Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 11 A 1583/21
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 393,41 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Am 18. Februar 2019, einem Montag, hatte sich gegen 12:30 Uhr in T. auf der O. Straße, der Bundesstraße 229 (im Folgenden: B 229), in Höhe der Hausnummer 158 ein Verkehrsunfall ereignet. Ein Fahrzeug war von der Fahrbahn abgekommen und gegen eine Leitplanke geprallt. Dabei war das Fahrzeug so stark beschädigt worden, dass Betriebsstoffe ausgelaufen waren. Aufgrund eines Notrufs hatten sich Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei zum Unfallort begeben. Die Feuerwehr hatte die ausgelaufenen Betriebsstoffe mit einem Bindemittel abgestreut. Nachdem die Feuerwehr den Einsatzort verlassen hatte, trafen zwei Mitarbeiter der Technischen Betriebe T. (im Folgenden: TBS) ein, um das von der Feuerwehr und das von ihnen selbst eingesetzte Bindemittel aufzunehmen und zu entsorgen.
3Die Klägerin forderte den Beklagten auf, ihr die durch den Einsatz der TBS entstandenen Kosten zu ersetzen. Diese Kosten bezifferte sie auf insgesamt 393,41 Euro (321,00 Euro Lohnkosten, 27,50 Euro Kosten für den Fahrzeugeinsatz und 44,91 Euro Materialkosten). Der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für den geltend gemachten Anspruch fehle.
4Am 14. Januar 2020 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Der Beklagte sei als Träger der Straßenbaulast nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet, die durch den Einsatz der TBS entstandenen Kosten zu ersetzen. Die gesetzlichen Vorschriften zur Kostentragung für Feuerwehreinsätze stünden dem nicht entgegen, weil die von den TBS getroffenen Maßnahmen nicht mehr dem eigentlichen Feuerwehreinsatz zuzurechnen seien. In diesem Zusammenhang sei auch das in der Landesverfassung normierte Konnexitätsprinzip zu berücksichtigten, nach dem einer Kommune nur dann weitere Aufgaben übertragen werden dürften, wenn gleichzeitig Regelungen über die Deckung der Kosten getroffen würden.
5Die Klägerin hat beantragt,
6den Beklagten zu verurteilen, an sie 393,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
7Der Beklagte hat beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Zur Begründung hat der Beklagte geltend gemacht: Für eine Kostenerstattung sei kein Raum, weil die Klägerin als Trägerin der Feuerwehr innerhalb ihres eigenen gesetzlichen Geschäfts- und Pflichtenkreises tätig geworden sei.
10Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6. Mai 2021 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten, die durch den Einsatz der TBS im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall am 18. Februar 2019 entstanden seien. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 52 Abs. 3 BHKG NRW. Denn er scheide unabhängig davon aus, ob die von den TBS getroffenen Maßnahmen im Rechtssinne Teil des Feuerwehreinsatzes gewesen seien. Verneine man dies, lägen schon keine nach § 52 Abs. 3 BHKG NRW erstattungsfähigen Einsatzkosten vor. Seien die Maßnahmen der TBS hingegen Teil des Feuerwehreinsatzes gewesen, stehe einem Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 52 Abs. 3 BHKG NRW entgegen, dass zugunsten der Klägerin ein Kostenersatzanspruch aus § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BHKG NRW gegen die Fahrzeughalterin bestehe. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe diese auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der durch die Tätigkeit der TBS entstandenen Kosten aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag. Denn es fehle an einer „planwidrigen Regelungslücke“, weil die §§ 50 ff. BHKG NRW eine abschließende Regelung über die Kostentragung für Aufgaben träfen, die der Gemeinde als Pflichtaufgaben nach dem BHKG NRW oblägen. Hier habe die Klägerin durch die Beseitigung der ausgelaufenen Betriebsstoffe Hilfe bei einem Unglücksfall geleistet und so eine ihr nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Satz 