Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 18 A 770/22
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. März 2022 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 8 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.
3Der am 24. Juni 1976 in Serbien geborene Kläger serbischer Staatsangehörigkeit reiste erstmals im Jahr 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und führte erfolglos ein Asyl(erst)verfahren durch. Das ungefähr im selben Zeitraum von seiner Ehefrau B. E. (geb. C.) angestrengte 3. Asylfolgeverfahren blieb ebenfalls ohne Erfolg. Zugleich lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) auch die Asyl(erst)anträge der drei gemeinsamen Kinder als (offensichtlich) unbegründet ab. Im April 2014 reiste der Kläger mit seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern (wohl) freiwillig aus.
4Am 22. Juni 2018 bezog der Kläger ausweislich der entsprechenden Bescheinigung über die Anmeldung eine Wohnung unter der Anschrift F. 20, X. Am 2. Juli 2018 gab er gegenüber einer Notarin in M. die Erklärung ab, Vater des noch ungeborenen Kindes der italienischen Staatsangehörigen Frau S. Q. zu sein. Frau Q. stimmte der Vaterschaftsanerkennung zu. Die Erklärungen wurden notariell beurkundet. Am gleichen Tag erklärten der Kläger und Frau Q1. gegenüber derselben Notarin, die elterliche Sorge für das ungeborene Kind gemeinsam übernehmen zu wollen. Am 11. Oktober 2018 wurde das Kind F. Q. in X. geboren. Dieses besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und zudem nach Ansicht der Beklagten die italienische Staatsangehörigkeit.
5Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt reiste der Kläger erneut aus dem Bundesgebiet aus und am 5. Januar 2019 wieder ein.
6Am 10. Januar 2019 stellte der Kläger bei der Beklagten unter Verweis auf sein Kind F. Q. einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Er teilte ferner mit, er wohne unter der Anschrift seiner Freundin S. Q. (F. 20, X.). Als Anlage zu einem Schreiben vom 26. Februar 2019 übersandte der Kläger der Beklagten die Vaterschaftsanerkennung und die Sorgeerklärung jeweils vom 2. Juli 2018.
7Frau Q. ist Mutter von vier weiteren Kindern: T. Q., geboren am 22. August 2011, B.-D. Q., geboren am 12. Mai 2013, C. -E. Q., geboren am 11. August 2014 und Z.-T. Q., geboren am 20. Mai 2016. Vater von T. und B.-D. ist T1. B2., Vater von C.-E. ist M. B3. und Vater von Z.-T. ist T3. C2. Dieser ist ein Schwager des Klägers. Die Schwester von T1. B2. ist mit einem weiteren Bruder der Ehefrau des Klägers verheiratet.
8Mit Bescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 10. Mai 2019 wurde der Kläger der Beklagten zugewiesen.
9Die Beklagte erteilte dem Kläger am 27. Juni 2019 befristet bis zum 5. Februar 2020 die beantragte Aufenthaltserlaubnis.
10Seit dem 1. November 2019 wurden für das Kind F. Q. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt.
11Ab dem 15. November 2019 lebte der Kläger unter der Adresse C. Straße 113, X.
12Am 6. Februar 2020 um 8:45 Uhr stellte der Kläger persönlich bei der Beklagten einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Dem Antrag wurde am selben Tag entsprochen. Die Aufenthaltserlaubnis wurde bis zum 5. Februar 2021 verlängert.
13Im Laufe desselben Tages (18:17 Uhr) teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers und seiner Ehefrau B. E. mit, letztere sei mit den gemeinsamen Kindern bereits am 27. November 2019 in das „Schengengebiet“ eingereist. Alle fünf Personen wohnten unter derselben Anschrift (C. Str. 113, X.). Zusätzlich wurden für die Ehefrau und die drei gemeinsamen Kinder Aufenthaltserlaubnisse (§§ 25 Abs. 5, 30, 32 AufenthG) beantragt.
14Am 8. Mai 2020 begann der Kläger eine Tätigkeit als Raumpfleger mit einer täglichen Arbeitszeit von 2 ¼ h.
15Die Bezirksregierung Arnsberg wies die Ehefrau des Klägers und die gemeinsamen drei Kinder mit Bescheid vom 23. September 2020 ebenfalls der Beklagten zu.
16Am 18. Dezember 2020 wurden der Kläger und Frau Q. von der Beklagten zur Vaterschaft befragt.
17Am 15. Januar 2021 bezogen der Kläger, seine Ehefrau B. E. und die gemeinsamen drei Kinder eine Wohnung unter der Anschrift H. 34, X.
18Die Beklagte stellte dem Kläger am 9. Februar 2021 eine bis zum 8. August 2021 befristete Fiktionsbescheinigung aus.
19Mit Bescheiden vom 18. Februar 2021 lehnte die Beklagte die Anträge der Ehefrau des Klägers und der gemeinsamen drei Kinder auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ab, drohte ihnen die Abschiebung nach Serbien an, ordnete für den Fall der Abschiebung jeweils ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an und befristete dieses auf zwei Jahre ab dem Zeitpunkt der Abschiebung. Das dagegen angestrengte Klageverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
20Mit Schreiben vom 1. April 2021 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis an und erläuterte, wieso sie davon ausgehe, er, der Kläger, übe die Personensorge für das Kind F. Q. nicht aus. Sie wies u. a. darauf hin, weder das Facebookprofil noch das Instagramprofil des Klägers enthielten Fotos von F. Q.
