Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 8 B 661/22
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. Mai 2022 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die Anträge werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Antragsteller wendet sich gegen die verkehrsrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2020, durch die diese in ihrem Stadtgebiet auf der Landesstraße (L) 001 zwischen den Knotenpunkten O. Straße / S.----straße und N. Straße / Am Q. für die Zeit von 22 bis 6 Uhr die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h angeordnet und den Straßenbaulastträger, den Landesbetrieb Straßenbau NRW, aufgefordert hat, diese Anordnung durch Aufstellung entsprechender Verkehrszeichen umzusetzen.
4Dieser verkehrsrechtlichen Anordnung ging der vom Rat der Antragsgegnerin beschlossene Lärmaktionsplan vom 13. Dezember 2018 voran, der auf fünf lärmbelasteten innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen („Belastungsachsen“), darunter die „Achse N. Straße / E. Straße / O. Straße“ in C. , die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen vorsieht. Wörtlich heißt es: „Entlang dieser Belastungsachsen soll zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h festgesetzt werden.“ Der erst nachträglich als Träger der Straßenbaulast beteiligte Landesbetrieb Straßenbau NRW nahm zu dieser Planung mit Schreiben vom 20. November 2019 unter Bezugnahme auf seine schalltechnische Untersuchung vom 25. Oktober 2019 kritisch Stellung und befürwortete die geplante Geschwindigkeitsbeschränkung nur in Bezug auf den hier in Rede stehenden Teilabschnitt der L 137 und auch nur in Bezug auf die Nachtzeit (22 bis 6 Uhr). Unter Bezugnahme darauf erließ die Antragsgegnerin unter dem 16. Januar 2020 für den genannten Streckenabschnitt beschränkt auf die Nachtzeit die hier streitbefangene verkehrsrechtliche Anordnung. Die Verkehrszeichen 274-30 mit Zusatzzeichen 1040-31 stellte der Landesbetrieb Straßenbau NRW am 26. Februar 2021 auf.
5Am 3. Februar 2022 hat der Kläger Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 6 K 1199/22 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängig ist. Am 28. April 2022 hat er ferner den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Durch Beschluss vom 16. Mai 2022 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und der Antragsgegnerin aufgegeben, den Landesbetrieb Straßenbau NRW anzuweisen, die aufgestellten Verkehrszeichen vorläufig zu entfernen bzw. unwirksam zu machen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei zulässig; insbesondere sei die Klage fristgerecht erhoben und der Antragsteller antragsbefugt, weil er als Verkehrsteilnehmer von der Regelung durch das Verkehrszeichen betroffen sei; dass er die Strecke nach seinem Wohnsitzwechsel nicht mehr regelmäßig befahre, sei unerheblich. Der Antrag sei auch begründet. Zwar könnten Lärmbeeinträchtigungen durch Straßenverkehr eine qualifizierte Gefahrenlage begründen, die die Straßenverkehrsbehörde nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO zum Einschreiten berechtigten. Die Kammer gehe ferner davon aus, dass die Richtwerte der Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) an der eingerichteten Tempo 30-Strecke zwischen rund 1,7 dB(A) und 2,1 bis 2,9 dB(A) überschritten würden, und zwar an einem Viertel bis einem Drittel der anliegenden Gebäude. Nach Aktenlage spreche aber alles dafür, dass die im Ermessen der Antragsgegnerin als Straßenverkehrsbehörde stehende verkehrsrechtliche Anordnung rechtswidrig sei, weil diese ihr Ermessen gar nicht ausgeübt habe, sondern sich an den vom Rat am 13. Dezember 2018 beschlossenen Lärmaktionsplan gebunden geglaubt habe. Die Anordnung vom 16. Januar 2020 enthalte keine Ermessensbegründung; Derartiges finde sich auch nicht in dem Lärmaktionsplan, ebenso wenig an anderer Stelle in den Verwaltungsvorgängen einschließlich der in Zusammenhang mit dem Lärmaktionsplan vorgelegten Unterlagen. In dem Schriftverkehr mit dem Straßenbaulastträger habe das Straßenverkehrsamt der Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die Anordnungen aufgrund des Lärmaktionsplans ohne weitere Prüfung umzusetzen seien und sie deshalb zur Beschränkung des fließenden Verkehrs angehalten sei. Eine Ermessensreduzierung auf die hier angeordnete Verkehrsbeschränkung liege aber nicht vor; andere Möglichkeiten, etwa Maßnahmen des passiven Lärmschutzes, seien nicht erwogen worden.
6Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Beschwerde erhoben.
7II.
8Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäß gestellten Anträgen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 6 K 1199/22 (VG Düsseldorf) gegen die verkehrsrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2020 und auf Aufhebung der Vollziehung zu Unrecht stattgegeben.
9Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist hier wegen der sofortigen Vollziehbarkeit der die verkehrsrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin nach § 45 Abs. 5 Satz 1 StVO umsetzenden Verkehrszeichen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO analog) statthaft. Die in diesem Verfahren gebotene Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die Erfolgsaussichten der Klage gegen die angegriffene verkehrsrechtliche Anordnung sind nach derzeitigem Sach- und Streitstand offen. Diese erweist sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls nicht als offensichtlich rechtswidrig; insbesondere liegt ein Ermessensausfall nicht vor (dazu 1.). Davon ausgehend überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug der angefochtenen Maßnahme das Aussetzungsinteresse des Antragstellers (dazu 2.).
101. Hinreichend belastbare Aussagen über die Erfolgsaussichten der vorliegenden Klage lassen sich ohne die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens nach Aktenlage nicht treffen.
11a) Die in der Beschwerdebegründung nochmals angesprochenen Zweifel der Antragsgegnerin, ob der Antragsteller wegen der Verlegung seines Hauptwohnsitzes von N1. nach C1. antragsbefugt sei, sind unbegründet.
12Für die Antragsbefugnis i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO genügt es, dass nach dem substantiierten Vorbringen des Antragstellers eine Verletzung seiner Rechte möglich ist. An der Antragsbefugnis fehlt es nur dann, wenn die vom Antragsteller geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann. Für den Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts bedeutet dies stets die Bejahung der Antragsbefugnis, weil zumindest eine Verletzung der allgemeinen Freiheitsgewährleistung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommt.
13Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 2020 - 7 C 29.18 ‑, juris Rn. 15, und vom 21. August 2003 - 3 C 15.03 -, juris Rn. 18.
14Ein Verkehrsteilnehmer kann als eine Verletzung seiner Rechte geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine auch ihn treffende Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 StVO seien nicht gegeben.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 - 11 C 35.92 -, juris Rn. 14.
16Dass der Antragsteller trotz der Verlegung seines Hauptwohnsitzes weiterhin von der streitgegenständlichen Maßnahme betroffen ist, legt er - von der Antragsgegnerin unwidersprochen und nachvollziehbar - durch sein Vorbringen dar, er habe bei seinen Eltern in N1. weiterhin einen Zweitwohnsitz und besuche diese sowie seine Freunde dort regelmäßig. Hiervon unabhängig setzt die Klagebefugnis eines Verkehrsteilnehmers gegen ein Verkehrszeichen, mit dem er - wie hier - bereits konfrontiert worden ist, nicht voraus, dass er von dem Verkehrszeichen nach seinen persönlichen Lebensumständen in einer gewissen Regelmäßigkeit oder Nachhaltigkeit tatsächlich betroffen wird.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 3 C 15.03 ‑, juris Rn. 18.
18b) Auf Grundlage der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die angefochtene verkehrsrechtliche Anordnung vom 16. Januar 2020 rechtmäßig ist.
