Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 C 10775/11
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen Änderungen des Bebauungsplans „Industriegebiet-Erweiterung“ der Stadt S..., durch die das bestehende Industriegebiet erweitert und eine neue Anbindung zur L 305 geschaffen werden sollen.
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Er ist Miteigentümer verschiedener Flurstücke der Fluren 35 und 36 in der Gemarkung M..., auf dem er die Freizeit- und Campingplatzanlage „Klingelweise“ betreibt. Der Campingplatz liegt etwa 250 m östlich der L 305 und befindet sich außerhalb des Plangebietes. Westlich der L 305 schließt sich das Betriebsgelände der Fa. S... GmbH & Co. KG an. Die Bebauungsplanänderung umfasst die (Änderungs-)Teilflächen 4/1, 4/2, 4/3 und 4/4. Durch die Änderungsplanung wird u.a. der im Nordosten des Plangebietes gelegene bisherige private Grünflächenbereich als Industriegebiet (Teilfläche 4/1) ausgewiesen. Darüber hinaus ist die nördliche Anbindung dieses Industriegebietes an die L 305 in der Verlängerung der Erschließungsstraße „I. G...“ (Teilfläche 4/2) vorgesehen.
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Diese Änderungen waren bereits Gegenstand der 4. Änderung des Bebauungsplanes „Industriegebiet-Erweiterung“ der Stadt S..., die am 26. Januar 2009 als Satzung beschlossen und am 15. Juli 2010 öffentlich bekannt gemacht worden ist.
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Während des diesbezüglichen Aufstellungsverfahrens hatte der Antragsteller Bedenken und Einwendungen insbesondere im Hinblick auf erhöhte Lärmimmissionen durch die neu geplante Betriebszufahrt sowie erhöhte Geruchs- und Lichtimmissionen durch die Ausdehnung des Industriegeländes nach Norden hin geltend gemacht, die vom Stadtrat der Antragsgegnerin zurückgewiesen worden sind.
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Hiergegen hat der Antragsteller am 11. Juli 2011 Normenkontrollklage erhoben und ausgeführt:
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Er sei als Eigentümer außerhalb des Plangebietes liegender Grundstück antragsbefugt, da durch die Planung abwägungserhebliche Belange bezüglich seines auf diesen Grundstücken betriebenen Campingplatzes fehlerhaft behandelt worden seien. Der Bebauungsplan sei auch zu unbestimmt, da die Nutzungsschablone auf dem Flurstück ... außerhalb des Geltungsbereichs der 4. Änderung liege und hinsichtlich der Änderungsfläche 4/3 eine Regelungslücke bestehe.
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Die schalltechnischen Festsetzungen im Bereich 4/1 seien in sich widersprüchlich und unwirksam. Zwar könnten auf der Grundlage von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO immissionswirksame Schallleistungspegel festgesetzt werden. Vorliegend seien aber in der Nutzungsschablone nur Werte für bestimmte Richtungen in der Art unzulässiger Zaunwerte festgesetzt worden.
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Weiterhin fehle es an der Erforderlichkeit des Bebauungsplans im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Denn vorliegend bedürfe es nicht der Schaffung einer nördlichen Anbindung des Industriegebietes an die L 305, da dieses Gebiet bereits im Süden an die L 304 angeschlossen sei und diese Auffahrt reibungslos genutzt werden könne.
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Außerdem bestehe ein Abwägungsdefizit. Zwar sei ein schalltechnisches Gutachten erstellt worden. Darüber hinaus habe jedoch auch eine Prognose bezüglich der zukünftigen Verkehrsbelastung eingeholt werden müssen, denn die Firma S... beschäftige am Standort S... ca. 1.200 Mitarbeiter im Schichtbetrieb und sie werde täglich von 300 LKW’s angefahren. Dieses erhebliche Verkehrsaufkommen solle nunmehr zukünftig über die geplante nördliche Anbindung des Industriegebietes an die L 305 abgewickelt werden. Die Zu- und Abfahrt dieser Anbindung solle über eine Brücke geregelt werden, zu der von der L 305 aus Auffahrten hinauf führten. Dies sei bei LKW’s mit erheblichen Lärmentwicklungen verbunden, die sich auf den nahegelegenen Campingplatz auswirkten. Der bislang an dieser Stelle vorhandene Schallschutz in Form eines Walles falle durch die Verkehrsführung weg. Neue Schallschutzmaßnahmen seien aber nicht vorgesehen.