21Mit Bescheid vom 26. Mai 2021, zugestellt am 28. Mai 2021, lehnte die Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (Ziffer 1.), die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG (Ziffer 2.), die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß Art. 20 AEUV (Ziffer 3.), die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (Ziffer 4.) sowie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG (Ziffer 5.) ab und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Serbien an (Ziffer 6.). Ferner ordnete die Beklagte für den Fall der Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an (Ziffer 7.) und befristete dieses auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Abschiebung (Ziffer 8.). Begründet wurde Ziffer 1. der Ordnungsverfügung im Wesentlichen damit, der Kläger übe die Personensorge für das Kind F. Q. nicht aus. Auffällig sei in diesem Zusammenhang, dass die Familie des Klägers und die Familie von Frau Q. seit Jahren befreundet seien. Ferner ließen die Profile des Klägers in den sozialen Medien keinen Schluss darauf zu, dass er sich um F. Q. kümmere. Zusätzlich liege der Ausschlussgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG vor.
22Die Beklagte erteilte dem Kläger für die Zeit vom 1. September 2021 bis zum 28. Februar 2022 Duldungen.
23Der Kläger hat am 11. Juni 2021 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (7 L 1299/21) gestellt.
24Am 12. Januar 2022 hat das Verwaltungsgericht einen gemeinsamen Erörterungstermin für das Klageverfahren und das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durchgeführt. Im Rahmen des Termins sind der Kläger und Frau Q. (als Zeugin) zur Frage des Umgangs des Klägers mit dem Kind F. Q. befragt worden. Zum Beleg einer Vater-Kind-Beziehung hat der Kläger im Termin eine Vielzahl von Fotos zur Gerichtsakte gereicht.
25Mit Bescheid vom 11. Februar 2022 hat die Beklagte das mit Ordnungsverfügung vom 26. Mai 2021 angeordnete und auf drei Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (dort Ziffern 7. und 8.) aufgehoben und für den Fall der Abschiebung des Klägers ein neues Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen, das auf ein Jahr und sechs Monate befristet worden ist.
26Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, es bestehe nach wie vor eine Lebens- und Beistandsgemeinschaft zu seinem deutschen Kind F. Q. Dies bestätige Frau Q. in einer schriftlichen Erklärung vom 6. Juli 2021. Entgegen dem Vortrag der Beklagten sei sein Vorbringen glaubhaft. Die Ausführungen der Beklagten trügen die ablehnende Entscheidung nicht. Er und die Kindesmutter hätten dargelegt, dass intensiver Kontakt zum Kind F. Q. bestehe. Er stehe der Kindesmutter jederzeit mit Rat und Tat zur Seite, wenn dies nötig sei. Die vorgelegten Fotos bezögen sich nicht nur auf ein Jahr, sondern umfassten auch die Zeiten vor der Anhörung durch die Beklagte.
27Der Kläger hat beantragt,
28die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 26. Mai 2021 in der Fassung der Änderungsverfügung vom 11. Februar 2022 zu verpflichten, seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.
29Die Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags hat sie im Wesentlichen auf die Ordnungsverfügung vom 26. Mai 2021 verwiesen und ergänzend vorgetragen, die Ausführungen des Klägers und der Frau Q. seien unglaubhaft. Die schriftliche Erklärung von Frau Q. weiche vom bisherigen Vorbringen ab und widerspreche diesem. Vor dem Hintergrund des durchgeführten Erörterungstermins hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, es werde nicht bestritten, dass der Kläger und das Kind F. Q. sich kennten und eine Bindung zwischen den beiden bestehe. Man gehe jedoch davon aus, die Familien E./Q./C2./B2. bildeten eine Großfamilie, bei der es ganz normal sei, dass sich die Familienmitglieder häufiger sähen. In den Erklärungen des Klägers fänden sich weiterhin Widersprüche, die auf die fehlende Ausübung der Personensorge hindeuteten.
32Mit - nach entsprechenden Verzichtserklärungen ohne mündliche Verhandlung ergangenem - Urteil vom 8. März 2022, der Beklagten zugestellt am 9. März 2022, hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 26. Mai 2021 in der Fassung der Änderungsverfügung vom 11. Februar 2022 verpflichtet, dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu verlängern. Es hat festgestellt, zwischen dem Kläger und F. Q. bestehe eine vom Schutz des Art. 6 GG erfasste familiäre Lebensgemeinschaft. Mit Beschluss vom selben Tage hat das Verwaltungsgericht im Verfahren 7 L 1299/21 die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage 7 K 4050/21 angeordnet und zur Begründung im Wesentlichen auf das Urteil verwiesen. Hiergegen hat die Beklagte am 23. März 2022 Beschwerde eingelegt.
33Am 6. April 2022 hat die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt, die am 6. Mai 2022 begründet worden ist.
34Mit Beschluss vom 25. Mai 2022, der Beklagten zugestellt am 7. Juni 2022, hat der Senat die Berufung wegen der geltend gemachten besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen. Ebenfalls mit Beschluss vom 25. Mai 2022 hat der Senat im Verfahren 18 B 424/22 die von der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren 7 L 1299/21 erhobene Beschwerde zurückgewiesen.
35Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2022, bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangen am selben Tage, hat die Beklagte die Berufung begründet und im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger übe die Personensorge bezüglich seines Kindes F. Q. nicht aus. Der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet diene daher nicht der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft. Der Kläger sei entgegen seiner Aussage nicht der leibliche Vater des Kindes F. Der leibliche Vater sei vielmehr Herr T1. B2. Die Einlassungen des Klägers seien unglaubhaft. Insbesondere die vom Kläger vorgetragene Geschichte, er habe mit der Kindsmutter und ihren anderen vier Kindern einen Urlaub verbracht sowie gemeinsam mit der Kindsmutter 2017/2018 Sylvester gefeiert, könne nicht zur Annahme der leiblichen Vaterschaft führen. Das Vorbringen sei nicht plausibel. Der Kläger bringe sich bei der Erziehung und Betreuung des Kindes F. Q. nicht ein. Die Angaben des Klägers und der Kindsmutter hierzu seien teils vage und teils widersprüchlich.
36Die Beklagte beantragt,
37das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 8. März 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
38Der Kläger beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen.
40Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
41Entscheidungsgründe:
42Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 8, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) (I.). Die Abschiebungsandrohung (II.) sowie das erlassene und auf ein Jahr und sechs Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (III.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
43(I.) Bei Verpflichtungsklagen auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels müssen die Anspruchsvoraussetzungen sowohl zum Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer des (jeweils) zu verlängernden Aufenthaltstitels als auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz vorliegen.
44Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Juli 2021 - 18 A 1444/21 -, vom 29. März 2021- 18 B 155/21 -, vom 7. April 2020- 18 B 178/20 -, vom 28. Juni 2016- 18 B 558/16 -, juris, Rn. 3 ff., vom 29. April 2016 - 18 A 471/16 -, und vom 9. Dezember 2013- 18 B 267/13 -, juris, Rn. 5 ff.; siehe ferner BVerwG, Urteile vom 26. Mai 2020 - 1 C 12.19 -, juris, Rn. 20, vom 21. August 2018 - 1 C 22.17 -, juris Rn. 11, vom 17. Dezember 2015- 1 C 31.14 -, juris, Rn. 9, sowie vom 10. Dezember 2013 - 1 C 1.13 -, juris, Rn. 14, 15 und 20.
45Denn eine Verlängerung im Sinne des § 8 Abs. 1 AufenthG ist auf die weitere lückenlose Legalisierung des Aufenthalts ohne Wechsel des Aufenthaltszwecks gerichtet.
46Vgl. zur Rechtsnatur der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 1 C 5.10 -, juris, Rn. 14.
47Die Bedeutung des Umstands der Lückenlosigkeit wird von der Gegenansicht, die allein auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Tatsachengerichts abstellt,
48vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. September 2018 - 11 S 240/17 -, juris, Rn. 43; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2018 - OVG 11 B 18.16 -, juris, Rn. 20 ff.; Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 31 AufenthG Rn. 95,
49übersehen.
50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. März 2021- 18 B 155/21 -.
51Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Verlängerung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nach §§ 8 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Die Beklagte hat den Antrag zu Recht abgelehnt (Ziffer 1. des angegriffenen Bescheides).
52Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.
53Diese Voraussetzungen waren weder zum Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis am 5. Februar 2021 gegeben noch ist dies im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats der Fall.
54Der Kläger ist zwar serbischer Staatsangehöriger und rechtlicher Vater des am 11. Oktober 2018 in X. geborenen minderjährigen ledigen Kindes F. Q. Die (mehrfach wiederholte) Behauptung der Beklagten, der Kläger sei nicht der biologische Vater des Kindes F. Q., ist rechtlich unerheblich. Der Kläger hat die Vaterschaft mit Zustimmung der Kindsmutter formwirksam anerkannt (§§ 1594, 1595, 1597 Abs. 1 BGB) und ist damit gemäß § 1592 Nr. 2 BGB Vater des Kindes F. Q. Insbesondere die - hier erfolgte - Anerkennung vor der Geburt ist ‑ entgegen der von der Beklagten geäußerten Vorbehalte - nach § 1594 Abs. 4 BGB zulässig. Vor diesem Hintergrund bedarf es der von der Beklagten angeregten Einholung eines DNA-Gutachtens nicht.
55F. Q. besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Er hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in X. und damit im Bundesgebiet. Der Kläger hat ferner neben der Kindsmutter das Sorgerecht für F. Q., da beide entsprechende Sorgeerklärungen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB) wirksam (§§ 1626b - 1626e BGB) abgegeben haben.
56Neben der bloßen Inhaberschaft des Sorgerechts verlangt § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG seitens des ausländischen Elternteils jedoch zusätzlich eine aktive Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung durch einen entsprechenden tatsächlichen Erziehungs- und Betreuungsbeitrag für das Kind. Daran fehlt es hier.
57Der Rechtsrahmen für die aus dem Sorgerecht entspringenden Rechte und Pflichten der Eltern - und Kinder - ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Danach ist Ausfluss der elterlichen Sorge allgemein die Pflicht und das Recht der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen, § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die elterliche Sorge umfasst dabei die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge), § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die elterliche Sorge umfasst auch die Vertretung des Kindes, wobei die Eltern das Kind gemeinschaftlich vertreten, § 1629 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 1 BGB.
58Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen, § 1631 Abs. 1 BGB. Sie umfasst überdies das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält und das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen, § 1632 Abs. 1 und 2 BGB.
59Korrespondierend mit dem Vorstehenden hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, wobei wiederum jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt ist, § 1684 Abs. 1 BGB.
60Für den - vorliegend gegebenen - Fall der Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben trifft § 1687 BGB u. a. in dessen Absatz 1 Sonderregeln. Danach ist dann, wenn die Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt leben, bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich (Satz 1). Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens (Satz 2). Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben (Satz 3). Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung (Satz 4).
61Für den Anspruch nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG folgt daraus, dass der sorgeberechtigte Elternteil von seinem nach den vorstehenden Ausführungen konturierten Sorgerecht in einer Weise Gebrauch machen muss, die sich in seinem Verhalten gegenüber dem Kind manifestiert und seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlich macht. Er muss auch nach außen hin erkennbar in ausreichendem Maße einen für eine familiäre Lebensgemeinschaft typischen Kernbestand an Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernehmen.
62Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. September 2018 - 11 S 240/17 -, juris, Rn. 69.
63Es kommt mithin darauf an, ob zwischen dem Ausländer und seinem Kind auf Grund des gepflegten persönlichen Umgangs ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, das von der nach außen manifestierten Verantwortung für die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes geprägt ist.
64Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 30. Juli 2021 - 19 ZB 21.738 -, juris, Rn. 16.
65Wenn - wie hier - keine häusliche Gemeinschaft besteht, können entsprechende Anhaltspunkte für die erforderliche Erziehungsgemeinschaft zwischen einem Vater und seinem Kind etwa in intensiven Kontakten, gemeinsam verbrachten Ferien, der Übernahme eines nicht unerheblichen Anteils an der Betreuung und der Erziehung des Kindes oder in sonstigen vergleichbaren Beistandsleistungen liegen, die geeignet sind, das Fehlen eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes weitgehend auszugleichen, wobei sich die Anforderungen an die Intensität der Kontakte nach den Besonderheiten des Einzelfalls beurteilen.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - 18 B 1592/05 -, juris, Rn. 6.
67Daher verbietet sich bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehung eine schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen.
68Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 30. Juli 2021 - 19 ZB 21.738 -, juris, Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2005- 18 B 1592/05 -, juris, Rn. 4.
69Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben übt der Kläger sein Sorgerecht nicht aus. Das gesamte diesbezügliche Vorbringen des Klägers und Frau Q. ist unglaubhaft und verfahrenstaktischer Natur.
70Bereits die Schilderungen des Klägers und Frau Q. zu den Umständen des gemeinsamen Kennenlernens sind von auffälligen Ungereimtheiten und Plausibilitätsdefiziten geprägt. So bleibt schon im Dunkeln, wieso der Kläger, der allein wegen eines beabsichtigten Autokaufs eines Freundes diesen in die Bundesrepublik Deutschland begleitet haben will, auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mitteilen konnte, wie der Freund mit Nachnamen hieß. Auf die erste ausdrückliche Frage erwiderte der Kläger ausweichend, sein Freund sei an Corona gestorben. Auf die zweite Frage hin nannte der Kläger lediglich den Vornamen („B.“) des Freundes und erklärte, weiteres wisse er nicht. Widersprüchlich ist der Vortrag des Klägers zum Ort der „Roma-Party“, wo er Frau Q. kennen gelernt haben will. Gegenüber der Beklagten ließ sich der Kläger dahingehend ein, die Party habe in Düsseldorf stattgefunden, wohingegen er im Erörterungstermin beim Verwaltungsgericht erklärte, die Party sei in Dortmund gewesen. Nicht (ansatzweise) nachvollziehbar ist, warum Frau Q. im Anschluss gemeinsam mit ihren vier in den Jahren 2011, 2013, 2014 und 2016 geborenen Kindern im Sommer des Jahres 2017 nach Serbien gereist sein soll, obwohl sie den Kläger vorher erst ein einziges Mal auf der „Roma-Party“ gesehen hatte und sie beide danach lediglich telefonischen Kontakt hatten. Ein derartiger Geschehensablauf erscheint vielmehr lebensfremd. Selbst wenn Frau Q. jedoch mit ihren vier Kindern nach Serbien gereist wäre, so wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass sie sich mit dem Kläger über die Anreise unterhalten hätte. Der Kläger war jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in der Lage, hierzu irgendeine aussagekräftige Auskunft zu erteilen. So