1 BHKG NRW als Pflichtaufgabe obliegende Aufgabe wahrgenommen. Diese Pflichtaufgabe umfasse neben den Reinigungsmaßnahmen der Feuerwehr auch die durch die TBS ergriffenen Maßnahmen, da die Feuerwehr den Unglücksfall nicht beseitigt habe. Die Rutschgefahr habe fortgestanden, weil das Öl nicht vollständig abgestreut und das Bindemittel, das ebenfalls eine Rutschgefahr verursacht habe, nicht aufgenommen gewesen sei. Für die Qualifizierung als Pflichtaufgabe nach dem BHKG NRW sei unerheblich, dass die Klägerin zur Gefahrenbeseitigung nicht ausschließlich Kräfte der Feuerwehr eingesetzt habe, sondern wesentliche Arbeiten von Mitarbeitern der TBS habe ausführen lassen. Es sei fernliegend, dass der Gesetzgeber Raum dafür habe lassen wollen, dass die Gemeinde die im BHKG NRW angeordnete Kostentragungspflicht dadurch unterlaufe, dass sie als Trägerin der Feuerwehr Aufgaben durch eine andere Organisationseinheit habe wahrnehmen lassen. Von einer Regelungslücke, die durch die Grundsätze der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag ausgefüllt werden könnte, sei auch nicht mit Blick auf Art. 78 Abs. 3 Satz 2 der Landesverfassung auszugehen, wonach zugunsten der Gemeinden ein finanzieller Ausgleich zu schaffen sei, wenn ihnen durch Gesetz neue Aufgaben übertragen würden. Diese Vorschrift sei erst zum 1. Juli 2004 in Kraft getreten. Die grundsätzliche Verpflichtung der Gemeinden, die Kosten zu tragen, die durch die Hilfeleistung der Feuerwehr bei Unglücksfällen entstanden, seien, habe schon vor dem 1. Juli 2004 bestanden. Seither seien die Vorschriften ausschließlich zugunsten der Gemeinden geändert worden, indem ihnen insbesondere unter bestimmten Umständen ein Kostenerstattungsanspruch gegen andere öffentlich-rechtliche Stellen eingeräumt worden sei (heute § 52 Abs. 3 BHKG NRW). Wenn die Beklagte in der Vergangenheit - entgegen der Rechtslage - in ähnlichen Fällen wie dem vorliegenden Kostenersatz geleistet haben sollte, stelle die Änderung der bisherigen Praxis keine neue Aufgabenübertragung durch Gesetz dar. Schließlich ergebe sich der geltend gemachte Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auch nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, weil es an einer mit der Rechtslage nicht übereinstimmenden, durch Erstattung auszugleichenden Vermögenslage fehle.
11Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung führt die Klägerin aus: Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass sie Rückgriff nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BHKG NRW auf die Fahrzeughalterin habe nehmen können. Es stünden nicht die Kosten der Feuerwehr, sondern Kosten der TBS im Streit, die darauf beruhten, dass Mitarbeiter der TBS nach dem Feuerwehreinsatz hätten anrücken müssen. Insofern werde auf die Entscheidung des erkennenden Gerichts vom 16. Mai 2013 - 9 A 198/11 - hingewiesen. Unter Zugrundelegung des vom erkennenden Gericht darin umrissenen Maßstabs seien die Aufräumarbeiten der TBS dem eigentlichen Feuerwehreinsatz nicht mehr zurechenbar, da die Feuerwehr beim Einsatz der TBS bereits abgerückt gewesen sei und weder Kontrolle noch Aufsicht über diese ausgeübt habe. Mangels Feuerwehreinsatzes sei § 52 BHKG NRW nicht anwendbar, weshalb sie auch keinen Rückgriff nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BHKG NRW auf die Unfallverursacherin nehmen könne. Mit Blick darauf sei das Verwaltungsgericht auch zu Unrecht vom Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen. Auch eine Geltendmachung der Kosten gegenüber der Unfallverursacherin auf der Grundlage des § 17 StrWG NRW scheide aus, weil nicht sie - die Klägerin -, sondern der Beklagte Träger der Straßenbaulast sei. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf § 50 Abs. 1 BHKG NRW lasse im Übrigen § 9 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW unberücksichtigt, der festlege, dass die Straßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung zusammenhängenden Aufgaben umfasse.