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Ferner sei nicht berücksichtigt worden, dass die Ausweitung des Industriegebietes zu einer erhöhten Belastung des Campingplatzes in Form von Geruchs- und Lichtimmissionen führe.
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Schließlich sei auch die Gewichtung der verschiedenen privaten und öffentlichen Belange zueinander fehlerhaft. Vor allem sei hier den Belangen der Wirtschaft im Verhältnis zu den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung, den Belangen von Sport, Freizeit und Erholung sowie den umweltbezogenen Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit eine Bedeutung beigemessen worden, die zur objektiven Gewichtigkeit dieser Belange außer Verhältnis stehe. Insbesondere die Ausweisung des Bereichs 4/1 als Industriegebiet und die Schaffung einer Zufahrt zur L 305 ohne geeignete Schallschutzmaßnahmen führe zu einem Konflikt mit dem benachbarten Campingplatz, der vom Plangeber nicht bewältigt werde.
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Während des anhängigen Normenkontrollverfahrens hat die Antragsgegnerin im Hinblick auf Bedenken, die ihrerseits bezüglich der Lärmkontingentierung auf der Teilfläche 4/1 bestanden, am 27. Februar 2012 die 5. Änderung des Bebauungsplans, die sich ausschließlich auf diese Teilfläche bezieht, beschlossen und am 1. März 2012 öffentlich bekannt gemacht. Diese Industriefläche wird auf der Grundlage der Ergebnisse des schalltechnischen Gutachtens des Ing.-Büros G... vom 13. Januar 2012 in die Teilflächen GI 1 und GI 2 gegliedert. Für diese werden richtungsabhängige Schallemissionskontingente festgesetzt, und zwar für GI 1 in Richtung Osten (Campingplatz) jeweils 66 dB(A)/m³ tags und 51 dB(A)/m³ nachts sowie in Richtung Nordwesten (Ortsrand G...) jeweils 67 dB(A)/m³ tags und 52 dB(A)/m³ nachts. Für die Teilfläche GI 2 werden in Richtung Osten jeweils 63 dB(A)/m³ tags und 48 dB(A)/m³ nachts sowie in Richtung Nordwesten jeweils 65 dB(A)/m³ tags und 50 dB(A)/m³ nachts festgesetzt. Daneben enthält das oben erwähnte Gutachten ergänzende Angaben zur Teilfläche 4/2. Im Übrigen wurden die Angaben der 4. Änderung des Bebauungsplans beibehalten.
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Der Antragsteller hält an seinem bisherigen Vorbringen fest und beantragt,
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die 5. Änderung des Bebauungsplanes „Industriegebiet-Erweiterung“ der Stadt S... für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie trägt vor:
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Die Festsetzung hinsichtlich des Planbereichs 4/3 stelle keine Regelungslücke dar, da durch zeichnerische Inbezugnahme ersichtlich sei, welche Nutzungsschablone für welchen Bereich anzuwenden sei. Die Nutzungsschablone auf der Parzelle ... stelle nur die nachrichtliche Übernahme des Ursprungsbebauungsplanes dar.
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Bei den schalltechnischen Festsetzungen im Bereich 4/1 handele es sich um zulässige Lärmemissionskontingente. Die Lärmkontingentierung stelle sich auch nicht als eine unzulässige Festsetzung von Zaunwerten dar, denn mit der Planänderung würden Emissionswerte und nicht Immissionswerte festgelegt. Im Übrigen handele es sich bei der angewandten Ermittlung der Lärmkontingentierung um eine nach DIN 45691 anerkannte Methode.