beantwortete er die Frage, wie die Anreise erfolgt sei, mit der Feststellung, er habe kein Auto. Auf Nachfragen erklärte er, Frau Q. sei „wahrscheinlich“ mit dem Bus gekommen, abgeholt habe er sie jedoch nicht. In diesen Zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass die Angaben des Klägers und Frau Q. zu Anzahl, Dauer und Finanzierung der gemeinsamen Aufenthalte in Serbien in bemerkenswerter Weise voneinander abweichen. Der Kläger gab im Verwaltungsverfahren an, Frau Q. habe ihn im Juli 2017 zunächst gemeinsam mit ihren vier Kindern für zwei Wochen besucht und sei dann eine Woche später für eine Woche - dann jedoch ohne ihre Kinder - zu ihm gekommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ließ sich der Kläger dahingehend ein, Frau Q. sei einmal mit ihren Kindern da gewesen und einmal alleine. Die Aufenthalte hätten jeweils eine Woche gedauert. Frau Q. hingegen erklärte im Verwaltungsverfahren, sie sei im Juni 2017 mit ihren Kindern für einen Monat in Serbien gewesen. Im erstinstanzlichen Erörterungstermin gab sie wiederum an, sie sei mit allen Kindern für zwei bis drei Wochen in Serbien zu Besuch gewesen. Mit Blick auf die Finanzierung der Reise(n) nach Serbien erklärte Frau Q., die seit Jahren und auch im Jahr 2017 von Sozialleistungen lebt(e), im Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht, sie habe in einem Hotel gewohnt, das Geld „hierfür“ habe sie gespart bzw. sich geliehen. Im Gegensatz dazu behauptete der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, soweit Aufwendungen in Serbien zu tätigen gewesen seien - insbesondere Hotelkosten -, sei er dafür aufgekommen. Es passt dabei ins Bild, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren ausgesagt hatte, das Hotel, in dem Frau Q. und ihre Kinder übernachtet hätten, habe „A.“ geheißen, während er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zunächst behauptete, das Hotel habe keinen Namen, nur um auf entsprechenden Vorhalt der Beklagtenvertreterinnen sodann zu erklären, es könne sein, dass er im Termin vor dem Verwaltungsgericht „‘A.‘ oder so ähnlich“ gesagt habe. Nicht nachvollziehbar bleibt im Übrigen, warum der Kläger während des gesamten Verfahrens immer den Eindruck erweckt hat, nur Frau Q. (und ihre Kinder) hätten in dem benannten Hotel übernachtet, während er erstmals in der Befragung durch den Senat behauptete, sie hätten alle zusammen in dem Hotel gewohnt. Es erschließt sich auch nicht ohne weiteres, warum der Kläger ebenfalls in dem Hotel hätte übernachten sollen, obwohl er in der Nähe eine eigene Unterkunft hatte. Erläuterungen des Klägers hierzu fehlen bezeichnenderweise.
71Ferner ist der Vortrag des Klägers und Frau Q. zu weiteren Treffen bis zur Übersiedlung des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland im Juni 2018 unglaubhaft, da widersprüchlich. Der Kläger selbst erklärte im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten, er habe Frau Q. von Sylvester 2018 bis ca. 14. Januar 2018 besucht. Dies bestätigte er während des verwaltungsgerichtlichen Erörterungstermins. Dort sagte hingegen Frau Q. aus, sie sei nur dieses eine Mal in Serbien gewesen, er sei jedoch öfter zu ihr gekommen, es sei auf jeden Fall öfter gewesen, wie oft genau, wisse sie nicht mehr. Nachdem sie ihm von der Schwangerschaft berichtet habe, sei er dann in Deutschland geblieben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gab der Kläger entgegen seines bisherigen Vortrags auf ausdrückliche Nachfrage an, in der Zeit vom Kennenlernen auf der „Roma-Party“ bis zum Notartermin in M. nicht in der Bundesrepublik Deutschland gewesen zu sein, nur um kurz darauf zu behaupten, vor der Schwangerschaft von Frau Q. mit ihr in Deutschland Sylvester gefeiert zu haben.
72Hinzu kommt, dass die Aussagen des Klägers und Frau Q. zum (behaupteten) gemeinsamen Zusammenleben in X. unglaubhaft sind. Obwohl der Kläger im Zeitraum von 2018 bis 2019 mehr als ein Jahr lang in derselben Wohnung gemeldet war wie Frau Q. und dort gewohnt haben will, war er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (auch nach längerem Überlegen) nicht in der Lage, anzugeben, wie viele Zimmer die gemeinsame Wohnung hatte. Er antwortete stattdessen mit „Vier oder Fünf“. Wenn der Kläger tatsächlich gemeinsam mit Frau Q. in der Wohnung gewohnt hätte, wäre auch nach ca. drei Jahren zu erwarten gewesen, dass er die genaue Anzahl der Zimmer benennen kann. In diesen Zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass der Kläger im Rahmen des Erörterungstermins vor dem Verwaltungsgericht weder (auf Anhieb) die korrekte Anzahl der in der Wohnung von Frau Q. lebenden Kinder angeben, noch die Namen aller vier Geschwister von F. benennen konnte. Den weiteren Fragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betreffend das Zusammenleben mit Frau Q. ist der Kläger teils ausgewichen, teils hat er sie in nicht mehr nachvollziehbarer Weise beantwortet. So hat er auf die Frage, wie die anderen Kinder von Frau Q. ihn genannt hätten, erklärt, er habe nicht so gut deutsch gesprochen, die Kinder hätten geschwiegen. Auf die Frage, wie das Verhältnis zu den Kindern gewesen sei, antwortete er schlicht mit „normal“. Die Nachfrage, was das genau heiße, wurde mit „Wir haben zusammengelebt. Ich mag Kinder.