12Die Klägerin beantragt,
13das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 393,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Zur Begründung führt der Beklagte aus: Nach § 9 StrWG NRW gehöre es zu der Unterhaltungsaufgabe des Straßenbaulastträgers, durch Straßenverkehrsunfälle verursachte Verunreinigungen (ausgelaufene Betriebsstoffe) auf öffentlichen Straßen zu beseitigen. Nach der Rechtsprechung handele es sich in einem solchen Fall wie dem streitigen um einen Unglücksfall, der die originäre Zuständigkeit der Feuerwehr begründe. Es sei eine Pflichtaufgabe der Feuerwehr. Das Verhältnis der beiden Aufgabenträger zueinander sei im Gesetzesentwurf der Landesregierung zur Neuregelung des BHKG NRW vom 27. März 2015 zu Absatz 3 der Kostenregelung in § 52 umrissen. Danach sei die Zuständigkeit des Straßenbaulastträgers aufgrund der Spezialregelung als vorrangig zu betrachten. Der Feuerwehrpflichteinsatz umfasse nach dem Urteil des erkennenden Gerichts vom 16. Juli 2007 - 9 A 4239/04 - das Abstreuen der Verunreinigung, das Aufnehmen des Bindemittels sowie dessen Entsorgung. Nur so sei eine dauerhafte Gefahrenbeseitigung gegeben und die öffentliche Sicherheit wieder hergestellt. Nach dem Klägervortrag hätten die Feuerwehrleute das ausgelaufene Öl grob und notdürftig abgestreut. Danach hätten sie sich vom Unfallort entfernt. Der Einsatz sei also nach den gesetzlichen Vorgaben noch nicht beendet gewesen. Abgesehen davon könne nur in außergewöhnlichen Dringlichkeitsfällen zwischen Hoheitsträgern überhaupt eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht kommen, da insoweit die Zuständigkeiten gesetzlich normiert seien. Voraussetzung sei eine Notlage, in der die zuständige Behörde nicht oder nicht mit der sachlich gebotenen Dringlichkeit tätig werde. Diese Voraussetzungen hätten hier jedoch nicht vorgelegen, da die Meisterei T. im Dienst gewesen sei und bei entsprechender Kenntnis hätte tätig werden können.
17Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
21Die zulässige Berufung ist begründet.
22Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 391,41 Euro (dazu A.) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit Klageerhebung (dazu B.).
23A. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.
24Die Voraussetzungen des im öffentlichen Recht außerhalb der gesetzlichen Regelungen als eigenständiges Rechtsinstitut anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sind erfüllt. Die Anspruchsvoraussetzungen entsprechen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB. Auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sind Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen auch dann rückgängig zu machen, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten nach öffentlichem Recht richtet. Der Rechtsgedanke einer Rückgewähr rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen ergibt sich dabei unmittelbar aus der Forderung nach wiederherstellender Gerechtigkeit. Mit Blick darauf besteht eine Zahlungspflicht eines Hoheitsträgers, einem anderen Hoheitsträger die Kosten für die Beseitigung eines Schadens zu erstatten, wenn er nach materiellem Recht selbst zur Beseitigung des Schadens verpflichtet gewesen ist. Denn der Hoheitsträger ist in diesem Fall ohne Rechtsgrund „auf sonstige Weise“ um den Betrag bereichert, den er in Erfüllung seiner Pflicht hätte aufwenden müssen.
25Vgl. zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen der Beseitigung von Ölschäden durch einen Landkreis für die damalige Deutsche Bundesbahn: BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 1989 - 4 B 239.88 -, Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 42 = juris, Rn. 3. f., unter Bezugnahme u. a. auf das Urteil vom 12. März 1985 ‑ 7 C 48.82 -, BVerwGE 71, 85 (87 f.) = juris, Rn. 12, m. w. N., s. auch Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 5.86 -, BVerwGE 80, 170 (176 f.) = juris, Rn. 23 f.
