Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 D 1/20.NE
Tenor
Der Bebauungsplan Nr. 790/N – Stadtbezirk Nord – Stadtteile H. und F. , Gebiet zwischen Europaplatz, I.-------straße , T.--------straße , C.----------straße und der Bahntrasse – der Stadt N. ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 790 – Stadtbezirk Nord – Stadteile H. und F. , Gebiet zwischen F2.-----platz , I.-------straße , T.--------straße , C.----------straße und der Bahntrasse – der Antragsgegnerin (im Weiteren: Bebauungsplan). Er ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung N. , Flur 21, Flurstück 232 (F3. Straße 9). Es liegt im Geltungsbereich dieses Bebauungsplans und ist mit einem vierstöckigen Gebäude bebaut. Ein Teil der in den oberen Stockwerken vorhandenen Wohnungen ist vermietet. Einige Nutzungseinheiten, namentlich das Erdgeschoss stehen derzeit leer. Hier war zuletzt eine gewerbliche Nutzung genehmigt. Der Antragsteller beabsichtigt nach eigenen Angaben, im Erdgeschoss einen erotischen Massagesalon und ein Wettbüro anzusiedeln; die Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss will er vorrangig an Prostituierte vermieten, die dort auch ihrem Gewerbe sollen nachgehen können.
3Das Plangebiet des Bebauungsplans umfasst annähernd dasselbe Plangebiet wie das des Bebauungsplans Nr. 754/N, den der Rat der Antragsgegnerin am 17. Juni 2015 beschlossen und den das erkennende Gericht auf den Antrag des Antragstellers mit Urteil vom 6. April 2017 - 2 D 77/15.NE - für unwirksam erklärt hat. Es wird umgrenzt vom F2.-----platz , der I.-------straße , dem Bahnkörper, der C.----------straße sowie der vor wenigen Jahren neu hergestellten T.--------straße . Ausgenommen ist die Fläche der Bushaltestelle für den überregionalen und internationalen Busverkehr an der Kreuzung I1. -T1. -Straße/I2.-----------straße . Aus Richtung des F4.-----platzes durchzieht die I3.----------straße das Plangebiet. Von Norden her kommend verläuft die F3. Straße durch das Plangebiet bis zur I4.----------straße . In deren Verlängerung führt die I1. -T1. -Straße bis an die Plangebietsgrenze an der Bahnunterführung. An den Straßenzügen im Plangebiet befindet sich eine umfängliche Straßenrandbebauung mit im Wesentlichen vier- bis fünfgeschossigen Gebäuden aus unterschiedlichen Bauepochen. Die Innenbereiche der Baublöcke sind überwiegend mit ein- oder mehrgeschossigen Baukörpern überbaut.
4Erklärte Ziele des Planes sind die Sicherung des Gebiets als Wohnstandort, die Stärkung der bestehenden Funktionsmischung aus Wohnen, Gastronomie, Einzelhandel, Dienstleistung und nicht störendem Gewerbe sowie die Schaffung einer insgesamt höheren Aufenthaltsqualität (Planbegründung S. 15).
5Zur Umsetzung der Planungsziele setzt der Bebauungsplan für die Bauflächen innerhalb des Plangebietes Urbane Gebiete (MU) gemäß § 6a BauNVO fest.
6Nach Ziffer 1.1 Abs. 1 der textlichen Festsetzungen sind in den Urbanen Gebieten die ausnahmsweise zulässigen Vergnügungsstätten i. S. d. § 6a Abs. 3 Nr. 1 BauNVO sowie Tankstellen i. S. d. § 6a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO gem. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO nicht Bestandteil des Bebauungsplans.
7Nach Ziffer 1.1 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen sind Einzelhandelsbetriebe, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist, Anlagen und Betriebe, die gewerblich betriebenen sexuellen Dienstleistungen und Darbietungen dienen, sowie Wohnungsprostitution gem. § 1 Abs. 9 BauNVO i. V. m. § 1 Abs. 5 BauNVO ausgeschlossen.
8Zum Schutz vor Verkehrslärm enthält der Bebauungsplan unter Ziffer 2 der textlichen Festsetzungen Vorgaben zur Luftschalldämmung von Außenbauteilen, die mit entsprechenden zeichnerischen Festsetzungen zur Kennzeichnung von Lärmpegelbereichen (V bis VII) korrespondieren. Der Lärmpegelbereich VII erstreckt sich im südlichen Planbereich.
9Ziffer 2.1 lautet:
10Innerhalb der mit Lärmpegelbereichen gekennzeichneten Bereiche sind die Anforderungen an die Luftschalldämmung von Außenbauteile gemäß DIN 4109 "Schallschutz im Hochbau" Ausgabe November 1989 sowie der VDI – Richtlinie 2719 "Schalldämmung von Fenstern" einzuhalten. Für Aufenthaltsräume muss das erforderliche resultierende Schalldämm-Maß R'w, res gemäß der Tabelle 8 "Anforderungen an die Luftschalldämmung von Außenbauteilen" der DIN 4109 ermittelt werden.
11Diese Tabelle 8 ist im Anschluss - bezeichnet als Auszug aus der DIN 4109 - auf der Planurkunde abgedruckt.
12In Ziffer 2.2 heißt es:
13Die Minderung der nach vorstehender Ziffer 2.1 zu treffenden Schallschutzmaßnahmen ist im Einzelfall zulässig, sofern im bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren fachgutachterlich der Nachweis geführt wird, dass aufgrund der geplanten Raumnutzung bzw. einer geringeren Geräuschbelastung z. B. durch Eigenabschirmung des Gebäudes) die Erfüllung der Anforderungen eines niedrigeren Lärmpegelbereichs ausreichend ist.
14In Ziffer 2.3 ist geregelt:
15An allen Fassaden ist die Belüftung von Aufenthaltsräumen durch schallgedämmte Lüftungseinrichtungen oder durch gleichwertige Maßnahmen sicherzustellen, sofern nicht im bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren fachgutachterlich der Nachweis geführt wird, dass ein Lärmpegel von 45 dB(A) nachts an der Fassade des jeweiligen Aufenthaltsraumes unterschritten wird.
16Die überbaubare Grundstücksfläche wird durch Baulinien und Baugrenzen bestimmt. Die Baulinien finden sich entlang der Straßenräume und zeichnen die Außenkanten der Baublöcke nach, mit Ausnahme der Abgrenzung zum Bushaltestellenbereich für überregional und international verkehrende Buslinien. Hier sind ebenso wie zum Bahndamm Baugrenzen festgesetzt. Zum Maß der baulichen Nutzung enthält der Bebauungsplan keine Regelungen, sondern den Hinweis, der Bebauungsplan werde als "einfacher Bebauungsplan" gemäß § 30 Abs. 3 BauGB aufgestellt; die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben richte sich jenseits der getroffenen Festsetzungen nach § 34 BauGB.
17Die Planbegründung nimmt zur Darstellung der Bestandssituation auf eine Erhebung von März 2017 Bezug. Diese zeige, dass die vier- bis fünfgeschossigen Gebäude entlang der I.-------straße , der I5.---------straße und der F3. Straße in den Obergeschossen vornehmlich zu Wohnzwecken genutzt würden. Zu geringen Teilen fänden sich andere Nutzungen. Hierzu zählten Büro- und Praxisnutzungen, ein Hotel, ein Seniorenhaus, ein Einzelhandelsbetrieb aus dem Erotiksektor sowie gewerbliche Zimmervermietung (Wohnungsprostitution). In der Erdgeschosszone im Plangebiet überwögen Ladenlokale in Form von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben. In den Gebäuden an der T.--------straße befänden sich auch im Erdgeschoss ausschließlich Wohnnutzungen. Entlang der I5.---------straße werde das Angebot durch Gastronomiebetriebe ergänzt. Darüber hinaus fänden sich mehrere Vergnügungsstätten (Spielhallen und Wettbüros) im Plangebiet (östlicher Bereich der I5.---------straße bzw. an der I.-------straße ). Die Plangebegründung stellt zudem eine hohe Leerstandsquote und Fluktuation in der Vermietung der Ladenlokale in der I5.---------straße fest (vgl. dort S. 10).
18Im Weiteren betont die Planbegründung, die Aufstellung des Bebauungsplans sei Teil eines umfassenderen Planungsansatzes mit dem Ziel, das gesamte Umfeld durch näher bezeichnete Bebauungspläne neu zu ordnen (vgl. Planbegründung S. 10 f.). Weiterhin sei das Plangebiet Teil des Integrierten Handlungs- und Entwicklungskonzepts (IHEK) Alt-N. . Ziel sei die Aufwertung der gesamten N1. Innenstadt. Vorgesehen seien u. a. der Umbau des Zentralen Omnibusbahnhofs am F1.------platz und die damit einhergehende Aufwertung des öffentlichen Raums (Maßnahme 8) sowie die Umgestaltung des Platzes der S. als Freiraumpark mit Anbindung an die geplante Seestadt.
19Zu "Ziel und Zweck der Planung" wird im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der bestehenden baulichen Dichte stelle sich das Plangebiet bereits als ein typisch innerstädtisches Quartier dar, das dem städtebaulichen Leitbild einer kompakten und nutzungsdurchmischten Stadt der kurzen Wege gerecht werden könne. Die zentrale Lage im Stadtgebiet und insbesondere die Nähe zum Hauptbahnhof stellten erhebliche Chancen dar, die jedoch bislang nicht zu einer positiven Entwicklung des Plangebiets und dessen näherer Umgebung geführt hätten. Die Ziele der Planung für das Quartier seien durch bereits städtebaulich ablesbare Fehlentwicklungen gefährdet, die darüber hinaus zu einer weiteren Abwertung des Quartiers führen könnten. Indikatoren hierfür seien die hohe Anzahl der Leerstände und der vermehrte Bestand an Vergnügungsstätten wie Spielhallen und Wettbüros sowie von gewerblichen Nutzung aus dem Erotiksektor. Diese Entwicklungen würden allgemein als "Trading-Down-Effekt" bezeichnet. Um dem entgegenzuwirken, sollten zukünftig aus dem Plangebiet ausgeschlossen werden: "Vergnügungsstätten, Einzelhandelsbetriebe, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist, Anlagen und Betriebe, die gewerblich betriebenen sexuellen Dienstleistungen und Darbietungen dienen, sowie Wohnungsprostitution". Die negativen Auswirkungen der genannten Nutzungen lägen in erster Linie in dem Verdrängungseffekt gegenüber den anderen Hauptnutzungen wie Einzelhandel, Dienstleistung, Gastronomie, Gewerbe, etc. Dieser sog. Trading-Down-Effekt entstehe durch die Konkurrenz zwischen Betrieben mit typischerweise geringem Investitionsbedarf und vergleichsweise hoher Ertragsstärke (insb. Vergnügungsstätten und vergleichbare Anlagen) und den übrigen vorhandenen Nutzungen. Durch massive Ansiedlungsversuche von Vergnügungsstätten, Einzelhandelsbetrieben, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln mit sexuellem Charakter ausgerichtet sei, sowie Betrieben, die gewerblich sexuelle Dienstleistungen anböten, drohe die Gefahr einer einseitigen Nutzungsstruktur von überwiegend städtebaulich problematischen Nutzungen im Plangebiet. Die Kunden der Vergnügungsstätten stellten nur in beschränktem Maße eine potenzielle Kundschaft für benachbarte Läden und Gastronomiebetriebe dar. Die Häufung solcher Nutzungen fördere somit den Abwärtstrend der Geschäftslagen und die Wertminderung des gesamten Immobilienstandortes und erzeuge letztlich Leerstände. Die innerstädtischen Einzelhandelslagen, die durch ihre Ladenlokale mit ausstellenden, einladenden Schaufenstern oder einladenden Gastronomiebetrieben entlang eines öffentlichen Straßenraums erst ihr Potenzial entwickelten, würden beispielsweise durch sich abschottende Spielhallenfronten in ihrer Vitalität gestört (vgl. dort S. 15.) Mit dem Ausschluss der genannten schädlichen Nutzungen werde den Empfehlungen des Vergnügungsstättenkonzeptes weitestgehend gefolgt. Allerdings werde diesem wegen geänderter städtebaulicher Vorstellungen nicht gefolgt, soweit dort für den nördlichen Planbereich ein sog. Toleranzbereich dargestellt sei, in dem Vergnügungsstätten ausnahmsweise zulässig sein sollen (vgl. dort S. 18).