19aa) Ungeachtet der Frage, ob und ggf. inwieweit ein Lärmaktionsplan nach § 47d Abs. 6 i. V. m. § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG bindende Wirkung haben kann, kommt als Rechtsgrundlage für die durch Aufstellung von Verkehrszeichen umgesetzte verkehrsrechtliche Anordnung nur § 45 StVO in Betracht. Eine gesonderte Rechtsgrundlage nach dem Vorbild des für Luftreinhaltepläne geltenden § 40 Abs. 1 BImSchG enthalten die Vorschriften des Lärmschutzrechts nicht. Daraus folgt, dass bei der Umsetzung der in einem Lärmaktionsplan vorgesehenen Maßnahmen die Tatbestandsvoraussetzungen des Straßenverkehrsrechts erfüllt sein müssen.
20Vgl. Klinger/Douhaire, in: Appel/Ohms/Sauer, BImSchG, 2021, § 47d Rn. 31 und 47; Cancik, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Dezember 2021, § 47d BImSchG Rn. 28.
21Darauf, ob den jeweiligen Fachbehörden bei der Umsetzung von in Lärmaktionsplänen festgelegten Lärmminderungsmaßnahmen noch das ihnen nach der fachlichen Eingriffsnorm eingeräumte Ermessen zusteht, kommt es in diesem Zusammenhang zunächst nicht an.
22Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO verlangt für Beschränkungen des fließenden Verkehrs grundsätzlich eine Gefahrenlage, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt.
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2018 - 8 A 1247/16 -, juris Rn. 5.
24Ein Einschreiten zum Schutz vor Verkehrsimmissionen setzt nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO nicht voraus, dass gesetzlich bestimmte Schall- oder Schadstoffgrenzwerte überschritten werden; maßgeblich ist vielmehr, ob die Verkehrsimmissionen Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 ‑, juris Rn. 13.
26Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung) dienen bei der Beurteilung der zumutbaren Lärmbelastung der Wohnbevölkerung i. S. v. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO als Orientierungshilfe, ab welcher Schwelle regelmäßig von einer erheblichen Immissionsbelastung auszugehen ist. Werden die in Nr. 2.1 der Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) vom 23. November 2007 aufgeführten Richtwerte überschritten, kann sich das Ermessen der Behörde zur Pflicht zum Einschreiten verdichten. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist aber auch dann nicht zwangsläufig gegeben. Maßgeblich sind die Besonderheiten des Einzelfalls
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2018 - 8 A 1247/16 -, juris Rn. 30 ff., m. w. N.
28bb) Es spricht auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens der Beteiligten derzeit Überwiegendes dafür, dass die für eine Verkehrsregelung erforderliche besondere Gefahrenlage in Bezug auf Lärmeinwirkungen - zu den im Lärmaktionsplan erwähnten Abgasen findet sich in den Akten nichts weiter - besteht. Insoweit teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, das die Frage zwar letztlich offen gelassen, aber hierzu ausgeführt hat: Die Richtwerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV würden an der angeordneten Tempo-30-Strecke „zwischen rund 1,7 dB(A) und 2,1 bis 2,9 dB(A)“ überschritten, und zwar an einem Viertel bis einem Drittel der anliegenden Gebäude. Dem liege zugrunde, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage der schalltechnischen Untersuchung des Straßenbaulastträgers vom 25. Oktober 2019 davon ausgehe, dass an 23 Prozent der fraglichen Gebäude die Richtwerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV überschritten würden. Der Antragsteller trete dem nicht entgegen, sondern gehe selbst von einer Überschreitung der „Orientierungswerte“ an 133 der 359 Messpunkte um die vorgenannten dB(A)-Werte aus. Diese Wertung greifen die Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht an. Die Antragsgegnerin führt insofern gleichsam ergänzend aus, sie sei auch schon vor dem Überschreiten von Grenzwerten zu einem Einschreiten berechtigt. Der Antragsteller wiederum bestreitet ausdrücklich nicht, dass die Antragsgegnerin berechtigt war, „gefahrabwehrendes Tätigwerden zu prüfen“.
