Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 738/18
Tenor
Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen werden zurückgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Entscheidungsgründe:
2Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen haben keinen Erfolg.
3Die Klage ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
4I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (dazu 1.). Die Klägerin ist klagebefugt (dazu 2.).
51. Die Voraussetzungen einer statthaften Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO liegen vor. Die angefochtene Bewilligung des Beklagten über Sonntagsarbeit für den 13. und 20.12.2015 hat sich durch Zeitablauf erledigt. Das erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben.
6Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass in Zukunft unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird.
echts">7an>Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.1.2017 ‒ 7 B 1.16 ‒, Buchholz 406.25 § 16 BImSchG Nr. 3 = juris, Rn. 29, m. w. N.
8Ist gerichtlicher Eilrechtsschutz erlangt worden, bestehen aber Anhaltspunkte dafür, dass Behörden sich nicht an den in vorangegangenen Eilverfahren vorgenommenen gerichtlichen Bewertungen ausrichten werden, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, es sei denn, die konkret betroffene Behörde hat eindeutig erkennen lassen, von einer Wiederholung der Erteilung der angegriffenen Bewilligung unter Verwendung der von ihr ursprünglich gegebenen Begründung der streitgegenständlichen Entscheidung in Zukunft absehen zu wollen.
9Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 –, BVerfGE 110, 77 = juris, Rn. 44.
10So liegt der Fall hier. Es besteht die hinreichende Gefahr, dass auch in den zukünftigen Jahren von der Beigeladenen in der Vorweihnachtszeit gleich gelagerte Anträge auf Bewilligung von Sonntagsarbeit gestellt werden. Zwar hat die Beigeladene zwischenzeitlich keine weiteren Anträge auf Beschäftigung an Sonntagen im Dezember gestellt. Ursächlich hierfür war allerdings, dass die Bezirksregierung Düsseldorf gegenüber der Beigeladenen mitgeteilt hatte, dass 2016 keine Ausnahmebewilligungen erteilt würden, was auf einer „Weisung des Ministeriums“ beruhe. Der Beklagte hat hierdurch nicht eindeutig erkennen lassen, dass er in Zukunft bei ähnlichen oder gleichen Voraussetzungen von einer Erteilung der Ausnahmebewilligung absehen werde. Er hat vielmehr selbst Berufung gegen das Urteil erster Instanz eingelegt und hält an seiner Rechtsauffassung, die erteilte Bewilligung sei rechtmäßig gewesen, fest.
112. Die Klägerin ist klagebefugt. Sie kann sich in ihrer Eigenschaft als Gewerkschaft im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung,
12s="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteile vom 3.3.1987 – 1 C 15.85 –, BVerwGE 77, 70 = juris, Rn. 15, und vom 23.3.1982 – 1 C 157.79 –, BVerwGE 65, 167 = juris, Rn. 23,
13auf eine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO berufen. Nach dieser Vorschrift ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch das streitgegenständliche Verhalten der öffentlichen Gewalt in seinen Rechten verletzt zu sein. Das ist dann der Fall, wenn nach dem tatsächlichen Klagevorbringen eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.7.2001 – 1 C 35.00 –, BVerwGE 114, 356 = juris, Rn. 15; OVG NRW, Urteil vom 19.3.2019 – 4 A 1361/15 –, ZLW 2019, 309 = juris, Rn. 91 f., m. w. N.
15Subjektive Rechte vermitteln solche Normen, die nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit dienen, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Rechte. In diesem Sinn drittschützend ist eine Norm, die das geschützte Recht sowie einen bestimmten und abgrenzbaren Kreis der hierdurch Berechtigten erkennen lässt.
16Vgl. BVerwG, Urteile vom 11.10.2016 – 2 C 11.15 –, BVerwGE 156, 180 = juris, Rn. 27, und vom 10.4.2008 – 7 C 39.07 –, BVerwGE 131, 129 = juris, Rn. 19.
s="absatzRechts">17Die hier streitentscheidenden Vorschriften der §§ 9, 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG sind zu Gunsten der Klägerin drittschützend.
