Urteil vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - 3 L 35/10

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 03. Dezember 2009 wird geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.888,00 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19. November 2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt 1/5 und die Beklagte 4/5 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, an die Klägerin 12% Zinsen auf einen öffentlich-rechtlichen Rückerstattungsanspruch zu zahlen.

2

Die Beklagte ist Eigentümerin eines Grundstücks in D. mit der Adresse E. 5. Das Flurstück ist bebaut auch mit einem Scheunengebäude, das - denkmalgeschützt - in einem so schlechten baulichen Zustand war, dass der Landkreis Parchim am 29.10.2004 eine Sicherungsanordnung erlassen hatte.

3

Die Beklagte beantragte am 21.12.2004 über den Sanierungsträger der Klägerin, die F. GmbH, die Förderung der Sofortsicherung des Scheunen- und Stallgebäudes E. 5/G.strasse in D.. Der Sanierungsträger bat die Klägerin mit Schreiben vom 21.01.2005 um Zustimmung der zuständigen Gremien zu diesem Förderantrag. Der Hauptausschuss der Klägerin beschloss die Zustimmung.

4

Die Klägerin, die Beklagte und die F. GmbH schlossen am 25.02/28.02./03.03.2005 einen städtebaulichen Vertrag über Modernisierungs- und Instandsetzungmaßnahmen - Sicherungsmaßnahme an dem Gebäude auf dem Grundstück der Beklagten. Die Beklagte verpflichtete sich zur Durchführung baulicher Maßnahmen nach der Baubeschreibung vom 21.12.2004 und die Klägerin zur Gewährung eines Zuschusses in Höhe von 50% der förderungsfähigen Kosten gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrages, d.h. 28.335,57 € zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, maximal jedoch 29.947,50 €. Nach § 10 des Vertrages kann dieser nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere, wenn einer der Vertragspartner die ihm aufgrund des Vertrages obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt. § 11 Abs. 2 des Vertrages bestimmt, dass, wenn die Kündigung nach § 10 infolge von Gründen erfolgt, die der Eigentümer zu vertreten hat, die ausgezahlten Förderungsbeträge sofort zur Rückzahlung fällig und vom Tage der Auszahlung an mit 12% p.a. zu verzinsen sind. Der Vertrag wurde für die Klägerin allein vom Bürgermeister unterschrieben und nicht gesiegelt.

5

Der Sanierungsträger zahlte im März 2005 einen Förderbetrag in Höhe von 7.888,00 € an die Beklagte aus. In der Folgezeit änderte die Beklagte das Projekt. Die Klägerin war der Auffassung, dass sich die Beklagte dadurch vertragswidrig verhalten habe und kündigte auf der Grundlage eines Beschlusses der Stadtvertretung vom 26.05.2005 mit Schreiben vom 26.08./05.09/2005 den Vertrag. Zugleich forderte sie die Rückzahlung der ausgezahlten Städtebaufördermittel zuzüglich 12% Zinsen ab dem Tag der Auszahlung gemäß § 11 Abs. 2 des Vertrages. Die Beklagte leistete keine Zahlungen. Die Klägerin beantragte daraufhin einen Mahnbescheid, der nach Widerspruch der Beklagten über das Landgericht Schwerin als Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Schwerin anhängig wurde.

6

Die Klägerin hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.888,00 € nebst 12% Zinsen seit dem 25.03.2005 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Mit Urteil vom 03.12.2009 hat das Verwaltungsgericht Schwerin die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.888,00 € nebst 12% Zinsen p.a. ab dem 25.03.2005 zu zahlen. Der Vertrag sei wirksam geschlossen worden. Selbst wenn eine eventuell erforderliche ausdrückliche Genehmigung der Stadtvertretung nicht erfolgt sein sollte, wäre diese mit der Beschlussfassung über die Kündigung am 26.05.2005 erfolgt. Die Beklagte habe durch die von der Klägerin nicht genehmigte Abweichung der Bauausführung von der Baubeschreibung, die Grundlage des Vertrages gewesen sei, einen wichtigen Grund zur Kündigung nach § 10 des Vertrages gesetzt, den sie zu vertreten habe. Auch eine eventuell zu erfolgende Nachfristsetzung sei vorgenommen worden. Die Regelung in § 11 Abs. 2 des Vertrages sei eine Vertragsstrafenregelung nach § 340 BGB, die nicht nach § 343 BGB - unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Vertragsverletzung und der Funktion der Vertragsstrafe als Druck- und Sicherungsmittel und dem Interesse der Klägerin an einer den Vertragsgrundlagen entsprechenden Gestaltung des Scheunengebäudes im Rahmen des Einsatzes von Städtebauförderungsmitteln - unangemessen sei.

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Den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 31.05.2013 insoweit abgelehnt, als sie sich gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung des Fördermittelbetrages von 7.888,00 € wendet. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig geworden. Im Übrigen hat der Senat die Berufung zugelassen.

