Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 16 A 2761/11
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 12. Oktober 2011 wird abgelehnt.
Die Kläger zu 1. bis 6., 9. bis 16., 19. bis 30., 33. bis 39., 42. bis 44., 49., 50., 53. bis 55. tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens zu je 1/49, die Kläger zu 7. und 8., 17. und 18., 31. und 32., 40. und 41., 45. und 46., 47. und 48., 51. und 52., 56. und 57. tragen jeweils beide gemeinsam als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens zu 1/49. Etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 245.000 Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 12. Oktober 2011 hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, die gemäß § 124 Abs. 5 Satz 2 VwGO nur im Rahmen der Darlegung der Kläger zu prüfen sind, liegen nicht vor.
3Das Verwaltungsgericht hat die Klagen, mit denen sich die Kläger gegen ihre Heranziehung zum Deichverband S. -M. bzw. zum Beigeladenen als dessen Rechtsnachfolger wenden, im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Die Kläger seien Eigentümer von Grundstücken, die im Verbandsgebiet gelegen seien. Fehler bei der Ausweisung der Gebietsfläche seien nicht feststellbar. Die gerichtliche Überprüfung sei auf die Nachprüfung eingeschränkt, ob die Behörde dabei den ihr zukommenden Bewertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten habe. Dabei komme es nicht auf die bessere oder schlechtere fachliche Vertretbarkeit verschiedener diskutierter Lösungsmöglichkeiten an. Das Gericht dürfe nicht seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung der hierzu berufenen Behörde setzen. Anlass für eine gerichtliche Beanstandung bestehe vielmehr erst, wenn der Spielraum der Behörde derart auf nur eine Lösung eingeengt sei, dass die Wahl jeder anderen als fehlerhaft einzustufen sei. Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeute dies, dass das Gericht die von der Behörde vorgenommene Risikoabschätzung nur dann zu beanstanden habe, wenn diese entweder im Ergebnis oder wegen der zugrunde liegenden, von der Behörde angewandten Methode gänzlich unvertretbar wäre. Das wäre der Fall, wenn die Behörde einer anderen Methode zwingend den Vorzug hätte geben müssen. Hierfür sei nichts ersichtlich. Der Beklagte habe unter Zugrundelegung der vorausgehenden Planungen des Beigeladenen im Ausgangspunkt ein Bemessungshochwasser (BHQ2004) zugrunde gelegt, das von einer fünfhundertjährigen Wiederkehrwahrscheinlichkeit ausgehe. Dagegen bestünden keine Bedenken. Ausgehend von dem BHQ2004 habe der Beklagte die durch ein potentielles Hochwasser des Rheins im hier streitgegenständlichen Bereich gefährdeten Flächen mittels eines Verfahrens rechtwinkliger horizontaler Projektion zur Rheinstromachse – 1-D-Methode – ermittelt. Hierbei würden bei den jeweiligen Rhein-Strom-km unter Einbeziehung einer Überstauhöhe von 0,3 m Wasserspiegellagen (mNN) errechnet und ins Vorland projiziert. Zur Gewinnung einer höheren Dichte an projizierten Höhen würden weitere Hilfslinien konstruiert und ebenfalls ins Vorland projiziert. Sodann erfolge unter Einbeziehung der vorgenannten Überstauhöhe der Geländeschluss. Bei der Projektion blieben sowohl vorhandene Hochwasserschutzanlagen als auch gegebenenfalls als Vorfluter in Betracht kommende diverse Gewässer unberücksichtigt. Daneben stünde das zweidimensionale Modell (2-D), bei dem das betreffende Gebiet in Teilvolumina zerlegt und mit Rastern überplant werde. Innerhalb der Raster werde computergesteuert mittels der Beurteilung von Fließgeschwindigkeit und Strömungen sowie Strömungsrichtlinien die jeweilige Hochwassergefährdung beurteilt. Es sei ausgehend von dem dargestellten rechtlichen Prüfungsmaßstab nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte im Rahmen der Bestimmung des Verbandsgebiets der eindimensionalen als der allein maßgeblichen Vorgehensweise bedient habe. Das eindimensionale Verfahren sei im maßgeblichen Zeitpunkt Ende des Jahres 2006 unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Satzung des Beigeladenen, mit der das Verbandsgebiet normativ festgelegt worden sei, als eine von mehreren möglichen und sachlich vertretbaren Methoden zur Bestimmung der von einem Hochwasser des Rheins potentiell gefährdeten Flächen anzusehen gewesen.