18lass="absatzLinks">So bezogen auf Anordnungen aufgrund konkret-individueller Regelungen zur Durchbrechung des Beschäftigungsverbots nach § 9 ArbZG bereits OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2015 – 4 B 1465/15 –, KirchE 66, 355 = juris, Rn. 8; BayVGH, Beschluss vom 8.12.2016 – 22 ZB 16.1180 –, BayVBl. 2017, 563 = juris, Rn. 5 ff., 7; Sächs. OVG, Beschluss vom 11.12.2015 ‒ 3 B 369/15 ‒, ArbuR 2016, 85 = juris, Rn. 6; VG Kassel, Urteil vom 16.5.2017 – 3 K 2203/14.KS –, ArbRB 2017, 198 = juris, Rn. 34 f., m. w. N.; VG Augsburg, Urteil vom 14.4.2016 ‒ Au 5 K 15.1834 ‒, Rn. 27 (nicht veröffentlicht).
19Sie konkretisieren mit den Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise aufgrund „konkret-individueller“ behördlicher Anordnung beschäftigt werden dürfen, auf der Ebene des einfachen Rechts ‒ ebenso wie die demselben Zweck dienende Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 1 ArbZG ‒ den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) ergibt. Nach Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Zweck des Arbeitszeitgesetzes, insbesondere der dem Sonn- und Feiertagsschutz dienenden Einzelregelungen, ist es nach seinem § 1 Nr. 2, den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen. Die Erfüllung des in der Sonn- und Feiertagsgarantie begründeten Schutzauftrags unter anderem durch die §§ 9, 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG und deren Anwendung im Einzelfall dient nicht nur dem Schutz der Arbeitnehmer und ihrer individuellen Rechte, sondern auch der Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind, sowie der sich aus ihnen ergebenden staatlichen Schutzpflicht. Dazu zählt neben weiteren Grundrechten ebenso die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), auch in Gestalt der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), die sich so effektiver wahrnehmen lässt. Denn die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist auch für die Rahmenbedingungen des Wirkens der politischen Parteien, der Gewerkschaften und sonstiger Vereinigungen bedeutsam.
20Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857/07 u. a. –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 131, 134 f., 138, 144 ff.; BVerwG, Urteil vom 26.11.2014 – 6 CN 1.13 –, BVerwGE 150, 327 = juris, Rn. 15 ff.
21Damit wird die Klagebefugnis nicht unzulässig unmittelbar den Grundrechten entnommen, wie die Beigeladene meint. Der Gesetzgeber selbst hat vielmehr – auch zur Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflichten – den der Stärkung subjektiver kollektiver Grundrechte dienenden verfassungsrechtlichen Schutzauftrag einfach-gesetzlich ausgestaltet. Deshalb dienen die diesen Zweck verfolgenden einfach-gesetzlichen Vorschriften bereits nach dem Regelungszweck und dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls auch dem Schutz der subjektiven verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte unter anderem der Gewerkschaften. Dies wird durch anderslautende von der Beigeladenen angeführte Rechtsprechung und Literatur, die entweder durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Ladenöffnungsgesetz von 2009 überholt ist, auf diese Zusammenhänge nicht eingeht oder die mittlerweile gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung im Hinblick auf ihre Folgen anzweifelt, nicht durchgreifend in Frage gestellt.
22Vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.2.2008 – 22 ZB 06.1921 –, BayVBl. 2008, 413 = juris, Rn. 2, m. w. N., sowie unter Hinweis allein hierauf Schl.‑H. VG, Urteil vom 24.9.2014 – 12 A 219/13 –, juris, Rn. 35, und Kock, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, Stand: 1.9.2019, § 13 ArbZG Rn. 29; Wichert, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2016, § 13 ArbZG Rn. 62, 66; Leisner, NVwZ 2014, 921, 924; zweifelnd Ehlers, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 139 WRV Rn. 1; lediglich vor einer zu weitreichenden Ausweitung der als zwangsläufige Folge der Rechtsprechung des BVerfG anzuerkennenden Klagebefugnis warnend: Wiebauer, NVwZ 2015, 543, 544 f.
