Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 3d A 931/14.O
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 8. September 1978 in I. geborene Beklagte verließ die Realschule im Juni 1995 mit der Fachoberschulreife. In der Zeit vom 1. August 1995 bis zum 8. Juni 1999 absolvierte sie mit Erfolg eine Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten in C. .
3Ab dem 2. August 1999 wurde sie zunächst auf unbestimmte Zeit als Justizvollzugsangestellte bei der JVA C. eingestellt. Mit Wirkung vom 1. Juli 2001 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Justizvollzugsobersekretäranwärterin ernannt und zum Vorbereitungsdienst für den allgemeinen Vollzugsdienst bei Justizvollzugsanstalten zugelassen. Nach Bestehen der Prüfung für den allgemeinen Vollzugsdienst bei Justizvollzugsanstalten wurde sie am 22. Juli 2003 unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Probe zur Justizvollzugsobersekretärin zur Anstellung ernannt. Am 22. Januar 2004 erfolgte ihre Ernennung zur Justizvollzugsobersekretärin. Seit dem 8. September 2005 ist sie Beamtin auf Lebenszeit. Am 26. November 2009 wurde sie zur Justizvollzugshauptsekretärin befördert.
4Die Beklagte war bis zu ihrer Suspendierung mit Ausnahme von wenigen Wochen während der Ausbildung durchgehend in der Justizvollzugsanstalt C. tätig, dort seit März 2009 überwiegend in der Abteilung 13 desD-Flügels. Ihre Leistungen wurden in ihrer letzten dienstlichen Beurteilung vom 3. Mai 2011 insgesamt mit der Note „vollbefriedigend (obere Grenze)“ bewertet.
5Die Beklagte war bislang dreimal verheiratet und ist seit Januar 2015 von ihrem dritten Ehemann geschieden. Zwischenzeitlich ist sie verpartnert.
6Sie ist disziplinarrechtlich mit Ausnahme des hier zu beurteilenden Sachverhaltes noch nicht in Erscheinung getreten.
7Am 3. Januar 2012 informierte ein Gefangener die Abteilung Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt C. , er habe gesehen, dass die Beklagte sich am 29. Dezember 2011 mit dem Gefangenen H. in dessen Zelle habe einsperren lassen. In einem am folgenden Tag geführten Gespräch zwischen der Anstaltsleitung und der Beklagten stritt diese den Vorfall ab. In der Folgezeit erhärtete sich der Verdacht einer Beziehung der Beklagten zum Gefangenen H. . Nachdem sie in der zweiten Kalenderwoche Überstunden abgebaut und in der dritten Kalenderwoche Urlaub genommen hatte, wurde die Beklagte mit Verfügung vom 17. Januar 2012 mit Wirkung zum 23. Januar 2012 mit ihrer Zustimmung für drei Monate an die Justizvollzugsschule in X. abgeordnet. Zu einer Aufnahme dieser Tätigkeit kam es jedoch nicht mehr, da die Beklagte in der Zeit vom 20. Januar 2012 bis Ende Januar 2014 erkrankt war. Mit Schreiben vom 20. Januar 2012 wurde der bis dahin bekannte Sachverhalt der Staatsanwaltschaft C. mit der Bitte um Prüfung in strafrechtlicher Hinsicht übersandt.
8Am 23. Januar 2012 leitete der Leiter der JVA gegen die Beklagte ein Disziplinarverfahren gemäß § 17 Abs. 1 LDG NRW ein. Gleichzeitig enthob er sie gemäß § 38 Abs. 1 LDG NRW vorläufig des Dienstes. Begründet wurden diese Maßnahmen mit dem Vorliegen des Verdachts einer intimen Liebesbeziehung der Beklagten mit dem Gefangenen Ralf H. . Zudem bestünde der Verdacht, dass die Beklagte seit längerer Zeit wisse, dass der Gefangene H. im Besitz eines Mobiltelefons sei und sie ihn auf diese Weise sowohl telefonisch als auch per SMS mehrfach kontaktiert habe.
9Am 22. Mai 2012 stellte die Staatsanwaltschaft C. das Strafverfahren gegen die Beklagte (Az.: 32 Js 33/12) mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Eine Strafbarkeit nach § 174a StGB komme nicht in Betracht, da nicht mit einer für eine Anklageerhebung notwendigen Sicherheit festgestellt werden könne, dass ein Ausnutzungsverhältnis bestanden habe. Vielmehr sprächen sämtliche feststellbaren Umstände dafür, dass Hintergrund der sexuellen Handlungen zwischen der Beklagten und dem Gefangenen H. eine Liebesbeziehung gewesen sei.
10Mit der nach Anhörung des Personalrates und der Gleichstellungsbeauftragten am 4. April 2013 bei Gericht eingegangenen Disziplinarklage wirft der Kläger der Beklagten vor, zwischen August 2011 und Juni 2012 eine Liebesbeziehung mit dem Gefangenen H. geführt zu haben, ohne dies ihrem Dienstvorgesetzten zu melden. Im Rahmen dieser Liebesbeziehung habe sie sich u.a. am 30. Dezember 2011 vom Gefangenen H. dazu überreden lassen, sich mit ihm vom Gefangenen X1. für einen Zeitraum von etwa 15 Minuten in dessen Haftraum einschließen zu lassen, um dort ungestört zu sein und sich einander körperlich zuzuwenden. Ferner habe die Beklagte seit November 2011 gewusst, dass der Gefangene H. ein Handy im Besitz gehabt habe. Statt dies zu melden, habe sie es vielmehr genutzt, um SMS mit dem Gefangenen auszutauschen. In zwei Fällen habe sie auch die Prepaid SIM-Karte des Gefangenen aufgeladen. Selbst als nach Bekanntwerden der Vorwürfe der Gefangene H. am 4. Januar 2012 in die JVA Werl verlegt worden sei, habe sie weiterhin mit ihm per SMS Kontakt gehalten.
11Der Kläger hat beantragt,
12die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen,
15hilfsweise,
16auf eine mildere Maßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
17Sie hat geltend gemacht, zu ihren Gunsten sei zunächst festzustellen, dass ein strafrechtlich relevantes Verhalten nicht vorgelegen habe. Darüber hinaus liege der Milderungsgrund einer negativen Lebensphase vor. Sie habe sich in einer depressiven Episode befunden, da sie sich in ihrer Ehe nicht wahrgenommen und völlig unverstanden gefühlt habe. Aus diesem Grund sei sie dem Werben des Gefangenen H. erlegen und habe sich in diesen verliebt. Diese negative Lebensphase sei inzwischen abgeschlossen. Sie sei neu verheiratet und glücklich in der Beziehung. Selbst wenn man eine negative Lebensphase nicht annehmen wolle, seien diese Umstände zu ihren Gunsten zu berücksichtigen.