29Die Sachverhaltswürdigung, dass an einer erheblichen Anzahl von Gebäuden, darunter ersichtlich auch zahlreiche Wohngebäude, die maßgeblichen Richtwerte nachts überschritten werden, teilt der Senat. Sie stützt sich nicht allein auf die dem Lärmaktionsplan zugrunde liegende Lärmkarte nach § 47c BImSchG,
30vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 11. Februar 2016 - 1 B 241/15 -, juris Rn. 19 ff, das die sich aus der Lärmkartierung nach § 47c BImSchG ergebenden Beurteilungspegel als für die Beurteilung der Lärmbelastung nicht ausreichend betrachtet,
31sondern auf eine schalltechnische Untersuchung nach Maßgabe der Verkehrslärmschutzverordnung und der Lärmschutz-Richtlinien-StV, deren inhaltliche Aussagekraft nach summarischer Prüfung nicht in Frage steht. Das gilt auch, soweit die an den betreffenden Straßenzug angrenzenden bebauten Flächen in der schalltechnischen Untersuchung fast ausschließlich teils als Allgemeines Wohngebiet (WA) und teils als Mischgebiet (MI) eingeordnet worden sind. Der Senat weist aber darauf hin, dass der Anteil der Gebäude im von der Tempo-30-Maßnahme der Antragsgegnerin erfassten Straßenabschnitt, an denen der Grenzwert von 60 dB(A) bzw. 62 dB(A) allein aufgrund des Straßenverkehrslärms nachts überschritten wird, eher bei einem Drittel als bei einem Viertel liegen dürfte. Der von der Antragsgegnerin angenommene Wert von 23 Prozent bezieht sich auf die der Stellungnahme des Straßenbaulastträgers vom 25. Oktober 2019 angefügte Tabelle „N1. Beurteilungspegel L137_C. _Bestand_2015_Lsr-StV“. Diese enthält Pegelwerte zu allen an der „Achse N. Straße / E. Straße / O. Straße“, für die der Lärmaktionsplan der Antragsgegnerin Tempo-30 vorsieht, liegenden Gebäude. Auf diese bezieht sich die streitgegenständliche Maßnahme der Antragsgegnerin aber nicht vollständig. Dies scheint der Antragsteller bei seiner Berechnung berücksichtigt zu haben. Wie viele Personen in den betroffenen Häusern wohnen, ist nach Aktenlage bislang wohl nicht ermittelt worden. Da es sich hier aber nach den nicht in Frage gestellten Annahmen in der schalltechnischen Untersuchung um ein Allgemeines Wohngebiet sowie ein Mischgebiet handelt, ist von einer Betroffenheit der Wohnbevölkerung i. S. d. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO auszugehen.
32cc) Ermessensfehler, die unter Berücksichtigung des durch § 114 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstabs zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im Hauptsacheverfahren,
33vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. September 2017 - 3 B 50.16 -, juris Rn. 8,
34zur Aufhebung der verkehrsrechtlichen Anordnung führen, liegen beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand jedenfalls nicht eindeutig vor.
35(1) Allerdings spricht Erhebliches für die Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Erlass der auf § 45 StVO gestützten verkehrsrechtlichen Anordnung auch dann im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde steht und eine entsprechende, den rechtlichen Anforderungen genügende Begründung erforderlich sein kann, wenn die Maßnahme als solche bereits in einem Lärmaktionsplan vorgesehen ist.
36Nach § 47d Abs. 6 i. V. m. § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG sind die Maßnahmen, die Lärmaktionspläne festlegen, durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Ob und inwieweit hierbei die Pflicht der Behörde zur Ermessensausübung in Einzelfällen entfällt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Aber auch soweit in der Rechtsprechung eine Bindung des Ermessens an den Lärmaktionsplan bejaht wird, liegt dem die Annahme zu Grunde, dass die Lärmaktionsplanung den fachrechtlichen Ermessensspielraum nicht ohne Weiteres überlagert. Voraussetzung für den Eintritt der Bindungswirkung ist jedenfalls einerseits die Wirksamkeit des Lärmaktionsplans und der dort getroffenen Festlegungen sowie andererseits die Erfüllung der fachrechtlichen Eingriffsvoraussetzungen. Eine Bindung an die Vorgaben eines Lärmaktionsplans im Rahmen einer nachfolgenden, grundsätzlich in das Ermessen der Fachbehörde gestellten Umsetzungsentscheidung kommt daher von vornherein allenfalls dann in Betracht, wenn der Lärmaktionsplan verfahrensordnungsgemäß zustande gekommen ist und hinreichend bestimmte, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Festlegungen enthält.
37Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17. Juli 2018 - 10 S 2449/17 -, juris Rn. 28 m. w. N.
38(2) Dies zugrunde gelegt kommt hier ernsthaft in Betracht, dass der in Rede stehende Lärmaktionsplan vom 13. Dezember 2018 nicht die in § 47d Abs. 6 i. V. m. § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG geregelte Bindungswirkung entfaltet.
39Zweifelhaft erscheint bereits, ob sich der Lärmaktionsplan selbst eine solche Bindungswirkung beimisst. Dagegen könnte neben der Formulierung, dass entlang der aufgeführten Belastungsachsen die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h festgesetzt werden „soll“, auch sprechen, dass die Straßenzüge, für die die Geschwindigkeitsbegrenzung gelten soll, nur schlagwortartig umrissen, aber nicht konkret bezeichnet worden sind. Die Annahme, dass mit der Definition der Belastungsachse N. Straße / E. Straße / O. Straße zugleich verbindlich festgelegt werden sollte, dass Tempo 30 auch in den nicht oder nur locker bebauten Teilbereichen der genannten Straßen anzuordnen sei, drängt sich zumindest nicht auf.
40Unabhängig davon bestehen nach jetzigem Stand Zweifel an dem ordnungsgemäßen Zustandekommen des Lärmaktionsplans. Dass eine hinreichende, nicht zuletzt zur umfassenden Ermittlung des zugrunde zu legenden Sachverhalts und des maßgeblichen Abwägungsmaterials wohl gebotene Behördenbeteiligung,
41vgl. Cancik, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht (Dezember 2021), § 47d BImSchG Rn. 21; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht (Juli 2020), § 47d BImSchG Rn. 27,
42erfolgt ist, kann nach derzeitiger Aktenlage nicht festgestellt werden.
43Der Straßenbaulastträger verweist in seiner Stellungnahme zur Einführung von Tempo 30 durch die Antragsgegnerin vom 25. Oktober 2019 darauf, dass er als Träger öffentlicher Belange nicht über die öffentliche Auslegung der Lärmaktionsplanung informiert worden und es ihm daher unmöglich gewesen sei, eine Stellungnahme abzugeben. Ein Anspruch der Kommune auf Realisierung von in Lärmaktionsplänen festgesetzten Maßnahmen, für die kein Einvernehmen mit ihm hergestellt worden sei, bestehe gemäß Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 7. Februar 2008 - V-5-8820.4.1 - nicht. Auf der anderen Seite befindet sich in der Beschlussvorlage vom 23. Oktober 2018 ‑ DezIII / 0842 / 2018 - der Hinweis, die Verwaltung sei unter anderem mit dem Straßenbaulastträger im Gespräch und strebe für die Umsetzung des Lärmaktionsplanes eine einvernehmliche Lösung an. Die Antragsgegnerin trägt in der Beschwerdebegründung vor, sie habe den Straßenbaulastträger beteiligt. Auch insoweit bedarf es gegebenenfalls einer weiteren Sachaufklärung.
44Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass derzeit wenig für einen - vom Verwaltungsgericht sinngemäß angenommenen - Begründungs- und Abwägungsausfall des Rates spricht. Den von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren eingereichten Ratsdokumenten lässt sich eine Begründung für die in den Plan aufgenommenen Maßnahmen und eine Abwägung unterschiedlicher Belange durchaus entnehmen. So enthält etwa die Beschlussvorlage vom 19. September 2018 unter Ziffer 2. eine Begründung für Tempo 30 entlang der Belastungsachsen. Ob sich der Rat der Antragsgegnerin beispielsweise mit den vom Verwaltungsgericht auf S. 10 ff. des Beschlussabdrucks erwähnten Alternativmaßnahmen (vertiefter) hätte befassen müssen, lässt sich im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht abschließend klären.
