht (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17, juris Rn. 57 – Schienenkartell I).
37 
Unternehmen, die sich aufgrund von Absprachen über Preise, Quoten oder Kundenzuordnungen nicht dem Wettbewerb stellen müssen, werden im Regelfall keinen Anlass sehen, bestehende Preissenkungsspielräume zu nutzen. Durch solche Absprachen sind die beteiligten Unternehmen in einem gewissen Umfang der Notwendigkeit enthoben, sich im Wettbewerb zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen. Sie zielen mithin darauf, den Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft zu setzen. Nach ökonomischen Grundsätzen wird bei Kartellen vielfach eine Kartellrendite entstehen. Treffen Unternehmen trotz der damit einhergehenden erheblichen Risiken solche Absprachen, streitet danach eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die im Rahmen eines Kartells erzielten Preise im Schnitt über denen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache bildeten (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17, juris Rn. 55 – Schienenkartell I; BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 40 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 26 – LKW-Kartell II).
2.
38 
Eine solche tatsächliche Vermutung für einen Anstieg des Marktpreisniveaus bei Lastkraftwagen und damit für einen Schaden der Klägerin besteht auch auf der Grundlage des im Kommissionsbeschluss vom 19. Juli 2016 festgestellten Sachverhalts (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 41 – LKW-Kartell I). Die Kartellbeteiligten haben nicht lediglich Informationen über ihre Listenpreise ausgetauscht, sondern vielmehr ihre künftigen Listenpreise sowie deren Erhöhung miteinander besprochen und ihre zukünftige Preissetzung sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen koordiniert (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 42 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 29 – LKW-Kartell II).
39 
Auch steht der Anwendung des Erfahrungssatzes nicht entgegen, dass sich die Kartellanten lediglich über Listenpreise und deren Heraufsetzung, nicht aber über die später tatsächlich vom Kunden gezahlten Transaktionspreise verständigt haben (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 45 f. – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 30 – LKW-Kartell II). Nach den – bindenden – Feststellungen der Kommission bildeten bei den am Kartell beteiligten LKW-Herstellern die festgelegten Listenpreise typischerweise den Ausgangspunkt der Preisgestaltung, was notwendig bedeutet, dass sie sich – in irgendeiner Weise – auf die von den Kunden zu zahlenden Transaktionspreise auswirkten (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 38 – LKW-Kartell II). Der Umstand, dass die Marktpreisbildung von zahlreichen Faktoren abhängt, der Listenpreis nur einer dieser Faktoren ist und die Faktoren von Fall zu Fall unterschiedlich gewichtet sein können, mag zwar die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass das Verhältnis zwischen Listen- und Marktpreis variabel ist und kein „systematischer“ Zusammenhang besteht. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, ein Einfluss einer Listenpreiserhöhung auf den auf dem Markt erzielbaren Endpreis scheide vernünftigerweise aus (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 47 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 38 – LKW-Kartell II). Listenpreiserhöhungen spiegeln Kostensteigerungen bei der Fahrzeugproduktion wider oder vor und sind schon deshalb jedenfalls potentiell und in gewissem Umfang geeignet, auf die hochkomplexen und unmittelbar auf der Ebene der Hersteller kaum koordinierbaren einzelnen Transaktionspreise durchzuschlagen. Ihre Kenntnis ermöglichte es überdies, die Marktpreise besser abzuschätzen als ohne Kenntnis dieser Größe (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 48 – LKW-Kartell I; eingehend: BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 39 ff. – LKW-Kartell II). Der Austausch zukünftiger Preislisten dient mithin nicht nur rein informatorischen Zwecken, sondern gibt den beteiligten Unternehmen Vorteile bei der Preisbildung und der Weitergabe zwischenzeitlicher Kostensteigerungen (OLG Stuttgart, Urteil vom 04. April 2019 – 2 U 101/18, juris Rn. 161; OLG Schleswig, Urteil vom 17. Februar 2020 – 16 U 43/19 Kart, juris Rn. 78 ff.).
40 
Die Koordinierung von Bruttolistenpreiserhöhungen wurde zudem dadurch verstärkt, dass auch die Einführung von Fahrzeugen, die der jeweils nächsten EURO-Abgasnorm entsprachen und damit technische Lösungen zur weiteren Reduzierung der Schadstoffemission verwirklichen mussten, die sich sowohl auf die Herstellungskosten als auch auf den Kundennutzen auswirkten, koordiniert wurden. Dadurch wurde ein Gleichlauf von zu erwartender Kosten- und Preisentwicklung sowohl bei den Fahrzeugen erzielt, die noch der alten Schadstoffklasse entsprachen, als auch bei denjenigen, die bereits die Anforderungen der neuen Abgasnorm erfüllten (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 41 – LKW-Kartell II).
3.