4Diesen Erwägungen setzen die Kläger nichts entgegen, was die Zulassung der Berufung rechtfertigt.
51. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
6Die Rüge der Kläger, die Heranziehungsbescheide des beklagten Landes seien aus verfahrensrechtlichen Gründen wegen Verletzung der Anhörungspflicht und der formellen Begründungspflicht rechtswidrig, verfängt nicht. Selbst wenn die Kläger vor Ergehen der Heranziehungsbescheide nicht ordnungsgemäß angehört worden wären und die Bescheide nicht die erforderliche Begründung enthalten hätten, so wären diese Fehler nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwVfG NRW mit Durchführung des Widerspruchsverfahrens und dem Ergehen der umfänglich begründeten Widerspruchsbescheide sowie den Ausführungen im erstinstanzlichen Klageverfahren geheilt worden. Dass die Kläger in diesem Zusammenhang nicht die Gelegenheit gehabt hätten, sich zu den für die Entscheidung des beklagten Landes erheblichen Tatsachen i.S.v. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW zu äußern oder der Begründung des beklagten Landes die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW) gefehlt hätten, lässt sich der Zulassungsbegründung nicht entnehmen. Die Kläger verweisen allein darauf, es sei die „Entscheidung“ der Hochwasserstudiengruppe am Rhein in NRW zum BHQ2004 „mit den sie tragenden Grundsätzen und maßgeblichen Bewertungen“ nicht vorgelegt worden. Gegenstand der Erläuterungen des beklagten Landes in den Widerspruchsbescheiden und im Klageverfahren war aber auch die Festsetzung des Bemessungshochwassers durch die Bezirksregierung E. in deren Amtsblatt vom 24. Juni 2004. Die Hochwasserstudiengruppe hat die dieser Festsetzung zugrunde liegenden wissenschaftlichen Grundlagen erarbeitet. Die Grundlagen zur Festsetzung des Bemessungshochwassers, das selbst nur Grundlage für die Ermittlung des Verbandsgebiets war, zählen nicht zu den für die Entscheidung der Heranziehung der Kläger wesentlichen Tatsachen bzw. zu den wesentlichen tatsächlichen Gründen für die Heranziehung.
7Dass die Satzung des Beigeladenen rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügt, wie die Kläger meinen, ist nicht substantiiert dargetan. Die Kläger sind der Ansicht, „dass es gegen rechtsstaatliche Grundsätze und (das) Föderalismusprinzip verstößt, wenn in einzelnen Bundesländern unterschiedliche Finanzierungsformen für den Hochwasserschutz eine(r) in der Unterhaltungspflicht des Bundes stehenden Bundeswasserstraße getroffen werden“. Die Bundesländer seien zudem durch das Gebot zu bundestreuem Verhalten verpflichtet, ihre Regelungen untereinander anzupassen. Dieses Vorbringen verfängt nicht.
8Beim Gesetz über Wasser- und Bodenverbände (WVG), das Grundlage für die Satzung des Beigeladenen und die Heranziehung der Kläger als seine Mitglieder ist, handelt es sich um ein Bundesgesetz. Gemäß § 2 Nr. 5 WVG kann vorbehaltlich abweichender Regelung durch Landesrecht der Schutz von Grundstücken vor Sturmflut und Hochwasser einschließlich notwendiger Maßnahmen im Deichvorland Aufgabe des Verbands sein. Dass der Beigeladene Aufgaben des Hochwasserschutzes übernimmt, entspricht dem Bundesrecht.
9Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz durch unterschiedliche rechtliche Regelungen in den jeweiligen Bundesländern zur Unterhaltungspflicht der Deiche entlang des Rheins ist nicht anzunehmen. In der Tatsache allein, dass ein Landesgesetz von verwandten Regelungen in sonstigen Ländern oder des Bundes abweicht, liegt noch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
10Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1972 – 2 BvL 41/71 –, BVerfGE 33, 224 = juris Rn. 24 m.w.N.
11Etwas anderes folgt nicht daraus, dass es sich beim Rhein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 46 der Anlage 1 des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG) um eine Bundeswasserstraße handelt. Der Hochwasserschutz entlang des Rheins gehört nicht zu den Aufgaben des Bundes. Der Umfang der Unterhaltungspflicht der Bundeswasserstraße ist in § 8 WaStrG geregelt. Der Hochwasserschutz wird darin nicht genannt. Dass und aus welchen Gründen daraus Folgerungen für die Regelung der Unterhaltungspflicht der Deiche in den einzelnen Bundesländern zu ziehen wären, zeigen die Kläger nicht substantiiert auf.
12Auch eine Ungleichbehandlung innerhalb des Landes Nordrhein Westfalen ist nicht zu erkennen. Die Deiche sind nach § 108 Abs. 2 Satz 1 des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LWG NRW) von demjenigen zu unterhalten, der sie errichtet hat. Die Aufwendungen für Unterhaltung und Wiederherstellung von Deichen sind gemäß § 108 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 LWG NRW nach dem Maß ihres Vorteils von denjenigen zu tragen, deren Grundstücke durch den Deich geschützt werden sollen. Dass diese Regelung innerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen in einer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Weise gehandhabt würde, je nachdem ob die Kommunen oder ein Deichverband für die Unterhaltung der Deiche zuständig sind, ist in der Zulassungsbegründung weder hinreichend substantiiert dargelegt noch sonst mit Blick auf die Ausführungen der Bezirksregierung E. in der Erwiderung vom 5. März 2012 ersichtlich.
13Auch die Einwände der Kläger hinsichtlich der Zugrundelegung des Bemessungshochwassers (BHQ2004), das von einer fünfhundertjährlichen Wiederkehrwahrscheinlichkeit ausgeht, greifen nicht durch. Im Bemessungshochwasser gelangt zum Ausdruck, gegenüber welchen Hochwasserereignissen die Hochwasserschutzanlage Schutz bieten soll. Es liegt damit auch der Ermittlung derjenigen Grundstückseigentümer zugrunde, die von einer solchen Anlage profitieren. In die Festlegung des Bemessungshochwassers fließen neben den bisherigen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen wertende Beurteilungen zur Erforderlichkeit von Hochwasserschutzmaßnahmen ein. Diese Wertungen gehen auf den rechtlich unbedenklichen Ausgangspunkt zurück, dass Hochwasserschutz im fraglichen Abschnitt des Rheins einerseits ein öffentlicher Belang von überragender Bedeutung ist und, da das außerordentlich hohe Schadenspotential von Hochwasserereignissen den sicheren Ausschluss auch nur sehr entfernt wahrscheinlicher Überschwemmungen verlangt, auf die Minderung auch des Restrisikos gerichtet ist. Andererseits ist auch ökonomischen und ökologischen Aspekten Rechnung zu tragen. Die Methodik seiner Erarbeitung anhand praktischer Erfahrungen, hieraus abgeleiteter Prognosen und Risikoabschätzungen durch die mit dem Hochwasserschutz betrauten fachkundig besetzten Behörden sichert die Einbeziehung und Zusammenfassung der verfügbaren Sachkunde; das Bemessungshochwasser enthält eine sachverständige Beurteilung der Erfordernisse des Hochwasserschutzes.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar 1999– 20 A 2106/98 –.
