Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 21 D 12/19.AK
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Klägerin, eine Gemeinde im Kreis X. , wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung E. (Planfeststellungsbehörde) vom 9. Januar 2019 betreffend die Erdgasfernleitung A. der Beigeladenen.
3Gegenstand des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Betrieb der Erdgasfernleitung Nr. 098, A. im ca. 105 km langen Abschnitt von der Station I. (Gemeinde K. ) bis zur Station E1. (Gemeinde T. ) einschließlich der hiermit im Zusammenhang stehenden Folgemaßnahmen an anderen Anlagen sowie der Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Es handelt sich um eine Hochdruckleitung mit einen maximal zulässigen Betriebsdruck von 100 bar. Die planfestgestellte Trasse kreuzt im hier interessierenden Bereich aus südwestlicher Richtung kommend ca. 800 m nördlich der M. die Bundesautobahn 3, verläuft anschließend in nördlicher Richtung und nach Kreuzung der Bundesstraße 58 in östlicher Richtung jeweils entlang der zunächst östlich später südlich der Trasse gelegenen Bebauung im Ortsteil E2. der Klägerin, bevor sie nach Kreuzung der Straße „Q.---weg “ wieder nach Norden verschwenkt. Südlich der Bundesstraße 58 und westlich der vorhandenen Bebauung des Ortsteils E2. weist der Bebauungsplan Nr. 45 „O.-----straße “ der Klägerin ein Allgemeines Wohngebiet aus, das nach Angaben der Klägerin einen Abstand von teilweise weniger als 100 m zur Trasse der Leitung hat.
4Das Planfeststellungsverfahren wurde mit Antrag der Beigeladenen vom 22. August 2017 in Gang gesetzt. Im Rahmen des durchgeführten Anhörungsverfahrens erhob die Klägerin mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 Einwendungen gegen das Vorhaben. Sie machte im Wesentlichen geltend, dass hinsichtlich des beantragten Trassenverlaufs Sicherheitsbedenken in Bezug auf die – an oberster Stelle stehenden – Schutzgüter Mensch und Umwelt bestünden. Ferner sei zweifelhaft, ob die geplante Überdeckung der Gasleitung eine ausreichende Sicherheit bieten werde. Schließlich forderte sie Regelungen hinsichtlich zu erwartender Nachteile bei der Vermarktung von Grundstücken, zum Schutz der Trinkwasserqualität sowie in Bezug auf die Beseitigung von Beschädigungen an gemeindeeigenen Straßen und Wegen und die Abstimmung der Art der Querung von Straßen, Wegen und Kanälen.
5Mit dem erwähnten Beschluss vom 9. Januar 2019, der Klägerin zugestellt im Februar 2019, stellte die Planfeststellungsbehörde das streitige Vorhaben fest.
6Die Klägerin hat am 1. März 2019 Klage erhoben.
7Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Die Klage sei zulässig, insbesondere sei sie klagebefugt, da sie geltend machen könne, durch den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss in eigenen Rechten verletzt zu werden. Das Vorhaben solle sehr nah an bebauten und – nach ihrer planerischen Konzeption – bebaubaren Flächen vorbeiführen. Die Nähe zu den bebaubaren Flächen führe dazu, dass die in Form eines verbindlichen Bauleitplans bestehende planerische Konzeption einer Siedlungsentwicklung im Bereich des Gebiets des Bebauungsplans Nr. 45 „O.-----straße “ vereitelt bzw. jedenfalls beeinträchtigt werde, da allenfalls geringes Interesse an der Errichtung von Wohnhäusern neben der Erdgasfernleitung bestehe, so dass eine Bebauung des Bebauungsplangebiets nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung erfolgen würde. Zudem könne sie die in ihrem Eigentum stehenden Baugrundstücke nicht oder nur zu wesentlich geringeren Preisen veräußern, sodass auch eine Verletzung ihres einfachrechtlichen Eigentumsrechts nicht ausgeschlossen sei. Dieses sei auch betroffen, soweit das planfestgestellte Vorhaben Straßen und Wege kreuze, die in ihrem Eigentum ständen.
8Die Klage sei auch begründet. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig und verletzte sie in ihren Rechten. Er sei aufzuheben, da die Mängel nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden könnten.
9Das planfestgestellte Vorhaben entspreche nicht den einschlägigen Sicherheitsanforderungen, jedenfalls sei der im Abwägungsgebot verankerte Grundsatz der Konfliktbewältigung verletzt und der Planfeststellungsbeschluss nicht bestimmt i. S. v. § 37 Abs. 1 VwVfG. Dieser enthalte keine hinreichend genauen Vorgaben zu dem nach der Rechtsprechung des 11. Senats des erkennenden Gerichts maßgeblichen Sicherheitskonzept, nach welcher gemäß dem Regelungskonzept der § 49 EnWG und § 2 GasHDrLtGV dem Regelungswerk des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) besondere Bedeutung zukomme. Dieses verfolge ein primär auf die Sicherheit der Anlage selbst ausgerichtetes Sicherheitskonzept und verlange keine bestimmten Abstände zu bebauten Gebieten oder eine Meidung solcher Gebiete. Die Einhaltung des anlagenbezogenen Sicherheitskonzepts habe der Planfeststellungsbeschluss sicherzustellen. Dies setze voraus, dass sich dem Planfeststellungsbeschluss entnehmen lasse, dass das Vorhaben, so wie die Vorhabenträgerin es errichten und betreiben wolle, den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Insofern sei es nicht ausreichend, wenn lediglich die gesetzlichen Anforderungen dargestellt würden oder in Nebenbestimmungen abstrakt die Einhaltung rechtlicher Vorgaben gefordert werde. So sei ein baurechtlicher Vorbescheid, der als Nebenbestimmung für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens im unbeplanten Innenbereich vorsehe, dass sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen müsse, gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig, weil der Vorbescheid im konkreten Fall mit feststellender Wirkung gerade darüber befinden solle, ob diese Voraussetzungen erfüllt seien. Dies gelte entsprechend für Verwaltungsakte mit anderen Wirkungsmodalitäten, insbesondere für begünstigende Verwaltungsakte. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erfordere eine Entscheidung darüber, ob das konkrete Vorhaben mit den einschlägigen Vorschriften übereinstimme. Demgemäß könne ein Planfeststellungsbeschluss, der – auch unter Berücksichtigung der Planunterlagen – lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen beschreibe, nichtig sein, auch dann, wenn nach den gesetzlichen Vorschriften bestimmte technische Normen maßgeblich seien oder sein könnten und der Verwaltungsakt sich auf die Nennung oder Wiedergabe dieser technischen Normen beschränke. Voraussetzung für die Nichtigkeit sei eine Offenkundigkeit der Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts; fehle es an dieser sei der Verwaltungsakt wirksam aber rechtswidrig.
