Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 O 71/14

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 24. Juni 2014 – 4 B 456/14 – zu Ziff. 1, mit dem sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorläufige Rechtsschutzverfahren abgelehnt worden ist, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 24. Juni 2014 – 4 B 456/14 – zu Ziffer 1., mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, bleibt ohne Erfolg. Wie sich aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom heutigen Tag im Parallelverfahren über die Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (– 1 M 89/14 –) ergibt, hat das Verwaltungsgericht die für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO) in Gestalt des vom Antragsteller gestellten Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der mit der Beschwerde geltend gemachten Gesichtspunkte zu Recht verneint.

2

Soweit der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht habe über seinen Prozesskostenhilfeantrag nicht zeitlich gestaffelt vor dem Sachbeschluss entschieden, wirft er die Frage nach einer unrichtigen Sachbehandlung des Verfahrens auf. Läge eine solche vor, werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Diese Frage berührt jedoch nicht die im Sachbeschluss des Verwaltungsgerichts zu treffende Entscheidung, ob der Antrag in der Sache hinreichende Erfolgsaussichten i. S. v. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO hat, und ist deshalb im Beschwerdeverfahren über die Prozesskostenhilfeentscheidung nicht zu prüfen. Vielmehr stellt sich diese Frage erst im Rahmen des Kostenansatzes – regelmäßig erst – im Kostenfestsetzungsverfahren. Ob der Antrag des Antragstellers mit Schriftsatz vom 29. Juli 2014 auch als Erinnerung gemäß § 66 GKG gegen die Kostenrechnung des Verwaltungsgerichts vom 25. Juni 2014 auszulegen ist (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 13.09.20102 – 4 F 1443/12 –, NJW 2012, 3738, allerdings bezogen auf die Kosten des Beschwerdeverfahrens), bedarf keiner Entscheidung durch den Senat. Denn über die Nichterhebung der Kosten und eine darauf bezogene Erinnerung entscheidet das Verwaltungsgericht (§ 21 Abs. 2 GKG und § 66 Abs. 1 GKG).

3

Der Senat merkt hierzu nur an, dass das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall wohl nicht verpflichtet war, über die beantragte Prozesskostenhilfe im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zeitlich gestaffelt vor dem Sachbeschluss zu entscheiden.

4

Zwar kommt eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG in Betracht, wenn ein Gericht zeitgleich über ein Gesuch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und über das Rechtsschutzbegehren in der Sache entscheidet. Denn bei einer solchen Verfahrensweise wird dem Rechtsschutzsuchenden in der Regel die Möglichkeit genommen, nach der Ablehnung seines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe das in der Sache selbst geführte Verwaltungsstreitverfahren – kostenermäßigend – zurückzunehmen (vgl. nur Hess. VGH, Beschl. v. 27.02.1984 – 4 TI 63/83 –, juris).

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Eine solche Kostenermäßigungsmöglichkeit sieht das Gerichtskostengesetz auch für das vorläufige Rechtsschutzverfahren vor (Nr. 5210 und Nr. 5210 der Anlage I zu § 3 Abs. 2 GKG; anders noch die Rechtslage, die der Entscheidung des Hess. VGH, Beschl. v. 09.10.1989 – 1 T 1966/89 u. a. –, juris, zugrunde lag).

6

Diese für das Hauptsachestreitverfahren geltende Auffassung kann jedoch nicht ohne weiteres auf das vorläufige Rechtsschutzverfahren übertragen werden. Das folgt schon daraus, dass sich die Vorabentscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag im Hauptsacheverfahren aus der unterschiedlichen Prüfungstiefe ergibt. Während im Hauptsacheverfahren aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes aus § 86 Abs. 1 VwGO der Sachverhalt durch das Gericht aufzuklären ist, entscheidet das Gericht im Prozesskostenhilfeverfahren aufgrund einer (nur) summarischen Prüfung. Diese Differenz in der Prüfungstiefe besteht zwischen dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren und dem zugehörigen Prozesskostenhilfeverfahren nicht (so auch Bay. VGH, Beschl. v. 07.07.2003 – 24 CS 03.1283 –, juris). Zwar werden auch im dortigen Prozesskostenhilfeverfahren Erfolgsaussichten geprüft und deshalb eine Prognose über den zukünftigen (!) Ausgang des Verfahrens gestellt. Da beide Verfahren jedoch auf einer summarischen Prüfung beruhen, kann bereits zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfeentscheidung auch Entscheidungsreife für den Sachbeschluss bestehen.

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Ob auch in diesem Fall trotzdem mit der Sachentscheidung zuzuwarten ist, um dem Antragsteller die Möglichkeit der Antragsrücknahme einzuräumen, bedarf der Abwägung mit dem Interesse des Antragstellers an einer schnellen und damit effektiven (Art. 19 Abs. 4 GG) Überprüfung der für ihn negativen erstinstanzlichen Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren. Lehnt nämlich das Verwaltungsgericht zuerst nur die Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht des Antrags im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ab und trifft erst (ggfs. Wochen) später den inhaltlich entsprechend übereinstimmenden Sachbeschluss, verzögert sich die Beschwerdeentscheidung über diesen Sachbeschluss, die für den Antragsteller bei Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses positiv ausfallen könnte. Diese zeitliche Verzögerung wird nicht dadurch aufgewogen, dass der Antragsteller auch schon gegen die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags Beschwerde einlegen kann. Denn mit der Beschwerdeentscheidung des Senats darüber wird dann nur über die Prozesskostenhilfe entschieden, nicht aber über die Sache selbst, z. B. über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

8

Das gilt insbesondere im vorliegenden regelmäßig eilbedürftigen Fall der Entziehung der Fahrerlaubnis. In solchen Fällen darf das Verwaltungsgericht aufgrund ihrer erheblichen Bedeutung sowohl für die Berufsausübung als auch im sonstigen Alltagsleben in der heutigen mobilen Gesellschaft davon ausgehen, dass das Interesse an einer schnellen Beschwerdeentscheidung in der Sache das Kosteninteresse überwiegt. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn – was insbesondere im Falle anwaltlicher Vertretung bei einer entsprechenden Erwartung nahe liegen dürfte – der Antragsteller selbst ausdrücklich um eine Vorabentscheidung über die Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf eine etwaige Antragsrücknahme gebeten hat. Das ist vorliegend nicht der Fall.

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Ob allein Gründe der rationellen Verfahrensgestaltung in Verfahren des Eilrechtsschutzes die Verbindung der Entscheidung von Prozesskostenhilfe mit einer Entscheidung in der Sache zu rechtfertigen vermögen (so VG Potsdam, Beschl. v. 26.10.2011 – 8 L 750/11 -, juris) kann dahinstehen.

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Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 154 Abs. 2 VwGO, Nr. 5502 Anlage 1 zum GKG, § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

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Hinweis:

12

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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