41 
Der Erfahrungssatz, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten, setzt sich vorliegend nicht in Widerspruch zu gesicherten ökonomischen Erkenntnissen. Die Gültigkeit und Reichweite des Erfahrungssatzes hängen davon ab, inwieweit seine tatsächlichen Grundlagen geeignet sind, den vermuteten Sachverhalt wahrscheinlicher zu machen als einen möglichen abweichenden Sachverhalt (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 51 – LKW-Kartell I; BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 37 – LKW-Kartell II).
a)
42 
Das von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegte O.-Gutachten vom 08. Mai 2019 ergibt keinen Widerspruch zwischen der Anwendung des dargestellten Erfahrungssatzes auf den Streitfall und gesicherten ökonomischen Erkenntnissen. Dieses Gutachten basiert auf der Annahme, dass sich die Kartellanten lediglich über Bruttopreise ausgetauscht haben. Es trifft jedoch nicht zu, dass lediglich ein Informationsaustausch über Listenpreise in Rede steht (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, Rn. 53/54 – LKW-Kartell I).
43 
Der Einwand gegen die Heranziehung des Erfahrungssatzes, die Koordinierung von Bruttolistenpreisen und deren Erhöhung erfülle keine der Voraussetzungen, die nach wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnis für eine erfolgreiche Koordinierung von Transaktionspreisen erforderlich sei, greift nicht durch. Dieser Einwand geht am Wirkungsmechanismus des LKW-Kartells vorbei (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 43 – LKW-Kartell II).
aa)
44 
Wie von der Europäischen Kommission bindend festgestellt, dienten die Listenpreise als Ausgangspunkt für die Bildung des Transaktionspreises, also den Preis, den ein Erwerber eines Lastkraftwagens mit dem Händler vereinbart, von dem er das Fahrzeug erwirbt. Der Preisgestaltungsmechanismus war bei allen kartellbeteiligten LKW-Herstellern im Wesentlichen identisch. Ausgangspunkt der Preisgestaltung war grundsätzlich der durch die Hauptverwaltungen festgelegte Bruttolistenpreis. In einem zweiten Schritt wurden Verrechnungspreise für die Einfuhr der LKW in die verschiedenen Märkte durch 100%ig gehaltene oder unabhängige Vertriebsunternehmen festgelegt. Darüber hinaus gab es die von den an den nationalen Märkten tätigen Händlern zu zahlenden Preise und die Netto-Endkundenpreise. Diese wurden entweder durch die Händler oder durch die Hersteller unmittelbar verhandelt, sofern sie direkt an Händler oder an Flotten-Kunden verkauften.
45 
Die Netto-Endkundenpreise spiegelten erhebliche Rabatte auf die ursprünglichen Bruttopreislisten wider. Diese Feststellungen der Europäischen Kommission sind zentraler Bestandteil der Charakterisierung des konkreten Verstoßes, für den die Geldbuße festgesetzt worden ist (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 49 – LKW-Kartell I). In dem beschriebenen System hat nämlich der Händler keinen Einfluss auf seine Einstandskosten, die wesentlich durch die Einstandskosten der Großhandels-Ebene bestimmt werden, die diese mit der Zentrale des Herstellers vereinbart hat. Sowohl für den Händler als auch für den Großhändler kann es zwar im Einzelfall sinnvoll erscheinen, eine Erhöhung seiner Einstandskosten (teilweise) „auf seine Marge zu nehmen“. Als regelmäßige „Strategie“ kommt dies jedoch schon für den einzelnen Händler sinnvollerweise nicht in Betracht, da dies dauerhaft für ihn nicht auskömmlich wäre, und schon gar nicht kann es als naheliegend angesehen werden, dass sämtliche Händler regelhaft in dieser Weise verführen (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 44 – LKW-Kartell II). Für den Händler wie für den Großhändler besteht hierzu auch kein Anlass. Insbesondere besteht bei ihm nicht die Interessenlage, die einen Kartellbeteiligten dazu veranlassen kann, unter Bruch der Kartelldisziplin von einer vereinbarten Preiserhöhung zugunsten einer Ausweitung seines eigenen Umsatzes abzuweichen. Denn mangels Kenntnis der Kartellabsprachen und angesichts der nahezu vollständigen Marktabdeckung durch das Kartell kann der (Groß-)Händler den Preis, den er selbst zahlen muss, nicht als einen über dem Wettbewerbspreis liegenden Preis erkennen. Er kann insbesondere nicht zwischen solchen Preiserhöhungen unterscheiden, die sich aus den dargestellten inflatorischen oder technischen Bruttolistenpreisänderungen ergeben, und solchen, die infolge der Koordinierung der Bruttolistenpreisänderungen über diejenigen Listenpreise hinausgehen, die die Hersteller ohne die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und Verhaltensweisen gesetzt hätten (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 45 – LKW-Kartell II). Demzufolge kam die Europäische Kommission zu der Feststellung, dass das einzige wirtschaftliche Ziel der Kollusion zwischen den Kartellanten darin bestand, deren jeweiliges Bruttopreisverhalten sowie die Einführung bestimmter Abgasnormen miteinander zu koordinieren und die Preisgestaltung und üblichen Preisbewegungen für LKWs im EWR zu verfälschen (Kommissionsentscheidung, Rn. 71).