“ beantwortet. Auch war der Kläger nicht in der Lage, Fragen nach Ritualen bezüglich Geburtstagsfeiern adäquat zu beantworten. Hierauf führte er aus, er habe sich geschämt und sei weggegangen, Frau Q. habe etwas vorbereitet. Konkrete Angaben, wie er und Frau Q. die Sommerferien mit den Kindern verbracht hätten, konnte der Kläger nicht machen. Im Übrigen erschließt sich nicht, warum der Kläger während der Zeit, als er mit Frau Q. zusammen gelebt haben soll, nie einen der anderen Kindsväter gesehen haben will. Es handelt sich immerhin um drei Väter, die nach Aussage von Frau Q. ihre Kinder regelmäßig sehen. Die entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, ob Frau Q. ihn weggeschickt habe, wenn die anderen Väter gekommen seien, beantwortete der Kläger bemerkenswert ausweichend („Weiß ich nicht.“). Ferner treten bei der Schilderung des Alltagslebens auch auffällige Widersprüche zu Tage. Frau Q. hat gegenüber der Beklagten u. a. erklärt, der Kläger frühstücke „viel Brot und Eier“, während der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliches Befragen des Senats mitteilte, er trinke morgens nur Kaffee. Wer über eine derart lange Zeit zusammenlebt, kann bei lebensnaher Betrachtung angeben, ob und was der Partner frühstückt. Im Übrigen sind die Aussagen des Klägers, wie es zur Trennung gekommen sei, von bemerkenswerter Detailarmut geprägt. Er führte lediglich aus, nach der Geburt von F. hätten sie Streit gehabt, weil er rauche. Es sei dann so gewesen, dass er sich im Wohnzimmer aufgehalten habe, Frau Q. sei in der Küche gewesen, und umgekehrt. Sie hätten ein gemeinsames Schlafzimmer gehabt, er habe dennoch manchmal im Wohnzimmer geschlafen.
73Die Ungereimtheiten im Vorbringen setzen sich bei der Darstellung, wie es zur Versöhnung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau gekommen sein soll, fort. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat teilte der Kläger mit, seine Ehefrau habe die drei gemeinsamen Kinder zu ihm gebracht. Als er eines Tages zurück nach Hause gekommen sei, hätten seine Kinder auf der Straße bzw. vor der Tür gestanden. Er habe sie gefragt, was los sei. Daraufhin hätten diese ihm mitgeteilt, ihre Mutter hätte sie hier „abgeliefert“. Er selbst habe von dem Plan seiner Ehefrau nichts gewusst. Ungeachtet des Umstands, dass diese Schilderungen gänzlich lebensfremd sind, erschließt sich auch nicht, woher die Ehefrau des Klägers gewusst haben soll, wo dieser wohnt. Der Kläger gab auf Befragen des Senats an, er habe in der Zeit, als er mit Frau Q. eine Beziehung geführt habe, nur zu seinen Kindern, nicht aber zu seiner Ehefrau (telefonisch) Kontakt gehabt. Seine Kinder hätten nicht gewusst, wo er gewohnt habe. Die Erklärung des Klägers, er wisse nicht, woher seine Frau dann gewusst habe, wo er wohne, vielleicht von einer Freundin, ist spekulativ; insbesondere bleibt vollkommen unklar, welche Freundin der Ehefrau des Klägers aufgrund welcher Umstände seine Anschrift hätte kennen sollen. Die Fragen, warum er mit seiner Frau und den gemeinsamen drei Kindern wieder zusammengezogen sei und seit wann sie wieder zusammen wohnten, hat der Kläger lediglich ausweichend bzw. unsubstantiiert beantwortet.
74Überdies sind die Aussagen des Klägers und Frau Q. hinsichtlich seiner Unterstützungsleistungen bei der Erziehung und Pflege von F. - insbesondere auch seit der Trennung - unglaubhaft. Zum einen sind die Einlassungen von auffälliger Detailarmut geprägt. Das gilt zunächst mit Blick auf den Kläger. Während des Erörterungstermins beim Verwaltungsgericht erschöpfte sich dessen Vortrag im Wesentlichen in nachfolgenden Schilderungen: Er sehe seinen Sohn wöchentlich, er zeige ihm sein Zimmer und seine Spielsachen, manchmal gingen sie gemeinsam zum Pennymarkt oder zum Spielplatz, manchmal nehme er ihn mit zu sich nach Hause, dort kochten sie etwas. Zum ersten Geburtstag habe er seinem Sohn eine Torte „Babyboss“ vorbeigebracht, zum zweiten Geburtstag habe er ihm ein grünes Motorrad gekauft und zum dritten Geburtstag habe er ihm eine „Autobahn“ geschenkt. In diesen Zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass der Kläger auf entsprechende Frage der Beklagtenvertreterin nicht in der Lage war, konkret zu beschreiben, welche Spielgeräte sich auf dem Spielplätz befänden, den er mit seinem Sohn (angeblich) regelmäßig besuche. Er konnte lediglich angeben, dort befänden sich Schaukeln. Darüber hinaus erklärte er, sich „jetzt“ nicht so sicher zu sein. Er sei nicht so häufig dort gewesen. Ein ähnliches Bild ergab sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Auch dort vermochte der Kläger im Wesentlichen nur Allgemeinplätze von sich zu geben: Er sehe seinen Sohn eigentlich jedes Wochenende. Er gehe mit ihm spazieren, in den Park oder zu sich nach Hause. Ansonsten helfe er Frau Q. immer, wenn ihr gemeinsames Kind etwas brauche. Als sie die neue Wohnung bekommen habe, habe er ihr bei allem geholfen ‑ beispielsweise habe er Anstreicher- und Laminatarbeiten verrichtet - und er werde ihr auch weiterhin helfen. Vergleichbares zeigte sich bei Frau Q. Ihre (schriftlichen) Einlassungen gehen nicht über substanzlose Bekundungen hinaus: „Wenn etwas ist und sie keine Zeit hat, dann kümmert er sich, ist immer da ruft an und fragt ob er helfen kann, was abnehmen kann. Er kommt, wenn es passt.