Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 A 269/92
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 26. August 1932 geborene Klägerin ist die Witwe des am 27. Februar 1904 geborenen und am 3. Mai 1990 verstorbenen Oberstudienrats a. D. .... ... erste im Jahre 1898 geborene Frau war im November 1987 verstorben. Am 12. April 1989 heiratete er die damals 56jährige Klägerin. Nach einer Bescheinigung von Dr. ... vom 17. Juli 1987 bestand bei Dr. ... neben einem Prostatacarcinom im Stadium C eine leichte essentielle Hypertonie sowie eine ausgeprägte cerebrovasculäre Insuffizienz. Dr. ... neige zur Vergeßlichkeit, teilweise zur Verwirrtheit, phasenweise bestehe eine Harn- und Stuhlinkontinenz. Eine regelmäßige Medikamenteneinnahme müsse von dritter Seite kontrolliert werden. Aufgrund der zeitweiligen Verwirrtheit sei eine ständige pflegerische Betreuung erforderlich. Der Zustand von Dr. ... und seiner Ehefrau (der ersten Ehefrau) habe sich in letzter Zeit deutlich verschlechtert, so daß nunmehr auch eine nächtliche Betreuung erforderlich sei. Diese sei in letzter Zeit z. T. von einer Bekannten durchgeführt worden, die allerdings aufgrund ihrer vollen Berufstätigkeit und einer eigenen Erkrankung nur sehr kurzfristig in der Lage sei, diese zu übernehmen. Eine zumindest vorübergehende, auch nächtliche krankenpflegerische Betreuung werde daher für dringend erforderlich gehalten, bis eine Unterbringung in einem Pflegeheim möglich sein werde. Bisher habe er -- Dr. ... -- bei dem psychisch labilen Zustand von Dr. ..., der bei Erwähnung des Themas eines Umzugs in ein Pflegeheim regelmäßig verstärkte Depressionen entwickele, davon abgesehen. Inzwischen scheine dieses aber unumgänglich zu sein. Das Gesundheitsamt der Stadt ... bescheinigte unter dem 13. August 1987 die Notwendigkeit einer dreistündigen Pflege für Dr. ... Diese rechnete er bei der Beihilfe bis zu seinem Tode ab. Seit Frühjahr 1988 erhielt Dr. ... häusliche Krankengymnastik verordnet.
3Bereits im Januar 1988 hatte Dr. ... die Klägerin zu seiner Erbin mit der Begründung eingesetzt, er erfülle damit auch einen Wunsch seiner verstorbenen Frau. Sie seien sich einig gewesen, daß sie Frau ... zu großem Dank verpflichtet seien, weil diese sie fast 20 Jahre lang unentgeltlich betreut und in Krankheitsfällen liebevoll gepflegt habe. In einem weiteren Testament vom 18. Mai 1989 setzte er als alleinige Erbin seine Ehefrau -- die Klägerin -- und als Ersatzerben Dr. Dr. L. ein. Den Wert seines Vermögens gab er mit 100.000,-- DM an.
4Unter dem 21. Oktober 1989 wurde das Landesamt für Besoldung und Versorgung -- LBV -- in einem von Dr. ... unterzeichneten Schreiben um Mitteilung gebeten, in welcher Art und in welchem Umfang Einkünfte seiner Frau im Falle des Eintritts des Versorgungsfalles auf den Unterhaltsbeitrag angerechnet würden. Als eigene Einkünfte seiner Frau sei eine Rente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu berücksichtigen.
5Nach dem Tod von Dr. ... lehnte das LBV mit Bescheid vom 30. Juli 1990 die Gewährung eines Unterhaltsbeitrages mit der Begründung ab, die Erbeinsetzung der Klägerin vom Januar 1988 werde ausdrücklich mit der Dankbarkeit für eine fast 20jährige unentgeltliche Betreuung und die Pflege in Krankheitsfällen begründet. Hieraus sei zu folgern, daß auch aus diesen Gründen die Eheschließung erfolgt sei und sie damit in erster Linie dem Zweck gedient habe, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen.
