Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (2. Senat) - 2 A 10405/19

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 39.357,72 Euro festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO) bzw. nicht vorliegt. Nur dieser, vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund ist für die Entscheidung über seinen Zulassungsantrag zu berücksichtigen.

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1. Ernstliche Zweifel Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Dezember 2010 – 1 BvR 2011/10 –, juris Rn. 19) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente Auswirkungen auf das Ergebnis der Entscheidung haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4.03 –, juris Rn. 7 ff.;BayVGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 – 3 ZB 16.1962 –, juris).

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Das Zulassungsvorbringen genügt bereits nicht den genannten Darlegungsanforderungen (a) und im Übrigen lassen die vom Kläger gegen das angefochtene Urteil vorgebrachten Einwendungen, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 184, 186), keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung in einem späteren Berufungsverfahren erwarten. Die Vorinstanz hat vielmehr im Ergebnis zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf eine erneute Entscheidung der Beklagten über seinen Antrag auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zusteht (b).

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a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel ist nicht entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt worden. Das Zulassungsvorbringen erschöpft sich vielmehr im Wesentlichen in einer Wiederholung des Klagevortrages, ohne sich inhaltlich substantiiert mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinanderzusetzten, diese mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen und konkret auszuführen, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind.

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b) Unbeschadet dessen bestehen auch in der Sache keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des von der Vorinstanz gefundenen Ergebnisses.

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aa) Der von der Vorinstanz als Anspruchsgrundlage allein herangezogene § 6 Abs. 2 Satz 4 des Landesgesetzes über den Zusammenschluss der Verbandsgemeinden Altenglan und Kusel (im Folgenden: Fusionsgesetz) eröffnet der neuen Verbandsgemeinde Kusel-Altenglan die Möglichkeit („kann“), innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr ab der Gebietsänderung Bedienstete in Beamtenverhältnissen auf Lebenszeit und auf Zeit, deren Aufgabenbereiche von der Gebietsänderung berührt wurden, in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Diese Option wird allerdings nur dann eröffnet, wenn die Zahl der bei der neuen Verbandsgemeinde im Anschluss an die Gebietsänderung vorhandenen Beamten den tatsächlichen Bedarf übersteigen.

7

Diese Vorschrift (die keine hinter § 18 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – zurückbleibende, sondern nach ihrem Wortlaut identische Tatbestandserfordernisse anführt) ermächtigt den Dienstherrn als Folge seiner Organisationshoheit, im öffentlichen Interesse Beamte – auch gegen ihren Willen – in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, d. h. ihnen gegenüber belastende Maßnahmen zu erlassen. Folglich begründet sie dem von der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand betroffenen Beamten ein Abwehrrecht, nicht hingegen ein subjektives Recht des einzelnen Beamten auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand oder auf eine ermessensgerechte Entscheidung über einen in diesem Zusammenhang gestellten, darauf gerichteten Antrag des Beamten (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 1975 – 6 C 43.72 –, Buchholz 230 § 130 BRRG Nr. 2, Seite 7; Urteil vom 9. Dezember 1976 – 3 C 14.74 –, Buchholz 230 § 130 BRRG Nr. 4, Seite 17; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. August 2008 – 1 L 91/08 –, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Februar 2008 – 6 B 1896/07 –; vom 30. Juni 2008 – 6 B 971/08 –; vom 11. März 2011 – 6 A 523/09 – und vom 26. Mai 2011 – 6 A 2042/09 –, sämtlich juris). Sie ist in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit zu dienen bestimmt und erst in zweiter Linie eine Schutznorm zugunsten des Beamten für den Fall, dass sich die neue Verbandsgemeinde dahingehend entscheidet, den betreffenden Beamten in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.