45(3) Geht man somit davon aus, dass die verkehrsrechtliche Anordnung einer eigenständigen Ermessensentscheidung der Straßenverkehrsbehörde bedurfte, liegt jedenfalls ein Ermessensfehler in Gestalt eines Ermessensausfalls, der auch in einem gerichtlichen Verfahren nicht durch nachträgliche Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO zu beheben wäre, erkennbar nicht vor.
46Eine § 39 VwVfG NRW entsprechende Begründung enthält die an den Landesbetrieb Straßenbau NRW gerichtete Anordnung vom 16. Januar 2020 nicht; es findet sich in den Verwaltungsvorgängen auch kein diesbezüglicher Vermerk, aus dem sich die Erwägungen, die dieser Anordnung zugrunde liegen, ergeben. Auf die Erwägungen, die dem Lärmaktionsplan zugrunde gelegen haben, kann in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht abgestellt werden, weil die hier getroffene Anordnung nicht mit dem Inhalt des Plans identisch ist und weil dem Rat die tatsächlichen Erkenntnisse - konkret: die Ergebnisse der vom Landesbetrieb Straßenbau NRW durchgeführten schalltechnischen Untersuchung - noch gar nicht vorlagen. Das Fehlen eines die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin zusammenfassenden schriftlichen Vermerks bedeutet aber nicht, dass eine Ermessensentscheidung bei Erlass der verkehrsrechtlichen Anordnung nicht getroffen worden wäre. Vielmehr folgt schon aus dem Umstand, dass die Straßenverkehrsbehörde der Antragsgegnerin die Vorgaben des Lärmaktionsplans gerade nicht 1:1, sondern nach Beteiligung des Straßenbaulastträgers ersichtlich unter Berücksichtigung der von diesem geäußerten Einwände und der vorgelegten Lärmuntersuchung nur in Bezug auf den oben näher bezeichneten Teilbereich der Belastungsachse N. Straße / E. Straße / O. Straße, nicht auf die weiteren im Lärmaktionsplan aufgeführten Belastungsachsen und zudem auch nur in Bezug auf die Nachtzeit umgesetzt hat, dass hier eine eigenständige, vom Lärmaktionsplan abweichende Anordnung getroffen worden ist, was notwendigerweise eine Ermessensausübung voraussetzt.
47Das Verwaltungsgericht stützt seine gegenteilige Auffassung im Wesentlichen darauf, dass die Antragsgegnerin in einem Schreiben an den Straßenbaulastträger vom 29. Januar 2020 ausgeführt habe, sie habe die im Lärmaktionsplan enthaltenen Anordnungen ohne weitere Prüfung umzusetzen. Auch im Schreiben an den Straßenbaulastträger vom 25. März 2019 habe sie auf den Lärmaktionsplan verwiesen und dabei ausgeführt, sie sei zu einer Beschränkung des fließenden Verkehrs angehalten. Ein vollständiger Ausfall des Ermessens ergibt sich daraus bei der gebotenen Gesamtschau nicht. Vielmehr befinden sich gerade in den vom Verwaltungsgericht herangezogenen Schreiben Ausführungen, die die von der Antragsgegnerin ins Auge gefasste Maßnahme rechtfertigen sollen. So führt die Antragsgegnerin im Schreiben vom 29. Januar 2020 - nachdem der Straßenbaulastträger sein Einvernehmen mit der Anordnung von Tempo 30 nur teilweise erteilt hatte - unter anderem aus, es sei nicht anzuzweifeln, dass diese Anordnung zu einer Verbesserung der Lärmsituation beitrage und darüber hinaus die Verkehrssicherheit erhöhe. Dies bestätigten Erfahrungen aus anderen Städten sowie Untersuchungen des Umweltbundesamtes. Danach werde die Qualität des Verkehrsflusses durch die Absenkung von Tempo 50 auf Tempo 30 gerade nicht beeinträchtigt. Die mittlere Geschwindigkeit sinke im Laufe der Zeit kontinuierlich ab und habe somit sehr wohl einen ausgeprägten Lärmminderungseffekt. Die Erwägungen, die die Antragsgegnerin zum Erlass der streitgegenständlichen Maßnahme bewogen haben, sind demnach sehr wohl erkennbar. Dass sich die wiedergegebenen Ausführungen sinngemäß auch in den „Aufstellungsvorgängen“ für den Lärmaktionsplan wiederfinden, spricht nicht gegen eine Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin auch bei Umsetzung der Maßnahme. Dieser Umstand ist im vorliegenden Fall eher als bewusste Übernahme der Argumentation und nicht etwa als weitere Rechtfertigung der eigenen Bindung anzusehen. Hierfür spricht auch, dass bei der Antragsgegnerin behördenintern dasselbe Dezernat sowohl für die Vorbereitung der Lärmaktionsplanung als auch für die Umsetzung der streitgegenständlichen Maßnahme zuständig war.