20Zum Immissionsschutz führt die Planbegründung u. a. aus, dass die Ergebnisse der schalltechnischen Untersuchung des Schienen- und Straßenverkehrslärms große Überschreitungen der – mangels anderweitiger Hinweise zum Umgang mit Urbanen Gebieten – herangezogenen Orientierungswerte der DIN 18005 für Mischgebiete ergeben hätten. Die Höhe der Überschreitungen reiche bis zur enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle, die am Tag für Mischgebiete bei 72 dB(A) liege. Diese würde am Tag jedoch nur in marginalen Kleinstflächen an der T.--------straße /Ecke I.-------straße überschritten. Die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, die nachts für Mischgebiete bei 62 dB(A) liege, werde hingegen in den Baugebieten südlich der I5.---------straße vollständig überschritten. Hier bewegten sich die berechneten Beurteilungspegel zwischen 64 und 70 dB(A). In den Baugebieten nördlich der I5.---------straße lägen die Beurteilungspegel zumindest in den Blockinnenbereichen (ohne Berücksichtigung der Bestandsgebäude) unterhalb von 62 dB(A). Darüber hinaus stiegen die Werte in diesen Baugebieten bis 65 dB(A) an. Es müssten daher Schallschutzmaßnahmen getroffen werden. Der bauplanungsrechtliche Handlungsspielraum sei bei der Bestandsplanung stark eingeengt. Ein größerer Abstand zur Lärmquelle, eine Zuordnung der Baugebiete, ein Lärmschutzwall oder eine Lärmschutzwand sowie eine aufschiebende Bedingung für die Zulässigkeit (bspw. von Wohnen) seien aufgrund der vorhandenen baulichen Strukturen und der bereits vorhandenen Nutzungen innerhalb des Plangebiets nicht möglich. Eine lärmrobuste städtebauliche Struktur sei in den nördlichen Baufeldern des Plangebiets möglich bzw. in Teilen bereits vorhanden. Hier bestünden beinahe durchgehende Blockstrukturen, die ruhigere Innenbereiche ermöglichten. Damit lärmabgewandte Fassaden an den rückwärtigen Gebäudeseiten erhalten und komplettiert würden, seien durchgehend entlang der Straßen liegende Baulinien festgesetzt worden. Ein lärmmindernder Fahrbahnbelag sei bereits beim Neubau der T.--------straße und der C.----------straße genutzt worden, dies führe beim Beurteilungspegel des Straßenverkehrslärms zu einer Entlastung von 2 dB(A). Im Jahre 2018 sei auf dem Abschnitt der I3.----------straße zwischen C.----------straße und F3. Straße eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 m/h umgesetzt worden. Das führe zu einer Entlastung von 2,4 dB(A). Die geplante Widmung der I3.----------straße als Busstraße werde zukünftig zu einer weiteren Entlastung führen. Einen Beitrag zur Verhinderung einer zukünftigen Erhöhung der Verkehrsbelastung leiste der Ausschluss von bestimmten verkehrsintensiven Nutzungen im Vergleich zum aktuell bestehenden Planungsrecht. Hierzu zählten Vergnügungsstätten, Tankstellen und großflächige Einzelhandelsbetriebe. Über den aktiven Schallschutz hinaus seien die getroffenen Maßnahmen durch passive Schallschutzvorkehrungen zu ergänzen. Festsetzungen zur Grundrissgestaltung könnten in der aktuellen baulichen Situation nicht zu einer Verbesserung der Lärmsituation im Gebäude führen, da aufgrund der Lücken der Blockrandbebauung nicht überall lärmabgewandte Gebäudeseiten existierten. Es seien Festsetzungen zu Anforderungen an den baulichen Schallschutz (Lärmpegelbereiche) sowie zu schallgedämmten Lüftungseinrichtungen aufgenommen worden; sie stellten bei Neu- und Umbau die Einhaltung der DIN 4109 "Schallschutz im Hochbau" sowie der VDI – Richtlinie 2719 "Schalldämmung von Fenstern" sicher. Da die schalltechnische Untersuchung gezeigt habe, dass bei der Berücksichtigung des Nachtzeitraums ein höherer Schallschutz erforderlich sei, sei bei der Festsetzung der Lärmpegelbereiche auf die Berechnungsgrundlagen mit Berücksichtigung des Nachtzeitraums zurückgegriffen worden. Da für das gesamte Plangebiet aktuell Beurteilungspegel nachts über 45 dB(A) aufträten, werde festgesetzt, dass an allen Fassaden im Plangebiet die Belüftung von Aufenthaltsräumen durch schallgedämmte Lüftungseinrichtungen oder durch gleichwertige Maßnahmen sicherzustellen seien (vgl. dort 20 ff.). Im Rahmen des Neubaus der T.--------straße und der C.----------straße sei die obligatorische Abwicklung von Lärmschutzmaßnahmen nach der 24. BImSchV (z. B. Einbau von Schallschutzfenstern) bereits vorgenommen worden. Zudem betreibe die Stadt N. ein freiwilliges Schallschutzprogramm, in dessen Rahmen der Einbau von Schallschutzfenstern an den übrigen Gebäuden im Plangebiet mit Lärmpegeln ab 70 dB(A) am Tag bzw. 60 dB(A) nachts (verursacht durch Straßenverkehrslärm) finanziell gefördert werden könne (vgl. dort S. 20 ff.). Im Rahmen einer zusammenfassenden Betrachtung wird weiter ausgeführt: Die getroffenen Festsetzungen könnten die Lärmsituation lediglich verbessern (durch den Ausschluss verkehrsintensiver Nutzungen) bzw. durch passive Schallschutzfestsetzungen zumindest bei Neubauten einen ausreichenden Schallschutz gewährleisten. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die Planungen dieses Bebauungsplanes keinen neuen Nutzungskonflikt auslösten, da weder die Lärmsituation verschlechtert werde noch neue schutzwürdige Nutzungen (insb. Wohnen) in das fast vollständig bebaute und bereits überwiegend durch Wohnen geprägte Gebiet gebracht würden. Dem grundsätzlichen Verbesserungsverbot werde durch die Ausschöpfung sämtlicher möglicher Maßnahmen Rechnung getragen. Darüber hinaus sei insbesondere für die maßgebliche Lärmquelle des Schienenverkehrslärms eine positive Entwicklung absehbar. Nach Auskunft der Deutschen Bahn Netz AG würden einige Schienenwege in N. hinsichtlich der Möglichkeit einer Förderung im Rahmen des Lärmsanierungsprogramms der DB an bestehenden Schienenwegen untersucht. Auf dem Abschnitt der Strecke 2520 sei nach derzeitigem Planungsstand zwischen dem Hauptbahnhof und der B.--straße auf nordwestlicher Seite der Gleise eine 3 m hohe Schallschutzwand vorgesehen. Die Realisierung solle im Jahre 2021 erfolgen. Der Entwurf müsse noch beim zuständigen Eisenbahn-Bundesamt zur Plangenehmigung vorgelegt werden (vgl. dort S. 23 f.).
21Der Regionalplan stellt für den Bereich des Bebauungsplans „Allgemeiner Siedlungsbereich“ dar. Der Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin enthielt bis zu seiner Berichtigung nach Erlass des Bebauungsplans Nr. 754/N für dessen Geltungsbereich die Darstellung Kerngebiet. Nach dessen Erlass erfolgte die Berichtigung in dem entsprechenden Bereich zu Mischgebiet. Die Berichtigung des Plangebietes in Urbanes Gebiet erfolgte nach Bekanntmachung des streitigen Bebauungsplans.
22Das vom Rat der Antragsgegnerin am 26. September 2013 als übergeordnetes städtebauliches Konzept beschlossene Vergnügungsstättenkonzept stellt für den Großteil des Geltungsbereichs des Bebauungsplans einen Stadtbereich dar, der von „Trading-Down-Effekten“ betroffen sei, und für einen Teil des südlich der T.--------straße gelegenen Planbereichs wie nördlich der T.--------straße einen sog. Toleranzbereich (vgl. dort S. 52). In seiner Sitzung am 29. April 2020 beschloss der Rat der Antragsgegnerin als 1. Änderung des Konzeptes, den Toleranzbereich für Vergnügungsstätten im Bereich der T.--------straße zwischen den Kreuzungen mit der Bismarckstraße und der C.----------straße /I3.----------straße herauszunehmen und die bisherige Abbildung im dargestellten Teilbereich durch den in der Anlage zur Beschlussvorlage (Nr. 4454/IX) beigefügten Plan zu ersetzen.
23Das Planaufstellungsverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:
24Nach Beschlussfassung zur Aufstellung des Bebauungsplans im Verfahren nach § 13a BauGB leitete die Antragsgegnerin die frühzeitige Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange ein und führte die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen einer Veranstaltung am 7. November 2017 durch. Mit Schreiben vom 22. November 2017 teilte die Bezirksregierung E. auf eine entsprechende Anfrage der Antragsgegnerin mit, gegen den gemäß § 34 Abs. 1 und 5 LPlG vorgelegten Bebauungsplanentwurf bestünden keine landesplanerischen Bedenken.
25Die öffentliche Auslegung des Bebauungsplanentwurfs gemäß § 3 Abs. 2 BauGB erfolgte entsprechend der Bekanntmachung im Amtsblatt der Antragsgegnerin am 15. Oktober 2018 in der Zeit vom 24. Oktober 2018 bis einschließlich 30. November 2018. Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange wurden mit Schreiben vom 22. Oktober 2018 beteiligt.
26Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29. November 2018 wandte sich der Antragsteller gegen die Planung. Er machte im Wesentlichen geltend: Es handle sich um eine reine Negativplanung. Die bis dato vorherrschende Nutzungsform werde ausgeschlossen. Die Annahme, dass die Wohnnutzung, die doch angeblich gefördert werden solle, durch ein reines Verbot bestimmter Betriebe zunehmen werde, sei nicht schlüssig. Die Festsetzung als Urbanes Gebiet stehe im offenen Widerspruch zu den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten und damit zum objektiven Gebietscharakter. Die bestehenden und in der Plangebegründung selbst hervorgehobenen Lärmimmissionen vertrügen sich nur sehr bedingt mit der planerischen Zielsetzung, in diesem Gebiet gerade die Wohnnutzung zu stärken. Verbiete man die Ansiedlung bestimmter Betriebe im Plangebiet, in dem sie derzeit historisch strukturell bedingt konzentriert zu beobachten seien, so wären zumindest Alternativstandorte bereitzustellen. Daran fehle es.
27In seiner Sitzung vom 3. Juli 2019 beschloss der Rat der Antragsgegnerin nach Prüfung die Abwägung der im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung sowie im Rahmen der öffentlichen Auslegung und der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange vorgebrachten Anregungen/Stellungnahmen gemäß der Empfehlung der Anlagen 1 und 2 der Beratungsvorlage „Vorlagen-Nr. 3860/IX“. Im Weiteren beschloss er den Bebauungsplan gemäß § 10 BauGB als Satzung sowie die dem Bebauungsplan beigefügte Begründung. Zugleich beauftragte er die Verwaltung, den Flächennutzungsplan im Wege der Berichtigung anzupassen.
28Am 4. Juli 2019 unterzeichnete der Bürgermeister den Vermerk über die Beschlussfassung auf der Bebauungsplanurkunde. Ebenfalls am 4. Juli 2019 unterzeichnete er die Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses, die am 15. Juli 2019 im Amtsblatt der Antragsgegnerin veröffentlicht wurde.
29Am 2. Januar 2020 hat der Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt und diesen erstmals mit Schriftsatz vom 15. Juli 2020 begründet, den er in Kopie zugleich am selben Tag per Fax mit gesondertem Anschreiben an die Antragsgegnerin versandte.
30Zur Begründung des Normenkontrollantrags führt der Antragsteller, seine Einwendungen im Ausstellungsverfahren im Wesentlichen vertiefend und ergänzend, aus: Der Bebauungsplan schließe die von ihm für sein Grundstück F3. Straße 9 beabsichtigten Nutzungen mit Ausnahme des Wettbüros aus. Er sei insoweit unwirksam, da er das berechtigte Interesse an der Umsetzung der von ihm, dem Antragsteller, geplanten Nutzungen nicht ausreichend berücksichtige. Er beschränke sich auf eine reine Negativplanung. Der Abwägungsmangel bestehe darin, dass Nutzungen, die es ihm ermöglichen würden, sein Eigentum gewinnbringend zu nutzen, gezielt ausgeschlossen würden, ohne alternative Nutzungsformen konkret zu fördern bzw. bereitzustellen. Der Hinweis auf das Vergnügungsstättenkonzept beantworte die offene Frage nicht, an welchen anderen Orten im Stadtgebiet Vergnügungsstätten überhaupt noch eine begründete Aussicht darauf hätten, genehmigt zu werden. Jedenfalls Wohnungsprostitution dürfte sich im Ergebnis nicht im gesamten Stadtgebiet bauplanungsrechtlich verhindern lassen, wie es ganz offenkundig die Intention des Vergnügungsstättenkonzepts der Antragsgegnerin sei. Hinzu komme, dass Wohnungsprostitution, die sich auf die oberen Etagen eines Hauses beschränke, den Zielen, die die Antragsgegnerin mit der Aufstellung des Bebauungsplans verfolge – in den Ladenlokalen im Bereich des Erdgeschosses keine Vergnügungsstätten zuzulassen - nicht zuwiderlaufe. Es stelle sich die Frage, ob vereinzelt stattfindende Wohnungsprostitution dem Begriff der Vergnügungsstätte unterfalle. Es handele sich vielmehr um eine modifizierte Form der Wohnnutzung. Falsch sei auch die Annahme, die ausgeschlossenen Betriebe seien Nebennutzungsformen. Sie prägten vielmehr bisher den Charakter des Plangebietes. Er habe seit Jahren das Problem, geeignete Mieter zu finden. Diejenigen, die überhaupt noch bereit seien, Wohnraum in dieser Lage anzumieten, zahlten häufig die Miete nicht. Gleiches gelte für die Vermietung des Ladenlokals im Erdgeschoss. Nicht ohne Grund stehe es bereits seit Jahren leer. Die hohe Fluktuation in der Vermietung der Ladenlokale und die Leerstände seien in der Begründung des Bebauungsplans zwar angesprochen. Um der daraus resultierenden Unternutzung entgegenzuwirken, beschränke sich der Bebauungsplan aber im Ergebnis auf ein reines Ansiedlungsverbot für weitere Vergnügungsstätten. Im Plangebiet bestehe auch wegen der hohen Lärmbelastung weder eine relevante Nachfrage nach weiterem Wohnraum noch nach Ladenlokalen. Eine Nachfrage werde auch nicht durch ein reines Verbot der genannten Nutzungen geschaffen. Ein solches könne die aktuelle Situation nicht nachhaltig verbessern. Zudem stehe die Festsetzung des Plangebietes als Urbanes Gebiet im offenen Widerspruch zu den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten und damit zum objektiven Gebietscharakter des Plangebietes. Der Charakter eines Gebietes, welches sich durch seine besondere Nähe zum Hauptbahnhof, durch hohe Lärmimmissionen und durch eine hohe Präsenz von Vergnügungsstätten auszeichne, komme einem Kerngebiet am nächsten. Bereits der Durchführungsplan vom 22. Juli 1953 habe das Plangebiet als Geschäftsgebiet festgesetzt, was am ehesten mit einem Kerngebiet vergleichbar sei. An dem Gebietscharakter des Plangebietes als Kerngebiet habe sich wenig verändert. Spielhallen, Wettbüros und Erotiketablissements seien für den Gebietscharakter mittlerweile prägend. Im Vergnügungsstättenkonzept N. werde nicht ohne Grund auf Blatt 30 und 34 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Spielhallen und Erotiketablissements aktuell im Bereich des Hauptbahnhofes konzentrierten. Der Umstand, dass immer Wohnnutzung vorhanden gewesen sei, widerspreche nicht der Qualifizierung des gesamten Plangebietes als Kerngebiet. Ein Gebiet, das durch Vergnügungsstätten und Dienstleistungsbetriebe aus dem Bereich der Erotikbranche geprägt werde und darüber hinaus für ein Urbanes Gebiet untypische und nach Art und Umfang unzulässige Lärmimmissionen aufweise, könne schwerlich als Urbanes Gebiet eingestuft werden. Auch lägen die Lärmimmissionen im Plangebiet in Teilbereichen in einem im Hinblick auf mögliche Gesundheitsgefährdungen kritischen Bereich. Dies vertrage sich nur sehr bedingt mit der planerischen Zielsetzung, in diesem Gebiet gerade die Wohnnutzung zu stärken. Die Antragsgegnerin habe den Lärmkonflikt zwar erkannt, sich aber darauf beschränkt, wenig konkrete Maßnahmen zu dessen Abmilderung zu benennen. Ausgehend von den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8.11 – sei es unzulässig, den Schutz der Wohnnutzung in einem derart relevanten Umfang durch passive Schallschutzmaßnahmen gewährleisten zu wollen. Das gelte im Besonderen für zukünftige Wohnnutzungen in Neubauten. Der Hinweis auf finanzielle Förderungen bei von betroffenen Eigentümern selbst beauftragten Modernisierungsmaßnahmen reiche nicht. Es werde insbesondere nicht sichergestellt, dass diese Maßnahmen tatsächlich ergriffen würden. Auch habe der Fachbereich 61 der Antragsgegnerin am 10. Juli 2019 angemerkt, dass durch den Bebauungsplan keine zusätzlichen Kosten für aktive oder passive Schallschutzmaßnahmen entstehen würden. Der Bebauungsplan werde dem Erfordernis, sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet und erforderlich seien, um eine vom Plangeber als rechtswidrig erkannte Ist-Situation in einen rechtmäßigen Zustand zu überführen, nicht gerecht. Zudem entbehrten die Zukunftsprognosen jeder nachvollziehbaren Tatsachengrundlage. Daraus folge ein schwerwiegender Abwägungsmangel. Sollte die Bezirksregierung in das Planaufstellungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingebunden gewesen sein, so wäre hierin des Weiteren ein relevanter Verstoß gegen das Gebot zu sehen, den Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln, welches vom Grundsatz her auch im Rahmen der §§ 13 und 13a BauGB unter den dort genannten Einschränkungen einzuhalten sei. Der Verstoß hätte die Unwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge. Darüber hinaus wären eine unterbliebene Einbindung und die Nichtbeachtung wesentlicher Vorgaben des Flächennutzungsplans als weitere Abwägungsmängel zu qualifizieren.
31Der Antragsteller beantragt,
32den Bebauungsplan Nr. 790/N – Stadtbezirk Nord - Stadtteile H. und F. - Gebiet zwischen F2.-----platz , I.-------straße , T.--------straße , C.----------straße und der Bahntrasse – der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
33Die Antragsgegnerin beantragt,
34den Antrag abzulehnen.
35Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der Bebauungsplan sei als solcher der Innenentwicklung verabschiedet worden. Ein solcher könne schon vor Anpassung des Flächennutzungsplanes geändert und ergänzt werden. Dem Bebauungsplan liege ein ausgewogenes städtebauliches Konzept zugrunde. In der Abwägung sei erkannt worden, dass der Antragsteller mit der von ihm angestrebten gewerblichen Nutzung eine bessere Rendite seiner Liegenschaft erzielen könne. Dieses Interesse sei aus übergeordneten städtebaulichen Gründen zurückgestellt worden. Insoweit werde das Vergnügungsstättenkonzept in Bezug genommen. Da mit der Planung positive Vorstellungen über die Entwicklung des Plangebietes verbunden seien, handele es sich nicht um eine reine Negativplanung. Der Plangeber wolle lediglich der bereits eingetretenen negativen städtebaulichen Entwicklung entgegenwirken, um die in einem Urbanen Gebiet möglichen sonstigen Nutzungen zu fördern und zukünftig zu stärken. Hierfür sei der Ausschluss städtebaulich problematischer Nutzungen ein Baustein. Der Bebauungsplan sei auch keine Einzelmaßnahme zur Aufwertung des Quartiers, sondern Teil eines umfassenderen Planungsansatzes zur Neuordnung des gesamten Umfeldes. Der vom Plangeber verfolgte Ansatz – Ausschluss von städtebaulich problematischen Nutzungen innerhalb des Plangebietes sowie massive (bauliche) Aufwertungen im gesamten Umfeld des Plangebietes – könne den vorherrschenden Trading-Down-Effekt nicht verstärken. Die Vielzahl baulicher Großprojekte in unmittelbarer Nähe zum Plangebiet insbesondere auch in Verbindung mit dem Integrierten Handlungs- und Entwicklungskonzept Alt-N. dienten der Stärkung des Quartiers. Darüber hinaus würden sich im Umfeld des Plangebietes die Einwohnerzahl und damit auch die Kaufkraft sowie die Frequentierung des Plangebietes, insbesondere aufgrund der Lagegunst, erhöhen. So werde der angrenzende F2.-----platz überplant. Anstelle des Hauses X. mit Leerständen sollten dort "19 Häuser" in einem Ensemble errichtet werden, bei gleichzeitigem Ausschluss der auch in diesem Gebiet problematischen Nutzungen. Durch das geförderte Projekt "Soziale Stadt Alt-N. " würde eine Vielzahl flankierender baulicher wie sozialer und pädagogischer Maßnahmen ergriffen. Außerdem reiche es aus, wenn der Ausschluss einzelner Nutzungen einen Beitrag zu dem verfolgten Ziel der Aufwertung des Quartiers leisten könne. Das Vernügungsstättenkonzept sehe entweder einen Ausschluss oder eine nur ausnahmsweise Zulässigkeit von Vergnügungsstätten in den Kerngebietsbereichen und gemischten Bauflächen vor. In den insgesamt 20 im Konzept aufgenommenen Toleranzbereichen seien ausreichend Möglichkeiten für die Ansiedlung von Vergnügungsstätten gegeben. Der bisherigen Aussage des Konzeptes zu einem Toleranzbereich an der T.--------straße folge die Planung ausdrücklich nicht. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass sich seit der Erstellung des Vergnügungsstättenkonzepts die rechtliche Situation für Vergnügungsstättenbetreiber stark geändert habe. Daher werde eine grundsätzliche Fortschreibung des Konzeptes angestrebt. Die Rechte der Eigentümer seien hinreichend berücksichtigt worden. In Abwägung der Nutzungsinteressen der Eigentümer und der städtebaulichen Absichten des Plangebers sowie zur mittelfristigen Behebung und Vermeidung der (Neu-)Entstehung städtebaulicher Missstände habe der Plangeber sich gegen die Nutzungsinteressen der (Bestands-)Eigentümer entschieden. Die ausgeübte genehmigte Nutzung sei weiterhin uneingeschränkt möglich. Auch eröffne sich den Eigentümern aufgrund der in einem Urbanen Gebiet allgemein zulässigen zahlreichen sonstigen Nutzungsmöglichkeiten Perspektiven für durchaus hochwertige Nutzungen. Die Eigentümerinteressen hätten hinter dem öffentlichen-rechtlichen Interesse, ein klares Signal gegen weitere Trading-Down-Tendenzen zu setzen, zurückzustehen. Die Festsetzung Urbaner Gebiete sei hier zielführend. Mit der Möglichkeit der Festsetzung eines Urbanen Gebietes sei den Kommunen ein Instrument zur Verfügung gestellt worden, mit dem sie planerisch die nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege verwirklichen könnten. Diesem Leitbild entsprächen die Zielvorstellungen der vorliegenden Planung. Die zentrale Lage im Stadtgebiet und insbesondere die Nähe zum Hauptbahnhof stellten erhebliche Chancen dar. Es solle die Entwicklung eines urbanen Quartiers unterstützt werden, das sich im Sinne der Leipzig-Charta durch kurze Wege, Arbeitsplätze vor Ort und eine gute soziale Mischung auszeichne. Die Möglichkeit einer solchen Entwicklung sei insbesondere vor dem Hintergrund der Vielzahl an aktuellen Projekten für die nähere Umgebung erreichbar. Wegen des hohen Anteils an Wohnnutzungen in Verbindung mit der sonstigen im Plangebiet vorhandenen Nutzungsmischung aus Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gastronomiebetrieben, Büro- und Praxisnutzungen, einem Hotel, einem Seniorenhaus sowie Vergnügungsstätten verbleibe die Einstufung als Urbanes Gebiet als einzig mögliche Gebietskategorie. Weitere Nutzungen, die in den vormals festgesetzten Kerngebieten zulässig gewesen seien, wie großflächiger Einzelhandel, Tankstellen in Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen, seien im Plangebiet nicht angesiedelt und außerdem an dieser Stelle auch planerisch nicht gewollt. Sie würde, wie bereits in der Planbegründung ausgeführt werde, die ohnehin schwierige Verkehrslärmsituation weiter verschlechtern. Tankstellen würden zudem die gewünschte Blockrandbebauung unterbrechen und der Schaffung einer insgesamt höheren Aufenthaltsqualität sowie der Stärkung des Gebietes als Wohnstandort zuwiderlaufen. Großflächige Einzelhandelsbetriebe lägen – mit Ausnahme der ersten Bauzeile östlich der I.-------straße – außerhalb eines Zentralen Versorgungsbereichs und würden damit zumindest in Bezug auf nahversorgungsrelevante Sortimente gegen das Nahversorgungs- und Zentrenkonzept verstoßen. Die innerhalb des Versorgungsbereichs gelegene Fläche sei klein und die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes sei auch zukünftig nicht absehbar. Die Zurücknahme der Nutzungsmöglichkeiten gegenüber einem Kerngebiet sei deshalb auch insoweit vertretbar. Die Abwägung sei im Hinblick auf die Lärmvorbelastung ebenfalls nicht zu beanstanden. Aufgrund der Lärmsituation im Bestand seien im Rahmen des Bebauungsplans die erforderlichen Immissionsschutzmaßnahmen fachgutachterlich ermittelt und sodann im Bebauungsplan verankert worden. Um dabei zukünftig ein möglichst hohes Lärmschutzniveau zu gewährleisten, sei die schalltechnische Untersuchung im Sinne einer "Worst-Case"-Betrachtung durchgeführt worden. In der Begründung des Planes sei ausdrücklich dargelegt, dass eine Reihe von aktiven Schallschutzmaßnahmen bereits umgesetzt worden seien, z. B. ein lärmmindernder Fahrbahnbelag und eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h auf Teilen der I5.---------straße . Es seien weitere umsetzbare aktive Schallschutzmaßnahmen aufgenommen, beispielsweise teilweise durchgehende, entlang der Straßen liegende Baulinien festgesetzt worden. Die passiven Schallschutzmaßnahmen seien ergänzend festgesetzt. Das Plangebiet sei schon im Bestand in weiten Teilen von Lärm betroffen. Die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen könnten die Lärmsituation lediglich verbessern. Die Planung selbst löse keine neuen Nutzungskonflikte aus, da weder die Lärmsituation verschlechtert werde noch neue schutzwürdige Nutzungen in das fast vollständig bebaute und bereits überwiegend wohngenutzte Gebiet gebracht würden. Es bestehe weder eine Pflicht noch eine Möglichkeit, den bestehenden Lärmkonflikt durch den Bebauungsplan vollständig zu lösen. Dem grundsätzlichen Verbesserungsgebot sei durch die Ausschöpfung sämtlicher möglicher Schallschutzmaßnahmen Rechnung getragen worden. Eine positive Entwicklung der aktuellen Lärmsituation sei zudem für die maßgebliche Lärmquelle Schienenverkehrslärm absehbar. Es sei eine 3 m hohe Schallschutzwand vorgesehen. Die Realisierung solle im Jahre 2023 erfolgen. Die Planung existiere als Entwurf und müsse noch beim zuständigen Eisenbahn-Bundesamt zur Plangenehmigung vorgelegt werden. Im Übrigen habe die Begründung des Bebauungsplans auf die obligatorische Abwicklung von Lärmschutzmaßnahmen nach der 24. BImSchV im Rahmen des Neubaus der T.--------straße und der C.----------straße sowie auf ihr freiwilliges Schallschutzfensterprogramm hingewiesen. Soweit der Antragsteller bemängele, dass in der Beratungsvorlage vom 14. Mai 2019 angemerkt worden sei, dass durch den Bebauungsplan keine zusätzlichen Kosten für die Stadt entstünden, sei darauf hinzuweisen, dass die Finanzierung des freiwilligen Schallschutzfensterprogrammes selbstverständlich im Haushalt bereits veranschlagt sei und die Mittel entsprechend bereitstünden.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Aufstellungsvorgänge und Pläne Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe:
38Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
39I. Der rechtzeitig entsprechend § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO binnen eines Jahres nach Bekanntmachung des Bebauungsplans gestellte Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Als Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks macht er hinreichend substantiiert geltend, namentlich im Hinblick auf die mit der Festsetzung eines Urbanen Gebiets und dem dazu weiter verfügten Ausschluss einzelner Nutzungen in seinem Recht auf gerechte Abwägung aus § 1 Abs. 7 BauGB und seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt zu sein.
40II. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
41Der Bebauungsplan leidet zwar an keinen formellen Fehlern, die zu seiner Unwirksamkeit führten. Solche hat der Antragsteller nicht (fristgerecht) gerügt. Ohne Rüge beachtliche formelle Fehler sind nicht zu erkennen. Auch fehlt in Ansehung der erfolgten landesplanerischen Abstimmung jeder Anhalt für einen Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauGB, wonach Bebauungspläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind, und geht die Rüge eines Verstoßes gegen das Entwicklungsgebot aus § 8 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan abzuleiten sind, auch jenseits des gewählten Verfahrens nach § 13a BauGB ins Leere. Für die vorliegende Planung gelten die vom Senat in seinem Urteil vom 6. April 2017 – 2 D 77/15 – für die vorangegangene Planung zu diesen Aspekten angeführten Erwägungen (juris Rn. 117) entsprechend.
42Der Bebauungsplan weist aber durchgreifende materielle Mängel auf.
43Zwar fehlt es ihm in seiner Grundkonzeption nicht an der erforderlichen städtebaulichen Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB (1.). Er leidet jedoch mindestens in zweifacher Hinsicht an beachtlichen Mängeln. Das betrifft zunächst die Regelungen zur Feindifferenzierung der im Plangebiet zulässigen Art der baulichen Nutzung unter Ziffer 2 der textlichen Festsetzungen, jedenfalls im Hinblick auf den Ausschluss von "Wohnungsprostitution" (2.). Auch weisen die Behandlung und Abwägung der Belange des Immissionsschutzes (§ 1 Abs. 6 Nr. 7c BauGB) sowie der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) beachtliche Fehler auf (3.). Daraus folgt die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans (4.).
441. Der Bebauungsplan ist mit seinen Planungsansätzen in seiner Grundkonzeption i. S. v. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich gerechtfertigt.
45Was i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die „Städtebaupolitik“ zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind demgegenüber in aller Regel nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt, und daher die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen vermag. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung lediglich eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. Dafür ist das Abwägungsgebot maßgeblich, das im Hinblick auf gerichtliche Kontrolldichte, Fehlerunbeachtlichkeit und heranzuziehende Erkenntnisquellen abweichenden Maßstäben unterliegt. Deswegen kann die Abgewogenheit einer Bauleitplanung und ihrer Festsetzungen nicht bereits zum Maßstab für deren städtebauliche Erforderlichkeit gemacht werden.
46Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 2013 - 4 C 13.11 -, BauR 2013, 1399 = juris Rn. 9, und vom 27. März 2013 - 4 CN 6.11 -, BauR 2013, 1402 = juris Rn. 9, sowie Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 8. April 2014 - 2 D 43/13.NE -, juris Rn. 43.
47Nach diesen Grundsätzen ist der streitgegenständliche Bebauungsplan in seiner Grundkonzeption städtebaulich gerechtfertigt.
48Erklärte Ziele der Planung sind die Sicherung des Gebietes als Wohnstandort, die Stärkung der bestehenden Funktionsmischung aus Wohnen, Gastronomie, Einzelhandel, Dienstleistung und nichtstörendem Gewerbe sowie die Schaffung einer insgesamt höheren Aufenthaltsqualität. Aufgrund der bestehenden baulichen Dichte stelle sich das Plangebiet bereits als ein typisch innerstädtisches Quartier dar, das dem städtebaulichen Leitbild einer kompakten und nutzungsdurchmischten Stadt der kurzen Wege gerecht werden könne. Die Entwicklung des Bereichs zu einem innerstädtischen, urbanen Quartier soll unterstützt werden, das sich im Sinne der Leipzig Charta durch kurze Wege, Arbeitsplätze vor Ort und eine gute soziale Mischung auszeichnet. Zugleich sollen Fehlentwicklungen, die diesem Ziel entgegenstehen, vermieden werden (Planbegründung S. 15). Entsprechend den Planungszielen werde für die Bauflächen innerhalb des Plangebiets ein Urbanes Gebiet gemäß § 6a BauNVO festgesetzt. Leitbild des § 6a BauNVO sei aus Sicht des Verordnungsgebers die nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege, was den Zielvorstellungen der vorliegenden Planung entspreche (Planbegründung S. 17).
49Darin ist eine positive städtebauliche Planungskonzeption zu sehen, nach der die Antragsgegnerin in städtebaulich legitimer Weise insbesondere die öffentlichen Belange aus § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB (Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung vorhandener Ortsteile sowie § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB (Wohnbedürfnisse der Bevölkerung) verfolgt.
50Davon, dass die Planung von vornherein zur Erreichung dieser vorgestellten Ziele ungeeignet wäre, ist nicht auszugehen. In Zusammenhang mit der Ausweisung der Bauflächen als Urbanes Gebiet hebt die Antragsgegnerin zu Recht hervor, dass bereits die Bestandsnutzung, namentlich die mit wenigen Ausnahmen festzustellende Wohnnutzung ab dem ersten Obergeschoss der vorhandenen straßennahen Bestandsgebäude, der Charakterisierung der vorhandenen Bebauung als Kerngebiet widerspricht. Will man die Nutzung - mit Ausnahme der ausgeschlossenen Nutzungen - im Bestand sichern und die vorgestellte Durchmischung aus Wohnen, Gewerbe, Einzelhandel und Gastronomie weiter entwickeln bzw. stärken, d. h. namentlich auch das Wohnen, scheidet die Ausweisung der Bauflächen als Kerngebiet aus. Denn hier wäre Wohnen nur ausnahmsweise zulässig. Auch kann – ebenso wenig wie hinsichtlich der vorausgegangenen Planung -
51vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 6. April 2017 – 2 D 77/15.NE –, juris Rn. 128 –
52die Rede davon sein, dass die mit Blick auf erkannte "Trading-Down-Effekte" beabsichtigte Aufwertung des Quartiers von vornherein nicht (mehr) zu erreichen wäre.
532. Allerdings weist die auf § 1 Abs. 5 und Abs. 9 BauNVO gestützte Regelung zur Feindifferenzierung der im Urbanen Gebiet allgemein zulässigen Nutzungen beachtliche, im Übergangsbereich von städtebaulicher Rechtfertigung und Abwägung liegende Mängel auf, jedenfalls soweit es um den Ausschluss von "Wohnungsprostitution" geht.
54In der gegebenen Planungssituation hätte es einer spezifischen Plausibilisierung der für den Ausschluss angeführten städtebaulichen Gründe im Hinblick auf den Ausschluss von Wohnungsprostitution bedurft. Daran fehlt es.
55Die Planbegründung hebt auf Seite 15 hervor, dass der Ausschluss von Vergnügungsstätten, Einzelhandelsbetrieben, deren Zweck auf den Verkauf von Artikeln mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist (im Weiteren Erotik-Einzelhandel), Anlagen und Betrieben, die gewerblich betriebenen sexuellen Dienstleistungen und Darbietungen dienen (im weiteren Erotikanlagen/-betriebe) sowie Wohnungsprostitution den städtebaulich ablesbaren Fehlentwicklungen im Sinne eines sog. Trading Down (hohe Zahl der Leerstände sowie vermehrter Bestand an Vergnügungsstätten sowie von gewerblichen Nutzungen aus dem Erotiksektor) entgegengewirkt werden soll (Planbegründung S. 15 und 18).
56Die nähere Plausibilisierung im Anschluss befasst sich ausdrücklich indes allein mit den ersten drei der vier genannten Nutzungsformen. Durch massive Ansiedlungsversuche von Vergnügungsstätten, Erotik-Einzelhandel sowie Erotikanlagen/-betrieben, drohe die Gefahr einer einseitigen Nutzungsstruktur von überwiegend städtebaulich problematischen Nutzungen im Plangebiet (vgl. Planbegründung S. 15/16 oben). Im Weiteren werden die Verdrängung innerstädtischer Einzelhandelslagen herausgestellt sowie die Beeinträchtigung des Stadt- und Straßenbildes, u. a. durch "sich abschottende Spielhallenfronten" mit der geäußerten Befürchtung der Tendenz der Verwahrlosung und Verunstaltung.
57Die Wohnungsprostitution wird in diesem Zusammenhang nicht weiter erwähnt, obschon nach der Regelungssystematik des Bebauungsplans aus Sicht des Plangebers die Betriebsform der „Wohnungsprostitution" in Ziffer 2 typisierend von den ebenfalls genannten Erotikanlagen/-betrieben unterschieden wird. Dort heißt es "sowie Wohnungsprostitution".
58Zugleich unterscheiden sich die städtebaulichen Auswirkungen der sog. Wohnungsprostitution von anderen Erotikanlagen/-betrieben, wenn sie im Sinne der in diversen Gerichtsentscheidungen angeführten bauplanungsrechtlichen Kategorie in Abgrenzung zu einem sog. bordellähnlichen Betrieb verstanden wird; sie kann insbesondere - anders als dieser - wohnverträglich ausgeübt werden und in Folge auch im Mischgebiet zulässig sein.
59Vgl. allerdings BVerwG, Beschluss vom 29. September 2020 – 4 B 13/20 (4 C 5/20) –, juris Rn. 1 f. (Revisionszulassung zur Frage, ob an der Rechtsprechung zur typisierenden Einordnung von Bordellen oder bordellartigen Betrieben als das Wohnen mehr als nur nicht unwesentlich störende Gewerbebetriebe festzuhalten ist).
60Dies betrifft namentlich die für den Ausschluss der anderen Nutzungsformen herausgestellte Gefahr einer Verdrängung von Einzelhandelslagen, da es nicht um eine Ladennutzung, sondern um die Nutzung(sänderung) von Wohnungen geht und eine Beeinträchtigung des Stadt- und Straßenbildes schon bei dem naheliegenden, an die genannte Rechtsprechung anknüpfende Begriffsverständnis von Wohnungsprostitution nicht in vergleichbarer Unmittelbarkeit auftritt. Denn dann tritt sie nach außen nicht anders als eine Wohnnutzung in Erscheinung.
61Dies entspricht auch dem Verständnis des Vergnügungsstättenkonzeptes, dem der Bebauungsplan mit dem Ausschluss weitestgehend folgen will (vgl. Planbegründung S. 16). Empfehlungen zur Wohnungsprostitution enthält dieses nicht. Dort wird in Abb. 1 die sog. Wohnungsprostitution dem Wohnen zuordnet und auf Seite 27 zugleich als typisierend ausgeführt, dass Wohnungsprostitution schon aus Gründen der Diskretion im eigenen Interesse nicht im Stadtbild in Erscheinung träte und Konfliktfälle hier überwiegend (nur) im nachbarlichen Umfeld aufträten. Über diese Feststellung hinaus findet die Wohnungsprostitution dann auch im Konzept keine weitere Erwähnung; so beziehen sich auch die Empfehlungen im Rahmen des Räumlichen Konzeptes (S. 51 ff.) auf Vergnügungsstätten und vergnügungsstättenähnliche Betriebe, zu denen bei bauplanungsrechtlich typisierender Betrachtung die Wohnungsprostitution nicht - jedenfalls nicht ohne weitere und hier fehlende Plausibilisierung - zählt.
62Dabei ist die sog. Wohnungsprostitution bauplanungsrechtlich allerdings nach bisher einhelliger Rechtsprechung nicht etwa als Wohnen im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 BauNVO, sondern als gewerbliche Nutzung einzustufen.
63Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 1995 – 4 B 137/95 –, juris Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2007 – 7 E 623/07 –, juris Rn. 4.
64Bei aller Unschärfe in der Abgrenzung zwischen dem bordellartigen Betrieb und einer das Wohnen nicht wesentlich störenden sog. Wohnungsprostitution ist letzterer nicht nur zu Eigen, dass die Prostituierten in dem betreffenden Gebäude dauerhaft wohnen. Sie setzt vielmehr zudem voraus, dass die (gewerbliche) Betätigung nach außen nur wohnähnlich in Erscheinung tritt und dem Gebäude, in dem sie stattfindet, nicht das Gepräge gibt. Gehen die Aktivitäten der Prostituierten unter dauerhafter Nutzung der Räumlichkeiten nach Art und Umfang hierüber hinaus, liegt keine Wohnungsprostitution mehr vor.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2015 – 2 A 325/15 –, juris Rn. 17 f.; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 29. Oktober 2019 – 2 B 2.18 –, juris Rn. 50, jeweils m. w. N. (Revision zugelassen durch BVerwG, Beschluss vom 29. September 2020 – 4 B 13/20 (4 C 5/20) –, juris).
66Damit sind hier insbesondere solche Formen der Wohnungsprostitution erfasst, die aus Sicht des Gesetzesgebers des Prostituiertenschutzgesetzes nicht erlaubnispflichtig nach § 12 ProstSchG und damit kein Prostitutionsgewerbe sind. Es handelt es sich um die Konstellation, dass eine Wohnung ausschließlich durch ihre Inhaberin oder ihren Inhaber zur Ausübung der Prostitution genutzt wird, ohne dass eine dritte Person aus dieser Nutzung Gewinn erzielt (BT- Drs. 18/8556 S. 39 und S. 61). Nur soweit jemand eine oder mehrere Wohnungen gezielt einer (anderen) Person zum Zweck der Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellt, soll nach der Gesetzesbegründung die Wohnung auch als Prostitutionsstätte und der Verfügungsberechtigte als ihr Betreiber i. S. d. § 2 Abs. 3 und 4 ProstSchG gelten. Mit der strikten Regelung soll eine Umgehung der Erlaubnispflicht vermieden werden. Wer sich professionell darauf ausrichte, eine oder mehrere Wohnungen an Prostituierte zur Ausübung ihrer Tätigkeit zu vermieten, sei ein Gewerbetreibender im Sinne des § 2 Abs. 3 ProstSchG und unterfalle der Erlaubnispflicht und den daran anknüpfenden Regelungen für Prostitutionsstätten (BT-Drs. 18/8556 S. 61).