10Ausgehend davon sei der angegriffene Planfeststellungsbeschluss jedenfalls rechtswidrig, da er nicht feststelle, ob das planfestgestellte Vorhaben den Anforderungen an eine Erdgasfernleitung nach § 49 Abs. 1 EnWG i. V. m. den technischen Regeln der DVGW entspreche. Weder aus den Nebenbestimmungen noch aus der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses ergebe sich, wie die Anlage konkret ausgestaltet sein müsse. Die diesbezüglichen Nebenbestimmungen – Nr. 2.1 bis 2.3 sowie 2.5 unter Gliederungspunkt A.V.2. des Planfeststellungsbeschlusses – gingen inhaltlich nicht über die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts hinaus. Auch in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses, S. 311 ff., würden erneut nur die gesetzlichen Anforderungen nach § 49 EnWG skizziert, die Rechtsprechung des 11. Senats des erkennenden Gerichts wiedergegeben und in Bezug auf die Vorhabenträgerin festgestellt, dass diese die „dargelegten und insbesondere die in § 2 und § 3 GasHDrLtgV geforderten Sicherheitsanforderungen in vollem Umfang [befolge]“. Diese Feststellung der Planfeststellungsbehörde sei indes eine bloße Behauptung, da die konkrete Ausgestaltung der Anlage nicht aus den zum Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses gemachten Unterlagen hervorgehe. Insbesondere behaupte auch der von der Vorhabenträgerin vorgelegte Erläuterungsbericht vom 11. August 2017 lediglich die Beachtung der gesetzlichen Anforderungen, ohne jedoch in wesentlichen Beziehungen Anlagenspezifika darzustellen, die diese Behauptung überprüfbar machten. So gingen die dortigen Ausführungen auf den Seiten 38 ff. nur ganz vereinzelt über die allgemeinen Anforderungen des Gesetzes bzw. des Planfeststellungsbeschlusses hinaus. Es werde etwa ausgeführt, dass der passive Korrosionsschutz bei der offenen Verlegung „in der Regel“ durch eine Ummantelung mit Polyethylen sowie bei Sonderanwendungen mit Polypropylen oder glasfaserverstärktem Kunststoff und der aktive Korrosionsschutz durch ein Schutzstromverfahren erfolge, ohne dass daraus hervorginge, welcher Werkstoff für die Leitung verwendet werde und welche Eigenschaften dieser aufweise. Die Angabe in Tabelle 3 des Erläuterungsberichts, es würden hochfeste, kunststoffummantelte Stahlrohre verwendet, sei zu allgemein und genüge nicht für die Überprüfung, ob die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten würden.
11Der Mangel der nicht hinreichenden Festlegung des Sicherheitskonzepts und Überprüfung des Vorhabens auf die Einhaltung dieses Konzepts führe zur Unbestimmtheit des Planfeststellungsbeschlusses im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG. In seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlange das Bestimmtheitsgebot, dass sich der Genehmigung mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lasse, dass das genehmigte Vorhaben Nachbarrechte nicht beeinträchtigen könne. In Bezug auf die Bestimmtheit eines Planfeststellungsbeschlusses sowie die Beeinträchtigung einer kommunalen Planung müsse sich danach dem Planfeststellungsbeschluss mit hinreichender Sicherheit entnehmen lassen, dass das planfestgestellte Vorhaben die kommunale Planung nicht beeinträchtigen könne. Dies sei angesichts des im Planfeststellungsbeschluss nicht bzw. nur unzureichend festgelegten Sicherheitskonzepts nicht der Fall.
12Aus dem Vorstehenden resultiere ein Abwägungsfehler zu ihren Lasten. Der Umstand, dass im Planfeststellungsbeschluss ein Sicherheitskonzept nicht hinreichend determiniert worden sei, führe dazu, dass die Sicherheit der in der Nähe der Trasse wohnenden oder sich sonst aufhaltenden Personen sowie der Sachwerte unterschätzt oder jedenfalls nicht mit dem ihnen zukommenden hohen Gewicht in die Abwägung eingestellt worden sei. Dieser Mangel führe zu einer Verletzung ihrer Rechte. Mit Blick auf das abwägungserhebliche Interesse einer Gemeinde an der Wahrung ihrer Planungshoheit und den im Falle einer Konkurrenz zwischen Bauleitplanung und Fachplanung geltenden Grundsatz der Priorität müsse hier das planfestgestellte Vorhaben auf ihre Planung in Form des Bebauungsplans Nr. 45 „O.-----straße “ Rücksicht nehmen. Die Trassenführung entlang des Wohngebiets mit geringem Abstand zu Wohnbauflächen beeinträchtige diese Planung, da aufgrund der Sicherheitsrisiken mit einer Realisierung nicht oder nur eingeschränkt gerechnet werden könne. Ein Abwägungsfehler bestehe ferner bezüglich des gemeindlichen Eigentums an den Baugrundstücksflächen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 45 „O.-----straße “. Die nachteiligen Auswirkungen auf ihre Grundstücke, die sich insbesondere in der erschwerten Veräußerung dieser Grundstücke zeigten, hätten in der Abwägung keine Berücksichtigung gefunden. Die vorliegenden Veräußerungserschwernisse bzw. Verkehrswertsenkungen seien beachtlich, da sie auf dem Sicherheitskonzept der Erdgasleitung beruhten, welches wiederum abwägungserheblich sei. Die vorgenannten Abwägungsmängel seien auch nach § 43 Satz 7 EnWG a. F., § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG offensichtlich, weil sie die äußere Seite des Abwägungsvorgangs beträfen sowie auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruhten, und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, weil nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit bestehe, dass die Planung ohne die Mängel anders ausgefallen wäre. Wenn die Planfeststellungsbehörde die von der Gasleitung aufgrund des nicht hinreichend festgelegten Sicherheitskonzepts ausgehenden verbleibenden Risiken erkannt hätte, wäre eine andere Trassenwahl im Bereich Hünxe E2. naheliegend gewesen, insbesondere weil bei einer Trassenführung in der Nähe des Plankenbachs den Sicherheitsbelangen ausreichend Rechnung getragen worden wäre und eine solche Trassenführung jedenfalls nicht offensichtlich ausschiede.
13Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde erweise sich ferner deswegen als abwägungsfehlerhaft zu ihren Lasten, weil der Belang, der Sicherheit der Wohnbebauung und entsprechend bebaubarer Flächen möglichst durch einen Sicherheitsabstand Rechnung zu tragen, nicht berücksichtigt worden sei. Innerhalb eines solchen Sicherheitsabstands, dessen Einhaltung hier nicht unmöglich sei, lägen Bauflächen des Bebauungsplangebiets Nr. 45 „O.-----straße “. Durch einen anderen Trassenverlauf hätte die Beeinträchtigung des Bebauungsplangebiets Nr. 45 „O.-----straße “ vermieden werden können. Dieser Mangel sei ebenfalls erheblich, da er offensichtlich sei und die konkrete Möglichkeit bestanden habe, dass die Abwägungsentscheidung ohne ihn anders ausgefallen wäre. Insofern sei in Bezug auf Erdgasfernleitungen, die nicht der Versorgung bebauter Gebiete dienten, die Auffassung des 11. Senats des erkennenden Gerichts überdenkenswert, dass bei der Errichtung von der öffentlichen Versorgung mit Gas dienenden Gashochdruckleitungen ein primär auf die Sicherheit der Anlage selbst ausgerichtetes Sicherheitskonzept den gesetzlichen Anforderungen genüge.
14Es sprächen gewichtige Argumente für das Bestehen einer technischen Regel, Gasfernleitungen möglichst nicht in bebautem Gebiet zu verlegen und, sofern das nicht möglich sei, Gefährdungen durch die Einhaltung von Abständen zu verringern, sodass es jedenfalls gewichtiger Belange bedürfe, um eine Trasse nah an dem Wohnen dienende Bebauung oder entsprechend bebaubare Flächen heranzuführen. Die gesetzlichen Anforderungen an Gashochdruckleitungen schlössen ein Sicherheitskonzept nicht aus, welches die Folgen einer Havarie durch Abstände zu schutzbedürftigen Gebieten minimiere. Maßgeblich sei, dass die Anlage dem Stand der Technik entspreche. Die – den Stand der Technik wiedergebenden – technischen Regeln betreffend Leitungen zum Transport brennbarer Flüssigkeiten und von Erdgas sähen jeweils die Meidung bebauter und bebaubarer Gebiete vor.