48Auch wenn die Antragsgegnerin zu Beginn ihrer Korrespondenz mit dem Straßenbaulastträger zu erkennen gegeben haben mag, dass sie beabsichtige, die vorgesehenen Maßnahmen „ohne weitere Prüfung umzusetzen“, hat sie dies im Ergebnis nicht getan. Vielmehr ist dem im Verwaltungsvorgang befindlichen internen Vermerk vom 10. Januar 2019 über das weitere Vorgehen bei der Umsetzung des Lärmaktionsplans zu entnehmen, dass auch die Antragsgegnerin die fehlende Bindung erkannt hat. In dem Vermerk heißt es unter anderem: „Die Ergebnisse des Lärmaktionsplanes können nicht als Grundlage herangezogen werden, sondern stellen nur einen Verdachtsfall der Lärmüberschreitung dar.“
49Ausgehend davon, dass hier ersichtlich kein Ermessensnichtgebrauch vorliegt, bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen eine nachträgliche Ergänzung der Ermessenserwägungen. Eine ermessensfehlerfreie Begründung kann im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG NRW). Die Ergänzung von Ermessenserwägungen ist - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall eines Ermessensnichtgebrauchs - ebenfalls möglich (vgl. § 114 Satz 2 VwGO). Ein im gerichtlichen Verfahren eingereichtes Verteidigungsvorbringen reicht hierfür allerdings nicht aus. Trägt die Behörde neue Umstände oder neue Ermessenserwägungen erst in einem laufenden Verwaltungsprozess vor, muss sie, um den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (vgl. § 37 VwVfG [NRW]) zu genügen, unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Andernfalls wäre dem Betroffenen keine sachgemäße Rechtsverteidigung möglich, was wiederum mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, juris Rn. 35; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 A 10/17 -, juris Rn. 18.
51(4) Ob die hier getroffene Ermessensentscheidung in jeder Hinsicht den rechtlichen Anforderungen genügt,
52vgl. hierzu nochmals BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, juris, sowie ausführlich OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2005 - 8 A 2350/04 -, juris Rn. 50 ff.,
53muss der weiteren Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
54Bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung wegen eines Ermessensfehlers als rechtswidrig erweisen wird. Dafür reicht es nicht aus, dass - wie das Verwaltungsgericht unter dem Aspekt einer fehlenden Ermessensreduzierung auf Null bzw. der Anordnung der konkreten streitbefangenen Geschwindigkeitsbegrenzung ausgeführt hat - im vorliegenden Fall zur Reduzierung der Lärmbelastung auch andere Maßnahmen erwogen werden könnten. Dass die Geschwindigkeitsbegrenzung zur Erreichung des angestrebten Zwecks ungeeignet ist oder es andere, weniger belastende, aber gleich wirksame, beispielsweise auch kurzfristig umsetzbare Maßnahmen gibt, drängt sich nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand nicht auf. Das gilt auch, soweit sich die Antragsgegnerin in Bezug auf die Auswirkungen der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h auf Materialien des Umweltbundesamtes bezogen hat, deren Tragfähigkeit der Antragsteller in Frage stellt. Dass die Geschwindigkeitsbegrenzung zu einer Reduzierung der Lärmwerte führen wird, kann mit Blick auf die schalltechnische Untersuchung des Straßenbaulastträgers nicht ernstlich zweifelhaft sein. Aus den vom Landesbetrieb Straßenbau NRW in seiner Stellungnahme vom 25. Oktober 2019/20. November 2019 ausgeführten Gründen erscheint die Geschwindigkeitsbegrenzung auch unter Berücksichtigung der Verkehrsbedeutung der L 001 mit Blick auf die Vielzahl der Überschreitungen der nächtlichen Pegelwerte und die zu erwartende Pegelminderung aller Voraussicht nach nicht als unverhältnismäßig.