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Schließlich sei der Bebauungsplan dringend erforderlich, um die Firma Schütz besser an das überörtliche Straßennetz anzubinden; denn die bestehende Ab- und Zufahrt an der L 304 sei nicht in der Lage den ermittelten Verkehr ordnungsgemäß aufzunehmen und abzuleiten.
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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus den beigezogenen Planaufstellungsunterlagen (2 Aktenordner betreffend die 4. Änderung des Bebauungsplanes „Industriegebiet-Erweiterung“ und 3 Heftungen betreffend die 5. Änderung dieses Planes). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag des Antragstellers hat keinen Erfolg.
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Dabei bleibt vorab klarzustellen, dass der Antragsteller, nachdem die Antragsgegnerin die beschlossene 4. Änderung des Bebauungsplanes „Industriegebiet-Erweiterung“ im Hinblick auf aktuelle Gerichtsurteile (s. S. 1 der Bebauungsplanbegründung) durch die 5. Änderung abgeändert hatte, seinen ursprünglich gegen die 4. Änderung gerichtete Normenkontrollantrag entsprechend angepasst hat.
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Sollte hierin eine Antragsänderung liegen, so ist diese jedenfalls in analoger Anwendung des § 91 Abs. 2 VwGO zulässig, weil dies in Anbetracht der Prozessgeschichte als sachdienlich erscheint. Im Übrigen geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Antragsteller sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die durch die 4. und 5. Änderung des Bebauungsplanes für ihn geschaffenen Auswirkungen wenden will, d.h., das Gegenstand der Normenkontrolle die 5. Änderung sowie die dieser Änderung zugrunde liegende 4. Änderung sein sollte, soweit letztere daneben noch einen eigenen Regelungsgehalt aufweist. Dies ist zwar in dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag nicht deutlich zum Ausdruck gekommen, da dieser Antrag seinem Wortlaut nach nur die 5. Änderung anspricht. Nach dem bisherigen Vorbringen des Antragstellers und den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ist jedoch davon auszugehen, dass der Antragsteller sich gegen die 4. Änderung des Bebauungsplanes in Gestalt seiner 5. Änderung wenden will. Dieses Rechtsschutzziel ist hier dem Normenkontrollantrag des Klägers zugrunde zu legen, zumal das Gericht nicht an die Fassung der Anträge gebunden ist, sondern vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln hat (s. BVerwG, Urteil vom 03. Juli 1992 – 8 C 72.90 -, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 19 und Beschluss vom 17. Dezember 2009 – 6 B 30.09 -, Buchholz 310 § 88 Nr. 38).
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Unter Zugrundelegung des vorstehend dargestellten Antragsbegehrens bestehen keine Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO. Zwar befindet sich der Campingplatz des Antragstellers außerhalb des Plangebietes. Der Antragsteller macht jedoch insbesondere durch die Planung hervorgerufene zusätzliche Lärmimmissionen geltend, die im Hinblick auf den in der Nähe liegenden Campingplatz abwägungserheblich sind, und aufgrund dessen eine Verletzung des Abwägungsgebotes im Sinne von § 1 Abs. 7 BauGB zumindest möglich erscheint.