12

Der Beschluss ist dem Bevollmächtigten der Beklagten am 06.06.2013 zugestellt worden. Dieser beantragte am 08.07.2013, einem Montag, Fristverlängerung um 6 Wochen für die Berufungsbegründung. Die Verlängerung hat der Senatsvorsitzende gewährt. Die Berufungsbegründung ging am 15.08.2013 beim Oberverwaltungsgericht ein. Die Beklagte führt darin aus, die Regelung des § 11 Abs. 2 des Vertrages sei keine Vertragsstrafenregelung, weil sie keinen Strafcharakter habe. Es handele sich um eine bloße Zinsverpflichtung. Die Höhe der Zinsforderung sei unterschiedlich lang, je nach dem Zeitraum für den Zinsen zu leisten seien. Nach Kündigung des Vertrages könne die Klägerin keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung des Gebäudes nehmen, was dagegen spreche, dass es sich um eine Vertragsstrafenabrede handele. Die Vereinbarung sei hinsichtlich der Zinshöhe unangemessen. Einer Auslegung als Verzugszinsen stehe § 309 Nr. 6 BGB entgegen. Ein Schaden in Höhe von 12 % werde bestritten.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zur Zahlung von höheren Zinsen als 5% über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2005 verurteilt wurde.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

17

Hinsichtlich des Zinsbeginns sei die Berufung unzulässig, weil weder der Berufungszulassungsantrag noch die Berufungsbegründung konkrete Berufungsangriffe hinsichtlich des Zinsbeginns enthalte. Der Zinsbeginn ab 19.11.2005 werde nicht begründet. Die Zinshöhe sei nicht unangemessen hoch, sondern entspreche den Säumniszuschlägen von 1% des auf volle 50,00 € abgerundeten Betrages für jeden angefangenen Monat der Säumnis. Dies ergebe sich unmittelbar aus § 240 AO. Dies gelte unabhängig von der rechtlichen Einordnung als Vertragsstrafe oder Verzugsschaden.

18

In der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2014 haben die Beteiligten übereinstimmend auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

19

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung und den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

21

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der klageweise geltend gemachten 12% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.03.2005. Weil die Beklagte ihre Berufung darauf beschränkt hat, das Urteil des Verwaltungsgericht nur insoweit zu ändern, als sie zur Zahlung von mehr als von 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 19.11.2005 verurteilt worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts im Übrigen rechtskräftig geworden.

22

Die Berufung ist begründet, weil die Klägerin ihren Zinsanspruch weder auf eine vertragliche Abrede noch auf eine gesetzliche Anspruchsgrundlage stützen kann.

23

Als Anspruchsgrundlage für die Zinsforderung der Klägerin scheidet § 11 Abs. 2 des Vertrages über die Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahme (Vertrag) aus, weil der Vertrag wegen der fehlenden Einhaltung der Formvorschriften des § 38 Abs. 6 Satz 2 Kommunalverfassung (KV M-V) unwirksam ist.

24

Die Regelung sieht vor, dass, wenn die Hauptsatzung entsprechend § 38 Abs. 6 Satz 3 KV M-V nichts anderes bestimmt, Verträge, durch die die Gemeinde verpflichtet wird, vom Bürgermeister und seinem Stellvertreter unterschrieben und gesiegelt werden müssen. Die Hauptsatzung der Klägerin regelt in § 7 Abs. 3 etwas anderes nur für Verpflichtungen der Klägerin bis zu 7.500 € oder bei wiederkehrenden Leistungen bis 2.500 €. Der Vertrag betrifft mit einer Verpflichtung der Klägerin zur Gewährung eines Zuschusses von maximal 29.947,50 € eine darüber hinaus gehende Verpflichtung der Klägerin, so dass die Regelung des § 38 Abs. 6 Satz 2 KV M-V gilt. Entgegen dieser Bestimmung hat nur der Bürgermeister den Vertrag unterschrieben. Weder hat sein Stellvertreter mit unterschrieben noch ist der Vertrag gesiegelt.

25

Der Vertrag ist auch nicht deswegen wirksam, weil er der Unterschrift des Bürgermeisters und seines Stellvertreters einschließlich der Siegelung nicht bedurfte. Die Vertragsurkunde weist als Vertragspartner einerseits sowohl die Klägerin wie die F. GmbH und andererseits die Beklagte aus. Daraus wird deutlich, dass die Klägerin eigenständig Vertragspartnerin geworden ist. Andernfalls wäre ihre ausdrückliche Benennung als Vertragspartnerin in der Vertragsurkunde einschließlich der Unterzeichnung durch ihren Bürgermeister nicht verständlich. Sie ist im Übrigen auch eigene Verpflichtungen eingegangen (vgl. § 1 Abs. 2 Buchst. a) und § 3 Abs. 2 des Vertrags). Ist die Klägerin Vertragspartnerin geworden, muss sie die gesetzlichen Formerfordernisse einhalten.