bb)
46 
Eine heimliche Absprache, wie sie für bestimmte Rohstoffe funktioniert, wäre für den LKW-Markt nicht brauchbar. Weder ist ein LKW ein homogenes Produkt noch gibt es einen einheitlichen LKW-Markt. Jeder LKW-Käufer wählt die Spezifikation für seinen LKW aus, LKWs sind von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich und die Märkte unterscheiden sich in den einzelnen Ländern. Daher gibt es viele Transaktionspreise auf dem Markt und eine Koordinierung aller dieser Preise wäre für ein Kartell schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
47 
Verständigen sich jedoch alle Hauptverwaltungen der verschiedenen LKW-Hersteller darauf, so zu handeln, als seien beispielsweise die Kosten eines LKW-Motors 25 % höher als in Wirklichkeit, dann sind die Kosten, unabhängig von der Art und Weise, wie sie in den Preissetzungsprozess eines LKW-Herstellers einfließen, um einen 25 % teureren LKW-Motor vorgespielt worden. Aufgrund der zentralen Entscheidung über die Bruttolistenpreise durch die Zentrale der Beklagten wird der Großhandelspreis aufgrund dieser aufgeblähten Kosten höher. Diese höheren Großhandelspreise führen zu höheren Händlerpreisen, die mit den Händlern ausgehandelt werden. Diese höheren Händlerpreise führen wiederum zu höheren Preisen, die die Händler mit Endkunden aushandeln. Dadurch, dass die Zentralen aller LKW-Hersteller in ihre vertikalen Preissetzungsprozesse einen aufgeblähten Kostenpunkt einfließen lassen, können sie alle damit rechnen, dass die aufgeblähten Kosten die ganze vertikale Kette hinunter zu höheren Preisen führen wird. Dabei fällt zwar das Ausmaß, in dem diese aufgeblähten Kosten bis zu dem Endpreis durchgereicht werden, je nach Produkt und Markt unterschiedlich aus. Es ist jedoch eine der empirisch validiertesten Beziehungen in der Ökonomie, dass höhere Kosten zu einem höheren Preis führen. Zudem wirken sich die aufgeblähten Kosten des Motors auf die Preise aller LKWs, unabhängig von der besonderen Spezifikation und dem Land ihres Verkaufs, aus. Insgesamt sind dadurch die LKW-Hersteller in der Lage, LKW-Preise wirksam anzuheben – sowohl in Bezug auf die von den Endkäufern gezahlten Preise als auch in Bezug auf die von den LKW-Herstellern erzielten Preise –, wenn sie künstlich aufgeblähte Kosten in die vertikale Kette von der Zentrale über die Market Performance Center über die Händler bis zu den Endkunden einfließen lassen.
b)
48 
Aufgrund der beschriebenen Wirkungsweise des Kartells ist es für die Anwendung des Erfahrungssatzes auch nicht von Belang, ob die neuen Fahrzeuge nicht unmittelbar vom Hersteller, sondern von einem rechtlich selbständigen Händler erworben wurden (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 46/49 – LKW-Kartell II). Allerdings ist die Ursächlichkeit einer Kartellabsprache für die Preisbildung auf nachfolgenden Marktstufen anhand des Preisniveaus zu ermitteln, das sich dort ohne die kartellbedingte Überteuerung eingestellt hätte. Die Preisbildung wird von zahlreichen Faktoren der Marktstruktur und der jeweiligen kaufmännischen Strategie beeinflusst. Daher genügt es für den erforderlichen Ursachenzusammenhang nicht, dass auch auf dem Anschlussmarkt im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kartell die Preise gestiegen sind. Vielmehr bedarf es der Feststellung, dass die Preiserhöhung gerade auf das Kartellgeschehen und nicht etwa auf andere preisbildende Faktoren zurückgeht (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10, juris Rn. 46 – ORWI).
49 
Im vorliegenden Fall liegt bereits keine klare Trennung verschiedener Marktstufen vor. Die selbständigen LKW-Händler repräsentieren keine durchgängig zwischen Hersteller und „Enderwerber“ geschaltete Marktstufe. Vielmehr sind sie in die Vertriebsstruktur der Hersteller eingebunden, die ihre Produkte teilweise direkt oder indirekt über unselbständige Händler selbst vertreiben. Denn der Fahrzeugerwerb durch die Endkunden erfolgt teils direkt beim Hersteller, wobei diese Direktveräußerungen teilweise über Absatzmittler, also als Vertreter der Hersteller agierende Händler, vermittelt werden, teils bei selbständigen Händlern, die die Fahrzeuge auf eigene Rechnung veräußern. In beiden Fällen bildet der auf der Großhandelsebene zugrunde gelegte „Nationale Listenpreis“ die Grundlage für die Preisvereinbarung, bei der die gegebenen Spielräume für die Einräumung von Nachlässen - entweder gegenüber dem Händler oder unmittelbar gegenüber dem Endkunden - genutzt werden konnten (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 50 – LKW-Kartell II). Die äußerst hohe Marktabdeckung des Kartells führte dazu, dass die Händler nahezu ausnahmslos Abnehmer der Kartellanten waren und die Marktgegenseite praktisch keine Ausweichmöglichkeiten hatte. Bei solchen Konditionen wäre jedenfalls die Annahme, dass von den Herstellern bewirkte Preiserhöhungen regelhaft und vollständig auf der Ebene der (selbständigen) Händler „hängenblieben“, völlig unplausibel (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 51 – LKW-Kartell II).