23Nach dem Vorbringen der Klägerin erscheint es ausgehend davon möglich, dass die streitgegenständliche Zulassung von Sonntagsarbeit unter Verletzung der zumindest auch ihrem Schutz dienenden rechtlichen Vorgaben aus §§ 9, 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG erfolgt ist. Denn die Klägerin ist in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen, in dem sie als Dienstleistungsgewerkschaft zahlreiche Beschäftigte der Beigeladenen vertritt. Die im Rahmen der Entscheidung über die angegriffene Bewilligung zu berücksichtigenden Belange des Sonn- und Feiertagsschutzes, deren Verletzung die Klägerin geltend macht, dienen wegen des hier betroffenen Dienstleistungsbereichs, auf den die Tätigkeit der Beigeladenen ausgerichtet ist, auch der effektiveren Wahrnehmbarkeit ihrer Vereinigungsfreiheit. Wenn man der Gewerkschaft aus diesem Grund das Recht zubilligt, sich gegen Beeinträchtigungen in ihrer Vereinigungsfreiheit durch rechtswidrige Bewilligungen nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG zur Wehr zu setzen, erfolgt dies unabhängig von möglicherweise konkret stattfindenden Arbeitskämpfen. In der Berechtigung, vor Gericht auf die Einhaltung geltenden Rechts bezogen auf Maßnahmen hinwirken zu dürfen, die rechtlich geschütztes Handeln beeinträchtigen, liegt auch kein „neues Arbeitskampfinstrument“. Denn dabei geht es nicht darum, den „Rechtskreis“ der Arbeitnehmerrechte oder -belange zu erweitern, sondern nur darum, rechtswidrige Eingriffe und Belastungen abzuwehren. Auch die von dem Beklagten und der Beigeladenen aufgeworfene rein verfahrensrechtliche Problematik, inwieweit Gewerkschaften wegen der Zuerkennung eines subjektiven Rechts bei der Rechtsanwendung im Einzelfall zu beteiligen sind, mag aus praktischen Erwägungen für den Beklagten von Belang sein. Bei der Bestimmung des Schutzbereichs des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG spielt dies jedoch keine Rolle. Dies gilt umso mehr, als § 13 Abs. 2 VwVfG NRW der vom Beklagten angeführten Problematik hinreichend Rechnung trägt, dass betroffene Dritte ihr nicht immer bekannt sind, und hierdurch damit keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Sofern die betroffenen Dritten bekannt sind, ist ihre grundsätzliche Beteiligung nicht unzumutbar, wie etwa die ähnlichen Zwecken dienende Vorschrift in § 6 Abs. 4 Satz 7 LÖG NRW belegt.
24Soweit zwischen den Beteiligten bezogen auf ein im Zusammenhang mit der Antragsbefugnis bei Normenkontrollen spezifisch zum früheren Nachteilsbegriff nach § 47 Abs. 2 VwGO a. F. in Abgrenzung zur möglichen Rechtsverletzung nach § 42 Abs. 2 VwGO entwickeltes Erfordernis,
25vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 – 8 CN 2.14 –, BVerwGE 153, 183 = juris, Rn. 18, unter schlichter Bezugnahme auf seine Beschlüsse vom 9.11.1979 ‒ 4 N 1.78 u. a. ‒, BVerwGE 59, 87 = juris, Rn. 28 ff., 31 ff., 40 f., und vom 19.2.1992 ‒ 4 NB 11.91 ‒, NJW 1992, 2844 = juris, Rn. 10,
26erörtert wurde, ob gewerkschaftliche Interessen mehr als nur geringfügig beeinträchtigt werden müssen und werden, ist insoweit eine Rechtsverletzung nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen. Ob dies der Fall ist, ist deshalb keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.
27II. Die Klage ist auch begründet. Die Bewilligung vom 9.12.2015 war rechtswidrig (dazu 1.) und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (dazu 2.), § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
281. Die angegriffene Bewilligung vom 9.12.2015 erweist sich bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung auf der Grundlage von § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG nicht vorliegen. Danach kann die Aufsichtsbehörde abweichend von §0;9 ArbZG bewilligen, Arbeitnehmer an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr zu beschäftigen, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern.
29Unter „besonderen Verhältnissen“ sind nach dem Wortlaut vorübergehende Ereignisse zu verstehen, die vom normalen Betriebsablauf abweichen. Bei Einführung des Arbeitszeitgesetzes wurde der Begriff der „besonderen Verhältnisse“ in bewusster Abkehr von der Vorgängerregelung des § 105f GewO a. F., die von einem „nicht vorhersehbaren Bedürfnis“ sprach, in den Gesetzeswortlaut aufgenommen. Wegen der damit vom Gesetzgeber gewollten Erweiterung des Begriffs wurde die Zahl der in Betracht kommenden Sonn- und Feiertage begrenzt.