26Ausgehend hiervon ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Kosten zu ersetzen, die im Zusammenhang mit der Beseitigung von Betriebsstoffen, die aus dem am 18. Februar 2019 auf der B 229 - ausweislich des Polizeiberichts „außerorts“ - verunfallten Fahrzeug ausgelaufen waren, für die Aufbringung von (weiteren) Bindemitteln und die Entfernung der von der Feuerwehr sowie den TBS aufgebrachten Bindemittel von der Straße (und deren Entsorgung) entstanden sind.
27Denn nach materiellem Recht wäre der Beklagte zur (vollständigen) Beseitigung der auf der Straße ausgelaufenen Betriebsstoffe und aufgebrachten Bindemittel (nebst fachgerechter Entsorgung) verpflichtet gewesen (dazu I.); es besteht weder ein Ausgleichsanspruch auf gesetzlicher Grundlage (dazu II.) noch kann die Klägerin die Kosten nach den auch im öffentlichen Recht Anwendung findenden Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag von dem Beklagten erstattet verlangen (dazu III.); der Beklagte ist deshalb ohne Rechtsgrund „auf sonstige Weise“ um den Betrag bereichert, den er in Erfüllung seiner Pflicht selbst hätte aufwenden müssen (dazu IV.).
28I. Die Verpflichtung des Beklagten zur vollständigen Beseitigung der ausgelaufenen Betriebsstoffe und der aufgebrachten Bindemittel (und deren Entsorgung) resultiert aus der ihm als für die B 229 zuständigen Träger der Straßenbaulast obliegenden Verkehrssicherungspflicht.
291. Der Bund ist Träger der Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen, soweit nicht die Baulast anderen nach gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen obliegt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 FStrG). Der Beklagte verwaltet die Bundesfernstraßen im Wege der Auftragsverwaltung für den Bund (Art. 90 Abs. 3 GG), ihm obliegt danach auch die Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen in Nordrhein-Westfalen, deren Aufgaben er durch den Landesbetrieb Straßenbau NRW (Landesbetrieb) wahrnehmen lässt (§ 1 Abs. 2 St-Ekr-ZVO).
302. Die Straßenbaulast umfasst für Bundesfernstraßen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG alle mit dem Bau und der Unterhaltung zusammenhängenden Aufgaben. Die Träger der Straßenbaulast haben namentlich dafür einzustehen, dass ihre Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen (§ 4 Satz 1 FStrG). Entsprechendes gilt für die Straßenbaulastträger der dem nordrhein-westfälischen Landesrecht unterliegenden öffentlichen Straßen (vgl. §§ 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 Satz 1, 9a Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW). Im Rahmen der ihn damit treffenden Verkehrssicherungspflicht ist der Beklagte auch für die Sicherung und rückstandslose Beseitigung von Öl- und sonstigen Betriebsmittelspuren im Bereich der Bundesfernstraßen zuständig. Er war dementsprechend auch verpflichtet, für die Beseitigung der im Anschluss an den Unfall am 18. Februar 2019 auf der B 229 aufgetretenen Ölspuren zu sorgen, um die von diesen ausgehenden Gefahren für die Verkehrssicherheit dauerhaft zu beseitigen bzw. die Verkehrssicherheit vollständig wiederherzustellen.
313. Dem kann der Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, aus dem BHKG NRW ergebe sich, dass nicht er, sondern die Feuerwehr der Klägerin zur (vollständigen) Beseitigung des anlässlich des Unfalls ausgelaufenen Öls verpflichtet gewesen sei. Diese Auffassung ist durch das geltende Recht nicht gedeckt.