6In ihrem Widerspruch vom 6. August 1990 führte die Klägerin aus, der Grund für die Erbeinsetzung liege zum einen darin, daß ihr verstorbener Ehemann keinerlei Angehörige in der Bundesrepublik gehabt habe, zum anderen darin, daß sie für die von ihr für Dr. ... und dessen Ehefrau erbrachte unentgeltliche Betreuung -- und das über einen längeren Zeitraum -- habe belohnt werden sollen. Diese Entscheidung habe ihr verstorbener Ehemann aufgrund seiner sittlichen Einstellung nicht anders treffen können. Die weitere Folgerung, daß aus Dankbarkeitsgründen die Eheschließung erfolgt sei, könne sie nicht teilen. Erste Voraussetzung sei für ihre Eheschließung die langjährige Freundschaft und die von ihrem Ehemann gewollte Sicherheit gewesen, die durch eine Eheschließung ja weitgehend gewährleistet sei. Sittliche und moralische Gründe hätten ebenfalls eine sehr große Rolle gespielt.
7Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 6. September 1990) hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ergänzend vorgetragen hat, ihr Ehemann sei einem Schlaganfall (die ursprüngliche Angabe "Herzinfarkt" hat die Klägerin vor dem Senat richtiggestellt) erlegen, der nach seinem Gesundheitszustand keineswegs zu erwarten gewesen sei. Dr. D und sie hätten schon längere Zeit vor der Eheschließung beschlossen, die Ehe einzugehen. Es sei auch ordnungsgemäß am 30. März 1989 das Aufgebot bestellt worden. Ihr Ehemann sei keineswegs stark pflegebedürftig, sondern in der Lage gewesen, altersbedingt ein im wesentlichen normales Leben zu führen. Ihre Erklärung im Widerspruchsschreiben hinsichtlich der von ihrem verstorbenen Mann gewünschten Sicherheit beziehe sich auf den Wunsch ihres Ehemannes um Sicherheit in menschlicher und wohl auch pflegerischer Hinsicht. Die Ehe sei nicht deshalb geschlossen worden, um ihr eine Versorgung durch das Landesamt zu sichern.
8Die Klägerin hat beantragt,
9unter Aufhebung des Bescheides des LBV vom 30. Juli 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides ... vom 6. September 1990 das beklagte Land zu verpflichten, ihr gemäß § 22 BeamtVG einen Unterhaltsbeitrag zu gewähren.
10Das beklagte Land hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin erklärt, sie habe Dr. ... 1968 kennengelernt, daraus habe sich eine Freundschaft zu ihm und seiner Ehefrau entwickelt. Sie habe seit 1986 seine Frau, die einen Schlaganfall erlitten habe, gepflegt. Vorher habe sie ihr aber z. B. beim Einkaufen auch schon geholfen. Der Gesundheitszustand ihres verstorbenen Ehemannes sei bis zu seinem Tode altersentsprechend gut gewesen. Sie seien regelmäßig ins Theater und in Konzerte gegangen; er habe allerdings einen Stock benutzt und manchmal etwas Stütze von ihr gebraucht. Dr. ... habe sie gebeten, ihn zu heiraten. Er habe auch gewünscht, daß sie ihre Arbeit aufgebe, da er nicht wolle, daß seine Frau arbeite. Sie habe sich dem aber entzogen. Zu dem Schreiben an das LBV vom 21. Oktober 1989 sei es gekommen, weil sie ihrem Ehemann im Zusammenhang mit der Frage, ob sie weiter arbeiten solle, erklärt habe, sie rechne nicht damit, von seiner Seite eine Pension zu bekommen. Das sei für ihn der Anlaß gewesen, eine Erkundigung bezüglich eines Unterhaltsbeitrages einzuziehen. Ihr Ehemann sei nicht pflegebedürftig gewesen.
13Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, stattgegeben.
14Hiergegen richtet sich die Berufung des beklagten Landes, mit der es weiterhin die Auffassung vertritt, die besonderen Umstände des Falles rechtfertigten es, keinen Unterhaltsbeitrag zu gewähren. Die Ehe der Klägerin mit Dr. ... habe in erster Linie dem Zweck gedient, ihr eine Versorgung zu verschaffen. Dies ergebe sich aus der Begründung des Widerspruches vom 6. August 1990, in dem sie erklärt habe, daß die Ehe eine von ihrem verstorbenen Ehemann gewollte Sicherheit darstelle. Der verstorbene Ehemann habe die Klägerin bereits vor der Eheschließung unter Hinweis auf die Dankbarkeit für die unentgeltliche Betreuung und Pflege als Erbin bestimmt. Entscheidend sei jedoch, daß Dr. ... bereits vor der Eheschließung aufgrund seines stark reduzierten Gesundheitszustandes ständig pflegebedürftig gewesen sei. Die Behandlung der ausgeprägten Cerebralsklerose sei äußerst intensiv und zum Teil mit medikamentöser Dosierung erfolgt, die weit über dem Durchschnitt gelegen habe, so daß im Rahmen der Beihilfengewährung Anlaß zu einer amtsärztlichen Überprüfung bestanden habe. Wie die seit 1988 ständig verordneten krankengymnastischen Übungen mit Hausbesuchen erkennen ließen, sei Dr. ... nicht in der Lage gewesen, eine Praxis aufzusuchen.