“; „[Er] sieht sein Sohn sehr regelmäßig, er besucht uns oft und ist für den Kleinen auch sonst immer da wen Arzt besuche oder sonstiges ansteht. Er hilft mir auch wo er kann mit ihm wen er da ist. Und geht liebevoll mit ihm um.“; „Er kommt uns besuchen. […] Er bleibt meist ungefähr drei bis vier Stunden mit dem Kind zusammen. Teilweise nimmt er das Kind zum Spazierengehen mit […]. Wenn ich mal seine Hilfe brauche, weil ich das Kind nicht alleine lassen kann für irgendwelche Einkäufe, kümmert er sich auch noch nebenbei um das Kind.“. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vermochte es Frau Q. im Wesentlichen nicht, ihr Vorbringen zu substantiieren. Sie beschränkte sich im Grunde auf die substanzlose Einlassung, der Kläger und sein Sohn sähen sich immer am Wochenende. Während Corona sei das nicht so gut gegangen, es sei eine schwierige Zeit gewesen. Manchmal hole er ihn ab und sage nicht, was sie planten, manchmal erzähle er ihr, was sie gemacht hätten. Die Besuche dauerten ungefähr fünf bis sechs Stunden. Die Geburtstage feiere der Kläger mit F. immer einen Tag nach dem eigentlichen Geburtstag. Ab und zu schenke der Kläger F. auch Gebrauchsgegenstände, wie zum Beispiel eine Jacke.
75Zum anderen ist der Senat von der Unglaubhaftigkeit der entsprechenden Einlassungen überzeugt, weil in diesen Widersprüche, Ungereimtheiten und Plausibilitätsdefizite deutlich zu Tage treten. Im Einzelnen: Noch im erstinstanzlichen Verfahren gab Frau Q. die schriftliche Erklärung ab, der Kläger sei regelmäßig dabei, wenn sie mit F. zum Arzt müsse. Im Gegensatz dazu behauptete sie im verwaltungsgerichtlichen Erörterungstermin, der Kläger sei noch nie mit F. beim Arzt gewesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte sie dann, der Kläger sei mit ihr und F. einmal beim Arzt gewesen. Der Kläger wiederum wich der Frage des Senats, ob er überhaupt schon einmal mit F. beim Arzt gewesen sei, aus und gab an, F. sei so gut wie nie krank, wenn er Fieber habe, bekomme er entsprechenden Sirup von S. Im Verwaltungsverfahren hatte der Kläger noch behauptet, im ersten Lebensjahr sei F. oft beim Kinderarzt gewesen, da es in der Wohnung Schimmel gegeben habe. Dieses unterschiedliche Vorbringen konnte der Kläger auch nach explizitem Vorhalt des Senats nicht plausibel erklären. Er führte lediglich aus, das sei damals in W. gewesen, als sie Schimmel in der Wohnung gehabt hätten. Weiterhin differieren die Angaben des Klägers und Frau Q. zu den Namen der Kinderärzte von F. Während der Kläger meint, dieser heiße Dr. K., erklärte Frau Q., es handele sich um Dr. S. bzw. nachfolgend um Frau Dr. B.. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass der Kläger nicht einmal sagen konnte, welcher Arzt F. beschnitten hat. Der entsprechenden Nachfrage des Senats wich der Kläger - wie auch oben aufgeführten anderen Fragen - aus und trug vor, er sei nicht dabei gewesen, weil er habe arbeiten müssen. Es habe sich um einen sehr kurzfristigen Termin beim Arzt gehandelt. Deshalb habe er nicht mitkommen können. Ungereimt ist der Vortrag teilweise, soweit er sich auf die Örtlichkeiten bezieht, wo sich der Kläger mit F. (angeblich) trifft. Gegenüber dem Verwaltungsgericht gab der Kläger im Erörterungstermin an, bei den Treffen mit F. trinke er zunächst bei Frau Q. einen Kaffee („kurze Kaffeerunde“). Dann spiele er mit F. Frau Q. behauptete hingegen im Erörterungstermin, ihre Kinder würden immer bei ihr zu Hause abgeholt. Bei ihr „zu Hause die Treffen, das möchte“ sie nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat führte der Kläger aus, er habe in der Nähe der Wohnung von Frau Q. gearbeitet. Manchmal sei er dort vorbeigegangen. Sie hätten dann Kaffee getrunken und er habe sich nach seinem Sohn erkundigt. Unklar bleibt auch, ob Frau Q. den Kläger und F. begleitet, wenn er mit diesem Ausflüge macht. Der Kläger meint, Frau Q. begleite sie beide manchmal, während Frau Q. dies ausdrücklich verneint. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat überdies, warum der Kläger meint, er könne wegen seiner Arbeit nur sehr selten für F. Einkäufe erledigen. Denn selbst wenn der Kläger 40 Stunden pro Woche arbeitete, bliebe ihm bei lebensnaher Betrachtung dennoch ausreichend Zeit, für seinen Sohn einzukaufen. Ebenso bleibt unerfindlich, warum der Kläger aufgrund seiner Arbeitstätigkeit nie in der Lage sein soll, seinen Sohn zum Kindergarten zu bringen oder von dort abzuholen. Jedenfalls während des Urlaubs hätte der Kläger hierzu Zeit.