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Der Normenkontrollantrag ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Antragsteller im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs zur 5. Änderung des Bebauungsplanes keine Einwendungen mehr erhoben hat. Hierdurch ist er nicht gemäß § 47 Abs. 2a VwGO präkludiert. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es nämlich, das Prinzip der Rechtssicherheit dadurch zu stärken, dass Bebauungspläne nicht von solchen Personen in zulässiger Weise Gegenstand der Normenkontrolle gemacht werden können, die im Beteiligungsverfahren keine Einwendungen gegen die beabsichtigte Planung vorgebracht oder im Normenkontrollverfahren nur solche Einwendungen erheben, die sie im Beteiligungsverfahren nicht oder nur verspätet artikuliert haben (s. OVG NRW, Urteil vom 08. Juni 2009 – 7 D 113/07.NE – juris). Ist aber – wie hier – bereits ein Normenkontrollverfahren anhängig, so kann ein entsprechendes Vertrauen des Satzungsgebers auf den Bestand des Bebauungsplanes nicht entstehen, zumal diesem die Einwände bekannt sind, die im anhängigen Normenkontrollverfahren bereits vorgetragen worden sind (s. OVG NRW, a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes durfte der Antragsteller daher auch ohne die Wiederholung seiner bisherigen Einwände seinen Normenkontrollantrag gegen die 4. Änderung des Bebauungsplanes in der Gestalt richten, die der Plan durch die 5. Änderung gefunden hat. Dies gilt umso mehr, als die 5. Änderung mit der 4. Änderung inhaltlich unmittelbar zusammenhängt, was sich aus den darin getroffenen Regelungen und auch aus der Begründung ergibt. So lassen sowohl der Aufstellungsbeschluss der 5. Änderung vom 09. Januar 2012 als auch die diesbezügliche Planbegründung erkennen, dass die 5. Änderung im Grunde nur dazu dienen sollte, eine Unwirksamkeitserklärung in dem von dem Antragsteller anhängig gemachten Normenkontrollverfahren zu verhindern. Der Bezug zur 4. Änderung sollte in diesem Zusammenhang beibehalten werden. Hinsichtlich der Festsetzung der 4. Änderung wurden zudem bezüglich der Teilfläche 4/2 ergänzende schalltechnische Angaben nachgeschoben, die sich aus dem Gutachten des Ing.-Büros G... vom 12. Januar 2012 ergaben. Dies zeigt letztlich, dass die 5. Änderung nicht den Charakter eines von der 4. Änderung losgelösten Teilnormgebungsaktes aufweist, sondern vielmehr einem ergänzenden Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB ähnelt, bei dem jedoch anerkannt ist, dass der Antragsteller bei der Durchführung eines solchen Verfahrens während eines anhängigen Normenkontrollverfahrens nicht nochmals Einwendungen erhoben muss (s BVerwG, Urteil vom 24. März 2010 - 4 CN 3.09 -, juris). Auch dies spricht daher vorliegend gegen ein Eingreifen des § 47 Abs. 2a VwGO zu Lasten des Antragstellers.
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Ist mithin von der Zulässigkeit des Normenkontrollantrages auszugehen, so ist er gleichwohl unbegründet.
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Der Bebauungsplan ist nicht wegen mangelnder Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB fehlerhaft, weil es nach Ansicht des Antragstellers angesichts der bereits bestehenden Straßenverbindung nicht der Schaffung der neuen Anbindung des Industriegeländes bedürfe. Das Merkmal der Erforderlichkeit ist nicht dahin zu verstehen, dass für die konkrete Planung ein akutes Bedürfnis bestehen oder gar zwingende Gründe vorliegen müssten. Erforderlich ist eine Planung vielmehr dann, wenn sie nach der planerischen Konzeption der Gemeinde als erforderlich angesehen werden kann. Insoweit besitzt die Gemeinde ein weites planerisches Ermessen. Sie soll gerade bewusst Städtebaupolitik betreiben; eine „Bedarfsanalyse“ bedarf es unter dem Blickwinkel der städtebaulichen Erforderlichkeit nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. August 1995 – 4 B 21.95 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86). Nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen stellt das Merkmal der Erforderlichkeit eine Schranke der Planungsbefugnis dar (s. OVG RP, Urteil vom 01. Oktober 2008 – 8 C 10611/08.OVG – in ESOVG unter Bezugnahme auf das Urteil vom 16. Januar 1985 – 10 C 13/84 – NVwZ 1985, 766). Keinesfalls lässt sich aus dem Erforderlichkeitsmerkmal ableiten, dass bauplanerische Festsetzungen nur zulässig sind, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanerischen Problemlage unentbehrlich oder gar zwingend geboten sind. Zur Planung befugt ist die Gemeinde vielmehr schon dann, wenn sie hierfür hinreichend wichtige städtebauliche Allgemeinbelange ins Feld führen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 BN 15.99 – NVwZ 1999, 1338).