67Letzteres wirft – ohne dass dies hier weiterer Vertiefung bedarf – auch die Frage nach dem Begriffsverständnis des vorliegenden Planungsgebers von "Anlagen und Betrieben, die gewerblich betriebenen sexuellen Dienstleistungen und Darbietungen dienen" auf und einer möglicherweise teilweisen Überschneidung mit der besonders erwähnten "Wohnungsprostitution".
68Vorstehendes bekräftigt zugleich, dass sich die Auswirkungen von Wohnungsprostitution – wie gesagt - schon vorhabenbedingt in ihren städtebaulichen Auswirkungen von bordellartigen Betrieben signifikant unterscheiden und also auch ihr Ausschluss gesonderter Erwägungen bedarf. Bordellartige Betriebe und Bordelle sind regelmäßig mit nach außen wirkenden Begleiterscheinungen verbunden (sog. „milieubedingte Unruhe“) und lässt sich insoweit eine potentielle Schädlichkeit im Sinne eines "Trading-Down-Effekts" hinreichend plausibel begründen.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. April 2017 - 2 D 77/15.NE -, juris Rn. 100 ff.; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 29. Oktober 2019 - 2 B 2.18 -, juris Rn. 52 (Revision zugelassen durch BVerwG, Beschluss vom 29. September 2020 – 4 B 13/20 (4 C 5/20) –, juris).
70Eine entsprechende milieubedingte Unruhe, wie das Ansprechen Unbeteiligter sowie das Anfahren und Abfahren der Freier als sichtbare Begleiterscheinungen der Prostitution können für die in der Rechtsprechung umschriebene Kategorie der Wohnungsprostitution zwar nicht von vornherein ausgeschlossen werden,
71vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 -, juris Rn. 25; BT-Dr. 16/4116, S. 40; BT-Drs. 18/8556 S. 76,
72und es mag die Gefahr einer solchen Unruhe insbesondere bei einer Häufung einem Erfahrungssatz entsprechen, so dass aus städtebaulicher Sicht eine unterschiedliche Regelung von Wohnungsprostitution und anderen Formen der Prostitution nicht etwa vorgezeichnet ist.
73Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. April 2017 - 2 D 77/15.NE -, juris Rn. 104.
74Die störende Wirkung der sog. Wohnungsprostitution geht aber – wie ausgeführt – jedenfalls typischerweise nicht so weit wie andere Formen des geschäftsmäßigen Angebots sexueller Dienstleistungen.
75Dass der Plangeber sich diesen Unterschied hinreichend vor Augen geführt hätte, lässt sich aus der allein auf den Ausschuss von Vergnügungsstätten, von Erotik-Einzelhandel und Erotikanlagen/-betrieben abgestimmten Einzelbegründung indes nicht entnehmen. Insbesondere ist - wie bereits gesagt - der für den Ausschluss von Vergnügungsstätten, Erotikeinzelhandel sowie Erotikanlagen/-betrieben in der Planbegründung herausgestellte Verdrängungseffekt betreffend Läden und der Auswirkungen auf das Stadtbild in dieser Form auf eine Wohnungsprostitution gerade nicht übertragen. Die Spezifizierung war hier umso mehr im Hinblick auf die von dem Antragsteller geltend gemachten Nutzungsinteressen veranlasst, auch wenn bei der von ihm geäußerten Vorstellung, die Wohnungen in seinem Haus an Prostituierte nicht nur zum Wohnen, sondern auch zur Ausübung der Prostitution vermieten zu wollen, die Annahme, es handele sich um Wohnungsprostitution im vorstehenden Sinne, zumal unter Einbeziehung des geplanten zusätzlichen Angebots erotischer Massage im Erdgeschoss, eher fernliegen dürfte.
76Der aufgezeigte Abwägungsmangel ist zugleich beachtlich. Denn er ist im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB offensichtlich, weil er die äußere Seite des Abwägungsvorgangs betrifft und auf objektiv fassbaren Sachumständen beruht. Er ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, weil die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Feindifferenzierung anders ausgefallen wäre. Er ist auch nicht nach § 215 BauGB unbeachtlich geworden. Er ist (noch) von den Einwendungen des Antragstellers in der Antragsbegründung gegen die Feindifferenzierung getragen. Der Begründungsschriftsatz ist der Antragsgegnerin durch den Antragsteller rechtzeitig binnen eines Jahres nach Bekanntmachung des Satzungsbeschluss übermittelt worden, wie auch die Antragsgegnerin nicht (mehr) in Abrede stellt.
773. Die Behandlung und Abwägung der Belange des Immissionsschutzes (§ 1 Abs. 6 Nr. 7c BauGB) sowie der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) weisen ebenfalls beachtliche Fehler auf.
78Ein Schwerpunkt der hier vorzunehmenden Abwägung war, die als Urbanes Gebiet ausgewiesenen Bauflächen in einer mit den genannten Belangen (noch) zu vereinbarenden Weise in das hier durch erhebliche Lärmquellen – Straßenverkehr und Schienenverkehr – vorbelastete Plangebiet einzubinden. Das hat der Plangeber im Ansatz durchaus erkannt und die Hinweise des Senats zu der vorausgegangenen Planung (Urteil vom 6. April 2017 – 2 D 77/15.NE –, juris Rn.129) aufgreifend die Verkehrslärmbelastung des Plangebietes im Rahmen einer schalltechnischen Untersuchung von Juli 2018 eingehend ermittelt. In der Begründung der Planung ist im Nachgang herausgestellt, dass die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, die für Mischgebiete nachts bei 62 dB(A) liege, in den Baugebieten südlich der I5.---------straße vollständig überschritten werde. Die Beurteilungspegel bewegten sich zwischen 64 dB(A) und 70 dB(A). Nördlich der I5.---------straße lägen die Beurteilungspegel zumindest in den Blockinnenbereichen (ohne Berücksichtigung der Bestandsgebäude) unterhalb von 62 dB(A). Darüber hinaus stiegen die Werte in diesen Baugebieten bis 65 dB(A) an.
79Entsprechend konstatiert die Planbegründung hinsichtlich der Umweltbelange unter 6.1, dass das Vorliegen gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse somit bereits in der aktuellen Situation gefährdet bzw. schon nicht mehr gegeben sei. Damit räumt sie der Sache nach ein, dass das Quartier also nicht nur im Hinblick auf die ausgeschlossenen Nutzungen, sondern auch mit Blick auf die Lärmvorbelastung einen städtebaulichen Missstand aufweist, der (jedenfalls in weiten Teilen) sanierungsbedürftig ist.
80Zur Bewältigung hat es der Plangeber indes im Wesentlichen dabei belassen, passive Schallschutzmaßnahmen nach Maßgabe der DIN 4109 sowie entlang der straßenseitigen Grundstücksgrenzen Baulinien festzusetzen, um namentlich im nördlichen Plangebiet eine Blockrandbebauung zu gewährleisten. Das genügte in der gegebenen Planungssituation zur Problembewältigung nicht. Das betrifft in Sonderheit den südlichen Planbereich.
81Bei der Ausweisung von auch dem Wohnen dienenden Baugebieten in einer durch Verkehrslärm hochbelasteten Gemengelage ist eine verschärfte Sicht auf den bestehenden Lärmkonflikt und dessen Bewältigung gefordert. Das gilt auch im Falle der Überplanung eines Bestandes, die – wie hier – nicht mit einer spezifischen Erhöhung des Verkehrsaufkommens verbunden ist.
82Zwar mag die Pflicht zur Konfliktlösung (schon auf der Planungsebene) in erster Linie für diejenigen Konflikte gelten, die durch den Plan ausgelöst oder verschärft werden, d. h. insbesondere also, wenn sich die Verkehrs(lärm)situation in planbedingter Weise ändern wird.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – 4 C 9.95 –, juris Rn. 36; Beschluss vom 17. September 1998 - 4 CN 1.97 -, juris Rn. 16; vgl. aus der straßenplanungsrechtlichen Rechtsprechung auch BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2008 – 9 B 7.07 -, juris Rn. 9.
84Abwägungserheblich kann aber auch das Interesse sein, aus Anlass einer Bebauungsplanung zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu ergreifen. Das gilt erst recht, wenn durch die Planung neue schutzbedürftige Nutzungen zum Bestand hinzutreten können, wie hier etwa durch die Errichtung von weiteren Wohn-/Geschäftsgebäuden auf den noch unbebauten überbaubaren Grundstücksflächen, beispielsweise auf dem an der südöstlichen Grenze des Plangebietes gelegenen Grundstück oder in den in der Planbegründung angesprochenen Lücken der Blockrandbebauung auch im nördlichen Plangebiet, sowie durch mögliche Umnutzungen der ehemals gewerblich genutzten Einheiten etwa im nördlichen Bereich und es vorrangiges Ziel der Planung ist, Wohnnutzung zu stärken und auszuweiten. Reichen die planerischen Gestaltungsmöglichkeiten in Form von differenzierenden Festsetzungen nicht aus, um die Grenze zur Gesundheitsgefährdung einzuhalten, verbleibt die planerische Umstrukturierung des Gebiets.
85Vgl. Hess VGH, Urteil vom 10. Juni 2020 – 3 C 394/19.N –, juris Rn. 52; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krauzberger, Baugesetzbuch, Band I, Stand Mai 2015, § 1 Rn. 240 ff.
86Auszugehen ist also auch hier zunächst von den allgemeinen Abwägungsgrundsätzen.
87Welche Lärmbelastung einem auch dem Wohnen dienenden Baugebiet planerisch zugemutet werden darf, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Orientierungswerte der DIN 18005- 1 können zur Bestimmung der zumutbaren Lärmbelastung im Rahmen einer gerechten Abwägung als Orientierungshilfe herangezogen werden. Die genannten Werte sind allerdings nicht absolut bindend, sondern lassen Abweichungen zu. Je weiter diese Orientierungswerte überschritten werden, desto gewichtiger müssen allerdings die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um die Auswirkungen zu verhindern.
88Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Februar 2010 - 4 BN 59.09 -, juris Rn. 4, und vom 19. August 2015 - 4 BN 24.15 -, juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 21. April 2015 - 2 D 12/13.NE -, juris Rn. 5, m. w. N; vgl. zur Problemstellung der Überplanung einer Gemengelage auch: Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Auflage, Rn. 442 ff.