4.
50 
Der Senat kann allerdings nicht die erforderliche Gesamtwürdigung durchführen, ob mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit von dem Eintritt irgendeines Schadens auszugehen ist. Die danach erforderlichen Feststellungen hat das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu treffen, wobei ihm die Befugnis zur Schadensschätzung nach den Maßstäben des § 287 Absatz 1 ZPO zusteht (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17, juris Rn. 35 – Schienenkartell II). Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – KZR 25/14, juris Rn. 41 – Lottoblock II).
a)
51 
Die Feststellung, dass der Preis, den ein an einer Kartellabsprache beteiligtes Unternehmen mit einem Abnehmer vereinbart, höher ist, als er ohne die Kartellabsprache wäre, oder allgemein das Preisniveau, welches sich auf einem von einer Kartellabsprache betroffenen Markt einstellt, über demjenigen Preisniveau liegt, das sich ohne die Absprache eingestellt hätte, kann regelmäßig nur aufgrund von Indizien getroffen werden. Denn nur die tatsächlich vereinbarten Preise und das tatsächliche Preisniveau auf dem betroffenen Markt sind beobachtbar und damit unmittelbar feststellbar, Preise und Preisniveau unter nicht manipulierten Marktbedingungen sind hingegen notwendigerweise hypothetisch. Der Tatrichter kann daher nur unter Heranziehung derjenigen Umstände, die darauf schließen lassen, wie sich das Marktgeschehen ohne die Kartellabsprache wahrscheinlich entwickelt hätte, zu Feststellungen zum hypothetischen Marktpreis gelangen; dies gilt auch dann, wenn der Tatrichter zur Ermittlung des hypothetischen Marktpreises auf Vergleichsmärkte zurückgreift (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17, juris Rn. 34 – Schienenkartell II; BGH, Beschluss vom 09. Oktober 2018 – KRB 51/16, juris Rn. 65 ff. – Flüssiggas I).
b)
52 
Dieser Indizienbeweis ist geführt, wenn das Gericht auf Grundlage einer Gesamtwürdigung sämtlicher Indizien die am Maßstab des § 287 ZPO zu messende Überzeugung von der Richtigkeit der zu beweisenden Haupttatsache erlangt hat. Die Beweislast für die die Haupttatsache stützenden Indiztatsachen trägt dabei die Partei, die auch die Haupttatsache zu beweisen hat. Dem Anspruchsgegner obliegt es hingegen, Indiztatsachen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die geeignet sind, die Überzeugung des Tatrichters von der zu beweisenden Haupttatsache in Frage zu stellen. Der Indizienbeweis ist misslungen, wenn unter Berücksichtigung sämtlicher festgestellter oder - mangels erhobenen Beweises - zu unterstellender Indiztatsachen und des ihnen jeweils zukommenden Gewichts zumindest Zweifel daran verbleiben, dass ein Schaden mit der nach § 287 ZPO geforderten Wahrscheinlichkeit eingetreten ist. Nicht erforderlich ist, dass der Gegner den Beweis des Gegenteils führt, mithin den Richter davon überzeugt, dass ein Schaden nicht entstanden ist (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 4/19, juris Rn. 27 – LKW-Kartell I).
53 
Dabei hat die nach § 287 ZPO vorzunehmende Würdigung alle Umstände einzubeziehen, die festgestellt sind oder für die diejenige Partei, die sich auf einen ihr günstigen Umstand mit indizieller Bedeutung für oder gegen einen Preiseffekt des Kartells beruft, Beweis angeboten hat. Der Tatrichter ist jedoch nicht gezwungen, jeden angebotenen Beweis zu erheben. Weil er bei der Behandlung von Anträgen zum Beweis von Indizien freier gestellt ist als bei sonstigen Beweisanträgen, darf und muss er bei einem Indizienbeweis vor der Beweiserhebung prüfen, ob die vorgetragenen Indizien - ihre Richtigkeit unterstellt - ihn von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugten (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17, juris Rn. 36 – Schienenkartell II).