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Gemessen an diesen Grundsätzen kann vorliegend die Erforderlichkeit der neuen Anbindung an die L 305 nicht verneint werden. Aus den Planaufstellungsunterlagen ergibt sich nämlich, dass derzeit erhöhte Belastungen bezüglich der einzigen Zufahrt zur L 304 (Rückstau bei Linksabbiegungen) festzustellen sind und zur Entlastung des Verkehrsknotens (L 304/L 305) die neue Anbindung geplant ist. Angesichts dessen ist ein offensichtlicher grober Missgriff durch die Planung der neuen Anbindung nicht ersichtlich. Allein das unsubstantiierte Vorbringen des Antragstellers, die bestehende südliche Zufahrt reiche für einen reibungslosen Verkehr aus, vermag demgegenüber keine andere Bewertung herbeizuführen.
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Ebenso wenig fehlt es der angegriffenen Bebauungsplanänderung an der notwendigen Normenklarheit. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang rügt, die Nutzungsschablone auf dem Flurstück ... liege außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der 4. Änderung und es bestehe hinsichtlich der Änderungsfläche 4/3 eine Regelungslücke, vermag er damit nicht durchzudringen. Zum einen handelt es sich bei der angesprochenen Nutzungsschablone lediglich um eine nachrichtliche Übernahme der insoweit unverändert weiter geltenden Festsetzungen des Ursprungsplans. Zum anderen besteht hinsichtlich der Änderungsfläche 4/3 entgegen der Auffassung des Antragstellers keine Regelungslücke, weil insoweit eine eigene Schablone vorhanden ist, die durch eine zeichnerische Inbezugnahme (Verbindungsstrich) eine Verknüpfung zu dieser Fläche herstellt.
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Dem Antragsteller kann auch nicht gefolgt werden, soweit er eine fehlerhafte schalltechnische Festsetzung für den Änderungsbereich 4/1 geltend macht, weil darin unzulässige Zaunwerte und unzulässige richtungsbezogene Lärmkontingente festgelegt würden.
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Zunächst in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass flächenbezogene Schallleistungspegel zur Gliederung von Baugebieten nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt werden können, da zu den besonderen Eigenschaften von Betrieben und Anlagen, nach denen ein Baugebiet nach dieser Bestimmung gegliedert werden kann, auch ihr Emissionsverhalten gehört (s. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 – 4 N 6.88 – BRS 50 Nr. 25). Nur wenn „Zaunwerte“ entlang einer Grundstücksgrenze festgelegt werden, die nicht das Emissionsverhalten bestimmter Anlagen oder Betriebe kennzeichnen, sondern ein Immissionsgeschehen, das von einer Vielzahl unterschiedlicher Anlagen gemeinsam bestimmt wird (Summenpegel), sind diese von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nicht mehr gedeckt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. August 1993 – 4 NB 2.93 – DVBl. 1993, 1098 und Urteil vom 16. Dezember 1999 – 4 CN 7.99 – DVBl. 2000, 804).