18Durch das angefochtene Urteil vom 25. März 2014 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dabei ist es in tatsächlicher Hinsicht von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
19„Der Gefangene S. H. kam 2010 zur Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung u. a. wegen Mordes in die Justizvollzugsanstalt C. -L. . Er war zunächst bis zum 11. August 2011 in der Sicherheitsabteilung untergebracht. Anschließend wurde er in den D-Flügel versetzt. Beim D-Flügel handelt es sich um den sogenannten Erprobungsbereich. Der D-Flügel besteht aus den Abteilungen 13, 14 und 15. Es handelt sich hierbei um einen nach innen geöffneten Bereich, in dem sich die Gefangenen in einem eingeschränkten Zeitraum frei bewegen können. Die Gefangenen im D-Flügel haben jeder einen separaten Haftraumschlüssel, um die eigene Haftraumtür von außen zu verschließen. Von innen sind die Türen nicht zu verriegeln. Die Beklagte kannte den Gefangenen H. bereits, als er noch im Sicherungsbereich auf Abteilung 3 war, da sie auch dort unregelmäßig ihren Dienst verrichtete. Er bemerkte, dass die Beklagte, die zu der Zeit in ihrer am 8. September 2010 geschlossenen und am 29. Oktober 2012 geschiedenen Ehe massive Probleme hatte, in bedrückter Stimmung war. Wiederholt sprach er sie darauf an, woraufhin sich die Beklagte ihm offenbarte. Spätestens zum Zeitpunkt der Verlegung des Gefangenen H. in den D-Flügel entwickelte sich zwischen dem Gefangenen und der Beklagten eine Liebesbeziehung. Die Beklagte und der Gefangene H. führten persönliche und auch intime Gespräche. Sie tauschten Liebesbriefe und Zettel aus. Die Beklagte glaubte dem Gefangenen H. , der zu der Zeit ein Wiederaufnahmeverfahren betrieb, nach eigenen Angaben alles, auch dass er unschuldig sei. Der Beklagten gefiel es, wenn der Gefangene H. in ihrer Nähe war und mit ihr sprach. Sie fühlte sich von ihm verstanden.
20Spätestens ab August 2011 kam es zu körperlichen Kontakten zwischen der Beklagten und dem Gefangenen H. . Es kam zu teils intensiven Küssen und körperlichen Berührungen, insbesondere in Form von Streicheleien.
21Spätestens seit November 2011 wusste die Beklagte, dass der Gefangene H. im Besitz eines Handys war. Dieses Handy nutzten die Beklagte und der Gefangene H. , um eine Vielzahl von SMS zu schreiben. In zwei Fällen lud die Beklagte, nachdem sie sich zunächst seinem Anliegen widersetzt hatte, für je 15 Euro die Prepaidkarte des Gefangenen H. auf, um weiterhin SMS mit ihm austauschen zu können.
22Die Beklagte und der Gefangene H. hatten Pläne für eine gemeinsame Zukunft. Sie hofften, dass er Mitte 2012 entlassen werden könnte. Auch zeigte sich die Beklagte einer späteren Heirat gegenüber durchaus aufgeschlossen. In den Briefen bezeichneten sie sich gegenseitig als „mein Mann“ und „meine Frau“.
23Im Laufe der Zeit sprach der Gefangene H. die Beklagte zunehmend darauf an, ob sie nicht eine Gelegenheit finden könnten, ungestört mitein-ander zusammen zu sein. Er machte hierzu verschiedene Vorschläge. Die Beklagte hatte allerdings Angst vor der ganzen Situation und vor den Konsequenzen für ihre Arbeit und ihre Ehe. Schließlich sprach der Gefangene H. die Beklagte entweder am Mittwoch, den 28. Dezember 2011 oder am Donnerstag, den 29. Dezember 2011, morgens darauf an, dass er sich am Vortage mit dem Mithäftling X1. , der in der JVA C. eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes und Vergewaltigung verbüßt, ausführlich unterhalten habe; dieser sei bereit, sie in seinem Haftraum einzuschließen. Der Gefangene H. hatte schon mehrfach darüber gesprochen, wurde aber erstmalig konkret und wollte das am nächsten Tage durchführen. Die Beklagte wiegelte erst ab und bat dann darum, sich das überlegen zu dürfen. Sie tauschten zu dem Thema noch SMS aus, der Gefangene H. fragte sie mittags auch nochmal danach. Am Morgen des 29. bzw. des 30. Dezember 2011 bat er dann darum, nach dem Frühstück seine Zelle und die des X2. offen zu lassen, damit beide nach offizieller Version miteinander Kaffeetrinken konnten. Dies tat die Beklagte. Der Gefangene H. kam dann an die Bürotür der Beklagten und gab ihr mit dem Kopf ein Zeichen, dass sie ihm in seine Zelle folgen sollte. Dort versteckte sie sich hinter einem Vorsprung, woraufhin X1. ca. um 6.10 Uhr, wie zuvor besprochen, mit dem Schlüssel des H. die Zelle von außen zuschloss. Die Beklagte fühlte sich völlig macht- und wehrlos, zumal sie kein Funkgerät dabei hatte und keine Möglichkeit bestand, die Tür von innen aufzuschließen. In der Zelle kam es zum einvernehmlichen Oralverkehr zwischen der Beklagten und dem Gefangenen H. . Anschließend, ca. nach einer ¼ Stunde, wurde die Zelle durch X1. wieder aufgeschlossen und die Beklagte verließ die Zelle. Beim Verlassen der Zelle wurde die Beklagte vom Gefangenen B. beobachtet, der daraufhin am 3. Januar 2012 die Anstaltsleitung informierte. In der am 4. Januar 2012 durchgeführten Anhörung bestätigten die Gefangenen X1. und H. im Wesentlichen den Sachverhalt. Der Gefangene H. wurde daraufhin noch am gleichen Tag in die JVA Werl verlegt.
