Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 D 86/18.NE
Tenor
Der Bebauungsplan Nr. 1000 S - Erweiterung Uniklinik - der Stadt B. ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 1000 S - Erweiterung Uniklinik -, der eine Verkehrsfläche und Straßenbegrenzungslinien festsetzt.
3Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks L. straße 00 in B. (Gemarkung M. , Flur 00, Flurstück 000). Das Grundstück grenzt unmittelbar an den Planbereich und ist mit einem u. a. vom Antragsteller bewohnten Wohnhaus (3 Eigentumswohnungen) bebaut. Das Grundstück befindet sich in Sichtweite zur B1. Universitätsklinik, deren Erweiterung der streitgegenständliche Bebauungsplan vorbereiten soll.
4Das Plangebiet liegt im westlichen Bereich der Stadt B. im Stadtteil M. zwischen dem T. weg und dem Q. S. . Es umfasst ausschließlich die Straßenverkehrsfläche der L. straße sowie deren geplante Erweiterung. Im nördlichen Bereich zum Plangebiet befindet sich die B1. Universitätsklinik mit den Anfahrtsbereichen und der Stellplatzanlage P1 und P2. Östlich befindet sich das tal, südlich das W. und westlich liegen landwirtschaftliche Nutzflächen. Die L. straße soll im Zuge der Erweiterung der Universitätsklinik verbreitert werden, um einen Bus/Bus-Begegnungsverkehr zu ermöglichen. Der streitgegenständliche Bebauungsplan setzt auf einem Teilabschnitt der L. straße und der geplanten Erweiterungsfläche eine Verkehrsfläche mit Straßenbegrenzungslinien fest. Nach der Planbegründung ist die L. straße eine öffentlich gewidmete Straße und das Plangebiet eine öffentliche Verkehrsfläche.
5Das Planaufstellungsverfahren verlief folgendermaßen: In seiner Sitzung am 7.9.2017 beschloss der Planungsausschuss der Antragsgegnerin die Aufstellung und die öffentliche Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB des "vorhabenbezogenen Bebauungsplans" mit städtebaulichem Vertrag. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte am 16.10.2017 im Internet unter Angabe der vorliegenden umweltbezogenen Informationen und des Auslegungszeitraums vom 14.11.2017 bis einschließlich 15.12.2017. Mit E-Mail vom 15.12.2017 erhob der Antragsteller Einwendungen. In seiner Sitzung am 11.7.2018 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung. Die Bekanntmachung erfolgte am 2.8.2018 im Internet, ein Hinweis darauf erschien am 4.8.2018 in den örtlichen Tageszeitungen.
6Der Antragsteller hat am 11.10.2018 den Normenkontrollantrag gestellt.
7Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Er sei antragsbefugt. Er werde durch die Planung in rechtlich erheblicher Weise nachteilig betroffen. Mit der Planumsetzung erhöhe sich der Lärmpegel an seinem Wohnhaus zwischen 3 und 4 dB(A). In den besonders ruherelevanten Nachtstunden würden zudem die maßgeblichen Grenzwerte der 16. BImSchV erstmalig überschritten. Bestehe wie hier die Antragsbefugnis, sei regelmäßig auch das für einen Normenkontrollantrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Der Antrag sei auch begründet. Der Bebauungsplan sei formell rechtswidrig. Nach der Teilung des Plangebietes Nr. 1000, deren Zweck lediglich das Abschneiden von Anwohnerrechten sei, fehle es an der Durchführung einer erneuten Umweltprüfung. Der Bebauungsplan sei auch materiell rechtswidrig. Es fehle die Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, da bereits ein Planentwurf vorgelegen habe. Weiterhin sei der Bebauungsplan Nr. 1000 S nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt. Die Planung genüge auch nicht den Anforderungen des § 41 BImSchG. Der Bebauungsplan setze keine aktiven Lärmschutzmaßnahmen fest, sondern stelle lediglich passive Lärmschutzmaßnahmen in Aussicht, um die zu erwartenden Lärmimmissionen zu reduzieren. Der Bebauungsplan sei auch abwägungsfehlerhaft zustande gekommen. Die Überschreitung der Grenzwerte des Bundesimmissionsschutzgesetzes löse einen zwingenden Planungsbedarf aus, dem die Antragsgegnerin mit der schlichten Feststellung der Erforderlichkeit passiver Schallschutzmaßnahmen nicht gerecht geworden sei. Die Antragsgegnerin habe keine Feststellungen zur finalen Lärmbelastung getroffen.