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Vorliegend hat der Satzungsgeber für die Teilbereiche GI 1 und GI 2 Schallemissionskontingente vorgegeben (s. Ziffer 1.1. der textlichen Festsetzungen), die den Anforderungen der oben genannten Vorschrift genügen. Insbesondere enthält der Bebauungsplan unter Beachtung des Bestimmtheitsgebots und des Grundsatzes der planerischen Konfliktbewältigung klare Vorgaben darüber, auf welche Bezugsfläche die Schallleistung zu verteilen und nach welcher Methode (Regelwerk) die tatsächliche Ausbreitung der betrieblichen Schallleistung im Genehmigungsverfahren zu berechnen ist (vgl. VGH BW, Urteil vom 24. März 2005 – 8 S 595/04 – BauR 2005, 1743). So wird in den textlichen Festsetzungen der Ziffer 1.1 der 5. Änderung des Bebauungsplanes auf die beiden in der Planurkunde zeichnerisch dargestellten Teilbereiche GI 1 und GI 2 Bezug genommen, auf denen ausweislich einer Tabelle nach den jeweiligen Tages- und Nachtzeiten sowie nach den lärmempfindlichen Richtungen die einzuhaltenden Schallemissionskontingente zu verteilen sind. Ferner wird dort festgelegt, dass die Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit des jeweiligen Vorhabens nach DIN 45691, Ausgabe 12/2006, Abschnitt 5 erfolgen muss.
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Soweit der Antragsteller darüber hinaus die Festsetzung von richtungsbezogenen Lärmkontingenten für unzulässig hält, vermag er mit dieser Rechtsansicht nicht durchzudringen. Denn eine richtungsabhängige Emissionskontingentierung ist in dem hier angewandten Regelwerk DIN 45691 ausdrücklich vorgesehen. Insoweit wird auf Ziffer 4.6 dieser DIN-Norm sowie deren Anhang A Ziffer 14 und Anhang C Ziffer 3.5 verwiesen. Dass durch die Anwendung dieses Regelwerkes – insbesondere durch Bildung richtungsabhängiger Lärmkontingente – die Lärmkonflikte zwischen Betrieben und lärmempfindlichen Örtlichkeiten angemessen zu lösen sind, hat der im Beistand für die Antragsgegnerin erschienene Sachverständige H... von der Ing.-Gesellschaft G... in der mündlichen Verhandlung erläutert. Diese Ausführungen waren nachvollziehbar und plausibel.
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Des Weiteren ist die von der Antragsgegnerin gemäß § 1 Abs. 7 BauGB vorgenommene Abwägung nicht deshalb fehlerhaft, weil sie nach Ansicht des Antragstellers im Hinblick auf eine fehlende Prognose für die zukünftige Verkehrsbelastung (auf der L 305 und Brückenzufahrt) defizitär sein soll. Denn für die schalltechnische Untersuchung des zu erwartenden Verkehrslärmpegels nach Bau des neuen Anschlusses des Industriegebietes an die L 305 wurden die auf durchgeführten Verkehrszählungen beruhenden Verkehrszahlen für das Prognosejahr 2025 vom Ing.-Büro M... an das Gutachterbüro G... übermittelt und verwertet (s. S. 3 und 10 des G...-Gutachtens vom 13. Januar 2012).
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Auch die vom Antragsteller vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Lärmauswirkungen insbesondere durch die geplante Brückenanbindung und hinsichtlich des Wegfalls des früheren Lärmschutzwalls wurden vom Satzungsgeber gesehen. Gleichwohl hat dieser von Schallschutzmaßnahmen (Schallschutzwand) abgesehen, weil die vom eingeholten Schallschutzgutachten ermittelten Lärmwerte weit unter den einzuhaltenden Lärmrichtwerten lagen (s. Würdigung zu Nr. 4 der in den Planaufstellungsakten enthaltenen Synopse – Ordner 1, A2 – Bl. 190).
