Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 800/19
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 16.000,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dem erstinstanzlich gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hätte stattgegeben müssen.
4Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung, dem Antragsgegner aufzugeben, die am Gymnasium X. in Münster ausgeschriebene A 14-Stelle (Mitarbeit in der Verwaltung; 4. Stelle) nicht zu besetzen und einem ausgewählten Mitbewerber die Ernennungsurkunde nicht auszuhändigen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist, mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO) abgelehnt. Die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen sei fehlerfrei und verletze nicht den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers (Art. 33 Abs. 2 GG). Der Beigeladene sei nach Ausschöpfung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen besser beurteilt als der Antragsteller. Die Beurteilungen endeten beide mit dem Gesamturteil von 5 Punkten und wiesen in den Einzelfeststellungen jeweils viermal 5 Punkte und zweimal 4 Punkte auf. Nach Nr. 7.6 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung des für Schule zuständigen Ministeriums (Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung vom 19. Juli 2017 - 213-1.18.07.03-6214) hätten bei der Übertragung des ersten Beförderungsamtes einer Laufbahn die Merkmale „Unterricht“, „Diagnostik und Beurteilung“ sowie „Erziehung und Beratung“ bei der Bildung des Gesamturteils besondere Bedeutung. Bedenken gegen diese Gewichtung seien angesichts der unmittelbaren Leistungsbezogenheit dieser Merkmale nicht erkennbar. Der Beigeladene habe in diesen Merkmalen im Unterschied zum Antragsteller durchweg 5 Punkte erhalten. Dass Antragsteller und Beigeladener von verschiedenen Personen beurteilt worden seien, sei dem Beurteilungswesen immanent; Anhaltspunkte für unzureichende Maßstabsvorgaben seien nicht ersichtlich. In der Beurteilung des Antragstellers sei auch berücksichtigt worden, dass er die Aufgaben des höherwertigen Dienstpostens bereits seit geraumer Zeit wahrnehme. Eine besondere Begründungspflicht ergebe sich allenfalls bei einem Einsatz auf einem um mehrere Besoldungsstufen höher bewerteten Dienstposten.
5Die mit der Beschwerde gegen diese weiter begründeten Annahmen des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwände führen nicht zum Erfolg.
6Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu der Einschätzung gelangt, die Ausschöpfung der Beurteilungen treffe auf keine rechtlichen Bedenken. Der Leistungsvergleich mit dem Ziel der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) ist in erster Linie anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen und dabei wiederum zunächst anhand des abschließenden Gesamturteils vorzunehmen, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Ergibt der Vergleich der Gesamturteile, dass mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen sind, kann der Dienstherr auf einzelne Gesichtspunkte abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen muss. Es ist seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen, welches Gewicht er den einzelnen Gesichtspunkten für das abschließende Gesamturteil und für die Auswahl zwischen im Wesentlichen gleich geeigneten Bewerbern beimisst und in welcher Weise er den Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verwirklicht, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt ist. Die Entscheidung des Dienstherrn, bestimmte Einzelfeststellungen zur Begründung eines Qualifikationsvorsprungs heranzuziehen oder ihnen keine Bedeutung beizumessen, unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung und ist im Grundsatz nur dann zu beanstanden, wenn der in diesem Zusammenhang anzuwendende Begriff oder der gesetzliche Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt worden ist oder wenn dieser von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2016 - 6 B 646/16 -, juris Rn. 5, mit weiteren Nachweisen.
8Dass die vom Antragsgegner vorgenommene besondere Gewichtung der Einzelmerkmale „Unterricht“, „Diagnostik und Beurteilung“ sowie „Erziehung und Beratung“ auf grundsätzliche Bedenken trifft, macht die Beschwerde nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist es aber weiter rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner den genannten Merkmalen auch insoweit eine besondere Bedeutung beigemessen hat, als er allein aus der besseren Bewertung des Merkmals „Unterricht“ - Antragsteller und Beigeladener sind hinsichtlich der Anzahl der 5- und 4-Punkte-Bewertungen in den Einzelmerkmalen exakt gleich beurteilt, nur die Verteilung auf die Merkmale weicht teilweise ab - einen Leistungsvorsprung des Beigeladenen abgeleitet hat. Darin liegt insbesondere keine Überschreitung des dem Dienstherrn zustehenden Entscheidungsspielraums. Vielmehr ist es unbedenklich, solchen - auch nur geringfügigen - leistungsbezogenen Unterschieden in der aktuellen Beurteilung den Vorrang einzuräumen, gerade auch gegenüber nur bedingt aussagekräftigen Vorbeurteilungen oder sogar nicht leistungsbezogenen Hilfskriterien.
9Vgl. zum Vorrang der Ausschöpfung von Einzelmerkmalen OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2018 - 6 B 679/18 -, juris Rn. 11.
10Dass der Antragsteller demgegenüber in dem Merkmal „Sozialkompetenz“ um einen Punkt besser als der Beigeladene abschneidet, steht angesichts der geringeren Gewichtung dieses Merkmals durch den Antragsgegner der Annahme eines Qualifikationsvorsprungs zugunsten des Beigeladenen nicht entgegen. Die Beschwerde irrt, wenn sie meint, eine Ausschöpfung sei fehlerhaft, wenn sich dabei keine „wesentlichen“ Unterschiede zwischen den Beurteilungen feststellen ließen. Es ist vielmehr nicht sachwidrig, wenn der Antragsgegner hier einen geringen Qualifikationsvorsprung ausreichen lässt, insbesondere weil er dadurch den Rückgriff auf leistungsfernere oder sogar nicht leistungsbezogene Kriterien vermeiden kann. Dass ein Rückgriff auf Vorbeurteilungen oder sogar auf Hilfskriterien in einer Fallkonstellation wie hier möglicherweise ebenfalls zulässig wäre, stellt die Sachgerechtigkeit des vom Antragsgegner gewählten Weges nicht in Frage.
