Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1530/17
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren wird auf 6.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der allein auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Dabei bedeutet „darlegen“ i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2013– 1 A 106/12 –, juris, Rn. 2, m. w. N.
5Hiervon ausgehend rechtfertigt das fristgerechte Zulassungsvorbringen des Klägers die begehrte Zulassung der Berufung nicht. Es weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
6Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
7Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 28. August 2018 – 1 A 249/16 –, juris, Rn. 2.
8Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinander setzen und konkret aufzeigen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen sie ernstlichen Zweifeln begegnen.
9Der Gegenstand des Zulassungsverfahrens ist allerdings auf den Streitgegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung beschränkt. Er kann deswegen im Verfahrensstadium bis zur Entscheidung über die Zulassung der Berufung weder ausgetauscht noch im Sinne einer Klageänderung (§ 91 VwGO) geändert oder erweitert werden.
10Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 21. Mai 2001– 8 A 3373/99 –, juris, Rn. 13 ff.; Thür. OVG, Beschluss vom 22. Januar 2003 – 1 ZKO 506/01 –, juris, Rn. 7; Seibert, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a, Rn. 225; jeweils m. w. N.
11Nach Maßgabe dieser Grundsätze zeigt das Zulassungsvorbringen keine durchgreifenden ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auf.
12Der Kläger wurde auf entsprechenden Antrag vom 16. September 2015 nach Vollendung des 63. Lebensjahres durch Bescheid vom 8. Oktober 2014 mit Ablauf des Monats Dezember 2014 nach § 52 Abs. 3 BBG in den Ruhestand versetzt. Nachdem er unter dem 21. Januar 2015 rückwirkend ab dem 6. August 2014 als Schwerbehinderter anerkannt worden war, beantragte er am 27. März 2015, ihn mit Ablauf des 31. Dezember 2014 nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BBG in den Ruhestand zu versetzen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2014 – 2 C 65.11 – ab, wonach der Grund, auf dem der Ruhestand beruhe, nach Beginn des Ruhestands nicht mehr geändert werden könne. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er Einbußen bei seiner Pension beklagte und dazu falsche Auskünfte durch die Beklagte geltend machte, blieb erfolglos.
13Das Verwaltungsgericht hat die auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Antrags des Klägers vom 27. März 2015 (in dem im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wiedergegebenen Antrag – offenbar unrichtig – mit "27.03.2017" angegeben, demgegenüber richtig die Antragsfassung auf Seite 2 der Klageschrift vom 29. Februar 2016) gerichtete Klage im Wesentlichen aus folgenden Gründen abgewiesen: Eine nachträgliche Änderung des Grundes der Zurruhesetzung komme aus den Gründen des o. g. genannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts bei einer (wie hier) bereits erfolgten Zurruhesetzung nicht in Betracht. Der Kläger könne Entsprechendes auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verlangen. Dieser sei vorliegend aufgrund des § 38 Abs. 1 VwVfG und des § 3 Abs. 2 BeamtVG nicht anwendbar. Auch ein Anspruch aufgrund einer Verletzung der Fürsorgepflicht sei nicht gegeben. Der Kläger habe eine objektiv fürsorgepflichtwidrige und schuldhafte Handlung der Beklagten bezogen auf die hier allein interessierende Zeit bis zur Stellung seines Antrags nach § 52 Abs. 3 BBG nicht dargetan. Eine Verpflichtung der Beklagten, Beamte in der Situation des Klägers ungefragt über die Rechtslage umfassend aufzuklären, habe unter den hier gegebenen Umständen nicht bestanden.
14Der Kläger stellt dem mit seinem fristgerechten Antragsvorbringen entgegen: Ihm stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aufgrund der Verletzung der Fürsorgepflichten des Dienstherrn gemäß § 78 BBG zu. Zwar gebiete es diese Pflicht grundsätzlich nicht, Beamte von sich auf für sie in Betracht kommende Möglichkeiten einer Antragstellung aufmerksam zu machen. Besondere Fallumstände – wie etwa eine ausdrückliche Bitte um Auskunft – könnten allerdings eine besondere Belehrungspflicht auslösen. Eine solche Bitte um Auskunft habe er an Frau T. vom Personalservice gestellt und darauf unter dem 22. August 2014 per E-Mail eine (in der Antragsbegründung näher wiedergegebene) Auskunft erhalten, die vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts so nicht hätte gegeben werden dürfen, jedenfalls nicht, ohne auf bestehende Risiken hinzuweisen. Infolge dieser schuldhaften Pflichtverletzung habe er in Höhe der monatlichen Ruhegehaltseinbuße durch den Versorgungsabschlag einen finanziellen Schaden erlitten. Im Falle einer korrekten Beratung hätte er den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand nämlich erst nach Anerkennung seiner Schwerbehinderung gestellt. Das Verwaltungsgericht habe insoweit verkannt, dass er zumindest einen Anspruch auf Schadensersatz habe, falls eine positive Bescheidung seines Antrags vom 27. März 2015 analog dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch oder aufgrund eines Folgenbeseitigungsanspruch nicht möglich sein sollte.