15Der Beklagte beantragt,
16das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
17Die Klägerin beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie betont, ihrem Ehemann sei es darum gegangen, daß er seine Frau ständig habe um sich haben können, was bei einer Freundin nach seinen Lebensvorstellungen nicht möglich gewesen wäre. An den Versorgungsaspekt sei nicht gedacht worden. Indiz dafür sei gerade das Testament, in dem sie als Erbin bestimmt worden sei. Hiermit habe ihr Ehemann sie eigentlich als ausreichend gesichert betrachtet. Der Tod ihres Ehemannes habe auf einem plötzlichen Schlaganfall beruht, der mit seinem reduzierten Gesundheitszustand nichts zu tun gehabt habe. Mit seinem baldigen Ableben sei nicht zu rechnen gewesen. Er habe einer lebhaften Korrespondenz, literarischen Tätigkeiten und sonstigen kulturellen Aktivitäten (z. b. Theater- und Konzertbesuche) nachgehen können. Der Senat hat die Klägerin im Erörterungstermin in der Sitzung vom 18. Oktober 1993 zum Gesundheitszustand ihres Ehemannes angehört.
20Die Beteiligten haben im Erörterungstermin auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
21Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte und dem Verwaltungsvorgang des Beklagten (2 Hefte); hierauf wird Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Der Senat kann über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
24Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, daß der Beklagte ihr einen Unterhaltsbeitrag gewährt. Der Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung -- LBV -- vom 30. Juli 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 1990 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
25Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin ist § 22 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG. Danach ist der Witwe in Fällen des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG, also wenn die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist und der Ruhestandsbeamte zur Zeit der Eheschließung das 65. Lebensjahr bereits vollendet hatte, ein Unterhaltsbeitrag in Höhe des Witwengeldes zu gewähren, sofern die besonderen Umstände des Falles keine volle oder teilweise Versagung rechtfertigen. Dabei sind die Einkünfte der Witwe in angemessenem Umfang anzurechnen.
26Dieser Anspruch der sogenannten "nachgeheirateten" Witwe auf einen Unterhaltsbeitrag ist schwächer als der Anspruch einer Witwe, die einen Beamten oder Ruhestandsbeamten vor der Vollendung des 65. Lebensjahres geheiratet hat. Der Unterhaltsbeitrag stellt keine Alimentation dar, er gehört nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Artikels 33 Abs. 5 GG (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Oktober 1984 -- 6 C 148.81 --, BVerwGE 70, 211, 216). Andererseits handelt es sich bei dem Unterhaltsbeitrag nicht um eine Sozialleistung, sondern um eine von dem Dienstherrn des verstorbenen Beamten auf Grund seiner nachwirkenden Fürsorge gewährte Leistung (BVerwG aaO, Seite 214). Dem Ruhestandsbeamten soll die Unsicherheit über die Versorgung seiner nachgeheirateten Ehefrau genommen werden.
27Der Unterhaltsbeitrag steht der nachgeheirateten Witwe jedoch nicht in jedem Fall und nicht uneingeschränkt zu. Zum einen sind Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen in angemessenem Umfang anzurechnen, zum anderen ist -- darum geht es in diesem Verfahren -- bei Vorliegen besonderer Umstände der Unterhaltsbeitrag voll oder teilweise zu versagen.
28Ob besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, ist nach dem Sinn der Vorschrift zu ermitteln. Diese soll dem Dienstherrn die Versorgung der "nachgeheirateten" Witwe völlig oder teilweise ersparen, soweit ihm diese Versorgung nicht zuzumuten oder soweit sie aus fürsorgerischen Gründen nicht geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1969 -- II C 46.68 --, BVerwGE 34, 149, 152 und Plog/Wiedow, BBG, Rdnr. 7 zu § 22 BeamtVG).
29Hiervon ausgehend hat die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung eines Unterhaltsbeitrages.