11Soweit die Beschwerde zur weiteren Begründung darauf verweist, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „die bloße arithmetische Bildung eines Gesamturteils am Ende der Beurteilung unzulässig“ sei, macht sie nicht verständlich, unter welchem Gesichtspunkt dies hier zum Tragen kommen könnte. Dass bei gleichem Gesamturteil allein diesem letztlich keine maßgebliche Bedeutung zu Gunsten eines Bewerbers zukommen kann, liegt auf der Hand. Weshalb in einem solchen Fall die vom Antragsgegner vorgenommene Auswertung der Einzelmerkmale gegen das sog. Arithmetisierungsverbot verstoßen soll, ist nicht nachvollziehbar.
12Nicht zum Erfolg führt ferner der Einwand der Beschwerde, der Antragsgegner habe bei der Ausschöpfung der Beurteilungen nicht hinreichend berücksichtigt, dass diese von unterschiedlichen Beurteilern erstellt worden seien. Zwar ermöglicht die Auswertung von Einzelfeststellungen bei personenverschieden Beurteilungsverfassern häufig keine Ermittlung eines Vorsprungs, wenn die dienstlichen Beurteilungen ohne Vorgabe standardisierter Bewertungsbegrifflichkeiten frei formuliert werden; denn die Feststellungen sind in einem solchen Fall von der Zufälligkeit der Wortwahl, des Wortverständnisses und der stilistischen Vorlieben der jeweiligen Verfasser sowie ihrer Schwerpunktsetzung geprägt.
13Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. November 2018 - 6 B 1135/18 -, juris Rn. 24 f., vom 22. Mai 2018 - 6 B 88/18 -, juris Rn. 24 ff., und vom 2. Oktober 2015 - 6 B 794/15 -, juris Rn. 12 ff., jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
14Diese Erwägungen sind aber schon deswegen nicht auf den Streitfall übertragbar, weil die Einzelfeststellungen, auf die der Antragsgegner abgestellt hat, in Punktwerten getroffen werden. Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien Vorgaben zu den Beurteilungsmaßstäben enthalten und der Antragsgegner zudem solche einheitlichen Maßstäbe im Rahmen der Anforderung der Anlassbeurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen unter dem 21. März 2018 dargelegt hat. In seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 6. Mai 2019 hat der Antragsgegner zudem erklärt, dass in regelmäßigen Dienstbesprechungen mit allen Beurteilerinnen und Beurteilern das Beurteilungswesen und insbesondere die Beurteilungsmaßstäbe thematisiert würden. Die Beschwerde geht fehl, wenn sie meint, einheitliche Maßstäbe könnten ausschließlich mit der Durchführung von (speziellen) Beurteilerkonferenzen hinreichend vermittelt werden. Vielmehr liegt es im Organisationsermessen des Dienstherrn, auf welche Weise er bei unterschiedlichen Beurteilern für größtmögliche Vergleichbarkeit im Hinblick auf den Beurteilungsmaßstab sorgen will. Die Durchführung von Beurteilerkonferenzen mag insoweit hilfreich sein, rechtlich zwingend geboten ist sie indes nicht.
15Vgl. Hess. VGH; Beschluss vom 23. September 2015 - 1 B 707/15 -, juris Rn. 36.
16Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass anderenfalls, wie die Beschwerde meint, jeder Beurteiler die Maßstäbe zugrunde lege, die er selbst für richtig halte.
17Schließlich hat der Antragsteller auch mit dem Einwand keinen Erfolg, seine höherwertige Tätigkeit auf dem streitbefangenen Dienstposten, der ihm bereits seit geraumer Zeit übertragen worden sei, sei im Rahmen der Beurteilung nicht berücksichtigt worden. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zutreffend festgestellt, dass die entsprechenden Tätigkeiten in der Beurteilung (unter „2. Tätigkeit außerhalb der Unterrichts/Sonderaufgaben“) benannt worden seien und auch über das Einzelmerkmal „4. Mitwirkung an der Schul- oder Seminarentwicklung“, das beim Antragsteller mit der Bestnote bewertet worden sei, Eingang in die Beurteilung gefunden hätten. Anhaltspunkte dafür, dass der Beurteiler trotz der ausdrücklichen Aufzählung unter Nr. 2 der Beurteilung diese Tätigkeiten nicht berücksichtigt haben könnte, benennt die Beschwerde nicht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
18Entgegen der Auffassung der Beschwerde bedurfte es auch keiner weitergehenden Begründung, in welcher Weise die (teilweise) Höherwertigkeit der wahrgenommenen Aufgaben Eingang in die einzelnen Beurteilungsmerkmale gefunden hat. Der vom Antragsteller angeführte Beschluss des OVG NRW vom 17. August 2017 - 1 B 1132/16 - verlangt schon deswegen nicht Abweichendes, weil die dort zugrunde liegende Fallkonstellation - wie bereits vom Verwaltungsgericht festgestellt - mit dem Streitfall nicht zu vergleichen ist; es fehlt schon an einem Einsatz des Antragstellers auf einem deutlich höherwertigen Dienstposten. Soweit die Beschwerde ein solches besonderes Begründungserfordernis auch bei der (teilweisen) Wahrnehmung von Aufgaben annimmt, die einem um nur eine Besoldungsstufe höher eingestuften Dienstposten zugeordnet sind, folgt der Senat dem nicht.
19Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
20Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
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- 6 B 794/15 1x (nicht zugeordnet)
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- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- 6 B 646/16 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- 6 B 88/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 146 1x
- 1 B 1132/16 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- 1 B 707/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 679/18 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x