Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 383/14
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 19.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
4Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die ausgeschriebene Stelle eines Realschulrektors an der Realschule an der K. in W. nicht mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist. Der Antragsteller habe Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners verletze den Antragsteller in seinem Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Vergabe des Beförderungsamtes. Denn die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen vom 15. Mai 2013 sei rechtswidrig, weil sie von einer unzuständigen Beurteilerin erstellt worden sei. Sie stelle daher keine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung dar. Die dienstliche Beurteilung sei nicht von der Bezirksregierung als obere Schulaufsichtsbehörde, sondern von der Schulamtsdirektorin C. erstellt worden, die als schulfachliche Aufsichtsbeamtin dem Schulamt für den S. -L. O. angehöre. Der Bezirksregierung könne die Beurteilung vom 15. Mai 2013 nicht zugerechnet werden, weil es der Beurteilerin an der Rechtsmacht gefehlt habe, für diese zu handeln. Insbesondere sei die Schulamtsdirektorin nicht an die Bezirksregierung abgeordnet worden. Abgesehen davon sei die Auswahlentscheidung auch deswegen rechtswidrig, weil der Antragsgegner in seine Erwägungen zur Stellenbesetzung nicht eingestellt habe, dass der Antragsteller und der Beigeladene in unterschiedlichen Statusämtern beurteilt worden seien.
5Diese eingehend begründeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts werden mit dem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
6Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, die Schulamtsdirektorin C. habe die Beurteilung des Beigeladenen rechtswirksam für die Bezirksregierung erstellt, weil sie mit Schreiben vom 6. Juni 2012 an die obere Schulaufsichtsbehörde teilabgeordnet worden sei. Diese Rechtsauffassung teilt der Senat nicht.
7Nicht eindeutige, das heißt auslegungsbedürftige Willenserklärungen der Verwaltung und damit auch die „Beauftragung" vom 6. Juni 2012 sind gemäß der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB auszulegen. Nach dieser Vorschrift ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der "wirkliche Wille" zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Maßgeblich ist demnach nicht der innere, bloß subjektive Wille des Bearbeiters, sondern der objektive Gehalt der Erklärung, das heißt der in der Willenserklärung zum Ausdruck kommende erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte bzw. nach Treu und Glauben verstehen musste und durfte ("Empfängerhorizont"). Um den Regelungsgehalt einer Willensäußerung der Verwaltung durch Auslegung zu ermitteln, ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Jedoch kann es hierauf nicht allein ankommen. Zu berücksichtigen sind vielmehr alle von dem Adressaten erkannten oder ihm erkennbaren Umstände vor und bei dem Ergehen der behördlichen Maßnahme. Hierzu zählt auch, welche Interessen die Behörde erkennbar mit ihrer Maßnahme verfolgt hat, das heißt vor allem, welchen Sinn und Zweck die Maßnahme aus der Sicht des Adressaten hat.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2009 – 1 B 264/09 -, juris, Rdn. 11
9Die Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze führt hier zu dem Ergebnis, dass die Schulamtsdirektorin C. nicht mit dem angeführten Schreiben an die Bezirksregierung teilabgeordnet worden ist. Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend festgestellt, dass die äußerlich gewählte Form des Schreibens gegen eine Abordnung spricht. Die „Beauftragung“ ist weder in der Betreffzeile des Schreibens noch in den weiteren Ausführungen als Abordnung bezeichnet worden. Auch findet § 24 Abs. 1 LBG NRW keine Erwähnung. Hinzu kommt, dass das angeführte Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Bei verständiger Würdigung gibt es keinen greifbaren Anhalt für die Annahme, die Bezirksregierung habe mit dem Schreiben vom 6. Juni 2012 eine (Teil-)Abordnung verfügt.
10Der hiergegen mit der Beschwerde unter Hinweis auf den Beschluss des OVG NRW vom 14. März 2001, 1 A 1539/99.PVL (nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2002, 6 P 9.01) erhobene Einwand, für die rechtliche Qualifizierung einer beamtenrechtlichen Maßnahme als (Teil-)Abordnung sei es nicht erforderlich, dass diese Maßnahme auch als solche bezeichnet wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn in dem diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Fall erfolgte die Abordnung – wie es auch § 24 Abs. 1 LBG NRW verlangt – jedenfalls „vorübergehend“ („jeweils befristet auf ein Schuljahr“). Gleiches gilt im Ergebnis auch für den weiter in Bezug genommenen Beschluss des VG Düsseldorf vom 17. September 2009, 34 K 2991/09.PVL. Im Unterschied hierzu lässt das Schreiben vom 6. Juni 2012, was das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, in keiner Weise erkennen, dass die „Beauftragung“ nur vorübergehend vorgesehen ist.