30Vgl. BT-Drs. 12/6990, S. 16, 44.
31Diesem gesetzgeberischen Willen entsprechend kommt es für die Annahme „besonderer Verhältnisse“ nicht darauf an, ob diese vorhersehbar waren oder nicht. Daher können „besondere Verhältnisse“ im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG grundsätzlich auch wegen eines saisonalen Spitzenbedarfs – wie beim Weihnachtsgeschäft – vorliegen.
32Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.6.1980, – 4 A 650/79 –, GewArch 1981, 132 = juris, Rn. 5 ff.; Baeck/Deutsch, ArbZG, 3. Aufl. 2014, § 13 Rn. 40; Kock, in: BeckOK ArbR, Stand: 1.9.2019, ArbZG, § 13 Rn. 20.
tzRechts">33Allerdings müssen „besondere Verhältnisse“ durch Umstände verursacht sein, die von außen auf das betreffende Unternehmen einwirken, sie dürfen also weder von diesem Unternehmen geschaffen sein (z. B. Arbeitsorganisation) noch in unternehmensbezogenen Sondersituationen (z. B. Umsatzschwäche) bestehen. Es muss sich also um solche Umstände handeln, die von außen verursacht worden sind und auf die das antragstellende Unternehmen keinen Einfluss nehmen kann.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.4.1983 – 1 C 140.80 –, GewArch 1983, 338 = juris, Rn. 12, zu § 105b Abs. 2 Satz 2 GewO a. F.; Neumann/Biebl, ArbZG, 16. Aufl. 2012, § 13 Rn.60;15, m.160;w. N.; Wank, in: EK ArbR, 20. Aufl. 2020, § 13 ArbZG Rn. 6; Growe, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, ArbR, 4. Aufl. 2017, § 13 ArbZG Rn. 8; Häberle, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: August 2019, § 13 ArbZG, Rn. 7; Kock, in: BeckOK ArbR, Stand: 1.12.2019, § 13 ArbZG Rn. 17; a. A. Baeck/Deutsch, ArbZG, 3. Aufl. 2014, § 13 Rn. 37, 40, m. w. N. auch zur h. M.; Anzinger/Koberski, ArbZG, 4. Aufl. 2014, § 13 Rn. 71.
35Nur dann nämlich können besondere Umstände eine Ausnahmebewilligung zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens „erfordern“, wie dies der Gesetzeswortlaut verlangt.
36Dieses zusätzliche Erfordernis für die Annahme „besonderer Verhältnisse“ war höchstrichterlich bereits im Zusammenhang mit der früheren Regelung in § 105b GewO a. F. [= § 13 Abs. 3 Nr. 2 a) ArbZG] geklärt, bevor die Formulierung in § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG übernommen worden ist. Den Gesetzgebungsmaterialien ist zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber bei der Einführung des Arbeitszeitgesetzes an den Vorgängerregelungen orientiert hat, weshalb die hierzu ergangenen höchstrichterlichen Klärungen entsprechend der Annahme der herrschenden Meinung in der Literatur weiterhin maßgeblich sind; die Ermächtigungen in § 13 Abs. 3 Nr. 2 ArbZG sollten den Ermächtigungen in § 105b Abs. 2 und § 105f GewO a. F. entsprechen.
37Vgl. BT-Drs. 12/5888, S. 30.
38Aufgrund der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses wurde zu diesem von Anfang an verfolgten Ziel aus § 105b GewO a. F. der Begriff „besondere Verhältnisse“ in § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG übernommen.
39Vgl. BT-Drs. 12/6990, S. 2, 16, 38, 44.
40Durch die mit der Verwendung dieses Wortlauts in die Neuregelung übernommene höchstrichterlich entwickelte Einschränkung trägt die Vorschrift dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV sowie den diesem entsprechenden grundrechtlichen Schutzpflichten Rechnung.