24Die Beklagte wurde ebenfalls am 4. Januar 2012 angehört. Sie stellte die Vorwürfe vollumfänglich in Abrede und beschuldigte den Gefangenen S1. , haltlose Gerüchte gegen sie in die Welt zu setzen. Erst im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Beschuldigtenvernehmung am 29. Februar 2012 räumte sie den Sachverhalt umfassend ein. Nach der Versetzung des Gefangenen H. in die JVA X3. hielt die Beklagte u. a. über das Handy Kontakt zum Gefangenen H. . Dem Gefangenen H. war es gelungen, das Handy von der JVA C. in die JVA X3. einzuschmuggeln. Noch am 19. Januar 2012 schrieb sie dem Gefangenen H. zwei Kurzmitteilungen, die mit den Worten endeten: „ILD Bärchen“ bzw. „Babe, ich LIEBE DICH über alles“. Das Handy wurde am 19. Januar 2012 anlässlich einer Zellendurchsuchung gefunden und beschlagnahmt. In der Folgezeit brach sie den Kontakt zum Gefangenen H. ab.“
25Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt disziplinarrechtlich dahingehend gewürdigt, dass die Beklagte sich eines sehr schweren einheitlichen Dienstvergehens im Kernbereich ihrer Aufgaben schuldig gemacht habe, was die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertige. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
26Gegen das am 27. März 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. April 2014 beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt und diese unmittelbar begründet. Sie trägt vor, den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sei nichts hinzuzufügen. Sie habe unstreitig ein schweres Dienstvergehen begangen. Allerdings begegne die Bewertung des Dienstvergehens durch das Verwaltungsgericht rechtlichen Bedenken. So sei zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass sie sich sowohl im Strafverfahren als auch im Disziplinarverfahren umfassend geständig eingelassen und sogar freiwillig zugegeben habe, die Prepaid-Karte des Gefangenen H. zweimal aufgeladen zu haben, obwohl sich dies aus den Akten nicht ergeben habe. Mildernd seien zudem zwei ganz maßgebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Sie habe sich in einer depressiven Episode und einer negativen Lebensphase befunden. Aufgrund einer ernsthaften Krise ihrer zweiten Ehe sei sie für die Schmeicheleien des Gefangenen H. besonders empfänglich und ein rationales Handeln ihrerseits ausgeschlossen gewesen. Da dieses private Problemfeld durch die Heirat mit ihrem dritten Ehemann ausgeräumt sei, könne sich die Situation nicht noch einmal ergeben. Das Vertrauensverhältnis sei daher nicht unwiderruflich zerstört.
27Die Beklagte beantragt,
28das angefochtene Urteil abzuändern und die Disziplinarklage abzuweisen,
29hilfsweise,
30auf eine geringere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
31Der Kläger beantragt,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Der Senat hat mit Beweisbeschluss vom 29. November 2017 zur Frage der Schuldfähigkeit der Beklagten ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S2. eingeholt. Der Sachverständige hat das Gutachten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 23. Juli 2018 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung im einzelnen bezeichneten Beiakten, wie sie dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
36Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht wegen eines sehr schweren Dienstvergehens, durch das sie das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Dienst entfernt.
37A.In tatsächlicher Hinsicht legt der Senat die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zugrunde, die ihrerseits auf der umfassend geständigen Einlassung der Beklagten sowohl im Straf- wie auch im Disziplinarverfahren beruhen. Für den Senat besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Einlassungen zu zweifeln, zumal sich keine durchgreifenden Widersprüche zum sonstigen Akteninhalt ergeben und die Beklagte die Richtigkeit der Feststellungen im Berufungsverfahren nochmals bestätigt hat. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Beziehung zum Gefangenen H. – entgegen der erstinstanzlichen Darstellung der Beklagten – auch über den Zeitpunkt der Verlegung des Gefangenen in die JVA X3. hinaus fortbestanden hat.
38B.Auf der Grundlage des zuvor beschriebenen Sachverhalts hat die Beklagte sich eines – einheitlichen – sehr schweren innerdienstlichen Dienstvergehens schuldig gemacht, § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG. Nach dieser Vorschrift begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt.
39I.Durch das festgestellte Verhalten hat die Beklagte mehrere Dienstpflichten verletzt.
401.Die Beklagte hat, indem sie eine Liebesbeziehung zum Gefangenen H. unterhielt und dies sowie den Umstand verschwieg, dass der Gefangene H. über ein Handy verfügte, dessen Guthaben sie wiederholt aufgeladen hat, vorsätzlich gegen ihre Gehorsamspflicht gemäß § 35 S. 2 BeamtStG, wonach die von ihren Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und die allgemeinen Richtlinien zu befolgen sind, sowie die nach § 35 Satz 1 BeamtStG bestehende Pflicht zur Unterstützung ihres Vorgesetzten, verstoßen.
41a)Durch das Unterhalten einer Liebesbeziehung zum Gefangenen H. und deren Nichtanzeige hat die Beklagte gegen Nr. 2 Abs. 1 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug – DSVollz – verstoßen. Nach dieser Vorschrift haben die Bediensteten u.a. gegenüber Gefangenen die notwendige Zurückhaltung zu wahren und jede Beziehung zu diesen Personen, die geeignet sein könnte, Zweifel an einer ordnungsgemäßen Dienstausübung zu begründen, der Anstaltsleitung mitzuteilen. Diese allgemeine Berufspflicht der Bediensteten im Strafvollzug wird durch den Erlass des Justizministers vom 13. November 1998 – Az 3132E – I A.81/97 – unter ausdrücklichem Hinweis auf die disziplinarrechtlichen Konsequenzen dahin konkretisiert, dass die Bediensteten im Fall einer Liebesbeziehung zu einem/einer Gefangenen verpflichtet sind, die Beziehung unverzüglich der Anstaltsleitung zu offenbaren, sobald die einzuhaltende Distanz überschritten ist. Auf diesen Erlass wurden alle Bediensteten der JVA C. zuletzt mit Rundmail vom 1. September 2009 hingewiesen.
42b)Durch das Verschweigen ihrer Beziehung sowie des Handybesitzes auf Seiten des Gefangenen H. gegenüber der Anstaltsleitung hat die Beklagte bewusst gegen die in § 9 DSVollz geregelte Meldepflicht, wonach die Bediensteten dem Anstaltsleiter alle wichtigen Vorgänge unverzüglich zur Kenntnis zu bringen haben, verstoßen. Dass die Existenz der Beziehung als wichtiger Vorgang unverzüglich zur Kenntnis zu bringen war, ergab sich für die Beklagte bereits aus dem Erlass des Justizministers. Hinsichtlich des Besitzes des Handys folgte dies aus der Anstaltsordnung, wonach Gefangene wegen der sich daraus ergebenden Sicherheitsrisiken nicht über Handys verfügen dürfen.
43c)Durch das zweimalige Aufladen des Guthabens des Prepaid-Handys des Gefangenen H. hat die Beklagte gegen Nr. 20 Abs. 1 DSVollz verstoßen. Danach sind die Gefangenen so zu beaufsichtigen, dass Sicherheit und Ordnung jederzeit gewährleistet sind, wobei sich die Beaufsichtigung u. a. auch auf die Unterbindung unerlaubter Kommunikation bezieht.
44Vgl. dazu auch OVG Koblenz, Urteil vom 22.03.2010 – 3 A 11391/09 –, juris Rn. 31 f.