76Schließlich fällt auf, dass der Kläger bezeichnenderweise immer noch bemüht ist, die familiären Beziehungen zu zwei der drei Kindsväter der weiteren Kinder von Frau Q. zu verschleiern. Schon im verwaltungsgerichtlichen Erörterungstermin erklärte der Kläger auf Befragen, er kenne Herrn T1. B2. nicht und wisse auch nicht, wer das sein soll. Auf entsprechenden Vorhalt, wieso er dann mit diesem auf Facebook befreundet sei, erklärte der Kläger lediglich, sein Facebook kennten auch seine Kinder. Auf die Frage des Senats, ob er Herrn T1. B2. kenne, erwiderte der Kläger, er sei hier, um über sein Kind zu sprechen, über ihn spreche er nicht. Auf Nachfrage wiederholte er lediglich, er sei hier, um über sein Kind zu reden, und das solle auch so bleiben.
77Aus der Vielzahl der - auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - vorgelegten Fotos ergibt sich nichts für den Kläger Tragfähiges. Soweit diese den Kläger zusammen mit F. zeigen, handelt es sich um schlichte Momentaufnahmen, die keine darüber hinausgehende Aussagekraft besitzen. Ungeachtet dessen lässt sich diesen nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, wann genau sie aufgenommen worden sind.
78Die vorstehenden Erwägungen lassen allein den Schluss zu, dass die Aussagen des Klägers und Frau Q. betreffend der angeblichen Ausübung des Sorgerechts seitens des Klägers für F. Q. in Gänze verfahrenstaktischer Natur sind. Sie dienen allein dem Zweck, dem Kläger - und von diesem abgeleitet seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern - (unrechtmäßigerweise) ein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen.
79Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen bzw. vorgelegen haben. Der Senat merkt jedoch an, dass er sich unter dem Blickwinkel von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Straftatbeständen der §§ 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG,
80vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2021- 1 StR 289/20 -, juris, Rn. 41 ff.,
81nicht unbesehen anschließen wird. Dies bedarf vielmehr einer gesonderten Überprüfung.
82(II.) Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Ziffer 6. des angegriffenen Bescheides) folgt aus §§ 50 und 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AufenthG.
83(III.) Das gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 2, 3 und Abs. 3 AufenthG erlassene und auf ein Jahr und sechs Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (Änderungsverfügung vom 11. Februar 2022) ist ebenfalls rechtmäßig.
84Mit dem Einreise- und Aufenthaltsverbot verfolgt der Gesetzgeber gewichtige spezial- und generalpräventive Gründe, die für das ausweisungsbedingte und für das abschiebungsbedingte Einreiseverbot je gesondert zu bestimmen sind. Das hier betroffene abschiebungsbedingte Verbot hat eine doppelte Zweckrichtung. Es dient zum einen in Bezug auf den betroffenen ausreisepflichtigen Ausländer der Durchsetzung des Vorrangs seiner freiwilligen Ausreise vor der Abschiebung und zum anderen auch in Bezug auf sonstige ausreisepflichtige Ausländer der Förderung der freiwilligen Ausreise. In spezialpräventiver Hinsicht soll der Ausländer aus dem Unionsgebiet ferngehalten werden, weil er Anlass zu Vollstreckungsmaßnahmen gegeben hat und die Besorgnis besteht, dass diese bei einem künftigen Aufenthalt erneut erforderlich werden. Zugleich soll in generalpräventiver Hinsicht verhindert werden, dass sich andere Ausländer in dem Vorhaben, ebenfalls nicht freiwillig auszureisen, ohne ein an die erforderlich gewordene Vollstreckungsmaßnahme anknüpfendes Einreise- und Aufenthaltsverbot bestärkt fühlen könnten.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juli 2022- 18 B 632/22 -, juris, Rn. 5, m. w. N.
86Diesen Vorgaben genügt die Änderungsverfügung vom 11. Februar 2022. Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) hinsichtlich der Länge der Frist sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
87Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
88Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
89Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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- §§ 25 Abs. 5, 30, 32 AufenthG 3x (nicht zugeordnet)
- 18 B 424/22 1x (nicht zugeordnet)
- 18 B 155/21 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 1687 Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben 1x
- § 8 Abs. 1 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 18 B 632/22 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 50 und 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AufenthG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 2x
- VwGO § 167 1x
- BGB § 1632 Herausgabe des Kindes; Bestimmung des Umgangs; Verbleibensanordnung bei Familienpflege 1x
- BGB § 1592 Vaterschaft 1x
- § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 7 L 1299/21 3x (nicht zugeordnet)
- 18 A 471/16 1x (nicht zugeordnet)
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