Indem somit gemäß § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG abweichend von § 9 ArbZG eine Beschäftigung von Arbeitnehmern (nur) bewilligt werden kann, wenn „besondere Verhältnisse“, die von außen verursacht worden sind und auf die das antragstellende Unternehmen keinen Einfluss nehmen kann, dies zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens erfordern, werden die Anforderungen gesteuert, die an das gebotene Bemühen des betroffenen Unternehmens zu stellen sind, Sonn- und Feiertagsarbeit zu vermeiden. Dieses Bemühen ist nicht auf solche Maßnahmen beschränkt, die sich innerhalb des Rahmens halten, den das Unternehmen als sein frei gewähltes Geschäftskonzept erachtet, zu dem es als besonderes Qualitätsmerkmal gerade auch sehr kurzfristige Lieferversprechen zählt. Vielmehr ist es geboten, dass das Unternehmen auch und bereits im Zuge der Festlegung seines Geschäftskonzeptes dem Gewicht des Sonn- und Feiertagsschutzes angemessen Rechnung trägt, sobald sich abzeichnet, dass die anfallende Arbeit an Werktagen nicht bewältigt werden kann. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse des Unternehmens daran, an unrealistischen Lieferversprechen festhalten zu wollen, und ein alltäglich zu befriedigendes Erwerbsinteresse potenzieller Kunden genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage zu rechtfertigen.
42Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 ‒ 1 BvR 2857/07 u. a. ‒, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 157; OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2015 – 4 B 1463/15 –, GewArch 2016, 157 = juris, Rn. 20 ff., m. w. N.
43Für dieses Verständnis spricht zudem, dass bei der Zubilligung von Ausnahmen vom Sonntagsschutz der Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität zu berücksichtigen ist.
44Vgl. BVerfG, Urteile vom 16.1.2002 – 1 BvR 1236/99 –, BVerfGE 104, 357 = juris, Rn. 43 ff., und vom 9.2.1982 – 1 BvR 698/79 u. a. –, BVerf GE 59, 336 = juris, Rn. 48; OVG NRW, Urteil vom 17.7.2019 – 4 D 36/19.NE –, StGR 2019, Nr. 9, 38 = juris, Rn. 93 f.
45Hiermit ist es nicht vereinbar, dass der Staat diejenigen Unternehmen durch eine Ausnahmebewilligung begünstigt, die ohne Rücksicht auf ihre Kapazitätsgrenzen unrealistische Lieferzusagen abgeben, und gerade ihnen hierdurch gegenüber realistisch agierenden Marktteilnehmern einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil verschafft.
46Ferner muss die Sonntagsarbeit zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens erforderlich sein. Entscheidend ist insoweit, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die besonderen Verhältnisse haben und inwieweit diese Folgen (nur) durch Sonntagsarbeit verhütet oder gemildert werden können und ob sie im Hinblick auf das Gewicht des Sonntagsbeschäftigungsverbots unverhältnismäßig schwer wiegen. Insoweit hat der Unternehmer, der die Ausnahmegenehmigung beantragt, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 26 Abs. 2 VwVfG NRW) und insbesondere den drohenden Schaden im Einzelnen darzulegen.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.6.1992 ‒ 1 C 29.90 ‒, BVerwGE 90, 238 = juris, Rn. 14.
48Nach diesen Maßgaben lagen hinsichtlich der mit dem Antrag der Beigeladenen vom 16.11.2015 geltend gemachten Umstände die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG nicht vor.
49Bezogen auf die durch enge Lieferzusagen der Beigeladenen entstehenden Lieferschwierigkeiten fehlt es bereits am Vorliegen von „besonderen Verhältnissen“ im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG. Das Gericht hat insoweit nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen können, dass die beantragte Sonntagsarbeit aufgrund von besonderen Verhältnissen erforderlich ist, die von außen verursacht worden sind und die durch die Beigeladene nicht beeinflusst werden konnten. Nach Angaben der Beigeladenen beruhen die befürchteten Umsatzeinbußen und wirtschaftlichen Nachteile durch Schadensersatzansprüche von Kunden und Lieferanten zumindest auch maßgeblich auf dem Geschäftsmodell der die Webseite betreibenden Muttergesellschaft, deren Handeln sich die Beigeladene zurechnen lassen muss. Dies besteht auch darin, die knapp bemessenen Lieferzusagen auch in der Vorweihnachtszeit beizubehalten. Unerheblich ist insoweit zunächst, dass diese Lieferversprechen von dem die B. -Webseite betreibenden Unternehmen und nicht von der Beigeladenen abgegeben wurden. Die Beigeladene ist im Verhältnis zu ihrer Muttergesellschaft nicht als Dritte anzusehen. Es kommt allein auf ihre rechtliche und wirtschaftliche Verbundenheit an.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.6.1992 – 1 C 29.90 –, BVerwGE 90, 238 = juris, Rn. 16.