452.Gleichzeitig stellt das vorgenannte Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen § 34 S. 3 BeamtStG vor, wonach das Verhalten der Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die ihr Beruf erfordert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die zweifache Aufladung und die unterlassene Meldung des Besitzes des Handys über den Zeitpunkt der Verlegung des Gefangenen H. hinaus.
463.Indem sich die Beklagte gemeinsam mit dem Gefangenen H. in dessen Zelle einschließen ließ, hat sie zudem gegen ihre nach § 34 S. 1 BeamtStG bestehende Pflicht, sich mit vollem Einsatz ihrem Beruf zu widmen, verstoßen, da sie während der Zeit ihren dienstlichen Aufgaben nicht nachkommen konnte.
47II.Die Dienstpflichtverletzungen stellen ein innerdienstliches Dienstvergehen dar, denn das Verhalten der Beklagten war in ihr Amt und die damit verbundene Tätigkeit eingebunden. Die Eingehung einer Liebesbeziehung und die fehlende Mitteilung des Handybesitzes betrafen den Kernbereich ihrer Tätigkeiten als Justizvollzugsmitarbeiterin.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.07.2016 – 2 B 24.16 –, juris Rn. 14 = NVwZ–RR 2016, 876 ff., und Urteile vom 19.08.2010 – 2 C 5.10 –, juris Rn. 9, sowie vom 18.06.2015 – 2 C 9.14 –, juris Rn. 10.
49III.Die Beklagte handelte auch vorsätzlich. Sie beging die Dienstpflichtverletzungen bewusst und gewollt. Anhaltspunkte dafür, dass sie während des in Rede stehenden Zeitraums schuldunfähig gewesen sein könnte, sind weder der Akte zu entnehmen noch wird dies von ihr geltend gemacht. Auch der Sachverständige hat in seinem Gutachten eine Schuldunfähigkeit der Beklagten für den Tatzeitraum verneint und dies im Rahmen seiner mündlichen Erläuterung im Senatstermin nochmals bestätigt.
50C.Nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Gesichtspunkte ist die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Sie hat durch das einheitliche Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW).
51Die Auswahl der im Einzelfall erforderlichen Disziplinarmaßnahme im Sinne des § 5 Abs. 1 LDG NRW richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Sätze 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen zunächst nach seiner Schwere einer der in § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten.
52Vgl. BVerwG, Urteile vom 28.02.2013 – 2 C 62.11 –, juris Rn. 36 ff. = NVwZ–RR 2013, 693, 696, vom 19.08.2010 – 2 C 13.10 –, juris Rn. 22 ff. = NVwZ 2011, 299, 301, vom 03.05.2007 – 2 C 9.06 –, juris Rn. 12 ff. =NVwZ–RR 2007, 695, 696, und vom 20.10.2005 – 2 C 12.04 –, juris Rn. 28 ff. = NVwZ 2006, 469, 472.
53Dazu sind die genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Entscheidung einzustellen, um dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) zu genügen. Die Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be– und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 13 m.w.N. = BVerwGE 147, 229 (zu § 13 BDG).
55Setzt sich ein Dienstvergehen – wie hier – aus verschiedenen Pflichtverletzungen zusammen, so bemisst sich die Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach dem schwerwiegendsten Pflichtenverstoß. Da vorliegend allerdings die Pflichtverletzungen in ihrer Schwere nur geringfügige Unterschiede aufweisen, ist bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme auf sämtliche Pflichtverletzungen abzustellen.
56I.Das Dienstvergehen der Beklagten wiegt sehr schwer. Das Eingehen einer Liebesbeziehung, das Unterlassen der Offenbarung derselben und des Besitzes eines Handys sowie das zweifache Aufladen des Handy-Guthabens stellen ein Versagen der Beklagten im Kernbereich ihrer Dienstpflichten dar. Es ist die selbstverständliche Hauptaufgabe jedes Bediensteten im allgemeinen Vollzugsdienst, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt beizutragen, Nr. 20 in Verbindung mit Nr. 11 DSVollz. Gegen diese Kernpflicht hat die Beklagte massiv verstoßen.
571.Das Gebot der Zurückhaltung gegenüber Strafgefangenen hat unter den beamtenrechtlichen Pflichten der in einer Strafvollzugsanstalt tätigen Beamten einen sehr hohen Stellenwert.
58Vgl. OVG Weimar, Urteil vom 05.12.2011 – 8 DO 329/08 –, juris Rn. 58; BayVGH, Urteil vom 11.07.2007 – 16a D 06.85 –, juris Rn. 37 ff.; SaarlOVG, Beschluss vom 17. 06.2009 – 6 B 289/09 –, juris Rn. 34.
59Dies gilt einmal mit Blick auf den notwendigen Schutz der Gefangenen selbst. Diese befinden sich innerhalb der Justizvollzugsanstalt in einer spezifischen Sondersituation, in der sie in vielfältigster Weise auf eine in jeder Hinsicht korrekte Behandlung durch die Justizvollzugsbeamten angewiesen sind. Darüber hinaus ergibt sich der Stellenwert der durch die Beklagte verletzten Pflicht aus den Notwendigkeiten eines sicheren und geordneten Strafvollzugs. Intime Beziehungen zwischen Vollzugsbeamten und Gefangenen können sowohl erhebliche Störungen in den Betriebsabläufen wie auch gravierende Folgen für die Sicherheitsverhältnisse in der Justizvollzugsanstalt mit sich bringen. Abgesehen davon, dass mit intimen Beziehungen regelmäßig Aufmerksamkeitseinbußen bei der Bewachung der Gefangenen verbunden sind, die der „begünstigte“ Gefangene oder Dritte ausnutzen können, macht sich der Beamte, der bereits aus dienstrechtlichen Gründen ein Bekanntwerden der Beziehung zu fürchten hat, sowohl gegenüber dem „begünstigten“ als auch gegenüber dritten Gefangenen erpressbar. Deshalb hat der Dienstherr in dem zitierten Erlass gerade die Pflicht zur Wahrung der Zurückhaltung gegenüber den Gefangenen im Vergleich zu den übrigen Dienstpflichten der Justizvollzugsbeamten ausdrücklich hervorgehoben.
60Vgl. OVG Weimar, a.a.O.
61Dadurch, dass die Beklagte mit dem Gefangenen H. in mehreren Fällen zunächst Zärtlichkeiten austauschte und es im weiteren Verlauf in einem Fall sogar zum Einschließen in der Zelle mit dem Austausch körperlicher Intimitäten kommen ließ, hat sie im Kernbereich ihrer dienstlichen Pflichten vorsätzlich und eklatant versagt. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Die Beklagte stellt dies auch nicht in Abrede. Darüber hinaus hat sie sich auch gegenüber allen anderen Gefangenen, die davon erfahren haben, erpressbar gemacht und sich– im Falle der Einschließung – als mögliche Geisel des Gefangenen „zur Verfügung gestellt“. Dieses Handeln der Beklagten war geeignet, die Anstaltssicherheit erheblich zu gefährden.
62Vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 22.03.2010 – 3 A 11391/09 –, juris Rn. 31 ff.; BayVGH, Urteil vom 11.07.2007 – 16a D 06.85 –, juris Rn. 37 ff.
632.Durch das Verschweigen des Besitzes des Handys und die Aufrechterhaltung der Nutzungsmöglichkeit des Handys hat sie – jedenfalls – dem Gefangenen H. die Möglichkeit unkontrollierter Mobilfunkgespräche eröffnet. Damit hat sie nicht nur ein unbeherrschbares Risiko für die Sicherheit der Allgemeinheit geschaffen. Sie hat auch die Gesundheit und das Leben der Bediensteten und der anderen Gefangenen in der Anstalt in Gefahr gebracht. Die durch die Beklagte unterstützte Möglichkeit unkontrollierter Telefongespräche hätte dazu missbraucht werden können, aus der Anstalt heraus kriminelle Handlungen zu veranlassen. Außerdem hätte der Gefangene H. Ausbruchsversuche organisieren oder etwa an Drogen oder Waffen gelangen können. Schließlich hat sich die Beklagte durch die Nichtoffenbarung des Handybesitzes und das grob pflichtwidrige Aufladen des Handyguthabens sowohl gegenüber dem Gefangenen H. als auch gegenüber allen anderen Gefangenen, die davon erfahren haben, erpressbar gemacht. Auch dieses Handeln war geeignet, die Anstaltssicherheit erheblich zu gefährden.
64Vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 22.03.2010 – 3 A 11391/09 –, juris Rn. 31 ff.; BayVGH, Urteil vom 11.07.2007 – 16a D 06.85 –, juris Rn. 37 ff.
653.Zulasten der Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass sie ihre dienstlichen Kernpflichten nicht nur einmalig, sondern längere Zeit und wiederholt verletzt hat. Sie hat die Beziehung ab August 2011 aufgenommen sowie jedenfalls bis zum 19. Januar 2012 – und damit über die Verlegung des Gefangenen H. in die JVA X3. hinaus – fortgeführt. Zudem hat sie – aufgrund selbstständiger Willensentschlüsse und mit einigem zeitlichen Abstand – gleich zweimal die Aufladung des Prepaid-Handys des Gefangenen H. ermöglicht. Die hiervon ausgehende Gefahr hat die Beklagte über Monate hinweg und auch noch über den Zeitpunkt der Verlegung des Gefangenen sowohl für die JVA C. als auch die JVA X3. in Kauf genommen, obwohl sie – wenn auch unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile – jederzeit die Möglichkeit und gemäß Nr. 9 DSVollz auch die Pflicht gehabt hätte, sich ihrem Dienstherrn anzuvertrauen.
66II.Ist demzufolge aufgrund der Schwere des der Beklagten zur Last fallenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung, so kommt es für die Bestimmung der im konkreten Einzelfall zu verhängenden Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild der Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 2 S. 2 und 3 LDG NRW derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 17 m.w.N = BVerwGE 147, 229, sowie Beschluss vom 01.03.2012 – 2 B 140.11 –, = juris Rn. 9 = USK 2012, 164.
68Je schwerwiegender das Dienstvergehen oder die mit ihm einhergehende Vertrauensbeeinträchtigung ist, umso gewichtiger müssen die sich aus dem Persönlichkeitsbild ergebenden mildernden Umstände sein, um gleichwohl eine andere Maßnahme zu rechtfertigen.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 18 m.w.N.
70Derartige erhebliche Milderungsgründe, die den Schluss rechtfertigen, die Beklagte habe das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren, sind nicht gegeben. Auch unter Berücksichtigung beider Zumessungskriterien kommt allein die disziplinare Höchstmaßnahme in Betracht.
711.Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder ob es etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.
72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2013 – 2 B 35.13 –, juris Rn. 6 = NVwZ–RR 2014, 314.
73a)Von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte Milderungsgründe, die regelmäßig zu einer Herabsetzung der an sich indizierten Disziplinarmaßnahme führen, liegen nicht vor.
74aa)Insbesondere lag bei der Beklagten im Tatzeitraum nicht eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB vor. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme geht der Senat zwar davon aus, dass aufgrund einer schweren anderen seelischen Abartigkeit i. S. v. § 20 StGB die Steuerungsfähigkeit der Beklagten eingeschränkt und deshalb ihre Schuldfähigkeit vermindert war, die Verminderung der Schuldfähigkeit war aber nicht erheblich i. S. v. § 21 StGB. Hierzu im Einzelnen:
75(1)Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei der Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Hat der Beamte zum Tatzeitpunkt an einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten (oder hat ein anderes der dort genannten Merkmale vorgelegen) oder kann eine solche Störung nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden und ist die Verminderung der Schuldfähigkeit des Beamten erheblich, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen. Bei einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit kann die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden.
76Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.01.2012 – 2 B 78.11 –, juris Rn. 5 m.w.N.
77Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Fähigkeit des Beamten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB erheblich gemindert war, sind die Verwaltungsgerichte folglich gehalten, die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufzuklären.
78Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.01.2015 – 2 B 15.14 – juris Rn. 18.
79Insoweit ist zu klären, ob der Beamte im Tatzeitraum an einer Krankheit gelitten hat, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert hat. Hierzu bedarf es in der Regel besonderer medizinischer Sachkunde. Erst wenn die Erkrankung und ihr Umfang feststehen oder nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, kann beurteilt werden, ob die Voraussetzung für eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Denn von den Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten des Beamten hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ab. Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist dagegen eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung zu beantworten haben.
80Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.01.2012 – 2 B 78.11 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
81Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt. Diese Anforderungen sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist. Dabei ist in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Beamten und dessen Entwicklung zu bewerten, wobei auch Vorgeschichte, unmittelbarer Anlass und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind.
82Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 11. Januar 2012– 2 B 78.11 –, juris Rn. 6 und 20.02.2014 – 2 WD 35/11 –, juris Rn. 64.
83Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist darauf einzugehen, ob der Beamte motivatorischen und situativen Tatanreizen wesentlich weniger Widerstand entgegensetzen konnte als ein Durchschnittsbürger.
84BVerwG, Urteil vom 20.02.2014 – 2 WD 35/11 –, juris Rn. 64.