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Die gesetzliche Regelung geht (wie auch §§ 16 bis 19 BeamtStG, § 40 Landesbeamtengesetz, § 55 Bundesbeamtengesetz) von dem Grundsatz aus, dass die von dem von der Umbildung getroffenen Beamten bis dahin erlangte beamtenrechtliche Rechtsstellung gewahrt bleiben soll und nur insoweit verändert und beeinträchtigt werden darf, als dies wegen der Umbildung und deren Folgen unumgänglich ist. Demgegenüber folgt aus dem Schutz- und Sparzweck der vorgenannten Regelungen und der Fürsorgepflicht des Dienstherrn kein Recht des übergetretenen Beamten, eine bessere Rechtsstellung zuerkannt zu bekommen, als sie in diesen Regelungen vorgesehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1976, a.a.O.). Aus dem Grundsatz der Rechtsstandswahrung folgt vielmehr, dass nur dann, wenn eine „rechtsstandswahrende“ Verwendung nicht möglich ist, auf die „rechtsmindernde“ Maßnahme des § 6 Abs. 2 Satz 4 Fusionsgesetz zurückgegriffen werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1976, a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. August 2008, – 1 L 91/08 –, juris Rn. 7).

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Ein weitergehendes subjektives Recht auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand oder auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen darauf gerichteten Antrag widerspräche auch den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz – GG –). Hierzu gehört die Pflicht des Beamten, seinem Dienstherrn, der ihm eine bis zur gesetzlichen Altersgrenze reichende Beschäftigung und entsprechende Alimentation gewährt, die volle Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen. Die Pflicht zur Dienstleistung ist nur im Fall der Dienstunfähigkeit unterbrochen oder wird bei dauerhafter Dienstunfähigkeit durch Versetzung in den Ruhestand beendet. In dieser Konstellation erfolgt die Versetzung in den Ruhestand nicht nur – wie vorliegend – im Interesse des Dienstherrn, sondern aus Fürsorgegesichtspunkten auch im Interesse des Beamten. Über den Fall der Dienstunfähigkeit hinaus hat der Beamte seinen Pflichten aus dem beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis folgend bei Rechtsstandswahrung seiner Übernahme durch einen anderen Dienstherrn Folge zu leisten. Alternativ steht ihm die Möglichkeit zu, um seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis nachzusuchen.

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bb) Ein Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand lässt sich vorliegend auch nicht ausnahmsweise aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung herleiten (vgl. zur Festlegung der Kriterien für die personelle Auswahl, insbesondere Sozialkriterien und des Verfahrens durch Verordnung sowie Regelung von Anreizsystemen durch ministerielle Erlasse: OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2008 – 6 B 1896 –, juris Rn. 17). Unabhängig davon, ob überhaupt über den Tatbestand des § 6 Abs. 2 Satz 4 Fusionsgesetz hinaus eine davon unabhängige Verwaltungspraxis entwickelt werden kann (vgl. hierzu Götzkes, DÖD 2009, 273 [274]), hat der Kläger weder substantiiert dargestellt noch ist aus den gegebenen Umständen ersichtlich, dass es seitens der Beklagten eine geübte Verwaltungspraxis gäbe, die nach Art. 3 Abs. 1 GG zu einer für den Kläger anspruchsbegründenden Selbstbindung der Beklagten führen könnte.

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Derartiges lässt sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass sich typischerweise im Zuge einer Fusion von Gebietskörperschaften auf Leitungsebene ein Personalüberhang ergibt, den es vorrangig abzubauen gilt. Soweit der Kläger für sich in Anspruch nimmt, diesem Personenkreis anzugehören, hat er dies nicht belegt. Den dahingehenden Ausführungen der Vorinstanz ist er auch durch Vorlage seiner „Zuweisung zum Fachbereich ...“ und eines Auszuges aus dem Verwaltungsgliederungsplan nicht substantiiert entgegengetreten, da sich auch hieraus die behauptete innegehabte Funktion nicht ergibt. Zudem hat der Kläger nicht geltend gemacht, weshalb er selbst für den Fall, dass er stellvertretender ... Leiter gewesen wäre, vorrangig gegenüber den anderen Leitungspersonen in den Ruhestand zu versetzen gewesen wären.

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Schließlich hat die Beklagte im Übrigen (ohne dass es entscheidungsrelevant hierauf ankommt) nachvollziehbar die Ermittlung der „entbehrlichen Beamten“, erläutert, wie bereits die Vorinstanz im Einzelnen festgestellt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen werden, denen sich der Senat anschließt.

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2. Nach alledem war der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

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3. Die Entscheidung über die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –.

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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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