c)
54 
Bei der Gesamtwürdigung ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten. Einer solchen tatsächlichen Vermutung kommt im Rahmen der freien Beweiswürdigung regelmäßig eine starke indizielle Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 – KRB 2/05, juris Rn. 21 – Berliner Transportbeton). Dies trägt auch dem Effektivitätsgrundsatz Rechnung, wonach die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17, juris Rn. 56 – Schienenkartell I). Eine Beweislastumkehr ist damit allerdings nicht verbunden (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 4/19, juris Rn. 26 – LKW-Kartell I). Die aus dem Erfahrungssatz abgeleitete Vermutung gewinnt an Gewicht, je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde und je höher daher die Wahrscheinlichkeit ist, dass es Auswirkungen auf das Preisniveau gehabt hat, das sich infolge der Ausschaltung oder zumindest starken Dämpfung des Wettbewerbs eingestellt hat (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17, juris Rn. 40 – Schienenkartell II; BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 – KRB 2/05, juris Rn. 20 – Berliner Transportbeton). Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang wettbewerbsbeschränkende Absprachen einen Preiseffekt haben, wird allerdings von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, etwa der Anzahl der Marktteilnehmer, der Zahl der an den Absprachen beteiligten Unternehmen, ihren Möglichkeiten, die für die Umsetzung der Absprachen erforderlichen Informationen auszutauschen, dem Anteil der Marktabdeckung, dem Grad der Kartelldisziplin und den Möglichkeiten der Marktgegenseite, ihren Bedarf anderweitig zu decken oder sonstige Gegenmaßnahmen zu ergreifen (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17, juris Rn. 57 – Schienenkartell).
aa)
55 
Nach diesen Grundsätzen ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte ab Juni 2001 an einem bereits seit Januar 1997 funktionierenden Kartell beteiligt hat, das insgesamt 14 Jahre im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum bestand. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Kartellbeteiligten zu den führenden Herstellern gehörten und eine hohe Marktabdeckung von 90 % im Europäischen Wirtschaftsraum erreichten, so dass nennenswerte Störeinflüsse durch Drittanbieter nicht zu erwarten waren. Unter diesen Umständen sind grundsätzlich auch Feststellungen im Kommissionsbeschluss zu berücksichtigen, die keinen unmittelbaren Bezug zu Erwerbsvorgängen in Deutschland aufweisen, da sie gleichwohl Auskunft über Umfang und Intensität der Verhaltenskoordinierung sowie über deren Eignung geben können, sich auf Bedingungen und Preise für Transaktionen auszuwirken, die in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum durchgeführt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 89 – LKW-Kartell I). Zu berücksichtigen ist daher auch, dass die Kartellanten die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6 ebenso wie eine Erhöhung der Preise in Frankreich vereinbart hatten (Kommissionsentscheidung, Rn. 50, 53). Auch wenn damit nicht bindend festgestellt ist, dass die Kartellanten auch die Bruttopreise in ähnlicher Weise koordiniert haben, zeigt das Verhalten der Kartellanten doch, wie umfangreich und intensiv die Kartellanten an anderen Stellen ihr Verhalten koordiniert haben. Dies lässt den Rückschluss darauf zu, dass die Kartellanten auch beim Austausch der Bruttopreislisten ähnlich verfahren sind, auch wenn dies nicht bindend von der Kommission festgestellt wurde.
56 
Aufgrund der hohen Marktabdeckung waren die Möglichkeiten der Endkunden, ihren Bedarf anderweitig zu decken oder sonstige Gegenmaßnahmen zu ergreifen, außerordentlich begrenzt (OLG Schleswig, Urteil vom 17. Februar 2020 – 16 U 43/19 Kart, juris Rn. 101). Anhaltspunkte für eine regionale geringere Intensität oder eine mangelnde Kartelldisziplin bestehen, wie vom Landgericht ausgeführt, nicht. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass das Kartell, dem die Beklagte später beigetreten ist, rund 14 Jahre lang europaweit mit hoher Intensität und einem ganz erheblichen Organisationsaufwand betrieben wurde. Ohnehin war bei der sehr allgemein gehaltenen Absprache eine Abweichung im Einzelfall kaum möglich, denn dazu hätten die Kartellanten andere als die koordinierten Bruttopreislisten zugrunde legen müssen. Solche Bruttopreislisten gab es aber nicht und ihre Erstellung und Verwendung wäre von den Mitkartellanten vermutlich recht schnell bemerkt worden, da immer zumindest einer der Mitkartellanten über den LKW-Konfigurator direkten Zugriff auf die verwendeten Bruttopreise hatte.
57 
Mit den Kartellabsprachen war nicht nur ein erheblicher Aufwand verbunden. Die beteiligten Unternehmen haben sich durch ihren Kartellverstoß auch der Gefahr erheblicher Sanktionen ausgesetzt, wobei aufgrund der Feststellungen der Kommission keine Zweifel daran bestehen, dass ihnen dies bewusst war. Die Kartellanten mussten auch gewärtigen, dass ein Bekanntwerden des Kartells in der Öffentlichkeit zu einem beträchtlichen Imageschaden führen würde, der ihre Marktstellung verschlechtern würde, da potentielle Kunden an der Redlichkeit eines Kartellunternehmers zweifeln dürften. Dass die Unternehmen dies in Kauf genommen haben, ist plausibel nur damit zu erklären, dass sie sich von dem Kartell wirtschaftliche Vorteile in Gestalt eines höheren Gewinns versprochen haben.