30Das Verwaltungsgericht hat das stattgebende Urteil darauf gestützt, es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, daß die Eheschließung in erster Linie dem Zweck habe dienen sollen, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen. Der Senat kann offenlassen, ob im vorliegenden Fall die Annahme einer Versorgungsehe gerechtfertigt ist. Tatsächlich spricht viel dafür, daß die Versorgung der Klägerin nicht das entscheidende Motiv der Eheschließung war. Darauf kommt es vorliegend aber nicht an. Die besonderen Umstände des einzelnen Falles können nicht auf den Gesichtspunkt einer Versorgungsehe verkürzt werden. Für eine derartige Annahme geben der Gesetzeswortlaut und der Vergleich mit den in § 19 Abs. 1 BeamtVG geregelten Fällen nichts her.
31Besondere Umstände im Sinne des Gesetzes sind hier der große Altersunterschied, das hohe Alter des verstorbenen Ehemannes und die -- auch zu erwartende -- kurze Dauer der Ehe. Diese Umstände rechtfertigen jedenfalls in einer Gesamtschau die volle Versagung des Unterhaltsbeitrages. Der Senat kann diese Feststellung selbst treffen. Bei der Frage, ob besondere Umstände die volle Versagung des Unterhaltsbeitrages rechtfertigen, handelt es sich um eine die Voraussetzungen des Anspruchs betreffende Rechtsfrage. Bei Vorliegen besonderer Umstände wird es nicht in das Ermessen des Beklagten gestellt, ob und in welcher Höhe er einen Unterhaltsbeitrag gewährt, sondern der Anspruch der Witwe besteht nur, sofern die Umstände des Falles nicht die volle oder teilweise Versagung rechtfertigen. Das Beamtenversorgungsrecht ist, jedenfalls soweit es um die grundsätzliche Zuerkennung des Anspruchs geht, weitgehend strenges Recht. Das Gesetz bestimmt regelmäßig im einzelnen, unter welchen Voraussetzungen Versorgungsbezüge geleistet werden. Wenn der Gesetzgeber es in das Ermessen der Behörde stellt, ob der Anspruch zuerkannt werden soll, hat er dies eindeutig kenntlich gemacht (vgl. §§ 15, 26, 23 Abs. 2 BeamtVG). Von daher geht der Senat davon aus, daß das Gesetz es durch eine entsprechende Formulierung (zB: "Der Unterhaltsbeitrag kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn besondere Umstände des Falles dies rechtfertigen") kenntlich gemacht hätte, wenn die gänzliche oder teilweise Versagung des Unterhaltsbeitrages in das Ermessen der Behörde gestellt sein sollte. Die vom Gesetz gebrauchte Formulierung schränkt dagegen den grundsätzlichen Anspruch von vornherein ein. Der Rechtsanspruch besteht nicht, wenn und soweit besondere Umstände die volle oder teilweise Versagung rechtfertigen.
32Bereits bei der nicht "nachgeheirateten" Witwe wird das Witwengeld bei einem Altersunterschied von mehr als 20 Jahren gemäß § 20 Abs. 2 BeamtVG gekürzt. Im Fall der Klägerin betrug der Altersunterschied mehr als 28 Jahre, was bei einer nicht "nachgeheirateten" Witwe bereits zu einer Kürzung des Witwengeldes um 45 vom Hundert geführt hätte. Dem Gesetz ist daher bereits bei der auf dem Alimentationsgrundsatz beruhenden Versorgung gemäß § 20 BeamtVG zu entnehmen, daß einem so großen Altersunterschied eine erhebliche Bedeutung zukommt. Es soll verhindert werden, daß für eine im Verhältnis zum verstorbenen Beamten junge Witwe bei kurzer Ehe noch Jahrzehnte nach dem Tode des Beamten in vollem Umfang Versorgungsbezüge gezahlt werden müssen. Diese Wertung des Gesetzes rechtfertigt es, bei der Frage, ob ein Unterhaltsbeitrag zu gewähren ist, dem großen Altersunterschied eine erhebliche Bedeutung beizumessen. Ob allein der Altersunterschied von 28 Jahren zu einer vollen Versagung des Unterhaltsbeitrages führen könnte, ist nicht zu entscheiden, weil hier weitere besondere Umstände vorliegen.
