Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 C 10414/14

Der am 17. April 2014 bekannt gemachte Bebauungsplan „Windkraft Fürfeld“ wird für unwirksam erklärt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan „Windkraft Fürfeld“ der Antragsgegnerin, durch den Sondergebiete für die Windenergie, Flächen für die Landwirtschaft sowie Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft festgesetzt werden.

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Nachdem der Senat den erstmals am 25. April 2013 bekannt gemachten Bebauungsplan auf Antrag des Antragstellers mit Urteil vom 19. September 2013 – 1 C 10507/13.OVG – wegen einer Verletzung des § 3 Abs. 3 Satz 2 Baugesetzbuch (BauGB) für unwirksam erklärt hatte, hat die Antragsgegnerin den Bebauungsplan nach abermaliger Beteiligung der Öffentlichkeit am 31. März 2014 erneut beschlossen und am 17. April 2014 öffentlich bekannt gemacht.

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Am 23. April 2014 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag gestellt. Zur Begründung seiner Antragsbefugnis sowie des erforderlichen Rechtsschutzinteresses verweist er auf das Urteil des Senats vom 19. September 2013. In der Sache macht er geltend, dass die Antragsgegnerin bei der Aufstellung des Bebauungsplans die für die Abwägung bedeutsamen Belange fehlerhaft ermittelt und bewertet habe. Der Umweltbericht, nach dem das Zugvogelaufkommen im Plangebiet gering und von der Planung daher keine erhebliche Auswirkung auf den Vogelzug zu erwarten sei, stütze sich maßgeblich auf das ornithologische Fachgutachten des Büros Freilandökologie G… – D… aus dem Jahr 2012, dem eine Zählung im Herbst 2011 zugrunde liege. Ein im Rahmen der Aufstellung des Regionalplanes Rheinhessen-Nahe, Teilplan Windenergie, erstelltes Fachgutachten des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht (LUWG) vom 14. Oktober 2010, in dem sämtliche für die Region Rhein-Nahe vorliegenden Gutachten zum Thema windenergiesensible Vogelarten zusammengetragen worden seien, habe demgegenüber keine Berücksichtigung gefunden. Die Bestandsaufnahme im Jahre 2011 stelle letztlich nur eine Momentaufnahme und aktuelle Abschätzung der faunistischen Situation vor Ort dar. Zudem sei das Gutachten G… – D… in mehrfacher Hinsicht methodisch fehlerhaft. Insbesondere beruhe es auf lediglich 6 auswertbaren Zählungen, wobei an den Spitzentagen des Vogelzuges vom 13. bis zum 15. Oktober 2011 keine Erfassung erfolgt sei. Des Weiteren enthalte die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung keine ausreichenden Angaben zur Art der verfügbaren umweltbezogenen Informationen, namentlich keine solchen zu den in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen „Mensch“ und „menschliche Gesundheit“.

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Der Antragsteller beantragt,

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den am 17. April 2014 bekannt gemachten Bebauungsplan „Windkraft Fürfeld“ für unwirksam zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Normenkontrollantrag abzulehnen.