58 
Aus alldem folgt, dass Art, Umfang und Dauer der Bruttopreislistenkoordinierung in Verbindung mit dem abgestimmten Verhalten bei der Einführung neuer Abgasnormen und der Weitergabe der Kosten hierfür ein erhebliches Gewicht im Rahmen der Gesamtwürdigung zukommen (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 55 – LKW-Kartell II).
bb)
59 
Kein erhebliches Gewicht hat demgegenüber der Einwand der Beklagten, es habe lediglich ein Austausch über Listenpreise, nicht aber über die später tatsächlich vom Kunden gezahlten Transaktionspreise gegeben. Wie bereits dargestellt, konnte sich die Koordinierung von Bruttolistenpreiserhöhungen auf die Transaktionspreise auswirken, auch wenn der einzelne Händler in der Preisgestaltung frei war. Auch dies hat das Landgericht zutreffend gewürdigt. Es entsprach gerade der Wirkungsweise des Kartells, das über die Koordinierung von Bruttolistenpreiserhöhungen die direkte Koordinierung der Transaktionspreise weder erreichen noch auch nur anstreben konnte, dass der Wettbewerb zwischen den Herstellern nicht vollständig ausgeschaltet, sondern nur gedämpft und aus der Sicht der Kartellbeteiligten idealerweise gemeinsam auf ein sich in den Bruttopreislisten widerspiegelndes suprakompetitives „Einstandskostenniveau“ gehoben wurde, das ohne die Verhaltenskoordinierung nicht durchsetzbar gewesen wäre (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 57 – LKW-Kartell II).
cc)
60 
Keine entscheidende Bedeutung hat ferner der Umstand, dass sich die Koordinierung der Bruttolistenpreise lediglich auf die „Ecktypen“ bezog. Auch und gerade mit der Heranziehung von „Ecktypen“ als struktureller Vorgabe für den Austausch von Informationen konnte die angestrebte Koordinierung erreicht werden (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 58 – LKW-Kartell II).
dd)
61 
Zwar sind erhebliche Marktanteilsverschiebungen grundsätzlich ein Indiz dafür, dass sich die Hersteller in einem intensiven Wettbewerb befanden. Die Beklagte hat aber keine erheblichen Verschiebungen in den Marktanteilen dargelegt, die auf einen wirksamen Wettbewerb hindeuten, sondern nur gewisse Schwankungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Nachfrage nach LKW in hohem Maße konjunkturabhängig ist, weil Kunden in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Investition in Erneuerungen von Flotten oft verschieben (Kommissionsentscheidung, Rn. 26).
62 
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der gemeinsame Zweck des Kartells darin bestand, den intensiven Wettbewerb der LKW-Hersteller in Bezug auf die Preisgestaltung auszuschalten. Davon unberührt blieb jedoch der Wettbewerb zwischen den Kartellanten hinsichtlich der anderen, für die Kaufentscheidung der Kunden wichtigen Kriterien wie empfundene Zuverlässigkeit, technische Leistung, Kraftstoffverbrauch, Wartungskosten und Branding (vgl. Kommissionsentscheidung, Rn. 26). Blieb dieser Wettbewerb aber bestehen, können Marktanteilsverschiebungen auch ohne weiteres auf dem funktionierenden Wettbewerb in diesen Segmenten beruhen. Ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb auch in puncto Preisgestaltung noch funktioniert hätte, bilden die Marktanteilsverschiebungen daher nicht, zumindest ließe sich dies den dargestellten Verschiebungen nicht ohne eine tiefergehende ökonomische Untersuchung entnehmen. Der Indizwert der Marktverschiebungen für das Fehlen einer kartellbedingten Preiserhöhung ist daher – wenn überhaupt – nur sehr gering.
ee)
63 
Ob die von der Beklagten vorgelegte Regressionsanalyse einen gewichtigen Umstand darstellt, der im Rahmen einer Gesamtwürdigung gegen das Vorliegen einer Schadenswahrscheinlichkeit spricht, kann ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht beurteilt werden. Grundsätzlich stellen ökonometrische Gutachten, die mit einer Regressionsanalyse zu dem Ergebnis kommen, dass eine kartellbedingte Preiserhöhung nicht nachweisbar ist, einen zu berücksichtigenden Umstand mit indizieller Bedeutung dar (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 65 – LKW-Kartell II). Solche Gutachten sind auch zu berücksichtigen, wenn es um den Erlass eines Grundurteils geht. Die Belastbarkeit der von den Parteien vorgelegten Regressionsanalysen muss das Gericht auch im Rahmen einer bloßen Entscheidung über den Grund überprüfen und den von der jeweiligen Gegenseite vorgebrachten Einwänden nachgehen (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 87 – LKW-Kartell II).