33Zu berücksichtigen ist auch das hohe Alter des verstorbenen Ehemannes. Dieser war bei der Eheschließung bereits 85 Jahre alt. Er hatte deshalb schon unabhängig von seinem Gesundheitszustand nach menschlichem Ermessen nur noch eine geringe Lebenserwartung. Hinzu kommt, daß er an einer ausgeprägten cerebrovasculären Insuffizienz litt und ausweislich der Bescheinigungen von Dr. ... und des Amtsarztes seit Jahren pflegebedürftig war. Gerade die cerebrovasculäre Insuffizienz kann bei betagten Menschen sehr plötzlich zum Tode führen, wie es auch bei Dr. ... der Fall war, der nach den Angaben der Klägerin vor dem Senat nicht an einem Herzinfarkt, sondern an einem Schlaganfall starb. Für den Fall der Gewährung eines Unterhaltsbeitrages sieht Nr. 22.1.6.2 der Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz -- BeamtVGVwV -- beispielsweise eine Kürzung des Witwengeldes bei einer bis zu 5-jährigen Ehedauer um fünf vom Hundert für jedes angefangene spätere Jahr der Eheschließung nach dem vollendeten 80. Lebensjahr vor, das wären hier 30 vom Hundert.
34Schließlich kommt hier als bedeutsamer Umstand die kurze Dauer der Ehe hinzu, weil sie nach Alter und Gesundheitszustand Dr. ... auch nicht anders zu erwarten gewesen war. Die Klägerin war mit dem Ruhestandsbeamten nicht einmal 13 Monate verheiratet. Daß die Bestandszeit der Ehe Einfluß auf Witwengeld und Unterhaltsbeitrag haben soll, ist dem Gesetz zu entnehmen (vgl. außer § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG auch § 20 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG, wonach bei einer Ehedauer von über fünf Jahren die Kürzung des Witwengeldes wegen Altersunterschieds entsprechend der Ehedauer geringer ausfällt; vgl. auch Nr. 22.1.4, 22.1.6.1 und 22.1.6.2 BeamtVGVwV).
35Die Gesamtschau dieser oben dargelegten besonderen Umstände rechtfertigt die volle Versagung des Unterhaltsbeitrages. Wie bereits ausgeführt, liegt der Sinn der Vorschrift darin, dem Dienstherrn die Versorgung der nachgeheirateten Witwe völlig oder teilweise zu ersparen, soweit ihm diese Versorgung nicht zuzumuten oder soweit sie aus fürsorgerischen Gründen nicht geboten ist. Regelmäßig muß der Dienstherr mit der Entstehung hoher neuer Versorgungsansprüche nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand und Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr rechnen, insbesondere nicht mit Versorgungsansprüchen, die wegen des verhältnismäßig niedrigen Lebensalters der nachgeheirateten Ehefrau voraussichtlich lange Jahre bestehen. Kommen in diesem Fall noch Besonderheiten der geschilderten Art, die jeweils für sich genommen eine teilweise Versagung des Unterhaltsbeitrages zulassen in einer erheblichen Anzahl hinzu, so führt dies zu dem Ergebnis, daß statt einer teilweisen die volle Versagung des Unterhaltsbeitrages gerechtfertigt ist.
36Fürsorgerische Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der verstorbene Ruhestandsbeamte brauchte sich um die Versorgung seiner Ehefrau, die erklärtermaßen nicht bereit war, ihren Beruf aufzugeben, keine Sorgen zu machen, da sie durch die eigene Berufstätigkeit gesichert war. Eine unzumutbare Belastung für die Klägerin durch die Versagung des Unterhaltsbeitrages ist nicht ersichtlich. Sie hat zwar den Kläger, soweit nicht der Beklagte die Pflege durch die Gewährung der Beihilfeleistungen gesichert hat, betreut und versorgt. Soweit diese persönliche Leistung überhaupt materiell -- und nur das ist vorliegend von Bedeutung -- bewertet werden kann, trägt dem bereits die Erbeinsetzung Rechnung. Im übrigen hat sich an der wirtschaftlichen Lage der Klägerin durch die kurze Ehedauer nichts Entscheidendes geändert. Sie hat ihren Beruf aus Anlaß der Eheschließung nicht aufgegeben, beispielsweise um sich voll der Pflege ihres Ehemannes zu widmen. Auf Grund ihrer fortwährenden Berufstätigkeit hat sie einen eigenen Rentenanspruch erworben. Einer weiteren wirtschaftlichen Absicherung bedarf sie nicht.
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