85(2)Der Sachverständige Prof. Dr. S2. gelangt in seinem schriftlichen Gutachten vom 23. Juli 2018 aufgrund der anamnestischen Angaben der Beklagten sowie sämtlicher zur Verfügung stehender Informationen aus den Akten, insbesondere den Angaben des Psychotherapeuten G. zu der Feststellung, bei der Beklagten sei für das zweite Halbjahr 2011 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine mittelgradige depressive Episode (ICD–10: F32.1) zu diagnostizieren. Hinweise auf das Vorliegen einer strukturellen Störung, insbesondere einer schweren neurotischen Störung oder Persönlichkeitsstörung, hätten sich dagegen während der gutachterlichen Untersuchungen nicht ergeben. Die vom Psychotherapeuten G. angenommene mittelschwere/schwere depressive Episode lasse sich im Hinblick auf die Angaben der Beklagten sowie der diversen Behandler, die aus der Akte zugänglich waren, demgegenüber für diesen Zeitraum nicht ausreichend belegen.
86(a)Diese bei der Beklagten für das Jahr 2011 diagnostizierte psychische Erkrankung sei gemäß den Eingangskriterien der §§ 20, 21 StGB dem 4. Merkmal, also den schweren anderen seelischen Abartigkeiten zuzurechnen. Der Schweregrad der Beeinträchtigung sei ausreichend, um die Eingangskriterien der §§ 20, 21 StGB zu erfüllen. Hiervon sei aufgrund der Angaben des Psychotherapeuten G. und der Beklagten auszugehen. Ein Hinweis auf Aggravation habe sich nicht gezeigt. Aus seiner Sicht sei daher sehr wahrscheinlich, dass die Erkrankung der Beklagten im zweiten Halbjahr 2011 die Eingangskriterien der §§ 20, 21 StGB erfüllte. Das Vorliegen einer den Eingangskriterien der §§ 20, 21 StGB entsprechenden Störung könne keinesfalls hinreichend sicher ausgeschlossen werden.
87Diese Einschätzung hat der Sachverständige im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt. Soweit nunmehr feststehe, dass der Psychotherapeut G. die Behandlung nicht bereits Ende 2011, sondern erst im Februar 2012 aufgenommen hat, ändere sich an seiner Einschätzung nichts. Er sei bereits im Gutachten von den Angaben der Beklagten, wonach sie erst im Jahre 2012 sich bei dem Psychotherapeuten G. in Behandlung befunden habe, ausgegangen. Im Rahmen der insoweit gebotenen zurückschauenden Betrachtung, die auf keine fachlichen Einschätzungen oder Befunderhebungen im Tatzeitraum zurückgreifen könne, müsse er zwangsläufig von den Angaben der Beklagten im Rahmen der Anamnese ausgehen. Diese Angaben seien in sich stimmig und glaubhaft, weshalb er keinen Zweifel an der Darstellung habe. Insbesondere sein kein Dissimulieren oder Aggravieren bei der Beklagten feststellbar gewesen. Aufgrund der von der Beklagten gemachten Angaben seien die deskriptiven Merkmale, die die ICD–10 für eine depressive Episode benenne, gegeben gewesen. Diese Feststellung schließe eine Beurteilung als Anpassungsstörung, die von späteren Behandlern gestellt worden sei, aus. Hinzu komme, dass den ärztlichen Stellungnahmen nicht zu entnehmen sei, ob der ICD–10 Standard überhaupt zugrunde gelegt worden sei. Hinzu komme, dass sich aus den Unterlagen eine zu dieser Zeit erfolgte, niedrigschwellige Behandlung mit einem Antidepressivum ergebe, was ebenfalls für seine Einschätzung spreche.
88Dagegen habe er keine schwere depressive Episode feststellen können. Er habe die entsprechenden deskriptiven Merkmale, die die ICD–10 insoweit aufstelle, bei der Beklagten im Rahmen der Anamnese abgefragt und nach ihren Angaben nicht bestätigt gefunden.
89(b)Hinweise darauf, dass bei der Beklagten im Tatzeitraum die Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein könnte, hätten sich unter Einbeziehung sämtlicher zur Verfügung stehender Informationen und Befunde nicht ergeben. Allerdings sei die Steuerungsfähigkeit durch die depressive Erkrankung beeinträchtigt gewesen. Die Beklagte habe sich in einer tiefgreifenden Beziehungskrise, die sie grundsätzlich an ihren Fähigkeiten, eine Partnerschaft dauerhaft zu gestalten, zweifeln ließ, befunden. Dadurch, dass bereits ihr zweiter Ehemann schon recht kurz nach Eheschließung eine außereheliche Partnerschaft eingegangen sei, hätten sich bei der Beklagten erhebliche Selbstzweifel entwickelt. Sie habe sich existenzielle Fragen gestellt. Der seit längerer Zeit nicht erfüllte Kinderwunsch sei durch das Scheitern der zweiten Ehe erneut in weite Ferne getreten, was eine zusätzliche schwere emotionale Belastung dargestellt habe. In dieser emotionalen Krisensituation mit Selbstbezichtigungen und Selbstvorwürfen sei sie den Schmeicheleien und Werbungsversuchen des Gefangenen H. gegenüber besonders empfänglich gewesen. Diese emotionale Bedürftigkeit sei vom Gefangenen H. bedient worden, so dass sie ihre erlernten und ihr auch nach eigenen Angaben zu dieser Zeit bewussten Sicherungspflichten nicht wahrgenommen habe. Aufgrund dessen sei zumindest nicht hinreichend sicher auszuschließen, dass bei der Beklagten eine verminderte Steuerungsfähigkeit im zweiten Halbjahr 2011 in Bezug auf die Beziehung zum Gefangenen H. vorgelegen habe.
90Dabei komme es – wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – bei affektiven Erkrankungen darauf an, ob die Symptome in unmittelbarem Zusammenhang zur Erkrankung stehen, was hier zu bejahen sei. Die beschriebene Situation der Beklagten sei dermaßen "ausgestanzt" zu sehen, dass der Kern der Erkrankung zugleich Kern des Problems sei (Symptomcharakter der Tat). Unter diesen Voraussetzungen sei in der Literatur das Vorliegen einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit anerkannt. Im Hinblick auf die Beklagte könne diese jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.