15Dieses Vorbringen greift insgesamt nicht durch. Es stellt zunächst nicht die höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung in Frage, derzufolge der Grund für die Versetzung eines Beamten in den (Antrags-)Ruhestand nach dem Beginn des Ruhestands nicht ausgewechselt werden darf, was auch in Fällen rückwirkender Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gilt.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2014 – 2 C 65.11 –, juris, Rn. 23 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 6 A 2449/14 –, juris, Rn. 9 ff.; BayVGH, Beschluss vom 11. April 2016 – 3 ZB 14.919 –, juris, Rn. 4 ff.
17Die Antragsbegründung setzt sich ferner nicht argumentativ mit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auseinander, der Klageanspruch lasse sich nicht mit Erfolg auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Ebenso wenig wird erläutert, wieso aus Sicht des Klägers (ggf.) die Voraussetzungen des kurz mit angesprochenen Folgenbeseitigungsanspruchs erfüllt sein sollen.
18Das weitere Zulassungsvorbringen, welches schwerpunktmäßig an eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn durch eine fehlerhafte Beratung über die nachträgliche Austauschbarkeit des Grundes der Zurruhesetzung nach Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft anknüpft, lässt nicht nachvollziehbar hervortreten, inwiefern eine solche (unterstellte) Pflichtverletzung auf die begehrte Rechtsfolge, nämlich die Neubescheidung des Antrags vom 27. März 2015, der auf die Auswechselung des Grundes für den Antragsruhestand gerichtet ist, führen kann. Soweit dieses Vorbringen auf einen Schadensersatzanspruch zum Ausgleich des vom Kläger erlittenen finanziellen Nachteils zielt, ist es in diesem Berufungszulassungsverfahren nicht berücksichtigungsfähig, weil dort der Klagegegenstand nicht geändert werden darf.
19Das genannte Vorbringen bezieht sich trotz (teils) vorhandener Übereinstimmungen beim Klagegrund auf ein gegenüber dem bisherigen Verfahrensgegenstand inhaltlich völlig anderes Begehren ("aliud"), ohne dass eine der Fallgruppen, die nach § 173 VwGO i. V. m. § 264 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen sind, einschlägig ist. Der vom Kläger nunmehr (mit) geltend gemachte Anspruch auf einen Ausgleich seines finanziellen Schadens unterscheidet sich in der Sache deutlich von dem bisherigen Streitgegenstand. Dieser bezog sich auf die statusrechtliche Zuordnung des Ruhestands des Klägers nach Maßgabe der verschiedenen Fallgruppen des § 52 BBG. Diese Zuordnung als solche ist für den dem Kläger ggf. durch ein hinzutretendes fürsorgepflichtwidriges Verhalten des Dienstherrn (Beratungsfehler) mitverursachten finanziellen Schaden allenfalls von mittelbarer Bedeutung gewesen. Daneben hat sich die für den Kläger in der betroffenen Fallgruppe des Ruhestands nachteilige Ausgestaltung des Beamtenversorgungsrechts (Versorgungsabschlag) wesentlich ausgewirkt.
20Ein Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung war bisher nicht Gegenstand des Verfahrens. Das gilt sowohl für das Antrags- und Widerspruchsverfahren als auch für das erstinstanzliche Klageverfahren, dessen Streitgegenstand wesentlich durch den (dem Antrag in der Klageschrift voll entsprechend) in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag des Klägers bestimmt wird. Dieser bezieht sich (eindeutig) allein auf die Neubescheidung des Antrags des Klägers vom 27. März 2015 unter Aufhebung der insoweit ergangenen Bescheide. Der im Verwaltungsverfahren gestellte Antrag vom 27. März 2015 hatte aber ausschließlich den Austausch des Grundes für die Zurruhesetzung des Klägers (§ 52 Abs. 2 Satz 1 BBG statt § 52 Abs. 3 BBG) zum Gegenstand. Soweit demgegenüber in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auch ein Anspruch auf Schadensersatz verneint (UA, Seite 4 unten) und – möglicherweise daran anknüpfend – ein Anspruch aufgrund einer Verletzung der Fürsorgepflicht geprüft wurde (UA, Seite 5 f.), ist dies nicht nachvollziehbar; der Bezug dieser Rechtsprüfung zum Streitgegenstand bleibt völlig unklar.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
22Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
23Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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- BeamtVG § 3 Regelung durch Gesetz 1x
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