26

Der Vertrag ist auch nicht mit der Überlegung als formgültig anzusehen, dass die F. GmbH als Bevollmächtigte der Klägerin den Vertrag unterschrieben hat und dies für seine Wirksamkeit ausreicht. Damit wird zum einen nicht erklärt, welche rechtliche Bedeutung die ausdrückliche Nennung der Klägerin als Vertragspartnerin haben soll, ohne dass die F. als Vertreterin genannt wird, und zum anderen ergibt sich aus dem Treuhändervertrag aus dem Jahr 1991 nicht, dass die Klägerin beim Abschluss von Verträgen, durch die sie zu Geldleistungen verpflichtet wird, durch die F. GmbH vertreten wird. Der Treuhändervertrag kennt eine solche Bevollmächtigung nur für den Abschluss von Verträgen über Grundstücke und Grundstücksrechte. Um einen solchen Vertrag handelt es sich hier nicht. Regelt der Treuhändervertrag die Bevollmächtigung der F. GmbH ausdrücklich für einzelne Verträge, ist aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Bevollmächtigungsabrede für den hier vorliegenden Verpflichtungsvertrag im Treuhändervertrag zu folgern, dass eine solche Bevollmächtigung nicht erfolgt ist. Diesem Verständnis des Treuhändervertrages entspricht die hier zu beurteilende Vertragspraxis.

27

Dieser Formmangel ist nicht durch den Beschluss der Stadtvertretung zur Kündigung des Vertrages geheilt worden. Dieser Beschluss mag in der Überzeugung gefasst worden sein, dass der Vertrag wirksam sei. Diese Überzeugung allein genügt aber für eine Beschlussfassung über einen Vertragsschluss nicht, sondern dafür hätte es Anhaltspunkte bedurft, dass die Stadtvertretung über die Kündigung hinausgehend auch eine Genehmigung des Vertrages beschließen wollte. Dies ist erforderlich, weil für eine solche Beschlussfassung § 31 Abs. 1 Satz 1 KV M-V verlangt, dass der entsprechende Antrag schriftlich vorliegt oder mündlich zur Sitzungsniederschrift erklärt worden ist. Die Bestimmung des § 31 Abs. 2 Satz 1 KV M-V dient der Klarheit und Rechtssicherheit. Es soll verhindert werden, dass es Unstimmigkeiten über den Inhalt des Beschlusses gibt (vgl. Gentner in Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern 3. Aufl. 2005 § 31 Rn. 5). Zudem stellt § 31 Abs. 2 Satz 2 KV M-V besondere Anforderungen an Anträge, durch die die Gemeinde zu Geldzahlungen verpflichtet werden soll. Dies schließt es aus, dass in einem Antrag auf Beschlussfassung über die Kündigung eines Vertrages konkludent die Beschlussfassung über den Abschluss des Vertrages oder dessen Genehmigung enthalten ist. Wegen der damit verbundenen möglicherweise weitreichenden und komplexen Fragen ist gerade in einem solchen Fall die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Beschlussfassung zwingend. Dies war ausweislich des vorgelegten Beschlussauszuges über die Sitzung der Stadtvertretung der Klägerin am 26.05.2005 nicht der Fall, denn weder war ein entsprechender schriftlicher Antrag gestellt noch war er zu Sitzungsniederschrift erklärt worden. In Ermangelung eines schriftlichen oder zur Sitzungsniederschrift gestellten Antrages über die Genehmigung des formunwirksamen Vertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten und jeglicher Anhaltspunkte für eine entsprechende Willensbildung der Stadtvertretung ist es ausgeschlossen, in dem Kündigungsbeschluss zugleich einen Beschluss über die Genehmigung des Vertrages zu sehen.

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Erweist sich die vertragliche Regelung der 12%igen Verzinsung als unwirksam, könnte die Klägerin ihren Anspruch - bei hier unterstellter aber nach h. M. nicht zulässiger Anwendbarkeit der Vorschriften über den Verzug auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche - nur auf einen nachgewiesenen Verzugsschaden (§ 288 Abs. 2 BGB) stützen. Einen solchen Nachweis hat die Klägerin nicht geführt und ist damit ihrer materiellen Beweislast nicht nachgekommen.

29

Weitere Anspruchsgrundlagen für die geltend gemachte Zinsforderung sind nicht ersichtlich.

30

Die Kostenentscheidung, die auch die noch ausstehende Kostenentscheidung des abgeschlossenen Berufungszulassungsverfahrens betreffend die Rückzahlung des ausgekehrten Betrages in Höhe von 7.888,00 € umfasst, beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

31

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 709 ZPO.

32

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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