32a. Welcher Aufgabenträger in Fällen der vorliegenden Art für Maßnahmen der Gefahrenabwehr zuständig ist, ergibt sich aus der in § 1 Abs. 3 BHKG NRW getroffenen Regelung. Danach gilt dieses Gesetz nicht, soweit vorbeugende und abwehrende Maßnahmen nach § 1 Abs. 1 BHKG NRW - also insbesondere bei Unglücksfällen (Abs. 1 Nr. 2) - auf Grund anderer Rechtsvorschriften gewährleistet sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BHKG NRW). Entsprechende vorrangige Regelungen können insbesondere bestehen in den Bereichen der Bauaufsicht, des Forsts, der Wasserbehörden, dem Umwelt- und Arbeitsschutz oder - wie hier - der Straßenbauverwaltung (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 BHKG NRW LT‑Drs. 16/8293 Seite 79). Eine „doppelte“ Zuständigkeit von Feuerwehr einerseits und anderen Aufgabenträgern andererseits, wie sie auf Grund der Bestimmungen in den §§ 1 Abs. 1 und 42 Abs. 1 des zuvor geltenden FSHG NRW für möglich erachtet wurde,
33vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 16. Februar 2007 - 9 A 4239/04 -, NWVBl. 2007, 437 (438) = juris, Rn. 58,
34kommt hiernach grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
35Bis zum Eingreifen der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BHKG NRW zuständigen Stelle trifft indessen die Feuerwehr, die bei einem Unglückfall regelmäßig - so auch hier - als Erste am Unglücksort eintrifft, der Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BHKG NRW zufolge im Wege des ersten Zugriffs die erforderlichen Maßnahmen, um eine bestehende oder unmittelbar bevorstehende konkrete Gefährdung von Leben, Tieren, Gesundheit, natürlichen Lebensgrundlagen oder Sachen abzuwehren.
36b. Was die Beseitigung von Öl- oder Betriebsmittelspuren auf öffentlichen Straßen betrifft, verbleibt es hiernach zunächst bei der alleinigen Zuständigkeit des verkehrssicherungspflichtigen Straßenbaulastträgers. Dieser hat im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht für deren umgehende Entfernung Sorge zu tragen. Geht von der entsprechenden Verunreinigung eine Gefährdung i. S. v. § 1 Abs. 3 Satz 2 BHKG NRW aus, so trifft die Feuerwehr - insoweit in ergänzender Zuständigkeit - bis zum Eingreifen des Trägers der Straßenbaulast die zum Schutz der dort genannten Rechtsgüter erforderlichen Maßnahmen. Dabei kann es nach sachgerechter Einschätzung der Gefahrenlage und mit Blick auf die Beschränkung der Feuerwehr auf den „ersten Zugriff“ sein Bewenden mit einem provisorischen Abstreuen der Verunreinigungen haben; es können darüber hinaus gegebenenfalls auch weitere Maßnahmen wie etwa das Einarbeiten des Streuguts und dessen Aufnahme erforderlich sein. In jedem Fall aber endet jegliche Zuständigkeit der Feuerwehr mit dem Eingreifen der zuständigen Straßenbaubehörde.
37c. Die Feuerwehr der Klägerin hatte die aus ihrer Sicht erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen, indem sie die ausgelaufenen Betriebsstoffe abgestreut und damit deren weitere Verbreitung verhindert hatte. Damit endete ihr Einsatz ebenso wie ihre - ergänzende - Zuständigkeit für Abwehrmaßnahmen aus Anlass des betreffenden Unglücksfalls. Es ist nicht ersichtlich oder von dem Beklagten dargetan, dass darüber hinaus weitere Maßnahmen der Feuerwehr erforderlich gewesen wären, um bestehende oder unmittelbar bevorstehende konkrete Gefährdungen für die in § 1 Abs. 3 Satz 2 BHKG NRW genannten Rechtsgüter abzuwehren. Dies gilt umso mehr, als die auch nach dem Abrücken der Feuerwehr der Klägerin an der Unfallstelle verbliebene Polizei den Verkehr regelte und so dafür Sorge trug, dass bis zur vollständigen Beseitigung der aus dem verunfallten Fahrzeug ausgelaufenen Betriebsstoffe (durch die TBS) keine Gefahr für Verkehrsteilnehmerinnen oder Verkehrsteilnehmer von den auf der Straßen befindlichen Betriebsstoffen und darauf aufgebrachten Bindemitteln ausgehen konnte. Mit dem Abrücken der Feuerwehr lag die Zuständigkeit für die Beseitigung der infolge des Verkehrsunfalls auf der B 229 entstandenen Verunreinigungen wieder allein bei dem verkehrssicherungspflichtigen Beklagten.