15Die technischen Regeln für Gashochdruckleitungen (TRGL) aus August 1978, die vom nach § 14 GasHDrLtgV a. F. vorgesehenen Ausschuss für Gashochdruckleitungen als dem Stand der Technik entsprechende Regeln für nicht der öffentlichen Versorgung dienende Gashochdruckleitungen ermittelt worden seien, sähen unter TRGL 111 – Leitungsführung, Ziff. 1.3 vor, dass Gashochdruckleitungen nach Möglichkeit nicht in bebautem oder nach einem Bebauungsplan bebaubarem Gelände errichtet werden sollten.
16Auch die Technische Regel für Rohrfernleitungen (TRFL) aus Juni 2017, die vom nach § 9 Abs. 1 und 2 Nr. 2 RohrFLtgV zuständigen und beim Bundesumweltministerium angesiedelten Ausschuss für Rohrfernleitungen als dem – nach § 3 Abs. 2 RohrFLtgV für die Errichtung und den Betrieb von Rohrfernleitungen maßgeblichen – Stand der Technik entsprechende Regel ermittelt worden sei, sehe unter Ziff. 3.1.2 vor, dass Rohrfernleitungsanlagen nach Möglichkeit nicht in bebautem oder in einem genehmigten Bebauungsplan zur Bebauung ausgewiesenem Gebiet, wenn es sich um eine dem Wohnen dienende Bebauung im Sinne der BauNVO handele, errichtet werden. Wenn dies nicht möglich sei, seien besondere Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen.
17Ausgehend davon entspreche es dem Stand der Technik bezüglich der Leitungsführung, Gasleitungen grundsätzlich – nach Möglichkeit – nicht in bebautem oder bebaubarem Gebiet zu errichten. Den Aussagen der vorgenannten Ausschüsse komme ein erhebliches Gewicht zu, da – entsprechend der ihnen übertragenen Aufgaben – die veröffentlichten technischen Regeln gerade darauf abgezielt hätten, den Stand der Technik wiederzugeben, und durch die Ausschussbesetzung jeweils ein hohes Maß an wissenschaftlich-technischem Sachverstand sichergestellt gewesen sei.
18Dass das DVGW-Arbeitsblatt G 463 in der Fassung aus Juli 2016 an einem anlagenbezogenen Schutzkonzept festhalte, bedeute nicht, dass dieses in Bezug auf die Leitungsführung dem Stand der Technik entspreche. Denn der DVGW habe nicht die Aufgabe, den Stand der Technik zu ermitteln, sondern verfolge mit seiner privaten Normung auch andere Zwecke, etwa solche der Standardisierung. Dass das DVGW-Regelwerk keine Sicherheitsabstände vorsehe, sondern ein primär an der Sicherheit der Leitung ansetzendes Sicherheitskonzept verfolge, erkläre sich anhand der Tatsache, dass dieses Regelwerk nicht auf den Bau von großvolumigen Gasfernleitungen ausgerichtet sei, sondern vornehmlich örtliche Verteilernetze in den Blick nehme, bei denen naturgemäß Abstände nicht eingehalten werden könnten. Im Übrigen werde auch das in den DVGW-Arbeitsblättern vorgesehene anlagenbezogene, deterministische Schutzkonzept mittlerweile durch probabilistische Ansätze ergänzt, etwa bei der Trassenführung in der Nähe von Windenergieanlagen und Windparks. Der DVGW gehe daher insoweit selbst nicht davon aus, dass eine hinreichende Sicherheit allein durch technisch-konstruktive Merkmale und einen Schutzstreifen zu erreichen sei.
19Dem Grundsatz der Meidung bebauter und bebaubarer Gebiete könne nicht entgegengehalten werden, dass die TRFL explizit nicht auf Energieanlagen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes anzuwenden sei. Denn es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass für Rohrfernleitungsanlagen i. S. d. § 2 Abs. 1 RohrFLtgV und Gashochdruckleitungen ein unterschiedlicher Stand der Technik in Bezug auf die Leitungsführung bestehe. Insbesondere handele es sich bei den der Rohrfernleitungsverordnung unterfallenden Anlagen nicht um solche Leitungen, die im Vergleich zu Leitungen nach der Gashochdruckleitungsverordnung dem Transport ungefährlicherer Stoffe dienten. Die Unterscheidung sei vielmehr rein rechtlicher Natur und lasse den Stand der Technik unberührt.
20Dass die Meidung bebauter Gebiete dem Stand der Technik der Leitungsführung entspreche, werde auch durch die „Safety Guidelines – Good Practise for Pipelines“ der UNECE aus Februar 2014 gestützt, die unter den Ziff. 24 und 26 jeweils Sicherheitsabstände ansprächen.
21Der Forschungsbericht Nr. 285 „Zu den Risiken des Transports flüssiger und gasförmiger Energieträger in Pipelines“ der Bundesanstalt für Materialforschung und-prüfung aus 2009 verdeutliche anhand von allein 17 Unfällen seit dem Jahr 2000, dass es ein Unfallrisiko bei erdgasführenden Pipelines gebe.
22Ausgehend von dem Vorstehenden gebe das DVGW-Regelwerk nicht den Stand der Technik wieder. Es entspreche vielmehr dem Stand der Technik, bebaute und bebaubare Gebiete – soweit möglich – zu meiden bzw. Abstände einzuhalten. Nur soweit dies nicht möglich sei, könnten andere, anlagenbezogene Maßnahmen an die Stelle des vorzugswürdigeren, da die Sicherheit am effektivsten gewährleistenden, Abstands treten.
23Die Klägerin beantragt,
24den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung E. vom 9. Januar 2019 für die Errichtung und den Betrieb der Erdgasfernleitung Nr. 098, A. im Abschnitt von der Station I. bis zur Station E1. in der gegenwärtig geltenden Fassung aufzuheben.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Zur Begründung trägt er u. a. vor, dass die Klage – aus den von der Beigeladenen benannten Gründen – bereits unzulässig sei. Sie sei auch unbegründet, da der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig sei und die Klägerin eine Verletzung ihrer Belange nicht aufgezeigt habe. Insbesondere seien die von der Klägerin erhobenen Rügen im Zusammenhang mit dem Sicherheitskonzept der Leitung nicht geeignet, eine Verletzung in eigenen Rechten zu begründen.
28Der Planfeststellungsbeschluss sei in Bezug auf das Sicherheitskonzept ausreichend bestimmt. Er setze sich unter Gliederungspunkt B.V.6.2. ausführlich mit dem Sicherheitskonzept auseinander und stelle ausdrücklich fest, dass die gesetzlichen Anforderungen eingehalten würden. Weitere Ausführungen seien nicht erforderlich gewesen. Unabhängig davon würden Dritte, die nicht Adressaten eines Verwaltungsaktes seien, durch dessen Unbestimmtheit nur dann in ihren Rechten verletzt, wenn sich diese gerade auf die Merkmale eines Vorhabens beziehe, deren genaue Festlegung erforderlich sei, um die Verletzung drittschützender Vorschriften auszuschließen. Die technische Sicherheit der Leitung im Sinne von § 49 EnWG berühre die Klägerin indes nicht in eigenen Rechten. Die geltend gemachten Sicherheitsrisiken beträfen allenfalls die Einwohner der Klägerin. Ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung umfasse nicht die Befugnis, als Sachwalter der Belange ihrer Einwohner aufzutreten. Die Sicherheit der Leitung sei ferner – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch kein abwägungserheblicher Belang, sondern ein zwingend zu beachtender Planungsleitsatz, der nicht im Wege der Abwägung überwunden werden könne. Das Sicherheitskonzept entspreche ohnehin inhaltlich in vollem Umfang den gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere sei die Einhaltung bestimmter Sicherheitsabstände zu bebauten Gebieten nicht erforderlich.