8Der Antragsteller beantragt,
9festzustellen, dass der Bebauungsplan Nr. 1000 S - Erweiterung Uniklinik - unwirksam ist.
10Die Antragsgegnerin beantragt,
11den Antrag abzulehnen.
12Sie trägt im Wesentlichen vor: Dem Antragsteller fehle das Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag. Sein eigentliches Interesse liege darin, den noch nicht existenten Bebauungsplan Nr. 1000 N zu verhindern. Der Bebauungsplan sei wirksam. Die durchgeführte Umweltprüfung aus dem Jahr 2016 sei für ein Bauleitplanungsverfahren nicht ungewöhnlich alt und könne der Planung zugrunde gelegt werden. Es liege auch kein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB vor. Der Bebauungsplan sei aus dem aktuell gültigen Flächennutzungsplan 1980 entwickelt worden. Es fehle nicht die städtebauliche Erforderlichkeit für den Erlass des angegriffenen Bebauungsplans. Die Planung sei auch nicht abwägungsfehlerhaft. Die Schallimmissionsprognosen gelangten zwar zu planbedingten Überschreitungen der zulässigen Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV zur Tages- und zur Nachtzeit, dies sei aber bereits berücksichtigt und hinreichend abgewogen worden. Es sei auch die finale Lärmbelastung nach Abschluss aller Baumaßnahmen ermittelt worden. Es liege keine Verletzung der §§ 41 ff. BImSchG vor. Eine Schallschutzwand als einzige wirksame denkbare Maßnahme des aktiven Schallschutzes würde die Erschließung der Gebäude L. straße 00-00 von der öffentlichen Verkehrsfläche der L. straße abschneiden, darüber hinaus entweder die öffentlichen Verkehrsflächen der beiden in die L. straße einmündenden hufeisenförmigen Erschließungsstraßen von der L. straße abtrennen oder die schutzwürdigen Objekte von mehreren Seiten einhausen und - einmal abgesehen von dem städtebaulich nicht wünschenswerten und die Belichtung und Belüftung einschränkenden Zustand, die Anlieger der L. straße hinter einer 5-6 m hohen und in sehr geringem Abstand zu den Gebäuden verlaufenden Schallschutzwand "einzuhausen" - zum Schutzzweck außer Verhältnis stehende Kosten verursachen. Aus diesem Grund seien aktive Schallschutzmaßnahmen nicht in Betracht gezogen worden; der aufgeworfene Konflikt werde durch passive Schallschutzmaßnahmen abwägungsfehlerfrei bewältigt.
13Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 7.2.2020 besichtigt. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die dazu gefertigte Niederschrift und die Lichtbilder Bezug genommen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Vorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16Der Antrag ist zulässig
17Der Antragsteller ist antragsbefugt.
18Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht nur, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Die mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts kann auch aus einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Antragsbefugt kann in einem solchen Fall derjenige sein, der sich auf einen abwägungserheblichen Belang berufen kann.
19Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.1.2018
20- 4 BN 33.17 -, BRS 86 Nr. 192 = juris, m. w. N.
21Macht ein Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks- wie hier der Antragsteller - eine Verletzung des Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB geltend, muss er einen eigenen Belang benennen, der nach Lage der Dinge von der planenden Gemeinde bei der Abwägung zu beachten war. Nicht jeder Belang ist in der Abwägung zu beachten, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Im Weiteren können alle (betroffenen) Interessen unbeachtet bleiben, die entweder objektiv geringwertig oder aber - sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang - nicht schutzwürdig sind.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.10.2018
23- 2 D 22/17.NE -, BRS 86 Nr. 191 = BauR 2019, 508, m. w. N.
24Eine Antragsbefugnis ist danach mit Blick auf das Vorbringen des Antragstellers anzunehmen, die angegriffene Planung erhöhe in relevanter Weise die sein Grundstück betreffenden verkehrsbedingten Lärmimmissionen. Nach der Prognose zum Schallimmissionsschutz der Firma D. vom 2.1.2018 und der 1. Ergänzung zu dieser Prognose vom 11.1.2018, die dem Satzungsbeschluss zugrunde liegen, ist mit einer planbedingten Erhöhung der Verkehrslärmimmissionen am Haus des Antragstellers um mindestens 3 dB(A) zu rechnen.