91Bei den Verhaltensweisen der Beklagten könne man nicht zwischen den Handlungen und den Unterlassungen unterscheiden. Zwar habe die Beklagte auch Wünsche des Gefangenen H. abgelehnt oder zunächst nicht erfüllt. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung könne daraus aber nicht auf eine uneingeschränkte Steuerungsfähigkeit geschlossen werden. Diese Verhaltensweise schließe lediglich die Annahme einer Schuldunfähigkeit der Beklagten aus. Das wechselhafte Verhalten der Beklagten im gesamten Handlungsverlauf sei auf ihre emotionale Not, ihre Notlage zurückzuführen, die jeweils so groß geworden sei, dass sie letztlich die Grenzen überschritten habe. Dies belege aus seiner Sicht eher eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. Grundlage der depressiven Episode sei der emotional empfundene Mangel gewesen, den der Gefangene H. – vergleichbar einem Schlüssel – bedient habe, was dann zu den entsprechenden, von H. gewünschten Handlungen der Beklagten geführt habe. Dass sie sich habe einschließen lassen mit einem Schwerverbrecher, spreche gerade für diese emotionale Notlage. Krankheitsbedingt sei ihr eine rationale Entscheidung erschwert gewesen, da rationale Prüfmechanismen nicht wie üblich hätten greifen können.
92Der Einschätzung stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte ihren Dienst im Übrigen – soweit bekannt – beanstandungslos ausgeübt habe. Denn bei einer mittelgradigen depressiven Episode sei der Betroffene noch in der Lage zu arbeiten. Die Auswirkungen der Krankheit zeigten sich eher im privaten Bereich, über den er aber keine Informationen habe.
93(3)Der Senat geht aufgrund des in der Berufungshauptverhandlung mündlich erläuterten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. S2. , das auf den im schriftlichen Gutachten vom 23. Juli 2018 dargelegten Feststellungen fußt, davon aus, dass die Beklagte während des Tatzeitraums an einer psychischen Erkrankung litt, die die Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB erfüllte. Zugunsten der Beklagten legt der Senat seiner Bewertung zudem zugrunde, dass ihre Steuerungsfähigkeit gemindert war, weil der Sachverständige eine verminderte Steuerungsfähigkeit der Beklagten aufgrund der Störung nicht hinreichend sicher ausschließen konnte. Das in der Berufungshauptverhandlung mündlich vertretene Gutachten genügt den zu stellenden Anforderungen an Verlässlichkeit und Überzeugungskraft. Zweifel an der Methodik und Wissenschaftlichkeit des Gutachtens bestehen nicht, wobei insoweit das mündlich erstattete Gutachten maßgeblich ist.
94Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.03.2015 – 2 WD 3.14 –, juris Rn. 61.
95Die anzunehmende verminderte Steuerungsfähigkeit der Beklagten aufgrund einer krankhaften seelischen Störung war aber nicht erheblich im Sinne des § 21 StGB. Da es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben, kommt es insoweit auf die Bewertung des Sachverständigen nicht an. Vielmehr bedarf es, wie bereits dargelegt, einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen, ihres Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab.
96Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.01.2012 – 2 B 78.11 –, juris Rn. 6 m.w.N.
97Wenn das Dienstvergehen in der Verletzung einer elementaren, selbstverständlichen, einfach zu befolgenden und sofort einsehbaren Dienstpflicht besteht, sind die beschriebenen und an den Beamten zu stellenden Anforderungen besonders hoch.
98Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2014 – 2 WD 35.11 –, juris Rn. 64.
99Unter Zugrundelegung dessen trifft das Gericht die Bewertung, dass eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit auf Seiten der Beklagten nicht vorlag. So besteht das zuvor beschriebene Dienstvergehen der Beklagten in der Verletzung elementarer, selbstverständlicher, sofort einsehbarer und einfach zu befolgender Grundpflichten eines Beamten im Justizvollzugsdienst, die den Kernbereich der dienstlichen Tätigkeit ausmachen. Aufgrund dessen sind besonders hohe Anforderungen hinsichtlich der Einhaltung der Dienstpflichten an die Beklagte zu stellen. Diesen genügt der im Verhalten der Beklagten zutage getretene Ausprägungsgrad der Beeinträchtigung einer Steuerungsfähigkeit nicht. Gegen einen damit erforderlichen hohen Ausprägungsgrad der Störung auf Seiten der Beklagten spricht bereits der über Monate andauernde Zeitraum der systematischen Verheimlichung der Liebesbeziehung, des Handybesitzes und der zweimaligen Aufladung des Guthabens auf der Prepaid-Karte. Diese Verhaltensweisen sind Ausdruck eines geplanten und gesteuerten Vorgehens. Auch die Tatsache, dass sie die Aufladung eigenen Angaben nach zunächst verweigerte und seinem Ansinnen nach einem verborgenen Zusammenreffen zunächst nicht folgte und sich erst nach längerer Vorlaufzeit mit dem Gefangenen H. einschließen ließ, zeigt, dass die Beklagte den Verstoß gegen Kernpflichten zu steuern in der Lage war. Dasselbe belegt die Dienstwahrnehmung, die Voraussetzung für die Fortsetzung der Liebesbeziehung mit dem Gefangenen H. war. Bestätigt wird diese Feststellung des Senats auch durch das Nachtatverhalten der Beklagten, indem sie das Dienstvergehen nicht nur bestritten, sondern zugleich dritte Personen der üblen Nachrede und falschen Verdächtigung bezichtigt hat. Insgesamt stellt sich das Verhalten der Beklagten in den Tathandlungen und in der Absicherung als planvoll und zielgerichtet dar. Die monatelange Verheimlichung der Beziehung bei gleichzeitigem Austausch von Liebkosungen verlangte es der Beklagten ab, die Umgebung zu beobachten und auf Veränderungen sinnvoll zu reagieren. Ihr Verhalten wird nicht nur kurzfristig, spontan, "impulsartig", sondern wiederholt und kontinuierlich über mehrere Monate hinweg gezeigt.
100bb)Auch eine so genannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums, die je nach den Umständen des Einzelfalls mildernd berücksichtigt werden kann, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erkennbar. Danach können außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt aus der Bahn geworfen haben, mildernd in Ansatz zu bringen sein. Voraussetzung hierfür sind außergewöhnlich belastende Umstände, die inzwischen überwunden sind.
101Vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.10.2014– 2 B 60.14 –, juris Rn. 32 = NVwZ–RR 2015, 50 ff., und Urteil vom 10.12.2015 – 2 C 6.14 –, juris Rn. 36 = NVwZ 2016, 772 ff.
102Hier sind bereits keine Anhaltspunkte für eine negative Lebensphase in diesem Sinne ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Insbesondere stellen die von ihr dargestellten Probleme mit ihrem zweiten Ehemann keine außergewöhnlichen Verhältnisse dar, die sie derart aus der Bahn geworfen hätten, dass ein pflichtgemäßes Verhalten ihr nicht mehr abzuverlangen gewesen wäre. Davon kann bereits deshalb keine Rede sein, weil sie trotz der Probleme weiterhin ihren Dienst versehen hat, worauf bereits hingewiesen worden ist. Auch zeigen die Eingehung und ihr planvolles Verheimlichen der Liebesbeziehung, ihre Aufladung der Prepaid-Karten und ihr Nachtatverhalten, dass sie nicht durch außergewöhnliche Umstände aus der Bahn geworfen war.