11Auch der pauschale Einwand, die Dauer der „Beauftragung“ der Schulamtsdirektorin C. sei durch deren Ruhestandseintritt bestimmt und damit „vorübergehend“, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Die Auffassung wird insbesondere nicht gestützt durch das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 21. Oktober 1975, IV 434/73, auf das die mit der Beschwerde angeführte Kommentarstelle bei Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand November 2010, § 24, Rdn. 58, verweist. Denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall ist der Beamte neun Monate vor seinem Ruhestandseintritt abgeordnet worden. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Abordnung als „vorübergehend“ angesehen werden, weil sie lediglich „für eine kürzere Zeitspanne vorgesehen“ war. So verhält es sich im Streitfall indes nicht, weil die am 12. September 1954 geborene Schulamtsdirektorin C. erst mit Ablauf des 31. Mai 2020 in den gesetzlichen Ruhestand tritt.
12Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine für die Dauer von mehr als drei Monaten verfügte Abordnung der Zustimmung des Personalrates bedarf (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 LPVG NRW). Dass der Personalrat im Streitfall vom Antragsgegner beteiligt worden ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nach seiner Rechtsauffassung wäre dies indes erforderlich gewesen.
13Angesichts der vorstehenden Ausführungen kann dahingestellt bleiben, ob die der Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugrunde liegenden Erwägungen, dem Beigeladenen komme wegen der besseren dienstlichen Beurteilung ein Qualifikationsvorsprung gegenüber dem Antragsteller zu, unzureichend sind. Ausweislich der in dem Besetzungsvorgang niedergelegten Erwägungen (Vermerk vom 20./24. Juni 2013) hat der Antragsgegner die angegriffene Entscheidung ausschließlich auf die Gesamturteile der dienstlichen Beurteilungen (unter anderem) des Antragstellers („Leistungen übertreffen die Anforderungen“) und des Beigeladenen („Leistungen übertreffen die Anforderungen in besonderem Maße“) gestützt und im Vergleich zwischen diesen keine Gewichtung der Beurteilungsergebnisse anhand der unterschiedlichen Statusämter des Antragstellers (Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage BBesO) und des Beigeladenen (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) vorgenommen.
14Der Antragsgegner hat außer Acht gelassen, dass wegen der mit dem höherwertigen Amt regelmäßig verbundenen höheren Leistungs- und Befähigungsanforderungen einer in einem solchen Amt erteilten dienstlichen Beurteilung jedenfalls grundsätzlich ein größeres Gewicht zukommt als der Beurteilung eines Mitbewerbers in einem niedrigeren Amt.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 - 6 B 819/08 -, juris.
16Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass sich der Dienstherr auch dann noch im zulässigen Rahmen des ihm im Stellenbesetzungsverfahren zustehenden Entscheidungsspielraums bewegt, wenn er aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls einer in einem höherwertigen Amt erteilten dienstlichen Beurteilung kein größeres Gewicht beimisst als einer Beurteilung in einem niedrigeren Amt. Hierzu bedarf es aber – insbesondere auch vor dem Hintergrund der Wertungen des Besoldungsgesetzgebers - einer besonderen Plausibilisierung etwa im Blick auf die spezifischen Anforderungen des zu besetztenden Beförderungsamtes. Allein das Beschwerdevorbringen, die bisher bekleideten der in Rede stehenden Statusämter seien in der „schulischen Praxis als gleichwertig anzusehen“, überzeugt jedenfalls nicht. Das gilt erst recht angesichts der streitgegenständlichen Stellenausschreibung, nach der „Realschulerfahrung … erwünscht“ ist.
17Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 1GKG.
18Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
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- 1 A 1539/99 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- LBG § 24 2x
- 6 B 819/08 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 LPVG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- 34 K 2991/09 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 1x
- VwGO § 146 1x
- VwGO § 162 1x
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x