15Dass diese Beurteilung hier fehlerhaft, unvertretbar oder unverhältnismäßig sein könnte, zeigen die Kläger nicht auf. Sie behaupten, dass in dichter besiedelten Gebieten wie dem Ruhrgebiet lediglich ein Hochwasserschutz gegenüber einer hundert- bis zweihundertjährlichen Überflutungshäufigkeit gewährleistet werde und für überwiegend ländlich geprägtes Gebiet, das der Lage der Grundstücke der Kläger vergleichbar sei, im Allgemeinen von einer fünf- bis zehnjährlichen Überflutungshäufigkeit ausgegangen werde. Damit können die Kläger nicht durchdringen. Am Pegel E1. -S1. wird (ebenso wie an den Pegeln X. , S. und F. ) eine fünfhundertjährliche Wiederkehrwahrscheinlichkeit zugrunde gelegt (vgl. Erlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. September 2003 - IV-10-4290 - und die Neufestsetzung des Bemessungshochwassers des Rheins im Regierungsbezirk Düsseldorf vom 24. Mai 2004, Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf 2004, 227). Die Auffassung, in ländlich geprägten Gebieten genüge ein Schutz gegen fünf- bis zehnjährliche Überflutungen, ist durch nichts belegt. Die Zugrundelegung einer fünfhundertjährlichen Wiederkehrwahrscheinlichkeit dient der Risikominimierung bei Überflutungen des Rheins nicht nur im Hinblick auf landwirtschaftlich genutzte Flächen, sondern gerade auch im Hinblick auf die Bewohner des Gebiets und deren Eigentum. Nach Angaben der Bezirksregierung E. in ihrer Stellungnahme zur Zulassungsbegründung vom 5. März 2012 leben im Bereich des Rheinkilometers 707 bis zum Kilometer 865 mehr als 1,3 Mio. Bürger. Insbesondere mit Blick auf den Schutz dieser Bewohner ist die Festlegung des Bemessungshochwassers mit einer fünfhundertjährlichen Wiederkehrwahrscheinlichkeit nicht unvertretbar.
16Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich auch nicht, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sich im Rahmen der Bestimmung des Verbandsgebiets der eindimensionalen Methode als der allein maßgeblichen Vorgehensweise bedient habe, ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit begegnet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, die gerichtliche Überprüfung sei eingeschränkt auf die Nachprüfung, ob die Behörde den ihr zukommenden Bewertungs‑ und Gestaltungsspielraum überschritten habe. Dabei komme es nicht auf die bessere oder schlechtere fachliche Vertretbarkeit verschiedener diskutierter Lösungsmöglichkeiten an. Das Gericht dürfe nicht seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung der hierzu berufenen Behörde setzen. Anlass für eine gerichtliche Beanstandung bestehe vielmehr erst dann, wenn der Spielraum der Behörde derart auf nur eine Lösung eingeengt sei, dass die Wahl jeder anderen als fehlerhaft einzustufen wäre. Unter Zugrundelegung dieses von den Klägern nicht angegriffenen rechtlichen Ausgangspunkts ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte statt der eindimensionalen die zweidimensionale Methode zur Ermittlung der Größe des Verbandsgebiets hätte wählen müssen. Dies ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht aus dem - hier im Übrigen nicht unmittelbar einschlägigen - Erlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2006 zur Ermittlung und Festsetzung von Überschwemmungsgebieten. Zwar wird darin ausgeführt, dass zweidimensionale Modelle im Zeitpunkt des Ergehens des Erlasses den Stand der Technik darstellten. Aber auch die eindimensionale Methode wird noch als allgemein anerkannte Regel der Technik angesehen (vgl. Seite 11 und 12 des Erlasses). Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.- Ing. C. in seinem Gutachten von Oktober 2009 lassen ebenfalls nicht darauf schließen, dass in dem vom Verwaltungsgericht als maßgeblich angenommenen Zeitpunkt Ende 2006 nur die zweidimensionale Ermittlungsmethode in Frage gekommen wäre. Die Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts haben die Kläger nicht in Zweifel gezogen. Der Sachverständige führt in seinem Gutachten aus, dass die Festlegung von Überschwemmungsgebietsgrenzen früher immer mit 1-D‑Modellen erfolgt sei, da sowohl der Aufbau als auch der Einsatz von 2-D‑Modellen sehr zeitaufwändig sei (S. 3 seines Gutachtens). Berücksichtige man die Vorlaufzeit, die für die Untersuchungen und die Ausweisung der Flächen erforderlich sei, sei die Entscheidung für diese Vorgehensweise hier zu einem Zeitpunkt gefallen, zu dem es für die Anwendung einer 2-D‑Modellierung noch nicht die jetzigen technischen Möglichkeiten gegeben habe (S. 9 des Gutachtens). Zum damaligen Zeitpunkt sei die gewählte Vorgehensweise ein durchaus nachvollziehbarer Ansatz gewesen (S. 11 des Gutachtens). Dass die 1-D‑Modellberechnung möglicherweise im Zeitpunkt der Erstellung des von den Klägern vorgelegten Gutachtens des Dipl.-Ing. T. vom 29. Juli 2008 und des Gutachtens des Prof. Dr.-Ing. C. im Oktober 2009 nicht mehr dem Stand der Technik entsprach, ist mit Blick auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht relevant.