51Nach dem eigenen Vorbringen der Beigeladenen in den Antragsunterlagen machten im hier maßgeblichen Jahr 2015 die Express-Bestellungen vor Weihnachten etwa 75% des Anteils der Bestellungen aus. Die im Rahmen dieser Express-Bestellungen von der Muttergesellschaft der Beigeladenen abgegebenen Lieferversprechen, Waren innerhalb kürzester Lieferzeiten an Kunden auszuliefern, wurden im eigenen Werbe- und Umsatzinteresse selbst in der besonders umsatzstarken Vorweihnachtszeit ersichtlich beibehalten, auch um sich gegenüber anderen Unternehmen ‒ insbesondere des stationären Einzelhandels, der sonntags regelmäßig schließen muss ‒ einen Wettbewerbsvorteil zu sichern und Kunden zu binden, die eine Versorgung mit Weihnachtsgeschenken „auf die letzte Minute“ nachfragen. Die abgegebenen Zusagen, innerhalb kürzester Fristen zu liefern, verstärken jedenfalls maßgeblich die Engpässe in der Bewältigung des Auftragsvolumens. So geht die Beigeladene nach ihren Angaben auf Seite 25 ihres Schriftsatzes vom 21.7.2016 selbst davon aus, dass gerade ihr Geschäftsmodell erst zu dem entstehenden saisonalen Spitzenbedarf führe. Zum Geschäftsmodell der Beigeladenen gehörte es zwar auch, den Engpässen dadurch entgegenzuwirken, dass sie ihr Personal für das Weihnachtsgeschäft 2015 vorübergehend im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten am Arbeitsmarkt deutlich aufgestockt hat. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Beigeladene bzw. die mit ihr rechtlich und wirtschaftlich verbundene Muttergesellschaft die bei dieser Sachlage zusätzlich gebotenen und ihr aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Sonn- und Feiertagsruhe auch zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um auf eine gleichmäßigere Verteilung des Auftragsvolumens hinzuwirken. So ist insbesondere nicht erkennbar, dass auf der B. -Webseite darauf hingewiesen worden wäre, nur bei frühzeitiger Bestellung könne eine Lieferung vor Weihnachten garantiert werden, obwohl sich dies angesichts der prognostizierten Lieferengpässe aufgedrängt hätte. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung aufgestellte unbelegte Behauptung, ein entsprechender Hinweis erfolge jedes Jahr, steht nicht im Einklang mit dem bisherigen Vorbringen der Beigeladenen, wonach ihre Muttergesellschaft ihr Geschäftsmodell während der Weihnachtszeit nicht anpasse. Unbestritten hat diese kurz vor dem Weihnachtsgeschäft 2015 neben den bestehenden Express-Lieferungen in bestimmten Postleitzahlbereichen für Prime-Mitglieder eine ab einem Bestellwert von 20 Euro kostenlose Belieferung noch am Tag der Bestellung („Same Day“) eingeführt. Dadurch hat sie absehbar dazu beigetragen, dass sich die Lieferengpässe noch verstärkten, obwohl ihr aufgrund ihrer Erfahrung aus Vorjahren und ihrer Prognose für 2015 bewusst war, dass sie diese Lieferengpässe nicht ohne Sonntagsarbeit würde auffangen können.
52Ob ohne diese Lieferzusagen allein aufgrund des saisonalen Spitzenbedarfs in der Vorweihnachtszeit die Bestellmengen derart steigen würden, dass bei der Beigeladenen hierdurch Lieferengpässe entstehen könnten, die zu „besonderen Verhältnissen“ im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG führen würden, lässt sich – mangels entsprechender Erkenntnisse bzw. Prognosen zu Bestellverhalten ohne die Lieferzusagen – nicht feststellen. Die Aussage der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, wonach seinerzeit im ganzen Regierungsbezirk Düsseldorf nur die Beigeladene entsprechende Ausnahmebewilligungen beantragt habe, spricht zudem dagegen, dass die Sonntagsarbeit zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens erforderlich war. Andere Unternehmen hatten sich offenbar schon damals ebenso wie die Beigeladene in den Folgejahren auf eine Bewältigung des Weihnachtsgeschäfts ohne Sonntagsarbeit eingestellt. Insoweit ist im Übrigen davon auszugehen, dass allein die Annahme, einige Kunden würden wegen längerer als üblicher Lieferfristen voraussichtlich auf eine unmittelbare oder zukünftige Bestellung bei der Beigeladenen verzichten und zum Beispiel auf Verkaufsstellen des stationären Einzelhandels ausweichen, keinen unverhältnismäßigen Schaden im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG darstellt. Die Regelung des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG dient ‒ wie ausgeführt ‒ nicht dazu, einzelnen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten zu verschaffen, die das Beschäftigungsverbot nach § 9 Abs. 1 ArbZG in gleicher Weise beachten müssen.
