Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 A 3205/17
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren unterbrochen ist.
1
G r ü n d e :
2Der Senat entscheidet über die Unterbrechung des Berufungsverfahrens durch den Berichterstatter. Im vorbereitenden Verfahren entscheidet der bestellte Berichterstatter u. a. über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens (vgl. § 87a Abs. 1 Nr. 1 VwGO); diese Regelung gilt entsprechend für das Berufungsverfahren (vgl. § 125 Abs. 1 VwGO). Sie ist auch auf die Fälle der Unterbrechungen nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 239 ff. ZPO anwendbar.
3Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5.11.2015 - 19 A 1582/15 -; Ortloff/Riese, in: Schoch u. a., VwGO, Stand 5/2018, § 87a Rn. 28 sowie Geiger, in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 87a Rn. 7.
4Nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 240 Satz 1 ZPO wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Die Voraussetzungen für die Unterbrechung des Berufungsverfahrens sind danach im Hinblick auf die vom Amtsgericht Köln am 1.9.2018 beschlossene Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der beigeladenen A. GmbH - 75 IN 232/18 - erfüllt.
5Die beigeladene A. GmbH ist Partei des Verfahrens im Sinne von § 173 VwGO, § 240 ZPO. Partei im Sinne dieser Bestimmungen ist eine Beigeladene jedenfalls dann, wenn die Beiladung notwendig ist (vgl. § 65 Abs. 2 VwGO).
6Vgl. BFH, Urteil vom 7.10.1987 - II R 187/80 -, juris sowie BFH, Urteil vom 13.10.2016 - IV R 20/14 -, juris.
7Im vorliegenden - von der Klägerin als Grundstückskäuferin betriebenen - Verfahren der Anfechtung der behördlichen Ausübung des städtebaulichen Vorkaufsrechts ist die Beiladung der Verkäuferin notwendig.
8Vgl. zur notwendigen Beiladung im Anfechtungsstreit über die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts: Kronisch, in Brügelmann, BauGB, Vorbemerkung zu §§ 24-28 BauGB, Rn. 100 (Stand Juli 2016).
9Die Ausführungen der Klägerin und der Beklagten rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, der Verkäuferin und Käuferin des von der Ausübung des Vorkaufsrechts erfassten Grundstücks betrifft.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.11.2009 - 4 B 52/09 -, BRS 74 Nr. 130.
11Bei einer Anfechtung eines solchen Verwaltungsakts mit Doppelwirkung durch einen Adressaten ist die Beiladung des betroffenen Dritten obligatorisch.
12Vgl. etwa Schneider, in Schoch u. a., VwGO, Loseblattkommentar, § 65, Rn. 6.
13Das vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren betrifft auch die Insolvenzmasse.
14Zur Insolvenzmasse gehören jedenfalls die im Schriftsatz des beteiligten Insolvenzverwalters vom 23.11.2018 genannten Grundstücke. Das Insolvenzverfahren erfasst gemäß § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung und das während des Verfahrens erlangte Vermögen. Aus der Eintragung der vom Insolvenzverwalter genannten Grundstücke im Grundbuch ergibt sich hier derzeit mit für die vorliegend zu treffende Entscheidung hinreichender Sicherheit die Eigentümerstellung der beigeladenen A. GmbH im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Ist im Grundbuch für jemand ein Recht eingetragen, so wird vermutet, dass ihm das Recht zustehe (vgl. § 891 Abs. 1 BGB).
15Die Grundstücke sind durch das Berufungsverfahren auch im Rechtssinne betroffen. Ein anhängiges Verfahren betrifft die Insolvenzmasse, wenn es zu ihr in rechtlicher oder wenigstens wirtschaftlicher Beziehung steht. Es reicht ein mittelbarer Bezug zur Insolvenzmasse aus, da von § 240 ZPO nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch Rechtsstreitigkeiten erfasst werden, die der Vorbereitung eines aktiv oder passiv die Insolvenzmasse betreffenden Hauptanspruchs dienen. Denn der Normzweck des § 240 ZPO, sowohl dem Insolvenzverwalter als auch den Parteien Gelegenheit zu geben, sich auf die durch die Insolvenz veränderte rechtliche und wirtschaftliche Lage einzustellen und insbesondere dem Insolvenzverwalter genügend Zeit einzuräumen, um sich mit dem Gegenstand des Rechtsstreits vertraut zu machen und zu entscheiden, ob es nötig und zweckmäßig ist, das Verfahren zu betreiben, spricht gegen ein enges Verständnis des Anwendungsbereichs und damit für die Einbeziehung auch von Verfahren, in denen um Ansprüche gestritten wird, die nur mittelbar die Insolvenzmasse betreffen.
16Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.6.2018 - 6 B 1/18 -, juris.
17Eine solche mittelbare Betroffenheit der Insolvenzmasse durch das vorliegende Verfahren, dessen Erfolgsaussichten hier nicht abschließend beurteilt werden können, liegt vor. Bei einem Erfolg der mit der Berufung weiter verfolgten Anfechtungsklage hinge es von hier nicht zu klärenden zivilrechtlichen Fragen ab, welche Ansprüche die Klägerin auf der Grundlage des Kaufvertrags vom 28.12.2016 gegen die Insolvenzmasse geltend machen könnte, des Weiteren wäre bei einem Erfolg der Anfechtungsklage im Zuge der Rückabwicklung der Vertragsbeziehungen zwischen Beklagter und der beigeladenen A. GmbH gegebenenfalls mit gegen die Insolvenzmasse gerichteten Ansprüchen auf Rückgewähr bereits entrichteter Kaufpreiszahlungen zu rechnen. Für eine mittelbare Betroffenheit der Insolvenzmasse durch das Verfahren spricht zudem, dass auch bei einer Abweisung der mit der Berufung weiter verfolgten Anfechtungsklage jedenfalls wirtschaftliche Auswirkungen auf die Insolvenzmasse in Rechnung zu stellen sind. Bei einer abschließenden Abweisung der gegen die Vorkaufsrechtsausübung gerichteten Klage wäre vom Bestand des Kaufvertrags zwischen Beklagter und der beigeladenen A. GmbH auszugehen. Dann könnte sich mit Blick auf die zugunsten der Beklagten eingetragene Vormerkung vom 22.5.2017 zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsübertragung ein „insolvenzfestes“ Aussonderungsrecht ergeben, mit der Folge, dass der betroffene Grundbesitz nicht mehr als zur Insolvenzmasse gehörend anzusehen wäre (vgl. §§ 47, 106 InsO).
18Vgl. zur Insolvenzfestigkeit vormerkungsgesicherter Ansprüche für Rechte an Grundstücken: BGH, Urteil vom 24.6.2003 - IX ZR 75/01 -, BGHZ 155, 227.
19Einer Feststellung der Unterbrechung des Verfahrens steht schließlich auch nicht etwa eine zwischenzeitliche Aufnahme durch den Insolvenzverwalter oder eine Beendigung des Insolvenzverfahrens entgegen.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 65 1x
- 75 IN 232/18 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 35 Begriff der Insolvenzmasse 1x
- VwGO § 125 1x
- IV R 20/14 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 52/09 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 891 Gesetzliche Vermutung 1x
- II R 187/80 1x (nicht zugeordnet)
- IX ZR 75/01 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 239 ff. ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 1/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 87a 1x
- VwGO § 173 3x
- 19 A 1582/15 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 240 Unterbrechung durch Insolvenzverfahren 2x