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Sie ist der Auffassung, der Antrag sei wegen Fehlens des erforderlichen Rechtsschutzinteresses bereits unzulässig. Da der Bebauungsplan die planungsrechtliche Zulässigkeit von Windkraftanlagen nicht erweitere, sondern mit seinen konkretisierenden Festsetzungen einschränke, sei es ausgeschlossen, dass der Antragsteller hierdurch einen Nachteil erleiden könne. Soweit der Antragsteller unter Berufung auf das Urteil des Senats vom 19. September 2013 geltend mache, im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes auf seinen im Plangebiet gelegenen landwirtschaftlichen Flächen künftig Windkraftanlagen errichten zu können, verhalte er sich als erklärter Gegner der Windenenergie an diesem Standort rechtsmissbräuchlich. Überdies sei der Antrag aber auch unbegründet. Die Antragsgegnerin habe erkannt, dass im Plangebiet mit Vogelzug zu rechnen sei und dessen Bedeutung auch nicht von vorneherein als unterdurchschnittlich betrachtet. Dass man bei der Abwägung auch das Fachgutachten des LUWG vom 14. Oktober 2010 berücksichtigt habe, ergebe sich aus der Beschlussfassung über die Abwägung der Stellungnahmen durch den Ortsgemeinderat in der Sitzung am 31. März 2014. Dort werde ausdrücklich festgestellt, dass der Regionale Raumordnungsplan den fraglichen Bereich auch unter Berücksichtigung des Gutachtens und des Kartenmaterials des LUWG zum Planentwurf aus dem Jahre 2010 als Vorrangfläche für die Windenergienutzung ausgewiesen habe. Zudem habe die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord mit Schreiben vom 29. März 2012 unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des LUWG vom 16. Februar 2012 mitgeteilt, dass gegen die Flächenausweisung keine schwerwiegenden artenschutzfachlichen Vorbehalte bestünden. Abgesehen davon wäre ein entsprechender Fehler unbeachtlich, da das Plangebiet nicht in einer Verdichtungszone des Vogelzuges mit zumindest überdurchschnittlicher Intensität liege und ein Mangel deshalb jedenfalls nicht offensichtlich wäre. Des Weiteren sei auch die Beteiligung der Öffentlichkeit ordnungsgemäß erfolgt. Alle in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen seien hinreichend nach Themenblöcken zusammengefasst und schlagwortartig charakterisiert worden. Im Übrigen fehle es auch insoweit an der Beachtlichkeit, da allenfalls einzelne Angaben gefehlt hätten.

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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsakten.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

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Die Antragsbefugnis des Antragstellers gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO ergibt sich aus seinem Eigentumsrecht an mehreren im Geltungsbereich des Bebauungsplanes gelegenen Grundstücken. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf sein den Beteiligten vorliegendes Urteil vom 19. September 2013 – 1 C 10507/13.OVG – Bezug.

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Dem Antragsteller fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Insbesondere verhält er sich selbst als erklärter Gegner der Windenergie am fraglichen Standort keineswegs rechtsmissbräuchlich, wenn er sich darauf beruft, im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes auf seinen im Plangebiet gelegenen landwirtschaftlichen Flächen künftig Windkraftanlagen errichten zu können. Zwar trifft es zu, dass der Antragsteller vorrangig das Ziel verfolgt, derartige Anlagen in besagtem Gebiet zu verhindern. Dies schließt es aber beispielsweise nicht aus, dass er – etwa für den Fall der Nichterreichbarkeit dieses vorrangig angestrebten Ziels – nachrangig ein schützenwertes rechtliches Interesse am Fortbestehen der Nutzbarkeit seiner im Plangebiet gelegenen Grundstücke geltend machen kann, etwa, um diese verkaufen und seiner Landwirtschaft sodann auf andernorts zu erwerbenden Flächen nachgehen zu können.

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Der Normenkontrollantrag ist auch begründet, da er in beachtlicher Weise gegen § 2 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 BauGB verstößt. Danach sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind – das sog. Abwägungsmaterial – zu ermitteln und zu bewerten. Für Belange des Umweltschutzes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 und § 1a BauGB wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umwelteinwirkungen ermittelt und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden. Abwägungsbeachtlich in diesem Sinne können alle städtebaulich bedeutsamen Belange sein, u. a. diejenigen des Umweltschutzes einschließlich des Naturschutzes, wozu auch die möglichen Auswirkungen der Planung auf Tiere (§ 1 Abs. 6 Nr. 7a BauGB) zählen. Die erforderliche Ermittlungstiefe, d. h. die Intensität der Ermittlung der von der jeweiligen Planung berührten Belange, richtet sich dabei nach den allgemeinen Grundsätzen. In Anlehnung an die durch § 2 Abs. 4 Satz 3 BauGB festgelegte Prüfintensität bei der Umweltprüfung kommt es letztlich darauf an, was in der konkreten Planungssituation in angemessener Weise verlangt werden kann (vgl. etwa Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 2 Rn. 147 m. w. N.).