53Vor diesem Hintergrund ist es der Beigeladenen grundsätzlich zuzumuten, ihren Geschäftsbetrieb in der Vorweihnachtszeit in dem aufgrund der Sonn- und Feiertagsruhe erforderlichen Umfang anzupassen. Jedenfalls bevor die Beigeladene keine entsprechenden Anpassungsbemühungen unternommen hat, kann sie sich auch nicht auf eine mögliche Schwächung des Standortes S. und in der Folge möglicherweise drohende Arbeitsplatzverluste berufen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 13 Abs. 5 ArbZG, auf dem die streitgegenständliche Bewilligung nicht beruht.
54II. Die mithin rechtswidrig erteilte Ausnahmebewilligung hat die Klägerin im Zeitpunkt der Erledigung auch in ihren Rechten verletzt, weil die Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen einer Ausnahmebewilligung vom Verbot der Sonntagsarbeit auf der Grundlage von § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG jedenfalls auch ihren Interessen dient (dazu 1.). Im Übrigen war die Klägerin durch die angegriffene Ausnahmebewilligung mehr als nur geringfügig in ihren Rechten beeinträchtigt (dazu 2.).
551. Die hier streitentscheidenden Vorschriften der §§ 9, 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG entfalten – wie dargelegt – gegenüber der Klägerin vollumfänglich drittschützende Wirkung und sie ist durch die angegriffene Bewilligung auch in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen. Daher kann sie sich darauf berufen, dass die Bewilligung einer Abweichung von § 9 ArbZG rechtswidrig unter Verletzung von Belangen erfolgt ist, die zumindest auch in ihrem Interesse zu schützen sind.
562. Offen bleiben kann, ob darüber hinaus für die Verletzung in eigenen Rechten nach § 113 Abs. 1 VwGO – ebenso wie dies für den hiervon abweichenden früheren Nachteilsbegriff nach § 47 Abs. 2 VwGO a. F. entwickelt wurde (vgl. oben I. 2.) – erforderlich ist, dass die Klägerin durch die angegriffene Bewilligung mehr als nur geringfügig beeinträchtigt ist.
57Dies bei der Zulässigkeitsprüfung von Normenkontrollanträgen von Gewerkschaften im Rahmen von § 47 Abs. 2 VwGO verlangend: BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 – 8 CN 2.14 –, BVerwGE 153, 183 = juris, Rn. 18 und vom 17.5.2017 – 8 CN 1.16 –, BVerwGE 159, 27 = juris, Rn. 12.
58Denn eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung der Klägerin liegt im Hinblick auf die angefochtene Bewilligung vor. Aufgrund der auch im Interesse der Gewerkschaften an einer effektiven Wahrnehmung ihrer Tätigkeit verfassungs- und einfachrechtlich geschützten Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen kommt es für die in Rede stehende Beeinträchtigung und die daraus folgende Betroffenheit in eigenen Rechten allein darauf an, inwieweit die angefochtene Maßnahme aus der hierfür maßgeblichen ex ante-Sicht für die Rahmenbedingungen des Wirkens der Gewerkschaft bedeutsam ist oder sein kann.