29Auch im Hinblick auf die Planungshoheit der Klägerin liege kein Abwägungsfehler vor. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Leitung zu einer Verzögerung der Bebauung in dem durch den Bebauungsplan Nr. 45 ausgewiesenen Wohngebiet führen solle. Die Trasse verlaufe weder direkt durch das Plangebiet noch berühre sie dieses unmittelbar. Der Schutzstreifen liege außerhalb des Plangebiets und stehe einer Bebauung nicht entgegen. Mangels Beeinträchtigung der Planungshoheit der Klägerin bestehe kein Konkurrenzverhältnis zwischen Bauleitplanung und Fachplanung, welches mithilfe des Prioritätsgrundsatzes, der ohnehin mit Blick auf das Fachplanungsprivileg des § 38 BauGB nicht uneingeschränkt anwendbar sei, aufgelöst werden müsste.
30In Bezug auf das gemeindliche Eigentum liege ein Abwägungsfehler ebenfalls nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern das Eigentum der Klägerin durch die nicht über deren Grundstücke verlaufende Leitung beeinträchtigt sein solle. Für die behauptete Erschwerung der Veräußerung benachbarter gemeindlicher Grundstücke lege sie schon keinerlei Belege vor. Das Gleiche gelte für den Vorwurf im Zusammenhang mit der Kreuzung gemeindlicher Straßen und Wege. Die Belange der Eigentümer seien im Planfeststellungsbeschluss ausreichend berücksichtigt worden. Dieser führe zu Recht aus, dass etwaige Wertminderungen eines Grundstücks aufgrund der Nachbarschaft zur Leitung keinen eigenständigen Abwägungsbelang darstellten.
31Die Alternativenprüfung und -auswahl sei auch nicht zu beanstanden. Sie habe alle ernsthaft in Betracht kommenden Planungsvarianten bei ihrer Entscheidung berücksichtigt und im Planfeststellungsbeschluss diskutiert. Auch mit der von der Klägerin nicht näher konkretisierten Trassenführung in der Nähe des Plankenbachs habe sie sich im Rahmen der Einwendungen auseinandergesetzt. Diese habe sich nicht als eindeutig besser aufgedrängt, da sie ebenfalls nicht konfliktfrei sei.
32Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
33die Klage abzuweisen.
34Sie macht zur Begründung u. a. geltend, dass die Klage bereits unzulässig sei, da der Klägerin keine Klagebefugnis zustehe. Eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten der Klägerin sei nicht ersichtlich.
35Ihr gemeindliches Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sei nicht betroffen. Die Trasse führe weder direkt durch im Zusammenhang bebaute Teile von E2. noch durchkreuze oder berühre sie das geplante Neubaugebiet nach dem Bebauungsplan Nr. 45 „O.-----straße “. Hinsichtlich der behaupteten Beeinträchtigung ihrer Planung genüge der Vortrag der Klägerin nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Klagebegründung nach § 43e Abs. 3 EnWG. Anhand ihrer unsubstantiierten Angaben könne nicht überprüft werden, inwiefern die Siedlungsentwicklung im Bebauungsplangebiet Nr. 45 „O.-----straße “ tatsächlich noch oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung erfolgen könne. Selbst bei Wahrunterstellung ihrer Behauptungen sei eine nachhaltige Störung der gemeindlichen Planung nicht anzunehmen, da es an einer unmittelbaren gewichtigen Auswirkung fehlte. Die Realisierung der geplanten Bebauung werde durch die Trasse weder rechtlich noch faktisch verhindert. Sofern sich keine Interessenten für die Grundstücke fänden, wäre dies lediglich eine mittelbare Auswirkung auf die gemeindliche Planung, die für die Annahme einer nachhaltigen Störung einer verfestigten gemeindlichen Planung nicht genügte. Ferner wäre die gemeindliche Planung jedenfalls nicht nachhaltig gestört, wenn die Klägerin selbst nur von einem „allenfalls geringen Interesse“ ausgehe, welches nicht mit dem Ausbleiben jeglicher Interessenten gleichzusetzen sei. Für die behaupteten Schwierigkeiten bei der Veräußerung der Grundstücke führe die Klägerin bereits keinerlei Belege an. Insbesondere sei weder näher ausgeführt noch belegt, welche Bemühungen die Klägerin zur Vermarktung der Grundstücke unternommen habe und inwiefern der vermeintliche Rückgang der Interessenten gerade auf die Planungen der Beigeladenen zurückzuführen sei. Mangels Substantiierung der Behauptungen durch die Klägerin sei eine rechtliche Bewertung nicht möglich, jedenfalls könne auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Informationen nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Nutzung der beplanten Fläche in naher Zukunft nicht mehr realisieren lasse.
36Die Klägerin habe auch nicht substantiiert dargelegt, dass sie durch das planfestgestellte Vorhaben in ihrem einfachgesetzlich geschützten Grundeigentum verletzt werde. Die Vorhabentrasse führe nicht über im gemeindlichen Eigentum liegende Grundstücke innerhalb des Bebauungsplangebiets „O.-----straße “. Die Behauptung der Klägerin, der räumliche Bezug zum Vorhaben führe zu einem Wertverlust der in Trassennähe liegenden Grundstücke, ist ebenfalls unbelegt. Selbst wenn die Grundstücke des Plangebiets ihren Verkehrswert auch nur teilweise eingebüßt hätten und nur zu wesentlich geringeren Preisen veräußert werden könnten, so sei dies dem öffentlichen Umgang der Klägerin mit dem planfestgestellten Vorhaben zuzuschreiben. Soweit die Klägerin darauf Bezug nehme, dass das planfestgestellte Vorhaben Straßen und Wege kreuze, die in ihrem Eigentum ständen, fehle es bereits an der substantiierten Darlegung, inwiefern es sich bei den nach den Schilderungen der Klägerin betroffenen Straßen und Wegen gerade um solche in ihrem Eigentum handele und inwiefern sich allein aus der Tatsache der Kreuzung kommunaler Wege eine Rechtsverletzung ergeben solle. Jedenfalls sei den im Verwaltungsverfahren in Bezug auf gemeindeeigene Straßen und Wege erhobenen Forderungen der Klägerin im Planfeststellungsbeschluss mit den Nebenbestimmungen 10.1 bis 10.3 entsprochen worden.
37Eine Klagebefugnis folge auch nicht aus den von ihr geltend gemachten Sicherheitsbedenken. Die Sicherheitsanforderungen nach § 49 EnWG schützten die Energieversorgung im Sinne einer mengenmäßig ausreichenden Versorgung der Abnehmer sowie Leib, Leben und Vermögenwerte Dritter. Dabei handele es sich um keine Rechte und Rechtsgüter der Klägerin als Gemeinde, sondern nur um solche ihrer Einwohner und sonstiger betroffener Personen, auf die die Klägerin sich nicht berufen könne.
38Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss sei nicht mangels hinreichender Festlegung des Sicherheitskonzepts rechtswidrig oder gar nichtig. Die Planfeststellungsbehörde habe im Planfeststellungsbeschluss die ausdrückliche Feststellung getroffen, dass die geltenden Sicherheitsanforderungen eingehalten würden, und damit den gesetzlichen Bestimmtheitsanforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG entsprochen. Eine weitergehende Darstellung des Sicherheitskonzepts sei nicht erforderlich gewesen. Gleichwohl sei eine detaillierte, über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehende Auseinandersetzung mit dem Sicherheitskonzept auf den Seiten 311 ff. des Planfeststellungsbeschlusses erfolgt. Die technische Sicherheit der Leitung, die bereits kein abwägungsrelevanter Belang sei und die Klägerin nicht in eigenen Rechten berühre, sei durch das von der Beigeladenen verfolgte und im Planfeststellungsbeschluss bestätigte Sicherheitskonzept, welches den geltenden Stand der Technik wiederspiegele und damit den gesetzlichen Anforderungen an die technische Sicherheit der Leitung in vollem Umfang entspreche, sichergestellt. Insbesondere existiere – entgegen der Darstellung der Klägerin – keine technische Regel, wonach Gasfernleitungen einen Sicherheitsabstand zu benachbarter Bebauung einhalten müssten.
39Der Planfeststellungsbeschluss weise keine Abwägungsfehler zu Lasten der Klägerin auf. Es fehle – wie bereits in Bezug auf deren Klagebefugnis ausgeführt – an einer Betroffenheit der Klägerin in eigenen Rechten.
40Die von der Klägerin in den Raum gestellte Trassenführung in der Nähe des Q1. stelle keine Alternative dar, die sich eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Lösung, hätte aufdrängen müssen. Dies sei schon deswegen der Fall, weil die von der Klägerin angeführten Belange durch die Trassenwahl nicht beeinträchtigt würden. Zudem lasse der klägerische Vortrag offen, wo genau diese Alternativtrasse verlaufen solle. Jedenfalls habe sie, die Beigeladene, sich mit einer alternativen Trassenführung im Bereich des Q1. auseinandergesetzt und diese aufgrund der Konflikte, die sich im Raumordnungsverfahren gezeigt hätten, bewusst verworfen. Dem habe sich die Planfeststellungsbehörde ausweislich des Planfeststellungsbeschlusses, Seite 512, angeschlossen.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten planfestgestellten Unterlagen und Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
42Entscheidungsgründe
43Die Klage hat keinen Erfolg.
44A. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist – entgegen der Ansicht der Beigeladenen und des Beklagten – insbesondere klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.
45Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens als möglich erscheinen. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die von dem Kläger behaupteten Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen können.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2021– 4 A 2.20 –, juris, Rn. 12 m. w. N. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
47Die Klägerin macht u. a. eine Verletzung des aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts in Form der Planungshoheit geltend. Die gemeindliche Planungshoheit vermittelt eine wehrfähige, in die Abwägungsentscheidung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben eine bestimmte Planung der Gemeinde nachhaltig stört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder kommunale Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.
48Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Juli 2021– 4 A 14.19 –, juris, Rn. 85, und vom 15. Dezember 2016 – 4 A 4.15 –, juris, Rn. 58.
49Zudem ist die Planungshoheit betroffen, wenn ein Vorhaben die Umsetzung bestehender Bebauungspläne faktisch erschwert oder die in ihnen zum Ausdruck kommende städtebauliche Ordnung nachhaltig stört.
50Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom – 4 VR 2.20 –, juris, Rn. 21, und vom 31. Juli 2020 – 7 B 2.20 –, Rn. 8 m. w. N.
51Ausgehend davon kann hier nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden, dass der Bau und Betrieb der planfestgestellten Erdgasleitung in der Nähe des Bebauungsplangebiets Nr. 45 „O.-----straße “ der Klägerin deren Planungshoheit verletzt.
52Angesichts dessen kann offen bleiben, ob eine Klagebefugnis der Klägerin auch daraus folgt, dass sie sich auf ihr – in ihrem Fall nicht grundrechtlich, sondern lediglich einfachgesetzlich geschütztes – Eigentum an – allerdings nicht näher bezeichneten – Grundstücken beruft.
53B. Die Klage ist unbegründet.
54Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 9. Januar 2019 in der gegenwärtig geltenden Fassung leidet an keinem Fehler, der die Klägerin in ihren Rechten verletzt und der seine Aufhebung erfordert oder zumindest auf die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit sowie Nichtvollziehbarkeit führt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
55I. Da bei der gerichtlichen Überprüfung eines Planfeststellungsbeschlusses grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage bei seinem Erlass abzustellen ist,
56vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018– 4 A 5.17 –, juris, Rn. 15 m. w. N. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung,
57ist Rechtsgrundlage des hier angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses § 43 Satz 1 Nr. 2, Satz 7 und 9 EnWG in Verbindung mit §§ 72 ff. VwVfG NRW jeweils in der am 9. Januar 2019 geltenden Fassung. Daran ändern die hier nachfolgenden Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses im Ergebnis nichts, weil sie die konkret streitigen Fragen nicht berühren.
58Für den Umfang der rechtlichen Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses ist von Bedeutung, dass die Klägerin als von dem planfestgestellten Vorhaben betroffene Gemeinde auf die Rüge von Vorschriften beschränkt ist, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an Grundstücken vermitteln einer Gemeinde einen Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses. Ebenso wenig ist sie befugt, als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger geltend zu machen.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2021– 4 A 2.20 –, juris, Rn. 16 m. w. N. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
60Auch kann sie sich nicht zum Kontrolleur anderer staatlicher Behörden in Bezug auf die Wahrung des objektiven öffentlichen Rechts aufschwingen.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021– 4 A 9.19 –, juris, Rn. 56.
62II. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss weist jedenfalls keinen Fehler auf, den die Klägerin mit Erfolg rügen kann.
631. Eine Verletzung zwingender Rechtsvorschriften liegt nicht vor. Von daher kann offen bleiben, ob ein solcher Rechtsverstoß unmittelbar auf eine Verletzung der angesprochenen subjektiven Rechte der Klägerin führte oder lediglich im Rahmen der Abwägung der klägerischen Belange Relevanz hätte.
64Tendenziell für Letzteres sprechend: BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 A 2.20 –, juris, Rn. 17.
65Zwar zielt das Vorbringen der Klägerin, dass das planfestgestellte Vorhaben nicht den einschlägigen Sicherheitsanforderungen entspreche, es insbesondere entgegen dem Stand der Technik keine hinreichenden Sicherheitsabstände zu bebauten oder bebaubaren Gebieten einhalte, und ferner der Planfeststellungsbeschluss jedenfalls rechtswidrig sei, weil er weder überprüfe, ob das Vorhaben diese Sicherheitsanforderungen einhalte, noch ein hinreichendes Sicherheitskonzept festlege, in der Sache insgesamt darauf ab, dass die technische Sicherheit der planfestgestellten Leitung i. S. d. § 49 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EnWG i. V. m. § 2 Abs. 1 GasHDrLtgV nicht gewährleistet sei. Auch beruft sie sich damit auf eine zwingende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, die nicht im Wege der Abwägung überwunden werden kann und somit – anders als es in der Klagebegründung anklingt – grundsätzlich auch nicht Teil der Abwägung ist.
66So schon OVG NRW, Beschluss vom 12. September 2019 – 21 B 295/19.AK –, juris, Rn. 18, und Urteil vom 4. September 2017 – 11 D 14/14.AK –, juris, Rn. 118 ff.; ebenso der angefochtene Planfeststellungsbeschluss (S. 277).