55Die Verkehrsbedeutung der betreffenden Straße ist zwar mit der ihr widmungsgemäß zukommenden Bedeutung zu berücksichtigen, steht der Anordnung von Verkehrsbeschränkungen zum Schutze der Wohnbevölkerung aber keineswegs entgegen.
56Vgl. jeweils zu Bundesstraßen: OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2005 - 8 A 2350/04 -, juris Rn. 50 ff., und Beschluss vom 25. Juli 2007 - 8 A 3518/06 -, juris Rn. 8.
57Ob und inwieweit die Antragsgegnerin als Straßenverkehrsbehörde bei der Entscheidung über eine auf § 45 StVO gestützte Verkehrsbeschränkung auch die vom Verwaltungsgericht angesprochenen Handlungsalternativen, insbesondere auch in Bezug auf andere Lärmquellen sowie Möglichkeiten des passiven Lärmschutzes, hätte einbeziehen müssen, bedarf noch einer ergänzenden Prüfung.
582. Die bei offenen Erfolgsaussichten erforderliche weiter gehende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Stellte sich bei einer Änderung der erstinstanzlichen Eilentscheidung später heraus, dass die verkehrsbeschränkende Maßnahme der Antragsgegnerin aufzuheben ist, wäre der Antragsteller verpflichtet, sich bis zum erstinstanzlichen Abschluss des Hauptsacheverfahrens an eine rechtswidrige Anordnung zu halten, wodurch er zumindest in seiner aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt wäre. Dies beträfe ihn, da er seinen Hauptwohnsitz nicht mehr in N1. hat, allerdings nur bei gelegentlichen Besuchsfahrten dorthin und auch nur auf dem hier in Rede stehenden Teilstück der L 001 in der Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr, wodurch nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts pro Fahrt ein zusätzlicher Zeitaufwand von weniger als einer Minute entsteht. Ein geringfügig erhöhter Zeitaufwand erscheint für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens zumutbar. Beließe der Senat es dagegen bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung und ergäbe die Durchführung des Hauptsacheverfahrens, dass die Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf dem von der Anordnung betroffenen Streckenabschnitt auf 30 km/h rechtmäßig ist, müssten die (zahlreichen) Anwohner des betroffenen Streckenabschnitts auf die in der Stellungnahme des Straßenbaulastträgers näher konkretisierte und hier auch nicht ernstlich in Zweifel zu ziehende Verbesserung der nächtlichen Ruhezeit zum Schutz ihrer Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verzichten. Dass die Maßnahme zu einer erheblichen Störung des allgemeinen nächtlichen Verkehrsaufkommens führen würde, ist nicht ersichtlich.
593. Ausgehend von der Erfolglosigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist für die auf § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO gestützte Anordnung einer Aufhebung der Vollziehung kein Raum. Die diesbezügliche Regelung in dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts ist ebenfalls aufzuheben.
60Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
61Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 46.15 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach bei verkehrsregelnden Anordnungen der Auffangwert i. S. d. § 52 Abs. 2 GKG (5.000,- Euro) anzusetzen und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs um die Hälfte zu reduzieren ist.
62Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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