59Die hier in Rede stehende Bewilligung der Beschäftigung von 800 Arbeitnehmern an zwei ganzen Sonntagen ist von ihren Auswirkungen auf die gewerkschaftliche Betätigung der Klägerin für sich genommen bereits nicht mehr geringf252;gig. Die Beschäftigung von einer nicht unerheblichen Anzahl von Arbeitnehmern an den zwei Sonntagen im Unternehmen der Beigeladenen hätte zu Beeintr8;chtigungen des gewerkschaftlichen Handelns der Klägerin führen können, die nicht mehr als geringfügig zu bewerten sind. Sie hätte zur Folge haben können, dass Mitglieder der Klägerin an diesem Tag an der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen oder anderweitigen Kontakten einschließlich solcher im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen gehindert gewesen wären. Auch betroffen gewesen wäre der Bereich der Mitgliederwerbung der Klägerin. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich schon bestimmte Veranstaltungen oder Arbeitskämpfe geplant waren. Ausreichend ist insoweit die entstehende Beeinträchtigung der Klägerin bei der möglichen Planung und Durchführung von gewerkschaftlichen Aktivitäten, Veranstaltungen oder Arbeitskampfmaßnahmen. Diese kann sich durch die zu erwartende Gesamtbelastung intensivieren, die sich für die landesweite Betätigung der Gewerkschaften durch entsprechende Bewilligungen nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG für weitere Standorte oder darüber hinaus für eine Vielzahl vergleichbarer Unternehmen ergeben kann.
60Vgl. BayVGH, Beschluss vom 8.12.2016 – 22 ZB 16.1180 –, BayVBl. 2017, 563 = juris, Rn. 9.
61Hier wurde die zu erwartende Beeinträchtigung der Klägerin dadurch verschärft, dass entsprechende Ausnahmebewilligungen für Sonntagsarbeit in der Adventszeit nach den Angaben der Beigeladenen in ihrem Antrag auch für die anderen deutschen Standorte der B. -Unternehmensgruppe beantragt wurden. Ob abweichend von diesen eigenen Angaben tatsächlich ‒ wie die Beigeladene erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptet hat ‒ lediglich für fünf deutsche Standorte Ausnahmebewilligungen beantragt wurden, kann letztlich auf sich beruhen. Hinsichtlich der prognostisch zu erwartenden Gesamtbelastung ist auf den Zeitpunkt der Bewilligung abzustellen, in dem insoweit nur die Antragsangaben berücksichtigungsfähig waren.
62In ihrer Gesamtheit gesehen können erst recht diese beantragten Bewilligungen an den in Rede stehenden Adventssonntagen dazu führen, dass die Klägerin auch bundesweit in ihrem gewerkschaftlichen Handeln nennenswert beeinträchtigt wird.
63Schließlich ist der Bewilligungsantrag auf Gründe gestützt, die von einer Vielzahl vergleichbarer Unternehmen insbesondere aus dem Bereich des Online-Handels ebenso in der Vorweihnachtszeit geltend gemacht werden könnten, würden sie als Rechtfertigungsgründe anerkannt. Entsprechende Bewilligungen könnten daher eine Verwaltungspraxis begründen, nach der bei realistischer Betrachtung zukünftig entsprechende Bewilligungen auch von anderen Logistikunternehmen beantragt und diesen ebenso erteilt werden müssten, was zu entsprechend noch weiterreichenden Einschränkungen des Sonn- und Feiertagsschutzes und der Möglichkeiten gewerkschaftlicher Betätigung an den geschützten Tagen führen würde. An den Sonntagen im Advent besteht ein erhöhtes Risiko weiterer ähnlicher Anträge aus dem Dienstleistungsbereich, weil es in der Vorweihnachtszeit auch in anderen Unternehmen des Onlinehandels und des stationären Einzelhandels zu einer saisonal bedingt erhöhten Nachfrage kommt, die auch dort einen Bedarf nach Sonntagsbeschäftigung auslösen kann.
64Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die sich durch Stellung eines eigenen Antrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), werden aus Billigkeit zur Hälfte dem in gleichem Umfang wie sie unterliegenden Beklagten auferlegt, weil dieser nicht durch eigene Anwaltskosten belastet ist.
65Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
66Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- 1 BvR 1236/99 1x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 42 1x
- ArbZG § 13 Ermächtigung, Anordnung, Bewilligung 1x
- BImSchG § 16 Wesentliche Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen 1x
- VwGO § 159 1x
- 4 D 36/19 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 2x
- VwGO § 113 1x
- ArbZG § 9 Sonn- und Feiertagsruhe 1x
- VwGO § 162 1x
- 1 BvR 461/03 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 1361/15 1x (nicht zugeordnet)
- 12 A 219/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 698/79 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- VwVfG § 26 Beweismittel 1x
- 4 B 1465/15 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 650/79 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 105b Abs. 2 Satz 2 GewO 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 1463/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 105b GewO 2x (nicht zugeordnet)
- 3 B 369/15 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 2857/07 2x (nicht zugeordnet)