67Indes liegt ein Verstoß gegen die zuvor genannten Vorschriften nicht vor, d. h. die technische Sicherheit der Leitung ist gewährleistet.
68Nach § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind nach Satz 2 der Vorschrift vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Ferner ist nach § 49 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EnWG das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie u. a. ermächtigt, zur Gewährleistung der technischen Sicherheit von Energieanlagen Anforderungen an die technische Sicherheit dieser Anlagen, an ihre Errichtung und ihren Betrieb festzulegen (Nr. 1) sowie nach den Nummern 2 bis 8 weitere Regelungen zu treffen. Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigung ist die Verordnung über Gashochdruckleitungen (GasHDrLtgV) vom 18. Mai 2011 (BGBl. I S. 928) erlassen worden, die den Vorbehalt in § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG für die Errichtung und den Betrieb von Gashochdruckleitungen, die – wie die planfestgestellte Leitung – als Energieanlagen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes der Versorgung mit Gas dienen und für einen maximal zulässigen Betriebsdruck von mehr als 16 bar ausgelegt sind (§ 1 Abs. 1 GasHDrLtgV), ausfüllt. Nach § 2 Abs. 1 GasHDrLtgV müssen Gashochdruckleitungen den Anforderungen der §§ 3 und 4 GasHDrLtgV entsprechen – § 3 enthält Anforderungen an die Errichtung von Gashochdruckleitungen, § 4 solche für deren Betrieb – und nach dem Stand der Technik so errichtet und betrieben werden, dass die Sicherheit der Umgebung nicht beeinträchtigt wird und schädliche Einwirkungen auf den Menschen und die Umwelt vermieden werden. Mit diesem Standard, der gegenüber den ansonsten nach § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG bei Energieanlagen anzulegenden Anforderungen der allgemein anerkannten Regeln der Technik anspruchsvoller ist, wird der höheren Gefährdungslage bei solchen Leitungen Rechnung getragen.
69Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 2021– 4 B 14.20 –, juris, Rn. 12.
70Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GasHDrLtgV wird vermutet, dass Errichtung und Betrieb dem Stand der Technik entsprechen, wenn das technische Regelwerk des DVGW eingehalten wird. Sofern fortschrittlichere Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen vorhanden sind, die nach herrschender Auffassung führender Fachleute besser gewährleisten, dass die Sicherheit der Umgebung nicht beeinträchtigt wird und schädliche Einwirkungen auf den Menschen und die Umwelt vermieden werden, und die im Betrieb bereits mit Erfolg erprobt wurden, kann nach Satz 2 die zuständige Behörde im Einzelfall deren Einhaltung fordern.
71Hiervon ausgehend stellt der angefochtene Planfeststellungsbeschluss positiv fest, dass die in Rede stehende Gashochdruckleitung die Anforderungen der §§ 3 f. GasHDrLtgV und des DVGW-Regelwerks erfüllt (insbesondere S. 317 f., S. 319 Abs. 4).
72Siehe zur Einhaltung des DVGW-Regelwerks bereits OVG NRW, Beschluss vom 12. September 2019 – 21 B 295/19.AK –, juris, Rn. 23 ff.
73In Ansehung dessen geht die klägerische Kritik auf den Seiten 5 ff. der Klagebegründung, die sie selbst dahingehend zusammenfasst, es fehle an der hinreichenden Festlegung eines Sicherheitskonzepts in dem Planfeststellungsbeschluss sowie der Überprüfung des Vorhabens auf die Einhaltung dieses Konzepts, ins Leere und erweist sich ihre Rüge, der Planfeststellungsbeschluss sei wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW jedenfalls rechtswidrig, als unzutreffend. Was die Gewährleistung der Sicherheit der Leitung anbelangt, musste der Planfeststellungsbeschluss kein – abstraktes – „Sicherheitskonzept“ festlegen, sondern die insoweit zu erfüllenden Anforderungen ergaben und ergeben sich, wie zuvor ausgeführt, aus den §§ 3 f. GasHDrLtgV und dem DVGW-Regelwerk. Dass die konkrete Leitung diesen Anforderungen entspricht, stellt der Planfeststellungsbeschluss (S. 317 f.) nicht abstrakt, sondern unter Bezugnahme auf die jeweiligen planfestgestellten Antragsunterlagen fest. Nach diesen Teil des Planfeststellungsbeschlusses gewordenen Unterlagen ist das Vorhaben auch hinsichtlich sicherheitsrelevanter Bauteile und Bauweisen hinreichend bestimmt. Dabei begegnet es insbesondere keinen Bedenken, dass die Planfeststellungsbehörde hinsichtlich der Werkstoffauswahl für die Leitung die Angaben im Erläuterungsbericht der Beigeladenen, es würden hochfeste und kunststoffummantelte Stahlrohre verwendet, deren technische Lieferbedingungen in der DIN EN ISO 3183 „Erdöl- und Erdgasindustrie – Stahlrohre für Rohrleitungstransportsysteme“, Anhang M, festgelegt seien (S. 40 und 48), für ausreichend erachtet hat, um die zu erfüllenden Anforderungen als eingehalten anzusehen. Dass diese DIN-Norm wiederum hinsichtlich eines sicherheitsrelevanten Aspektes der Rohre unbestimmt sein könnte, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Dass die Leitung tatsächlich entsprechend den Antragsunterlagen gebaut und betrieben wird und dementsprechend die Sicherheit gewährleistet ist, wird durch die Nebenbestimmungen unter Gliederungspunkt A.V.2.3. des Planfeststellungsbeschlusses (S. 158 f.) sichergestellt.
74Die Auffassung der Klägerin, dass das DVGW-Regelwerk nicht mehr den Stand der Technik in Bezug auf die Leitungsführung wiedergebe, trifft nicht zu. Zwar ist die Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GasHDrLtgV widerleglich.
75Ausführlich dazu BVerwG, Beschluss vom 15. März 2021 – 4 B 14.20 –, juris, Rn. 13.
76Indes zeigt das Vorbringen der Klägerin auch nicht annähernd auf, dass es (nunmehr) gerade für Gashochdruckleitungen einen Stand der Technik gibt, nach dem zu bebauten oder bebaubaren Gebieten Sicherheitsabstände (welchen Ausmaßes auch immer) einzuhalten sind. Voraussetzung wäre, dass das DVGW-Regelwerk nach Auffassung der maßgebenden Fachleute als überholt oder sicherheitstechnisch unzulänglich anzusehen wäre.
77Vgl. in diesem Sinne BVerwG, Beschluss vom 15. März 2021 – 4 B 14.20 –, juris, Rn. 13.
78Solches ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht ansatzweise und ist auch sonst nicht ersichtlich.
79Zunächst ist klarzustellen, dass es entgegen dem von der Klägerin mitunter vermittelten Eindruck keinen eigenständigen Stand der Technik hinsichtlich der Leitungsführung gibt. Die nach § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG zu gewährleistende Sicherheit der Leitung bezieht sich nach § 2 Abs. 1 GasHDrLtgV auch auf die Umgebung; die Vermeidung schädlicher Einwirkungen gilt in Bezug auf den Menschen und die Umwelt. Dies schließt offensichtlich sämtliche möglichen Leitungsführungen mit ein, insbesondere solche durch bewohnte Gebiete oder in der Nähe von solchen. Denn die Vermeidung schädlicher Einwirkungen auf den Menschen hat gerade dann besondere Relevanz, wenn die Leitung durch bebaute Gebiete führt, da insbesondere im Fall von Wohnbebauung eine Vielzahl von Menschen potentiell betroffen ist. Der Umstand, dass § 2 Abs. 2 Satz 1 GasHDrLtgV vor diesem Hintergrund hinsichtlich des Standes der Technik allein auf das DVGW-Regelwerk verweist, schließt die Annahme aus, dieses sei hinsichtlich der Leitungsführung nicht abschließend oder es gebe jenseits dieses Regelwerks einen spezifisch die Leitungsführung betreffenden Stand der Technik.