89Daneben kann der Plangeber zur Ermittlung und Bewertung von Verkehrslärm grundsätzlich zulässigerweise auf die – höheren - Grenzwerte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV als Abwägungsleitlinie zurückgreifen. Die Zumutbarkeit bleibt aber stets auch anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu beurteilen.
90Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. April 2015 - 2 D 12/13.NE -, juris Rn. 113; OVG S.-H., Beschluss vom 28. August 2020 - 1 MR 4/20 -, juris Rn. 45.
91Jedenfalls wenn im Inneren der Gebäude durch die Anordnung der Räume und die Verwendung schallschützender Außenbauteile angemessener Lärmschutz gewährleistet wird, kann es im Ergebnis mit dem Gebot gerechter Abwägung vereinbar sein, Wohngebäude an der lärmzugewandten Seite des Gebäudes deutlich über den Orientierungswerten liegende Außenpegeln auszusetzen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann es also abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionsbelastung durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen, um den Belangen aus § 1 Abs. 6 Nr. 1 (Anforderung an gesunde Wohnverhältnisse) und Nr. 7 Rechnung zu tragen.
92Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2007 – 4 CN 2/06 –, BVerwGE 128, 238 = juris Rn. 16 f.
93In diesem Zusammenhang kann es namentlich in großstädtischen Bereichen Situationen geben, in denen etwa im Rahmen der Schließung innerörtlicher Lücken und einer Nachverdichtung der Bebauung auch bei hohen Außenpegeln die Ausweisung von Baugebieten, die auch dem Wohnen dienen, unter Verweis auf bloßen passiven Schallschutz in Betracht kommen kann.
94Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2005 – 7 D 48/04.NE –, juris Rn. 102, unter der Einschränkung, "wenn die Außenpegel jedenfalls die im Bereich von 70 bis 75 dB(A) am Tag bzw. 60 bis 65 dB(A) in der Nacht liegende Grenze zur absoluten Unvertretbarkeit bzw. Gesundheitsgefahr noch nicht überschreiten", mit Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2004 - 4 B 75.04 -, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 42.
95Nicht mehr hinzunehmen sind Immissionen in jedem Fall dann, wenn sie mit gesunden Wohnverhältnissen i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB nicht in Einklang zu bringen sind. Eine exakte Grenze im Sinne eines eindeutigen Grenzwerts lässt sich auch insoweit nicht fixieren. Hinsichtlich der Belastung durch Verkehrslärm beginnt der aus grundrechtlicher Sicht kritische Wert für Gebiete, in denen Wohnen allgemein zulässig ist, jedenfalls bei einer Gesamtbelastung durch Dauerschallpegel oberhalb der Werte von 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht.
96Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. April 2015 - 2 D 12/13.NE -, juris Rn. 111.
97Davon ausgehend weist der Plan hinsichtlich der Behandlung der erkannten Verkehrslärmproblematik durchgreifende Mängel auf.
98Hier mag der Plangeber die für die Ausweisung der Bauflächen als Urbanes Gebiet sprechenden städtebaulichen Belange tragfähig als solche von einigem Gewicht angesehen haben. Ziel der Planung ist einem unter dem Aspekt des sog. Trading-Down erkannten städtebaulichen Missstand durch Ausschluss der Neuansiedlung der als kritisch erkannten Nutzungen bei gleichzeitigem Erhalt der bestehenden Nutzungsmischung im Übrigen zu begegnen. Der ins Auge gefasste Ausschluss war auch nicht ohne gleichzeitige Festsetzung eines Baugebietes möglich. Allein der Ausschluss von Vergnügungsstätten bzw. bestimmter Arten von Vergnügungsstätten wäre über einen Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2b BauGB ohne Baugebietsausweisung möglich. Unter dem Aspekt der Bestandsorientierung mag auch die Wahl eines Baugebietes nahegelegen haben, in dem eine Wohnnutzung allgemein zulässig ist. Solche Überlegungen lassen sich den Aufstellungsvorgängen indes nur eher andeutungsweise entnehmen.
99Dessen ungeachtet hat der Plangeber mit der Beschränkung auf passive Schallschutzmaßnahmen in Ansehung der Höhe der festgestellten Lärmbelastung in den gegebenen Grundstücksverhältnissen die aufgeworfenen Lärmschutzfragen nicht sachgerecht bewältigt. Dies gilt in Sonderheit für die Lärmsituation im südlichen Plangebiet, die nach den Feststellungen der lärmtechnischen Untersuchung, wie gesagt, noch oberhalb von 65 dB(A) nachts liegt. Sie liegen damit oberhalb eines Bereichs von 60 dB(A) bis 65 dB(A) nachts, der sicherlich die Grenze des aus gesundheitlichen Gründen kritischen Bereichs kennzeichnet. Dies wiederum führt auf die Frage, ob damit nicht ohnehin eine Lärmsituation festgestellt ist, die jenseits aller Möglichkeiten, über technischen Schallschutz vertretbare Innenpegel zu erreichen, mit der Ausweisung eines auch durch Wohnnutzung gekennzeichneten Baugebietes generell oder jedenfalls dann, wenn das Ziels des Plans gerade eine (Ver-)Stärkung der Wohnnutzung ist, unvereinbar ist.
100Darauf hindeutend: OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2005 – 7 D 48/04.NE –, juris Rn. 102;
101auf das Fehlen einer festen Grenze hinweisend: OVG NRW, Urteil vom 21. April 2015 – 2 D 12/13.NE -, juris Rn. 111; zur Problemstellung allgemein: Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Auflage, Rn. 452 ff.
102Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung. Das gilt zuvorderst mit Blick auf die Defizite bei den Regelungen der Lärmpegelbereiche.
103Die lärmtechnische Untersuchung hat einen wesentlichen Teil des südlichen Plangebiets, das zu den Bahngleisen orientiert ist, dem Lärmpegelbereich VII gemäß DIN 4109 in der Fassung der Ausgabe November 1989 zugeordnet, um insbesondere im Hinblick auf die ermittelten Nachtwerte über eine entsprechende Dämmung angemessene Innenpegel und darüber angemessene Wohnverhältnisse zu gewährleisten.
104Allerdings sieht die DIN 4109 im Lärmpegelbereich VII für Aufenthaltsräume selbst keine bestimmten von Außenbauteilen einzuhaltende Dämmwerte vor, sondern verlangt, dass die jeweiligen Anforderungen auf Grund der örtlichen Gegebenheiten festzulegen sind (vgl. Tabelle 8). Diese Einzelfallbetrachtung hat der Plangeber hier aber nicht geleistet, sondern der Forderung aus der textlichen Festsetzung Ziffer 2.1, dass für Aufenthaltsräume das erforderliche Schalldämmmaß gemäß der Tabelle 8 der DIN 4109 zu ermitteln ist, dieselbe auszugsweise im Wortlaut angefügt, ohne diese Festlegung selbst zu treffen oder jedenfalls nachzuhalten, wonach sie sich im Einzelfall richten soll. Das war hier in Ansehung der Überplanung eines Bestandes umso mehr veranlasst, als die DIN 4109 selbst eine objektbezogene Prüfung fordert.
105Vgl. OVG NRW, Urteile vom 4. März 2002 – 7a D 92/01. NE –, juris Rn. 27, und – 7a D 41/01.NE -, juris Rn. 61, im Zusammenhang mit einer Straßenplanung.
106Darin liegt nicht nur ein partieller Abwägungsausfall, sondern stellt sich auch die Frage einer hinreichenden Bestimmtheit dieser für weite Teile des Plangebietes geltenden Regelung. Zugleich ist damit dem Belang gesunder Wohnverhältnisse für den südlichen Bereich nicht Rechnung getragen.
107Im Weiteren hat der Plangeber die Möglichkeiten anderweitiger Lösungen für den Lärmkonflikt, namentlich in Bezug auf die zugelassene Wohnnutzung nicht ausreichend beleuchtet.
108Dies betrifft ebenfalls im Besonderen die Minderung des durch den Schienenverkehr begründeten Lärmkonflikts im südlichen Planbereich. In den gegebenen Grundstücksverhältnissen reichte der Hinweis auf das Lärmsanierungsprogramm der Deutschen Bahn Netz AG (vgl. Planbegründung S. 23 und 25) und die vorgestellte Errichtung einer 3 m hohen Schallschutzwand nicht aus. Vielmehr hätte es zur Abklärung weiterer alternativer oder flankierender Maßnahmen einer weitergehenden Analyse der Bestandsbebauung bedurft. Zudem wäre es zwingend erforderlich gewesen, dass sich der Plangeber über die genaueren Auswirkungen der Möglichkeiten von Schutzmaßnahmen insbesondere im Hinblick auf den Grad der Minderung der gesundheitsschädlichen Lärmauswirkungen Klarheit verschafft hätte. Dies ist indes nicht zu erkennen. Noch in der mündlichen Verhandlung konnten die Vertreter der Antragsgegnerin hierzu keine belastbaren Angaben machen, obwohl die Planung weitgehend finalisiert sein soll, was allerdings schon die Planbegründung angenommen hatte.
109Zwar mag mit Blick auf die Auslastung des Streckennetzes und die die sog. Sanierungswerte erreichende Belastung der anliegenden Gebäude, die auch nach der neuerlichen im vorliegenden Verfahren eingereichten Bestandsaufnahme der Antragsgegnerin in den oberen Etagen im Wesentlichen Wohnnutzungen aufweisen, das "Ob" einer Lärmsanierung vermittels Lärmschutzwand des Schienennetzes außer Frage gestanden haben. Indes war im Zeitpunkt des Planerlasses der Zeitrahmen eher vage und hat sich in der Folge immer weiter nach hinten verschoben. Schließlich existierte die Planung erst im Entwurf und musste dieser noch beim zuständigen Eisenbahn-Bundesamt zur Plangenehmigung vorgelegt werden. Die damit verbundenen Unsicherheiten verdeutlicht nicht zuletzt der Umstand, dass nach den Angaben der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nunmehr mit einer Realisierung erst bis zum Jahr 2023 zu rechnen ist, während die Planbegründung und Abwägung noch vom Jahr 2021 ausging. Zugleich finden sich weder in der Planbegründung noch in den weiteren der Abwägung zugrunde gelegten Aufstellungsstellungsvorgängen Hinweise darauf, welche Effekte mit der Lärmschutzwand voraussichtlich erreicht werden. In der gegebenen Ausgangslage einer Vorbelastung mit Nachtwerten zwischen 65 und 70 dB(A) und der Zuordnung eines Lärmpegelbereichs VII gehörte es indes zum Abwägungsmaterial, den Umfang der voraussichtlichen Lärmreduzierungen zu ermitteln, um insbesondere die Erwartung ableiten zu können, dass im Anschluss jedenfalls von dieser Seite keine unvertretbaren, die enteignungsrechtliche Grenze übersteigenden Außenpegel mehr auftreten. Der Hinweis, es sei davon auszugehen, dass nach Errichtung der Schallschutzwand insbesondere die kritischen Lärmpegel zu den Nachtzeiten deutlich verringert würden, reichte insoweit ersichtlich nicht aus. Der weitere Hinweis auf das Schallschutzprogramm und die finanzielle Förderung des Einbaus von Schallschutzfenstern machte die weitere Analyse ebenfalls nicht entbehrlich.