17Die auf den Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung basierende Einschätzung des Verwaltungsgerichts bezüglich des ungesicherten Nutzens des 2-D‑Modells ist nicht zu beanstanden. Der Sachverständige hat auf Nachfrage in der Verhandlung erklärt, er könne keine Angaben zur Ergebnisgenauigkeit und dazu machen, welche Grundstücke bei dem alternativen Messverfahren herausfielen. Dies zeigt, dass die 2-D‑Methode hier nicht evident ergebnisgenauer ist. Dass das Verwaltungsgericht übersehen haben könnte, dass es für die präzise Ermittlung eventuell aus dem Verbandsgebiet herausfallender Grundstücke einer Computerberechnung bedarf, ist nicht zu erkennen. Auch das Verwaltungsgericht geht ausweislich der Entscheidungsgründe von einer rechnergestützten Anwendung der 2-D-Modellierung aus. Doch selbst wenn man annimmt, dass es sich in diesem Fall bei der 2-D-Methode um die mit größerer Ergebnisgenauigkeit handelt, führte dies nach dem oben Ausgeführten nicht dazu, dass im maßgeblichen Zeitpunkt die Verpflichtung bestanden hätte, diese Methode zu wählen.
18Die Einwände gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Bestimmung der von einem Hochwasser des Rheins potentiell gefährdeten Gebiete mittels der2-D-Methode Kosten in erheblichem Umfang hervorgerufen hätte und der Beklagte sich im Laufe des Jahres 2006 nicht habe veranlasst sehen müssen, eine Modellierung mittels der 2-D-Methode durchzuführen, verfangen ebenfalls nicht. Das Verwaltungsgericht stützt sich auf die grobe Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. C. . Diese sachverständige Einschätzung wird mit der Behauptung, es handele sich um eine nur vage Kostenschätzung und der Sachverständige habe darauf hingewiesen, dass die Kosten durchaus erheblich geringer ausfallen könnten, nicht erschüttert. Es spricht nichts dafür, dass Prof. Dr.-Ing. C. hierzu nicht sachkundig hätte Auskunft geben können oder seine Kostenschätzung völlig verfehlt gewesen sein könnte. Im Übrigen hat der Sachverständige erklärt, dass die Preise je nach Büro schwanken könnten, woraus folgt, dass sie auch hätten höher sein können. Dass es sich nur um eine grobe Schätzung handelte, hat das Verwaltungsgericht berücksichtigt. Auch hinsichtlich der Kosten für die Bestimmung mittels der1-D-Methode, die in der mündlichen Verhandlung vom Geschäftsführer des Beigeladenen auf ca. 50.000 Euro geschätzt wurden, lässt sich dem Zulassungsvorbringen nichts entnehmen, dass Zweifel an diesem Betrag wecken könnte. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Geschäftsführer der Beigeladenen den Betrag nicht ungefähr hätte einschätzen können oder dass er insofern die Unwahrheit sagte. Aus diesem Grund ist nicht zu erkennen, dass der genannte Betrag einer weiteren Begründung oder Belegen bedurft hätte. Es standen sich damit bei der Wahl zwischen der 1-D- und der 2-D-Methode Kosten in Höhe von ca. 50.000 Euro ‑ tatsächlich waren es selbst unter Berücksichtigung der Eigenleistung der Mitarbeiter des Beigeladenen nach Angaben der Bezirksregierung E. in ihrem Schriftsatz vom 5. März 2012 nur etwa 40.000 Euro - für die 1-D-Methode und in Höhe von ca. 250.000 Euro für die 2-D-Methode gegenüber. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des Vorbringens der Kläger, dass die Kosten in Höhe von 50.000 Euro nicht angefallen wären, wenn von vornherein die 2-D-Methode gewählt worden wäre.