80Ansonsten führt nichts von dem, was die Klägerin unter Gliederungspunkt 3. ab Seite 11 der Klagebegründung ausführt, auf einen – das DVGW-Regelwerk überholenden – Stand der Technik („in Bezug auf die Leitungsführung“), der (bestimmte) einzuhaltende Sicherheitsabstände zu bebauten oder zur Bebauung vorgesehenen Gebieten vorsieht. Die Klagebegründung folgt dabei der von der Klägerin ausdrücklich in Bezug genommenen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
81– Beschluss vom 29. Juni 2011 – 7 MS 72/11 –, juris –.
82Soweit die Klägerin unter weitgehender Übernahme der Ausführungen aus dem zuvor zitierten Beschluss (dessen Randnummern nach juris nachfolgend in Klammern gesetzt) argumentiert mit – verkürzt –
83- Gashochdruckleitungsverordnung alter Fassung und auf ihrer Grundlage erlassene „Technische Regeln für Gashochdruckleitungen Leitungsführung (TRGL 111)“ (Rn. 44),
84- Rohrfernleitungsverordnung und auf ihrer Grundlage erlassene „Technische Regel für Rohrfernleitungsanlagen (TFRL)“ (Rn. 45),
85- „Safety Guidelines“ der UNECE (Rn. 46),
86- Forschungsbericht Nr. 285 der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (Rn. 51),
87dringt das nicht durch, weil sich nirgends, auch nicht in dem zuvor zitierten Beschluss im Übrigen, die Auffassung von (maßgebenden) Fachleuten findet, das DVGW-Regelwerk sei überholt und bei Gashochdruckleitungen seien zu bebauten und zur Bebauung vorgesehenen Bereichen bestimmte (Sicherheits-)Abstände einzuhalten. Dies gilt angesichts dessen Bezeichnung offensichtlich auch für den von der Klägerin ferner in Bezug genommenen „Abschlussbericht ‚Windenergieanlagen in Nähe von Schutzobjekten‘, G 2/01/12, 11.12.2014“, da dieser allenfalls Abstände regelt, die die Windenergieanlagen einzuhalten haben. Im Übrigen ist unverständlich, warum die Klägerin meint, aus dem Windenergieanlagen betreffenden Abschlussbericht irgendwelche Schlussfolgerungen hinsichtlich des DVGW-Regelwerks ziehen zu können.
88Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich ohnehin nichts daraus ableiten ließe, dass sich in den beiden anderen zuvor genannten technischen Regelwerken jeweils die sinngemäße Forderung findet, Gashochdruck-/Rohrfernleitungen möglichst nicht in bebauten oder zur Bebauung vorgesehenen Gebieten zu verlegen. Denn eine Forderung, jedenfalls bestimmte Abstände zu den zuvor bezeichneten Gebieten einzuhalten, findet sich in den Regelwerken nicht.
89So auch Nds. OVG, Beschluss vom 29. Juni 2011 – 7 MS 72/11 –, juris, Rn. 47.
90Dies schließt die Annahme aus, die Einhaltung von Mindest-/Sicherheitsabständen sei Stand der Technik.
91Unklar Nds. OVG, Beschluss vom 29. Juni 2011– 7 MS 72/11 –, juris, Rn. 52 a. E.
92Von daher kommt es ferner nicht darauf an, dass die Technischen Regeln für Gashochdruckleitungen Leitungsführung (TRGL 111) zum 1. Januar 2013 außer Kraft getreten sind (siehe GMBl 2012, S. 902) und die Technische Regel für Rohrfernleitungsanlagen (TFRL) nach ihrem Geltungsbereich explizit nicht auf Gashochdruckleitungen anwendbar ist.
932. Die Abwägungsentscheidung verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
94Nach § 43 Satz 4 EnWG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I, S. 2490) sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.
95Das Abwägungsgebot verlangt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass – drittens – weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
96Vgl. Urteile vom 9. Dezember 2021 – 4 A 2.20 –, juris, Rn. 18, vom 15. Oktober 2020 – 7 A 9.19 –, juris, Rn. 103, vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 –, juris, Rn. 73 sowie grundlegend Urteil vom 7. Juli 1978 – IV C 79.76 u. a. –, juris, Rn. 59.
97Da die Klägerin lediglich die Verletzung von Vorschriften geltend machen kann, die ihrem Schutz dienen, ist auch die gerichtliche Abwägungskontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob die eigenen, dem Planvorhaben entgegenstehenden Belange der Klägerin sowie die für das Vorhaben sprechenden Belange jeweils so ausreichend ermittelt und bewertet worden sind, dass der Beklagte den „planstützenden“ Belangen den Vorrang vor den Belangen der Klägerin einräumen durfte.
98Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Dezember 2021– 4 A 2.20 –, juris, Rn. 19, und vom 7. Oktober 2021 – 4 A 9.19 – , juris, Rn. 57.
99Dies setzt zunächst voraus, dass – ausgehend von der aufgrund der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 2 UVPG, § 3b Abs. 1 i. V. m. Anlage 1 Nr. 19.2.1 UVPG a. F. anwendbaren Regelung des § 6 Satz 1 UmwRG, nach der die zur Begründung einer Klage gegen eine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG dienenden Tatsachen und Beweismittel innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung anzugeben sind – die Klägerin in einem ersten Schritt innerhalb dieser Frist substantiiert dargelegt hat, dass sie in eigenen abwägungserheblichen Belangen betroffen ist.
100Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 A 2.20 –, juris, Rn. 19, 23.
101Dies ist der Klägerin vorliegend nicht gelungen.
102Soweit sie rügt, dass die Sicherheit der in der Nähe der Trasse wohnenden oder sich sonst aufhaltenden Personen sowie der Sachwerte unterschätzt oder jedenfalls nicht mit dem ihnen zukommenden hohen Gewicht in die Abwägung eingestellt worden sei, handelt es sich schon um keine eigenen Belange der Klägerin, sondern um solche ihrer Einwohner.