64 
Die vorgelegte Regressionsanalyse nimmt für sich in Anspruch, die Auswirkungen verschiedener Faktoren auf die Nettopreise für LKW der beiden wichtigsten Baureihen Eurocargo und Stralis zu unterscheiden. Dabei sollen zuwiderhandlungsunabhängige Preiseinflüsse so vollständig wie möglich berücksichtigt worden sein. Das Gutachten führt aus, es seien die Verkaufspreise der Beklagten an die erste Absatzstufe unter Berücksichtigung von Fahrzeugeigenschaften, Sonderausstattungen u.a. der Jahre 2000 bis 2016 miteinander verglichen worden. Die Bewertungen basierten auf Auszügen der elektronischen Hauptrechnungssysteme, denen u.a. Informationen zu Preisen, Kosten, Informationen über die Transaktion und allgemeine Produktinformationen entnommen worden seien. Der Vergleich von Verkaufspreisen weist demnach im Durchschnitt eine „nur sehr geringe verbleibende Preisdifferenz von 0,1 % zwischen dem Zeitraum der Zuwiderhandlung und dem Vergleichszeitraum“ aus (Ziff. 3.5, 5.2 des Gutachtens). Nach der Auffassung der Beklagten sei diese Preisdifferenz „statistisch nicht von Null zu unterscheiden“.
65 
Der Senat kann weder die Grundlagen des Gutachtens noch die daraus zu ziehenden Schlüsse abschließend beurteilen, was für eine umfassende Gesamtwürdigung im Rahmen des § 287 ZPO jedoch erforderlich wäre. Träfen die Ergebnisse der Regressionsanalyse zu, so handelte es sich um ein ganz wesentliches Indiz gegen die Entstehung eines Schadens. Ob die Regressionsanalyse tragfähig ist, lässt sich jedoch nur durch eine sachverständige Auswertung der überlassenen Daten feststellen.
VI.
66 
Ein abschließendes Urteil ist nicht aus anderen Gründen möglich.
1.
67 
Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht verjährt sind (eingehend BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19, juris Rn. 72 bis 85 – LKW-Kartell I).
2.
68 
Soweit sich die Beklagte schließlich darauf beruft, die Klägerin habe die durch die kartellbedingte Preiserhöhung bedingte Erhöhung ihrer Kosten ganz oder zum Teil an ihre eigenen Abnehmer weitergegeben, ist dieser Einwand zwar grundsätzlich rechtlich beachtlich (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 46 – Schienenkartell IV; BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10, juris Rn. 58 – ORWI), ändert jedoch nichts an dem (ursprünglichen) Schadenseintritt (OLG Stuttgart, Urteil vom 04. April 2019 – 2 U 101/18, juris Rn. 182). Der Schaden ist bereits mit dem Erwerb der Ware in Höhe der Differenz aus dem Kartellpreis und dem (hypothetischen) Wettbewerbspreis eingetreten (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10, juris Rn. 56 – ORWI). Dass ein Schaden durch spätere Ereignisse wieder ausgeglichen wurde, hat die hierfür darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan.
69 
Aus Rechtsgründen kann die Vorteilsausgleichung allerdings in den Fällen ausgeschlossen sein, in denen die mittelbaren Abnehmer auf nachgelagerten Vertriebs- oder Wertschöpfungsstufen den ihnen aus dem Kartellverstoß entstandenen Schaden nur schwer erfassen können und voraussichtlich gegenüber den Kartellbeteiligten nicht geltend machen, so dass eine mehrfache Inanspruchnahme der Kartellbeteiligten nicht zu besorgen ist. In einer solchen Konstellation, die insbesondere bei Streuschäden erheblich wird, bei denen für den einzelnen mittelbar Geschädigten nur ein relativ geringfügiger Anspruch in Betracht kommt, muss unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls besonders sorgfältig erwogen werden, ob die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung zu einer unbilligen Entlastung der Kartellbeteiligten führt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die Erhebung von Ansprüchen mittelbarer Abnehmer gegen die Kartellbeteiligten zu erwarten ist oder umgekehrt fernliegt. Darüber hinaus kann erheblich sein, ob den Primärgeschädigten aufgrund von Mengeneffekten Gewinne entgangen sind, deren Ersatz sie neben einem etwaigen Preishöhenschaden geltend machen können (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 4/19, juris Rn. 51 – Schienenkartell V). Denn je geringer die Anreize für die mittelbar geschädigten Abnehmer sind, Ansprüche gegenüber den Kartellbeteiligten zu erheben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Anrechnung von Vorteilen aus den nachgelagerten Geschäften auf den Schaden des Primärgeschädigten zu einer faktischen Haftungsfreistellung für die Kartellanten führt, und desto näher liegt somit aus Wertungsgründen ein Ausschluss der Vorteilsausgleichung (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 100 – LKW-Kartell II). Für Vorteile, die den Schaden mindern, ist grundsätzlich der Schädiger, hier also die Beklagte, darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2003 – V ZR 84/02, juris Rn. 17). Notwendig ist Vortrag zu den durch die konkrete Verwendung der erworbenen Lastkraftwagen relevanten Absatzmärkten (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20, juris Rn. 102 – LKW-Kartell II), hier der Absatzmarkt von Bauunternehmen. Einen solchen Vortrag hat die Beklagte nicht gehalten, schon gar nicht hat sie sich substantiiert mit der Berechnung der Klägerin auseinandergesetzt, die Anschaffungskosten flössen lediglich mit einem Anteil von 0,05 % in ihre Preise ein, weshalb die darin enthaltende kartellbedingte Preisüberhöhung lediglich ein Streuschaden sei. Ferner hat die Beklagte auch nicht eingewandt, von Abnehmern der Klägerin in Anspruch genommen zu werden.