25Der Antrag ist auch fristgerecht innerhalb eines Jahres nach der erfolgten Bekanntmachung des Bebauungsplans gestellt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
26Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag. Es ist nicht etwa durch die Verwirklichung der isolierten Straßenplanung entfallen. Es erscheint nicht fernliegend, dass die Antragsgegnerin als Planungsträgerin zu einer Neuplanung schreiten wird, wenn der Bebauungsplan für unwirksam erklärt wird.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.9.1992 - 4 NB 22.92 -, juris.
28Kommt es zu einer solchen Neuplanung, so ist auch ein für die Lärmsituation des Antragstellers günstigeres Abwägungs- und Planungsergebnis (z. B. durch aktive Lärmschutzmaßnahmen) nicht ausgeschlossen.
29Der Normenkontrollantrag ist begründet.
30Der Plan leidet an einem durchgreifenden Mangel der Abwägung im Hinblick auf die Lärmschutzbelange der Plangebietsnachbarschaft.
31Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot umfasst als Verfahrensnorm das Gebot zur Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (vgl. § 2 Abs. 3 BauGB), inhaltlich stellt es Anforderungen an den Abwägungsvorgang und an das Abwägungsergebnis. In die Abwägung ist all das an Belangen einzustellen, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Unbeachtlich sind Belange (nur), wenn sie für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren oder wenn sie keinen städtebaulichen Bezug haben, geringwertig oder makelbehaftet oder solche sind, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht.
32Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2.10.2013 - 7 D 18/13.NE -, BRS 81 Nr. 11 = BauR 2014, 221, m. w. N.
33Den daraus folgenden Anforderungen genügt die strittige Planung nicht.
34Im Rahmen der Abwägung der Belange der Plangebietsnachbarschaft in Bezug auf den Schutz vor planbedingtem Verkehrslärm hatte sich die Antragsgegnerin an den Regelungen des § 41 BImSchG zu orientieren.
35Nach den vorliegenden Aufstellungsvorgängen und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang die maßgeblichen Umstände entgegen § 2 Abs. 3 BauGB nicht hinreichend ermittelt und zutreffend bewertet bzw. entgegen § 1 Abs. 7 BauGB nicht sachgerecht abgewogen hat.
36Gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen, Magnetschwebebahnen und Straßenbahnen unbeschadet des § 50 sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind.
37Bei der L. straße handelt es sich um eine öffentlich gewidmete Straße i. S. d. § 2 StrWG NRW. Dies entspricht den in Ziffer 1.4 der Planbegründung von der Antragsgegnerin getroffenen Feststellungen, von deren Richtigkeit der Senat überzeugt ist.
38Diese Straße wird auch in wesentlicher Hinsicht verändert. Ob mit der Umsetzung des Bebauungsplans eine wesentliche Änderung der öffentlichen Straße im obigen Sinne verbunden ist, beurteilt sich nach § 1 16. BImSchV. Nach dieser Vorschrift ist die Änderung wesentlich, wenn 1. eine Straße um einen oder mehrere durchgehende Fahrstreifen für den Kraftfahrzeugverkehr oder ein Schienenweg um ein oder mehrere durchgehende Gleise baulich erweitert wird oder 2. durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 Dezibel (A) oder auf mindestens 70 Dezibel (A) am Tage oder mindestens 60 Dezibel (A) in der Nacht erhöht wird.
39Hier liegt ein Fall des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 16. BImSchV vor. Bei dem Ausbau der Fahrbahn über eine Länge von 470 m auf eine Breite von 6,50 m handelt es sich um einen erheblichen baulichen Eingriff in die bestehende Straße mit einer Breite von 5,35 m.
40Mit der Umsetzung der Planung erhöht sich ausweislich obiger Lärmgutachten zudem auch der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A).
41Wenn - wie hier - die Grenzwerte der 16. BImSchV planbedingt überschritten werden, besteht grundsätzlich eine Verpflichtung zur Gewährleistung aktiven Schallschutzes im Sinne eines Vollschutzes.
42Diese Verpflichtung besteht nach § 41 Abs. 2 BImSchG allerdings dann nicht, wenn die Kosten der aktiven Schallschutzmaßnahmen außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen würden. Weitere Grenzen des Schutzes können sich aus anderen zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belangen ergeben. Die Verhältnismäßigkeit hat der Plangeber im Rahmen einer schutzzielorientierten Abwägung zu beurteilen, in der das Gewicht eines vollständigen aktiven Lärmschutzes für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Anwohner ausreichend zu berücksichtigen ist.