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Diesen Anforderungen wird vorliegend die Ermittlung der für die Abwägung bedeutsamen Belange im Hinblick auf den Vogelzug nicht gerecht, da die Antragsgegnerin das im Rahmen der Aufstellung des Regionalen Raumordnungsplans „Windkraft“ der Planungsgemeinschaft Rheinhessen-Nahe erstellte Fachgutachten des LUWG vom 14. Oktober 2010 nicht in gebotenem Umfang als Erkenntnismittel herangezogen hat.

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Die grundsätzliche Verpflichtung hierzu ergab sich nach den o. a. Grundsätzen bereits daraus, dass es sich bei dem der Antragsgegnerin bekannten Fachgutachten seiner Funktion entsprechend um die Wiedergabe des im Jahre 2010 vorhandenen fachbehördlichen Erkenntnisstandes zum Thema windenergiesensible Vogelarten in der Region handelt. Das LUWG hat zudem in seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2012 nochmals ausdrücklich herausgestellt, dass aufgrund dieser Erkenntnislage von einer „erheblich höheren“ Bedeutung des Vogelschutzes im fraglichen Bereich auszugehen gewesen sei.

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Demgegenüber hat die Antragsgegnerin das Fachgutachten des LUWG vom 14. Oktober 2010 nicht ausreichend berücksichtigt. Zwar verweist sie insoweit auf die Beschlussfassung über die Abwägung der Stellungnahmen durch den Ortsgemeinderat in der Sitzung vom 31. März 2014 (Bl. 703 ff., 719 VA), konkret zu Nr. 27 (Einwendungen des NABU), wonach „der RROP ... diesen Bereich als Vorranggebiet für die Windenergienutzung auch unter Berücksichtigung des Gutachtens sowie des Kartenmaterials des LUWG zum RROP Entwurf 2010 ausgewiesen“ habe. Diese Aussage bezieht sich jedoch zum einen, da ausdrücklich „Zu 4)“ erfolgt, auf Ziffer 4 der vom NABU geltend gemachten Bedenken. Diese behandelt nicht den Vogelzug, sondern ausschließlich „Brutstätten relevanter Vogelarten“. Zum anderen lässt sich der zitierten Textpassage keineswegs entnehmen, dass sich die Antragsgegnerin mit dem besagten LUWG-Gutachten selbst inhaltlich auseinandergesetzt hätte. Sie beschränkt sich vielmehr auf die bloße Feststellung, dass der Regionale Raumordnungsplan auch unter Berücksichtigung dieses Gutachtens den fraglichen Bereich als Vorrangfläche für die Windenergienutzung ausgewiesen und man sich an den Vorgaben und Darstellungen dieser endabgewogenen und rechtskräftigen Planung orientiert habe. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umweltbericht des Büros G… – D… Landschaftsarchitekten, April 2014 (Bl. 815 ff., 856 VA). Dort wird ebenfalls lediglich auf das Ergebnis der im Rahmen der Regionalplanung getroffenen Konflikteinschätzung verwiesen. Das Gutachten vom 14. Oktober 2010 wird nicht einmal ausdrücklich erwähnt. Dass dieses Fachgutachten als solches im Gegenteil gerade nicht berücksichtigt worden ist, ergibt sich im Übrigen auch aus dem „Inhaltsverzeichnis gesichtete und zitierte Literatur“ (Bl. 883 f. VA) des Umweltberichts; dort ist es zwar aufgelistet, jedoch mit dem einschränkenden Zusatz „Kartenteil“.