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Ebenso vermag der Senat kein Abwägungsdefizit im Hinblick auf die geplante Ausweitung des Industriegebietes und der davon ausgehenden erhöhten Belastung durch Licht- und Geruchsimmissionen zu erkennen. Ausweislich der vorerwähnten, in den Planaufstellungsunterlagen enthaltenen Synopse wurden auch diese Gesichtspunkte in die Abwägung eingestellt. Der Satzungsgeber hat aber von einer Lösung dieses Konfliktes im Bebauungsplanverfahren abgesehen, weil hier keine vorhabensbezogene Bauleitplanung vorliege und es daher für die hier gegebene Angebotsplanung zweckmäßiger sei, die Einhaltung der insoweit zulässigen Immissionsgrenzwerte in dem nachfolgenden Genehmigungsverfahren nachweisen zu lassen. Zwar hat grundsätzlich jeder Bebauungsplan die von ihm geschaffenen oder zurechenbaren Konflikten zu lösen. Dies schließt aber eine Verlagerung von Problemen in ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren nicht zwingend aus. Vielmehr darf die Kommune von einer abschließenden Konfliktbewältigung Abstand nehmen, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung notwendig werdender Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist (s. BVerwG, Beschluss vom 16. März 2010 – 4 BN 66.09 – UPR 2010, 277). Im vorliegenden Fall ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller substantiiert vorgetragen worden, dass der Konflikt bezüglich Licht- und Geruchsimmissionen nicht in der vom Satzungsgeber angedachten Weise im späteren baurechtlichen bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren sachgerecht gelöst werden kann.
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Schließlich ist die bauplanerische Abwägung durch den Satzungsgeber auch nicht aufgrund einer falschen Gewichtung der verschiedenen öffentlichen und privaten Belange fehlerhaft. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Plangeber die Bedeutung der betroffenen privaten Belange (§ 1 Abs. 6 Nrn. 3 und 7c BauGB) verkannt hat. Vielmehr hat er diese angesichts des eingeholten schalltechnischen Gutachtens im Vergleich zu den Belangen der Wirtschaft (§ 1 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 BauGB) als nicht so gewichtig erachtet. Daher ist nichts dagegen zu erinnern, dass der Plangeber sich im Widerstreit der verschiedenen Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung und der anderen Belange entscheidet. Die darin liegende Gewichtung wäre nur dann fehlerhaft, wenn die mit der Planung verbundene Zurückstellung einzelner Belange schlechthin unvertretbar wäre (so bereits Urteil des erkennenden Senats vom 14. April 1999 – 1 C 12329/98.OVG – unveröffentlicht). Davon kann hier aber keine Rede sein. Denn die Antragsgegnerin hat die Lärmschutzbelange – insbesondere die des Antragstellers – deshalb hintangestellt, weil – ausweislich des eingeholten Gutachtens G... – sowohl der von den Industrieteilgebieten GI 1 und GI 2 ausgehende, durch Emissionskontingente beschränkte Lärm als auch die durch die neue Anbindung an die L 305 verursachte Lärmerhöhung immer noch verträglich seien. Angesichts des Gutachtens G... vom 13. Januar 2012 hält der Senat die vorgenommene Gewichtung trotz vorhandener Nachteile für den Campingplatz des Antragstellers jedenfalls noch für vertretbar. Denn das vorgenannte Gutachten, welches nachvollziehbar und plausibel ist, kommt zu dem Ergebnis, dass bei Einhaltung der vorgeschlagenen richtungsabhängigen Emissionskontingente selbst Immissionswerte von 45 dB(A) tags und von 30 dB(A) nachts bei den lärmempfindlichen Örtlichkeiten nicht überschritten werden und auch der zu erwartende Verkehrslärm die Richtwerte der 16. BImSchV bei weitem unterschreitet. In diesem Zusammenhang kann auch nicht von einer fehlenden Konfliktbewältigung die Rede sein. Hinsichtlich der möglichen Lärmkonflikte hat das Gutachten – wie bereits vorstehend ausgeführt – nachgewiesen, dass bei Einhaltung der Richtungsemissionskontingente die Werte DIN 18005 nicht überschritten werden. Zudem hat es nachgewiesen, dass auch ohne Lärmschutzwand an der Anbindung zur L 305 unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen im Sinne der 16. BImSchV für den Campingplatz nicht zu erwarten sind. Dass das Gutachten G... fehlerhaft sein könnte, ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller substantiiert behauptet worden.
- 39
Der Normenkontrollantrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 41
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
- 42
Beschluss
- 43
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,00 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG).
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