VII.
70 
Die Sache ist daher insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
71 
1.
Die Möglichkeit zur Zurückverweisung ist durch § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO eröffnet. Die Voraussetzungen liegen vor:
72 
In erster Instanz waren Grund und Betrag streitig und das Landgericht hat ein Grundurteil erlassen.
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Das Grundurteil ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils nach der Vorlage des ökonometrischen Gutachtens (einschließlich der Datengrundlage) im Berufungsverfahren nicht mehr vorliegen. Ein Grundurteil setzt voraus, dass die Trennung von Grund und Höhe prozesswirtschaftlich ist. Ein Grundurteil ist ermessensfehlerhaft und daher unzulässig, wenn es zu einer ungerechtfertigten Verzögerung und Verteuerung des Rechtsstreits führt, beispielsweise wenn im Betragsverfahren eine erneute Beweisaufnahme über Tatsachen notwendig wäre, die bereits Gegenstand einer Beweisaufnahme im Grundverfahren waren (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 559/14, juris Rn. 26, 34; Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 304 ZPO, Rn. 8). Dies wäre aber der Fall, wenn im Grundverfahren ein Gutachten zur Richtigkeit der von der Beklagten vorgelegten Regressionsanalysen eingeholt würde, und im Betragsverfahren ein weiteres ökonometrisches Gutachten zu der Frage, in welcher Höhe ein Schaden tatsächlich entstanden ist.
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Gleichzeitig ist der Streit über den Betrag des Anspruchs nicht zur Entscheidung reif. Denn für eine Entscheidung über den Betrag müssten mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens die von der Beklagten und ihren Streithelfern vorgelegten Regressionsanalysen auf ihre Tragfähigkeit überprüft werden.
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Der zur Zurückverweisung erforderliche Antrag wurde von der Beklagten und ihrer Streithelferin gestellt.
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2.
Anlass dafür, das beim Landgericht anhängige Betragsverfahren heraufzuziehen und abschließend zu entscheiden, besteht nicht. Grundsätzlich ist bei der Entscheidung zwischen der Zurückverweisung und der eigenen Sachentscheidung der mit der Zurückverweisung verbundene zusätzliche Zeit- und Kostenaufwand gegen den Verlust einer Tatsacheninstanz abzuwägen. Soweit der Bundesgerichtshof in verschiedenen Urteilen ein Heraufziehen des Betragsverfahrens für angebracht gehalten hat, hat er dies jeweils damit begründet, dass eine weitere Verzögerung des Verfahrens den Parteien nicht zuzumuten sei (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 559/14, juris Rn. 39; BGH, Urteil vom 08. Juli 2004 – VII ZR 231/03, juris Rn. 20). Eine wesentliche Verzögerung des Verfahrens tritt aber nicht ein, wenn im vorliegenden Fall die anstehende Beweisaufnahme nicht durch den Senat, sondern durch das Landgericht durchgeführt wird. Insoweit verhält es sich anders als in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2016, wo das Berufungsgericht schon zum Grund eine kosten- und zeitintensive Beweisaufnahme durchgeführt hatte, an die lediglich angeknüpft werden musste. In einem solchen Fall erscheint es in der Tat deutlich zweckmäßiger, die bereits begonnene Beweiserhebung fortzuführen. Hat die Beweiserhebung aber noch gar nicht begonnen, ist kein Grund dafür ersichtlich, den Parteien durch das Hochziehen des Betragsverfahrens eine Instanz zu nehmen.
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Hinzu kommt, dass das Landgericht in anderen, das Lkw-Kartell betreffenden Verfahren bereits einen Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens zu dem von der jeweiligen Klägerseite behaupteten Schaden beauftragt hat. Der dortige Sachverständige wird sich im Rahmen dieser Begutachtung mit den auch dort von Beklagtenseite vorgelegten ökonometrischen Gutachten auseinandersetzen müssen. Dabei betrifft ein sehr großer Teil der Begutachtung allgemeine Fragen, die sich in jedem der das Lkw-Kartell betreffenden Verfahren in gleicher Weise stellen, wie beispielsweise die Frage, ob die den Regressionsanalysen zugrunde gelegten Daten fachgerecht erhoben und aufbereitet wurden. Angesichts dessen erscheint es insbesondere unter prozessökonomischen Erwägungen sinnvoll, dass das Landgericht die Beweisaufnahme durchführt, da es bei der Begutachtung dann ggf. auf die bereits in den anderen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse zurückgreifen kann.
C
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Die Kostenentscheidung bleibt dem erstinstanzlichen Gericht vorbehalten (OLG Köln, Urteil vom 18. März 1987 - 2 U 99/86, NJW-RR 1987, 1152). Da weder das aufgehobene Urteil noch das vorliegende Urteil einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, erübrigt sich die Anordnung einer vorläufigen Vollstreckbarkeit. Ein Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.

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