38II. Ausgehend hiervon kommt ein gesetzlicher Erstattungsanspruch für die von den TBS verrichteten Arbeiten auf der Grundlage von § 52 Abs. 3 BHKG NRW ‑ wie ihn das Verwaltungsgericht erwogen, aber im Ergebnis verneint hat ‑ schon deshalb nicht in Betracht, weil die nach Beendigung des Feuerwehreinsatzes erforderlichen Maßnahmen auf Grund anderer Rechtsvorschriften - nämlich der Bestimmungen in den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 4 Satz 1 FStrG - gewährleistet waren, so dass gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BHKG NRW dieses Gesetz - das BHKG NRW - insoweit nicht gilt und dementsprechend auch die Bestimmung in § 52 Abs. 3 BHKG keine Anwendung findet.
39III. Im Ergebnis zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine Kostenerstattung nach den Grundsätzen der auch im öffentlichen Recht anwendbaren Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß den §§ 677 ff. BGB nicht in Betracht kommt. Die Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) schließt es grundsätzlich aus, dass ein unzuständiger Hoheitsträger in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Hoheitsträgers eingreift und die Kompetenz-ordnung durchbricht. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag unter Hoheitsträgern ist daher nur im Ausnahmefall zulässig, etwa wenn ein Notfall vorliegt und ein Einschreiten des zuständigen Hoheitsträgers nicht in der gebotenen Eile möglich ist.
40Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 22. November 1985 - 4 A 1.83 -, NJW 1986, 2524 = juris, Rn. 18, m. w. N. für den Fall der Beseitigung einer Ölverschmutzung einer Bundeswasserstraße durch die Wasserschutzpolizei eines Bundeslandes; s. auch Gregor, in: Herberger/Martinek/Rüß-mann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Auflage, § 677 BGB (Stand: 1. Februar 2020), Rn. 59, m. w. N.
41Bei der von den TBS der Klägerin durchgeführten Arbeiten handelte es sich nicht um unaufschiebbare Maßnahmen in diesem Sinne. Es ist weder ersichtlich noch vom Beklagten dargetan, dass eine weitere Ausbreitung der beim Unfall ausgelaufenen Betriebsstoffe drohte, nachdem die Feuerwehr diese - wenn auch nur „notdürftig“ - abgestreut hatte; die Unfallstelle war polizeilich gesichert, so dass weitere Verkehrsunfälle auf Grund der Ölverschmutzung nicht zu gewärtigen waren; es spricht schließlich nichts dagegen, dass die zuständige Straßenmeisterei des Landesbetriebs - die Straßenmeisterei T. - nach Benachrichtigung zeitnah hätte vor Ort sein oder einen einsatzbereiten privaten Unternehmer hätte beauftragen können, um die aus dem verunfallten Fahrzeug ausgelaufenen Betriebsstoffe auf der B 229 endgültig zu entfernen.
42IV. Mit Blick darauf, dass der Beklagte selbst verpflichtet gewesen wäre, die ausgelaufenen Betriebsstoffe nebst aufgebrachten Bindemitteln von der Straße zu entfernen (und für deren Entsorgung zu sorgen), ist er - unabhängig von der Frage, ob die von den TBS durchgeführten Maßnahmen möglicherweise in der irrigen Annahme geleistet worden sind, die Klägerin sei verkehrssicherungspflichtige Straßenbaulastträgerin für den betreffenden Teil der B 229 - um den Betrag bereichert, den er selbst dafür hätte aufwenden müssen. Dies geschah auch ohne Rechtsgrund, denn diese Aufgabe fiel - wie oben ausgeführt - nicht (mehr) in den Aufgabenbereich der Klägerin. Es ist schließlich weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass er für die Beseitigung der ausgelaufenen Betriebsstoffe einen geringeren Kostenaufwand gehabt hätte.
43B. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Prozesszinsen. Der Erstattungsanspruch ist ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Nach den auch im Verwaltungsprozess anwendbaren Vorschriften der § 291 Satz 1 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Prozesszinsen immer dann zu zahlen, wenn das einschlägige Fachrecht keine abweichende Regelung trifft und die Geldforderung - wie hier - eindeutig bestimmt ist.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D -, NVwZ 2014, 1523 (1528) = juris, Rn. 46, m. w. N.
45Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
46Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO.
47Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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