103cc)Die Beklagte kann sich nicht auf den Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung berufen,
104vgl. BVerwG, Urteil vom 24.05.2007 – 2 C 25.06 –, juris Rn. 21,
105da sie die Taten selbst nach der Tatentdeckung zunächst in Abrede gestellt hat. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass sie die zweimalige Weitergabe von Prepaid-Karten für das Handy des Gefangenen H. im Rahmen des Strafverfahrens eingeräumt hat. Hierbei handelt es sich lediglich um einen Teilakt ihres Dienstvergehens.
106dd)Da sich das Verhalten auch über einen längeren Zeitraum hinzog, liegt auch keine einmalige, persönlichkeitsfremde Augenblickstat auf Seiten der Beklagten vor.
107Vgl. BVerwG, Urteil v. 24.02.1999 – 1 D 31.98 –, juris Rn. 19.
108b)Das Fehlen anerkannter Milderungsgründe besagt allerdings nicht zwangsläufig, dass gegen die Beklagte wegen des ihr zur Last fallenden Dienstvergehens die Höchstmaßnahme verhängt werden müsste. Unter Geltung der Bemessungsvorgaben gemäß § 13 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 LDG NRW kann mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht zukommen, wenn sie zum Erfüllen eines so genannten anerkannten Milderungsgrundes nicht ausreichen. Sie dürfen deshalb nicht außer Betracht bleiben.
109Die anerkannten Milderungsgründe bieten jedoch Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Tathandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 25.
111Dies zugrunde gelegt führt die prognostische Gesamtwürdigung sämtlicher be– und entlastender Gesichtspunkte des Streitfalls zu der Bewertung, dass es nicht möglich ist, von der durch die Schwere des dem Beklagten zur Last fallenden Delikts indizierten Höchstmaßnahme abzusehen.
112Zugunsten der Beklagten hat der Senat berücksichtigt, dass sie nicht einschlägig disziplinarisch vorbelastet ist. Dies und ihre guten Leistungen und Beurteilungen können die Beklagte allerdings nicht erheblich entlasten, weil auch ein beanstandungsfreies Verhalten mit überdurchschnittlichen Beurteilungen regelmäßig nicht geeignet ist, gravierende Dienstpflichtverletzungen in einem durchgreifend milderen Licht erscheinen zu lassen. Jeder Beamte ist generell verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich achtungs- sowie vertrauenswürdig, insbesondere gesetzestreu zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten abgesenkt werden. Weder die langjährige Beachtung der Dienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen sind daher geeignet, schwere Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen.
113Zu Gunsten der Beklagten hat der Senat ferner berücksichtigt, dass sie den Sachverhalt zwar nicht freiwillig vor Tatentdeckung, jedoch später im Straf- und Disziplinarklageverfahren eingeräumt und bedauert hat. Ferner ist berücksichtigt, dass sich die Ehe der Beklagten zum Zeitpunkt des Dienstvergehens in einer schweren Krise befand und sie – wie der Sachverständige festgestellt hat – im Tatzeitraum an einer depressiven Erkrankung mit Beeinträchtigungen ihrer Steuerungsfähigkeit – wenngleich unter der Erheblichkeitsschwelle – litt.
114Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.01.2013 – 2 B 63.12 –, juris Rn. 13, m.w.N.
115Auch dies entlastet die Beklagte indes nicht durchgreifend angesichts der Schwere ihres Vergehens.
1162.Bei einer abschließenden Gesamtabwägung des Gewichts des der Beklagten zur Last fallenden einheitlichen Dienstvergehens, der erörterten die Beklagte be- und entlastenden Umstände ihres Persönlichkeitsbildes sowie des erheblichen Ausmaßes der von ihr zu verantwortenden Vertrauensbeeinträchtigung gelangt das Gericht zu der Bewertung, dass als Sanktion für ihr Fehlverhalten allein die Höchstmaßnahme angezeigt ist. Die Beklagte hat das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiderruflich zerstört. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte nach Aufdeckung ihres Liebesverhältnisses die Anstaltsleitung auch weiterhin, insbesondere über die Verlegung des Gefangenen H. hinaus, über die Existenz des Handys im Unklaren ließ, damit die Sicherheit in einer weiteren Justizvollzugsanstalt beeinträchtigte, und das Ende der Beziehung vorspiegelte. Durch ihr als gravierendes Dienstvergehen zu bewertende Verhalten hat die Beklagte einerseits das für die Ausübung ihres Berufs erforderliche Vertrauen ihres Dienstherrn, ihr Ansehen, ihre Autorität und Glaubwürdigkeit irreparabel zerstört sowie andererseits das Ansehen ihrer gesamten Berufsgruppe erheblich beeinträchtigt. Die Integrität des Justizvollzugs und der Strafrechtspflege im öffentlichen Erscheinungsbild erfordern eine besondere Zuverlässigkeit des jeweiligen Beamten und ein uneingeschränktes Einstehen für Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt. Ein Justizvollzugsbeamter, dessen Verhalten die Ordnung und Sicherheit der Anstalt beeinträchtigt, lässt gerade diese besondere Zuverlässigkeit vermissen.
117Im Hinblick auf die besondere Schwere des Dienstvergehens steht dies allerdings nicht der Wertung entgegen, wonach durch das Dienstvergehen bei dem Dienstherrn und insbesondere der Allgemeinheit ein vollständiger Vertrauensverlust eingetreten, das Vertrauen vollends zerstört und die von der Beklagten verursachte Ansehensschädigung nicht wieder gutzumachen ist.
118Es ist dem Dienstherrn nicht zuzumuten und wäre der Allgemeinheit nicht verständlich zu machen, wenn die Beklagte weiterhin als Beamtin tätig würde.
1193.Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Sie hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Die Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für die Beamtin ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten der für ihr Handeln verantwortlichen Beklagten, die sich gerade angesichts des Versagens im Kernbereich ihrer Aufgaben bewusst sein musste, dass sie hiermit ihre berufliche Existenz aufs Spiel setzte.
120Auch kann dahinstehen, ob das Disziplinarverfahren unverhältnismäßig lange gedauert hat. Denn eine lange Dauer des Disziplinarverfahrens wäre nicht geeignet, das vom Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen.
121Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.2014 – 2 B 66.14 –, juris Rn. 7 m.w.N., und Urteil vom 25.07.2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 40 = NVwZ–RR 2014, 105 ff.
122D.Zu einer Abänderung des Unterhaltsbeitrags (§ 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 LDG NRW) besteht kein Anlass.
123E.Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 2 VwGO.
124Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 3 Abs. 1 LDG NRW, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
125Ein Grund, die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
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