192. Die Berufung ist nicht wegen der von den Klägern gerügten Verfahrensmängel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Die behaupteten Verstöße gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.
20Dass dem BHQ2004 im Bereich S. eine Wiederkehrhäufigkeit zugrunde liegt, die deutlich seltener als hundertjährlich ist, ist unstreitig und bedurfte schon deshalb keiner Aufklärung durch das Verwaltungsgericht. Es wird in diesem Bereich von einer fünfhundertjährlichen Wiederkehrwahrscheinlichkeit ausgegangen (vgl. Erlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. September 2003 - IV-10-4290 -).
21Auch bezüglich der Kosten der Bestimmung des Verbandsgebietes nach der ein- bzw. zweidimensionalen Methode hat das Verwaltungsgericht nicht gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen. Es musste sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen, dass die vom Sachverständigen und vom Geschäftsführer der Beigeladenen genannten Beträge nicht hinreichend fundiert gewesen sein könnten, um sie bei der Entscheidungsfindung mit der Einschränkung zu berücksichtigen, dass es sich bei dem vom Sachverständigen genannten Betrag um einen groben Näherungswert handelt. Dies haben im Übrigen auch die Kläger weder in der Zulassungsbegründung noch durch ihren Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung dargetan. In der mündlichen Verhandlung hat dieser lediglich gerügt, dass seiner Meinung nach eine Ungereimtheit bezüglich der Kostenfrage bestehe. Der Kostenaufwand in Höhe von 50.000 Euro sei in keiner Weise belegt und für ihn nicht nachvollziehbar. Einen förmlichen Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO mit dem Ziel der weiteren Aufklärung der Kosten der jeweiligen Bestimmungsmethode haben die anwaltlich vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Sieht ein rechtskundig vertretener Beteiligter aber - wie hier ‑ im gerichtlichen Verfahren von der förmlichen Beantragung einer von ihm für geboten erachteten Beweisaufnahme ab, so kann er das Unterbleiben einer entsprechenden Beweisaufnahme im anschließenden Berufungszulassungsverfahren grundsätzlich nicht mit Erfolg unter Hinweis auf das Vorliegen einer Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht rügen. Die Aufklärungsrüge kann in diesem Fall nicht dazu dienen, solche Beweisanträge zu ersetzen, die der Beteiligte in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat.
22Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. August 1997 – 1 B 144.97 –, NJW-RR 1998, 784 = juris Rn. 10 und vom 24. April 2007 – 5 B 120.07 –, juris Rn. 7 m.w.N.
233. Schließlich weist die Rechtssache nicht die von den Klägern behaupteten tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Entgegen der Auffassung der Kläger sind diese nicht allein dadurch indiziert, dass das Verfahren erstinstanzlich vom Einzelrichter zurück auf die Kammer übertragen wurde und die Verfahrensdauer in der ersten Instanz mehr als vier Jahre betrug. Denn erstinstanzlich war das Verfahren dadurch geprägt, dass eine Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich gehalten wurde. Dass die Rechtssache auch nach dieser erfolgten Aufklärung noch tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, ist mit dem Vortrag, das Verwaltungsgericht sei auf von den Klägern vorgebrachte tatsächliche und rechtliche Aspekte nicht eingegangen, und die streitige Angelegenheit lasse sich nicht einfach aus dem Gesetz oder auf der Grundlage bestehender Rechtsprechung lösen, nicht dargetan. Die Einwände der Kläger, auf die das Verwaltungsgericht nicht eingegangen ist, lassen sich ‑ wie oben ausgeführt ‑ ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären. Dass ansonsten die rechtliche Beurteilung der Rechtssache von der Beantwortung komplizierter Rechtsfragen abhinge, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht.
24Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
25Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO.
26Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
27Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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