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Eine Aufnahme des Fachgutachtens vom 14. Oktober 2010 in das Abwägungsmaterial im Sinne des § 2 Abs. 3 BauGB erscheint auch nicht etwa mit Blick auf das zeitlich jüngere Ornithologische Fachgutachten Freilandökologie G… – D… aus dem Jahr 2012 und die Stellungnahme des LUWG vom 16. Februar 2012 hierzu verzichtbar. Das LUWG führt zunächst aus, dass man dort noch 2011 bei der Aufstellung des Regionalplans von einer erheblich höheren Bedeutung der geplanten Vorrangfläche „Fürfeld/Hochstätten (Nr. 11)“ ausgegangen sei, wofür u. a. Hinweise auf eine nahe gelegene Verdichtungszone des Vogelzuges den Ausschlag gegeben hätten. Sodann attestiert das LUWG jedoch dem aktuell erstellten avifaunistischen Gutachten (G… – D…), in Methode, Resultat und Ergebnis beanstandungsfrei zu sein, und stellt abschließend fest, dass bei Umsetzung der geplanten Verminderungsmaßnahmen keine schwerwiegenden artenschutzrechtlichen Vorbehalte gegen die Planung bestünden. Diese Feststellung des LUWG vom 16. Februar 2012 erscheint indessen bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichend belegt, um eine Berücksichtigung des dortigen Fachgutachtens aus dem Jahr 2010 nunmehr als von vorneherein entbehrlich erscheinen zu lassen. Die aktuelle Tatsachengrundlage des Fachgutachtens G… – D… aus dem Jahr 2012 beschränkt sich, was den Vogelzug angeht, auf eine Erhebung im Herbst 2011. Von den hierbei insgesamt angesetzten 8 Zählterminen waren indessen, was auch der Antragsgegnerin bekannt war (vgl. Seite 31 des Umweltberichts – Bl. 845 VA), bereits nur 6 auswertbar. Zwar wird mit Blick darauf, dass einzelne Zähltermine aufgrund durchgehenden Nebels, Dauerregens o. ä. unverwertbar sein können, in Fachkreisen (vgl. dazu die von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Ausarbeitung „Zugvogelerhebung nach K…, S… UND G…“) eine Unterschreitung der grundsätzlich verlangten 8 Zähltermine im Einzelfall durchaus zugelassen. Dies dürfe jedoch „von den 8 Zähltagen nur zweimal der Fall sein, da mit sechs guten Zähltagen ausreichende Aussagen zur Frequentierung und zu den lokalen Zugrouten möglich sind“.

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Selbst wenn man vorliegend zugunsten der Antragsgegnerin ohne nähere inhaltliche Überprüfung von dieser grundsätzlichen Möglichkeit ausgehen wollte, so würde es im konkreten Fall doch jedenfalls an den zu verlangenden mindestens sechs „guten“ Zähltagen fehlen, aufgrund derer eine valide Einschätzung des Zuggeschehens möglich sein soll. Von den nach Abbruch der Begehungstermine am 27. Oktober und am 14. November wegen Nebels noch verbleibenden 6 Erfassungstagen 14., 21. und 27. September sowie 6., 12. und 20. Oktober 2011 liegen 5 in der ersten Hälfte des maßgeblichen Erfassungszeitraumes von Mitte September bis Mitte November 2011. Da selbst der letzte auswertbare Termin am 20. Oktober 2011 noch annähernd in der Mitte des besagten Zweimonatszeitraumes liegt, fehlt es somit fast für dessen gesamte zweite Hälfte an jeglichen verwertbaren Daten zum Zuggeschehen. Dies erscheint umso bedeutsamer, als nach den Feststellungen des Fachgutachtens der Herbstzug im Jahr 2011 wegen des anhaltend sommerlichen Wetters und des großen Nahrungsangebotes relativ spät eingesetzt hat. Die Spitzentage des Herbstzuges seien vom 13. bis 15. Oktober 2011 erreicht worden – mithin, nachdem 5 von 6 verwertbaren Zählungen bereits stattgefunden hatten und zwischen 5 und 7 Tagen vor der letzten Zählung am 20. Oktober 2011.