110Dies gilt umso mehr, als es in dem hier angesprochenen Bereich keine lärmabgewandte Seite gibt, weshalb der Plan auch von entsprechenden Festsetzungen zur Grundrissgestaltung abgesehen hat und bei dem gegebenen Kenntnisstand zur Straßenverkehrsbelastung auch schwerlich eine Ausrichtung der Wohn- und/oder Schlafbereiche zu der dem Straßenverkehrslärm zugewandten Seite abwägungsgerecht hätte vorgeben können. Nach dem entsprechenden Bild der lärmtechnischen Untersuchung zum Gesamtverkehrslärm mit Berücksichtigung der Bebauung sind auch die straßenseitigen Fassaden nachts jedenfalls dem Bereich von 60 bis 65 dB(A) zuzurechnen; auch stellt die Planbegründung, wie ausgeführt, ohne weitere Einschränkung fest, dass die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle für Mischgebiete von 62 dB(A) nachts im gesamten Plangebiet überschritten werde. Gleichwohl ist zumindest in Teilbereichen selbst im Lärmpegelbereich VII eine Bebauung in größtmöglicher Nähe zu den Lärmquellen durch Baulinien vorgezeichnet und eine Wohnnutzung hier weder explizit noch nach dem Willen des Plangebers ausgeschlossen oder auch nur eingeschränkt.
111Die genannte Aufklärung war nicht deshalb entbehrlich, weil es um die Überplanung eines Bestandes ging. Dies gilt umso mehr, als für diesen Bereich – anders als für den nördlichen Bereich – nicht etwa auf eine "lärmrobuste städtebauliche Struktur" mit zum Teil bereits vorhandenen Blockinnenbereichen verwiesen werden kann, ohne dass damit gesagt sein soll, dass dieser Hinweis für eine abwägungsgerechte Bewältigung der dortigen Lärmproblematik ausgereicht hätte. Dort erscheint im Übrigen insbesondere auch überprüfungsbedürftig, ob sich – wie vom Plangeber vorgestellt – tatsächlich durch die Ausweisung von Baulinien ausreichend die Ausbildung von abschirmenden Blockinnenbereichen (vor)steuern lässt. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob ein Verzicht auf Regelungen zum Verlauf eventueller hinterer Baugrenzen hier zielführend sein kann. Angesprochen ist damit auch die Frage der Bestimmtheit der Festsetzung. In diesem Zusammenhang ist zudem von Bedeutung, dass solche Regeln naturgemäß nur dann greifen können, wenn es zu einer entsprechenden Bebauung tatsächlich kommt.
112Im südlichen Planbereich gibt es jedenfalls schon im Bestand keine ruhigeren Blockinnenbereiche. Auch steht nicht zu erwarten, dass sich solche ausbilden könnten. Zu den Gleisen hin wird allein eine Baugrenze ausgewiesen.
113Angesichts der bestehenden Lärmbelastung hätte es zumindest Erwägungen dazu bedurft, ob der städtebauliche Missstand nicht mit Mitteln des besonderen Städtebaurechts zu bekämpfen wäre, statt ihn bauplanungsrechtlich zu zementieren. Solche Überlegungen haben indes in den Aufstellungsvorgängen keinen Niederschlag gefunden. Nach den Angaben der Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung hat man hiervon wohl abgesehen, weil man auf die Lösung durch Lärmschutzmaßnahmen Dritter an der Bahnlinie vertraute. Das reicht bei dem erreichten Kenntnisstand in den vorliegenden Grundstücksverhältnissen indes – wie dargelegt – nicht aus.
114Der Hinweis auf Seiten der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung, dass die in den Lärmpegelbereich VII hineinragenden Gebäudeteile in den parallel zu den Gleisen ausgebildeten Abschlusswänden keine Öffnungen aufweisen, ist ebenfalls nicht zielführend. Entsprechende Feststellungen lagen der Abwägung selbst nicht zugrunde. Planbegründung und Abwägung verzichten vielmehr ausdrücklich auf eine kleinteiligere Betrachtung der gegebenen örtlichen Verhältnisse und ihrer Nutzung. Außerdem lässt der Einwand außer Betracht, dass nach der lärmtechnischen Stellungnahme auch die seitlichen Fassaden -selbst unter Berücksichtigung der Bebauung – mit (Schienen-)Verkehrslärm nachts in einer Größenordnung von Beurteilungspegeln jenseits 65 dB(A) beaufschlagt werden. Dass dort keine Fenster zu schutzbedürftigen Nutzungen ausgebildet wären, wird auch von der Antragsgegnerin nicht behauptet.
115In diesem Bereich ist im Weiteren zu berücksichtigen, dass die Vorgaben zu Fenstern mit Lüftungseinrichtungen zwar bei entsprechenden Dämmwerten der Fenster und des Gebäudes im Übrigen verträgliche Innenwerte auch nachts möglicherweise gewährleisten könnten; dies setzte aber auch voraus, dass diese tatsächlich geschlossen blieben. Die Wohnnutzung ist hier also auch an solchen Standorten uneingeschränkt zugelassen, an denen die Gebäude rundum nachts gesundheitsgefährdendem Lärm (vgl. Planbegründung S. 21) und tags Lärm ausgesetzt ist, der im Grenzbereich der Pegelklassen bis 70 dB(A) bzw. in Teilen bis 75 dB(A) (vgl. Abb. der schalltechnischen Untersuchung Gesamtverkehrslärm mit Berücksichtigung der Bebauung im Plangebiet – Beurteilungszeitraum 6-22 Uhr) liegt. Die lärmtechnische Untersuchung stellt dazu fest, dass der Straßenverkehrslärm in den straßenzugewandten Bereichen des Plans den Orientierungswert von 60 dB(A) für Mischgebiete um bis zu knapp über 10 dB(A) übersteige. Danach ist also ein vertretbares Wohnen und Schlafen im südlichen Plangebiet im Grunde nur insgesamt hinter (ständig) geschlossenen Fenstern möglich.
116Vgl. zur Frage der Zumutbarkeit des Schlafens bei geschlossenen Fenstern bei entsprechender Vorbelastung: BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 = juris Rn. 4; zur Differenzierung je nach Vorbelastung: BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2012 – 4 BN 6.12 -, juris (zur Anordnung nicht öffenbarer Fenster in einer Gemengelage mit Gewerbelärm); Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Auflage, Rn. 452 f.
117Korrespondierend wären jedenfalls Erwägungen zu einer anderen Strukturierung der zugelassenen Nutzungen, also die Frage nach weitergehenden/anderes gestalteten Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche und zu einer Feindifferenzierung der zulässigen Nutzungsarten angezeigt gewesen, die gerade in einem Urbanen Gebiet in § 6a Abs. 4 BauNVO über das sonst Mögliche noch hinausreichen.
118Vgl. zur Zurücknahme der Wohnbebauung innerhalb des Lärmpegelbereichs VII: OVG S.-H., Beschluss vom 28. August 2020 – 1 MR 4.20 -, juris Rn. 45.
119Diese lagen hier umso näher, je vager die Aussichten einer zeitnahen Auflösung des diesbezüglich erkannten städtebaulichen Missstandes waren und der Umfang der zu erwartenden Lärmminderungen nicht ermittelt war. Auch fehlen Erwägungen zur Möglichkeit der Ausbildung bzw. Nutzung hinreichend ruhiger Außenwohnbereiche, die sich in Ansehung der festgestellten Tageswert von bis zu 70 dB(A), in Teilen auch über 70 dB(A) (südlich zu den Gleisen) ebenfalls verschärft im südlichen Planbereich gestellt haben dürften. Wie gesagt sind hier keine ruhigeren Blockinnenbereiche festgestellt und wird ihre Ausbildung durch die planerischen Festsetzungen auch nicht vorgezeichnet.
120Der festzustellende Mangel ist, selbst wenn er „nur“ den Abwägungsvorgang und dessen Ergebnis betreffen sollte, für die Wirksamkeit des Bebauungsplans beachtlich. Er ist offensichtlich, weil er auf objektiv feststellbaren Umständen beruht und zudem auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Denn der Plangeber hätte im Bewusstsein der Erkenntnisdefizite möglicherweise für das Urbane Gebiet weitere Vorkehrungen zum Lärmschutz festgesetzt, strukturell Anderes geplant oder andere/weitere Maßnahmen ergriffen.
121Vgl. dazu allg. OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 10 A 655/14 –, juris Rn. 59 f.
122Der Antragsteller hat die fehlerhafte Behandlung der einschlägigen Lärmschutzbelange in seinem Antragsbegründungsschriftsatz wie auch im Übersendungsschreiben an die Antragsgegnerin selbst rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 215 BauGB gerügt.
1234. Die aufgezeigten Mängel führen zur Unwirksamkeit des gesamten Planes.
124Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führen Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, (nur) dann ausnahmsweise nicht zu dessen Unwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen – für sich betrachtet – noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn der Rat nach seinem im Planungsverfahren zum Ausdruck gelangten Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. Dabei gilt auch zu berücksichtigten, dass die Teilunwirksamkeit im Verhältnis zur Gesamtunwirksamkeit eine von besonderen Umständen abhängende Ausnahme darstellt.
125Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2002 ‑ 4 CN 1.02 -, BVerwGE 117, 58 = juris Rn. 9, Beschlüsse vom 24. April 2013 - 4 BN 22.13 -, juris Rn. 3, und vom 22. Januar 2008 - 4 B 5.08 -, juris Rn. 9, jeweils m. w. N.
126An solchen fehlt es hier unabhängig davon, ob der Plan im Übrigen, namentlich in Bezug auf den Ausschluss weiterer Nutzungen über die Wohnungsprostitution hinaus und die Behandlung der Lärmschutzproblematik im nördlichen Teil des Planes, für sich betrachtet durchgreifende Mängel aufweist. Denn der Plangeber verfolgt mit den Vorgaben und Erwägungen zur Feindifferenzierung wie auch zum Lärmschutz und der Überplanung der überbaubaren Flächen im Plangebiet als - im Plan selbst nicht weiter unterteiltes oder differenziertes - Urbanes Gebiet ein einheitliches Konzept. Danach kann jedenfalls nicht mit der entsprechenden Zweifelsfreiheit davon ausgegangen werden, dass der Plangeber im Zweifel den Plan ohne die südlichen als MU (Urbanes Gebiet) festgesetzten Bereiche erlassen hätte, zumal dort nach den obigen Feststellungen auch die Nutzungsausschlüsse entfallen müssten, die von einer entsprechenden Gebietsfestsetzung abhängen. Letztlich verbliebe ein Planungstorso durch eine Reduzierung des Plangebietes auf weniger als die Hälfte. Entsprechend bedarf es auch keiner Vertiefung, ob der Abwägungsfehler zum Nutzungsausschluss für Wohnungsprostitution für sich allein betrachtet die Gesamtunwirksamkeit des Planes zur Folge hätte haben können.
127Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
128Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
129Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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