43Vgl. Senatsurteil vom 1.2.2017 - 7 D 49/14.NE -, juris, m. w. N.
44Derartige Erwägungen sind aber nicht Gegenstand der Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin geworden, sie lassen sich der Planbegründung, den Stellungnahmen zu den Einwendungen in der Offenlage und/oder den obigen Lärmgutachten oder sonst dem Inhalt der Aufstellungsvorgänge nicht entnehmen.
45Die Frage der Umsetzbarkeit von Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes bzw. die Frage des Verhältnisses der Kosten aktiver zu passiver Lärmschutzmaßnahmen spielte in der Abwägungsentscheidung nach den vorliegenden Aufstellungsvorgängen keine Rolle. Erstmals im Eilverfahren 7 B 1489/18.NE thematisierte die Antragsgegnerin den aktiven Lärmschutz in ihrer Antragserwiderung mit Schriftsatz vom 25.10.2018 und legte Kostenschätzungen für Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes vor. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan (Seiten 10, 11, 20) seien zur Gewährleistung von gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen (nur) passive Schallschutzmaßnahmen erforderlich, deren Sicherung über den städtebaulichen Vertrag erfolgen solle. Die Einschätzung beruht auf der Empfehlung in der Prognose zum Schallimmissionsschutz der Firma D. vom 2.1.2018 (Seite 22, 23) und der 1. Ergänzung zu dieser Prognose vom 11.1.2018 (Seite 13). Auch in der zum Gegenstand des Satzungsbeschlusses gewordenen Stellungnahme der Verwaltung zu den Einwendungen des Antragstellers in der Offenlegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB wird nur die Bereitschaft zur Übernahme der Kosten für die passiven Schallschutzmaßnahmen erklärt. Für eine Unverhältnismäßigkeit eines solchen Lärmschutzes aus finanziellen Gründen ergeben die Aufstellungsvorgänge ebenfalls keinen hinreichenden Anhalt. Es fehlt sowohl an der Ermittlung der Machbarkeit bzw. der Kosten eines an den Erfordernissen der 16. BImSchV orientierten Vollschutzes als auch an einer Ermittlung der Kosten im Vergleich zu den Kosten eines passiven Schallschutzes.
46Ebenso wenig lassen sich den Aufstellungsvorgängen konkrete Erwägungen des Rats der Antragsgegnerin zu städtebaulichen Aspekten entnehmen, die einer Verwirklichung aktiver Lärmschutzmaßnahmen in maßgeblicher Weise entgegengestanden hätten. Städtebauliche Aspekte aktiver Lärmschutzmaßnahmen im Plangebiet hat die Antragsgegnerin in konkreter Weise ebenso wie die Frage einer Realisierungsmöglichkeit im Hinblick auf die Erschließung der Grundstücke der Hausgruppe L. straße 00 - 00 erstmals im gerichtlichen Verfahren angesprochen.
47Der insoweit gegebene Mangel der Ermittlung und Bewertung bzw. der Abwägung (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB bzw. § 214 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz BauGB) ist nach Maßgabe dieser Bestimmungen beachtlich bzw. erheblich.
48Er ist offensichtlich, weil er in den Aufstellungsvorgängen dokumentiert ist.
49Er ist auch auf das Ergebnis des Verfahrens bzw. das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Es bestand die konkrete Möglichkeit, dass der Rat bei vollständiger Ermittlung und zutreffender Bewertung bzw. sachgerechter Abwägung der maßgeblichen Belange eine andere Planung beschlossen hätte.
50Vgl. zum Maßstab für die "Kausalitätsprüfung": BVerwG, Beschluss vom 9.10.2003- 4 BN 47.03 -, BRS 66 Nr. 65 = BauR 2004, 1130.
51Es erscheint auch durchaus möglich, dass anderweitige Festsetzungen zum Schallschutz durch den Plangeber getroffen worden wären. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass im Einzelfall im Hinblick auf Kostenaspekte oder städtebauliche Belange nicht nur ein vollständiger aktiver Lärmschutz als Alternative zu passiven Lärmschutzmaßnahmen in Betracht kommt, sondern auch partiell wirksame aktive Lärmschutzmaßnahmen, die sich etwa - unter Beibehaltung passiven Lärmschutzes für die Obergeschosse - auf die Erdgeschosswohnungen beziehen.
52Der Antragsteller hat diesen Mangel auch rechtzeitig mit seiner Antragsschrift nach § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB gerügt.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
54Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
55Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
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