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Nach alledem erscheint das Fachgutachten G… – D… aus dem Jahr 2012 jedenfalls nicht geeignet, um das noch im Jahr 2010 den aktuellen gesammelten fachbehördlichen Erkenntnisstand zum Vogelzug im fraglichen Bereich wiedergebende Fachgutachten des LUWG vom 14. Oktober 2010 als von vorneherein bedeutungslos gleichsam „vom Tisch wischen“ zu können. Das letztgenannte Gutachten hätte mithin in das Abwägungsmaterial aufgenommen werden müssen.

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Etwas anderes ergibt sich insoweit schließlich auch nicht aus § 1 Abs. 4 BauGB, wonach Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind, in Verbindung mit dem Regionalplan Rheinhessen-Nahe – Teilplan Windenergienutzung. Zwar ist dort als Ziel Z 1 der Raumordnung festgesetzt, dass die Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen innerhalb der Vorrang- und Eignungsgebiete zur Windenergienutzung zulässig ist, mithin also auch innerhalb des durch den Regionalplan festgesetzten Vorranggebietes Nr. 11 „Fürfeld/Hochstätten“, in dem das Plangebiet des streitgegenständlichen Bebauungsplans liegt. Die durch § 1 Abs. 4 BauGB bewirkte Bindung an die Ziele der Raumordnung entbindet die Antragsgegnerin indessen vorliegend bereits von daher nicht (mehr) von einer eigenen Abwägung der für und gegen die Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung am vorgesehenen Standort in der Gestalt eines Bebauungsplans sprechenden Belange – mithin auch derer des Vogelzuges –, dass die in Rede stehende Zielvorgabe Z 1 gar nicht mehr mit dem Inhalt existiert, mit dem sie ursprünglich beschlossen worden ist. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass das Ziel 1 – Zulässigkeit raumbedeutsamer Windenergieanlagen innerhalb der Vorrang- und Eignungsgebiete – nicht losgelöst von Ziel Z 2 gesehen werden kann. Danach ist die Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen außerhalb der Vorrang- und Eignungsgebiete ausgeschlossen. Mit diesem Zusammenspiel der Ziele 1 und 2 war seitens der Regionalplanung erkennbar eine Konzentration der möglichen Standorte für die Windenergienutzung bei gleichzeitiger Freihaltung anderer Flächen hiervon beabsichtigt. Diesbezüglich ist im Teilplan Windenergienutzung zum Vorranggebiet Nr. 11 „Fürfeld/Hochstätten“ als Ergebnis der Strategischen Umweltprüfung ausdrücklich festgehalten:

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„Schutzgutbetroffenheit:

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Der Standort liegt … in einer von zwei parallel verlaufenden Verdichtungszone Vogelzug gemäß LUWG.

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Konflikteinschätzung SUP:

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Die oben genannten betroffenen Schutzgüter lassen grundsätzlich auf ein Konfliktpotential schließen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Norden und Süden des Gebietes bereits Anlagen bestehen bzw. geplant sind. Die beiden etwa 1 km voneinander entfernten Teilstandorte wirken für den Vogelzug ähnlich wie ein zusammengefasster. Es ist davon auszugehen, dass entweder nach Norden oder Süden (Appeltal) um den Gesamtkomplex ausgewichen wird. Die durch die Zusammenfassung entstehenden zusätzlichen Konflikte sind daher gegenüber einem neuen Standort
[Hervorhebung durch den Senat] als deutlich geringer einzustufen.“