103Sollten mit den zuvor genannten Sachwerten auch im Eigentum der Klägerin stehende Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 45 „O.-----straße “ gemeint sein, ist eine abwägungserhebliche Betroffenheit nicht dargelegt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es an einer konkreten Bezeichnung bestimmter Grundstücke fehlt. Es ist weder anhand des Vorbringens der Klägerin noch der vorliegenden Verwaltungsvorgänge für den Senat erkenn- oder nachvollziehbar, dass und ggf. welche der im Bebauungsplangebiet liegenden Grundstücke bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (noch) in ihrem Eigentum gestanden haben. Eine weitergehende diesbezügliche Amtsermittlung durch den Senat scheidet angesichts der bereits dargestellten von der Klägerin zu beachtenden Darlegungsfrist von zehn Wochen ab Klageerhebung aus. Unabhängig davon ist eine abwägungserhebliche Betroffenheit nicht erkennbar. Eine solche ergibt sich nicht aus den von der Klägerin gegen die Sicherheit der Leitung vorgebrachten Einwänden, weil diese, wie zuvor aufgezeigt, nicht stichhaltig sind, von der Leitung also keine Gefahren für die Grundstücke ausgehen. Ansonsten erschöpft sich das Vorbringen der Klägerin in der pauschalen, auch nicht durch entsprechende Belege untermauerten Behauptung, dass sie ihre Grundstücke mit Blick auf das planfestgestellte Vorhaben nicht bzw. nur erschwert und nur zu geringeren Preisen verkaufen könne. Dies stellt keine substantiierte Darlegung dar. Aus einer erst zukünftig– nach dem Verkauf ihrer Grundstücke – etwaig beabsichtigten Bebauung der Grundstücke durch Dritte ergibt sich erst recht keine eigene Betroffenheit der Klägerin. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob und ggf. in welchen Fällen Verkehrswertminderungen, die aufgrund der Nähe eines Grundstücks zu einer Energieanlage im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes und damit einhergehender Sicherheitsbedenken eintreten, als eigenständiger Abwägungsposten Berücksichtigung im Rahmen der Abwägungsentscheidung finden müssten.
104Vgl. zu Verkehrswertminderungen bei faktischen vorhabenbedingten Beeinträchtigungen BVerwG, Beschluss v. 14. Dezember 2021 – 4 B 10.21 –, juris, Rn. 18 m. w. N.
105Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass hier für abwägungserhebliche Verkehrswertminderungen im Sinne der zuvor zitierten Entscheidung, die auf faktische vorhabenbedingte Beeinträchtigungen der Grundstücke zurückgehen, nichts Konkretes vorgetragen worden ist.
106Eine abwägungserhebliche Betroffenheit ist ferner nicht dargelegt hinsichtlich im Eigentum der Klägerin stehender Straßen- und Wegegrundstücke, die von der planfestgestellten Leitung gekreuzt werden. Abgesehen davon, dass die Klägerin wiederum keine bestimmten Grundstücke konkret bezeichnet hat, führen auch diesbezüglich die geltend gemachten Sicherheitsbedenken, wie zuvor im Hinblick auf Grundstücke im Bebauungsplangebiet ausgeführt, nicht auf eine Betroffenheit. Ansonsten hat die Klägerin außer dem Umstand, dass Straßen-/Wegegrundstücke von der Leitung gekreuzt werden, nichts für eine abwägungserhebliche Betroffenheit dargelegt. Im Übrigen ist den Einwendungen der Klägerin, die diese im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Kreuzung von Straßen und Wegen geltend gemacht hatte, durch die Nebenbestimmungen unter Gliederungspunkt A.V.10. des Planfeststellungsbeschlusses (S. 179 f.) vollumfänglich Rechnung getragen worden.
107Eine Betroffenheit der Klägerin in ihren abwägungserheblichen Belangen ist schließlich nicht anhand ihres Vorbringens zu einer Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit ersichtlich. Soweit sie geltend macht, dass aufgrund des planfestgestellten Vorhabens die Realisierung einer kommunalen Planung, namentlich des Bebauungsplangebiets Nr. 45 „O.-----straße “, beeinträchtigt werde, weil eine Bebauung nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung erfolgen könne, und als Grund dafür bei potentiellen Grundstücksinteressenten bestehende Sicherheitsbedenken sieht, handelt es sich um eine durch nichts belegte Behauptung, die für den Senat so nicht nachvollziehbar ist. Die Klägerin legt weder substantiiert dar, dass es keinerlei oder jedenfalls zu wenig Interessenten für die in Rede stehenden Grundstücke des Bebauungsplangebiets gäbe, noch, dass ein solcher Zustand auf das planfestgestellte Vorhaben und nicht auf andere Gründe zurückzuführen wäre. Sollte die Klägerin mit ihrem Einwand lediglich ihren seinerzeitigen Befürchtungen Ausdruck verliehen haben, hätten sich diese jedenfalls als unbegründet erwiesen. Denn ausweislich einer von der Klägerin selbst veröffentlichten Mitteilung, die über deren Facebook-Auftritt abrufbar und auch von anderen Medien aufgegriffen worden ist,
108https://www.lokalkompass.de/huenxe-drevenack/c-wirtschaft/die-grundstuecksvermarktung-fuer-das-neubaugebiet-nelkenstrasse-ist-abgeschlossen_a1520951,
109ist das Bewerbungsverfahren für die Baugrundstücke im Neubaugebiet „O.-----straße “ bereits zum 26. Januar 2021 abgeschlossen worden, nachdem für alle Grundstücke Bewerber gefunden worden sind. Vor diesem Hintergrund kann schon – ungeachtet der Frage, wann nach den ursprünglichen Vorstellungen der Klägerin die Grundstücksvermarktung hätte abgeschlossen sein sollen – jedenfalls keine Rede von einer erheblichen zeitlichen Verzögerung, geschweige denn von einer gänzlichen Vereitelung der Umsetzung ihrer Planung sein. In der Folge kommt es auf den von ihr bemühten Prioritätsgrundsatz schon in Ermangelung eines Konflikts zwischen Fach- und Bauleitplanung nicht an.
110Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung der Klägerin, dem Planfeststellungsbeschluss müsse sich mit hinreichender Sicherheit entnehmen lassen, dass das planfestgestellte Vorhaben die kommunale Planung nicht beeinträchtigen könne, bereits im Ansatz fehlgeht. Mit diesem zwar primär im Hinblick auf eine vermeintliche Unbestimmtheit des Planfeststellungsbeschlusses erhobenen Einwand macht die Klägerin sinngemäß zugleich geltend, dass ihrer Planungshoheit ein absoluter Vorrang gegenüber allen planstützenden Belangen zukomme. Ein solcher Vorrang, für den die Klägerin bereits keine gesetzliche Grundlage benennt, besteht indes nicht. Vielmehr handelt es sich bei der Planungshoheit einer Gemeinde – wie bereits ausgeführt – um einen „bloßen“ in die Abwägungsentscheidung einzustellenden Posten, der sich in der Abwägung indes nicht durchsetzen muss. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zur Begründung ihres Rechtsstandpunkts angeführten Entscheidung des 2. Senats des erkennenden Gerichts,
111vgl. Urteil vom 15. Mai 2013 – 2 A 3010/11 –, juris,
112die sich anlässlich einer Drittanfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung u. a. zum Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung, aber weder zu einer im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Abwägungsentscheidung auf Grundlage des § 43 EnWG noch zu planerischen Abwägungsentscheidungen im Allgemeinen verhält. Dass dem nachbarrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme neben dem Abwägungsgebot keine selbständige oder gar weitergehende Bedeutung zukommt, ist jedenfalls höchstrichterlich geklärt.
113Vgl. in Bezug auf das Abwägungsgebot in § 18 Satz 2 AEG a. F.: BVerwG, Urteil vom 29. März 2007 – 9 A 17.06 –, juris, Rn. 25 m. w. N.
114Ausgehend davon, dass die Klägerin eine Betroffenheit eigener abwägungserheblicher Belange nicht dargetan hat, kommt es auf die Ermittlung und Bewertung der für das planfestgestellte Vorhaben sprechenden („planstützenden“) Belange nicht an. Das – ohnehin unsubstantiierte – Vorbringen der Klägerin zu einem alternativen Trassenverlauf ist vor diesem Hintergrund ohne Belang.
115Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen werden aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig erklärt, da diese einen Antrag gestellt und sich daher einem Prozessrisiko ausgesetzt hat, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
116Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
117Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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