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Der auf dieser Ausgangserwägung beruhenden Abwägung mit dem Ergebnis der Ausweisung eines Vorranggebietes für den in Rede stehenden Standort ist jedoch durch die am 11. Mai 2013 in Kraft getretene Änderung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) IV vom 16. April 2013 im Nachhinein die Grundlage entzogen worden. Nach dem dortigen Ziel Z 163b gibt es zwar weiterhin in den Regionalplänen auszuweisende Vorranggebiete für die Windenergienutzung. Mit deren Ausweisung ist jedoch nunmehr keine gleichzeitige Ausschlusswirkung für eine Errichtung von Windenergieanlagen an anderen Orten verbunden, sondern „die außerhalb der vorgenannten Gebiete und Vorranggebiete gelegenen Räume sind der Steuerung durch die Bauleitplanung in Form von Konzentrationsflächen vorbehalten“ (Z 163e). Damit kann das mit der Ausweisung des Vorranggebietes Nr. 11 durch den Regionalplan verfolgte Ziel, dadurch zugleich die – im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als konfliktträchtiger angesehene – Ausweisung eines neuen Standortes zu vermeiden, nicht mehr erreicht werden. Dementsprechend hat die Planungsgemeinschaft Rheinhessen-Nahe, wie den Beteiligten bereits in der mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2015 mitgeteilt, in einem beim erkennenden Senat anhängigen Normenkontrollverfahren (1 C 10661/13.OVG) mit Schriftsatz vom 30. Januar 2014 angekündigt, dass im Zuge der bereits laufenden Anpassung des Regionalplans an das neue LEP IV die Ausweisung der Eignungsgebiete aufgehoben und die Ausschlusswirkung auf die wenigen Bereiche reduziert werden sollen, welche nach dem LEP IV auf der Ebene der Regionalplanung noch mit einer Ausschlusswirkung belegt sind oder belegt werden sollen. Eine einfache Übernahme des Abwägungsergebnisses bei der Aufstellung des Regionalplans im Jahr 2011 in das jetzige Bebauungsplanverfahren auf der Grundlage des § 1 Abs. 4 BauGB kommt mithin schon von daher nicht in Betracht.

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Der danach vorliegende Verfahrensfehler ist auch beachtlich gemäß §§ 214, 215 BauGB, da er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist (vgl. zu diesen Anforderungen näher etwa BVerwG, Urteil vom 31. Dezember 2012 – 4 CN 1.11 –, VGH BW, Urteil vom 6. Februar 2014 – 3 S 207/13 – und OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Februar 2013 – OVG 2 A 9.11 –, alle in juris, sowie Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 214 Rnrn. 39g, 39h und 141 ff., jeweils m. w. N.). Offensichtlich in diesem Sinne sind Fehler bei der Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials danach bereits dann, wenn sie auf objektiv feststellbaren Umständen beruhen und ohne Ausforschung der Mitglieder des Gemeinderates über deren Planungsvorstellungen erkennbar sind. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Fehler ohne weiteres aus dem Aufstellungsvorgang hervorgeht. So liegt es hier. Den Akten über das Planaufstellungsverfahren sind, wie bereits im Einzelnen dargelegt, ohne weiteres sowohl die Existenz des unberücksichtigt gebliebenen Fachgutachtens vom 14. Oktober 2010 wie auch die Grundlagen der dem Gutachten G…-D… zugrunde liegenden Erfassung des Vogelzuges im Herbst 2011 zu entnehmen, mithin also die Umstände, aufgrund derer auch das in Rede stehende Gutachten in das Abwägungsmaterial hätte einbezogen werden müssen. Was den Einfluss des Fehlers auf das Abwägungsergebnis anbetrifft, kann von einem solchen bereits dann ausgegangen werden, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre (BVerwG, a. a. O. und Beschluss vom 9. Oktober 2003 – 4 BN 47/03 –, juris). Das Bestehen einer derartigen konkreten Möglichkeit wird hier indessen bereits durch den Umstand belegt, dass die Antragsgegnerin eigens ein weiteres Fachgutachten – das Ornithologische Fachgutachten G… – D… – eingeholt hat und damit selbst von der Ergebnisrelevanz des Vogelschutzes und insbesondere auch des Vogelzuges ausgegangen ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

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