Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 10172/19

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 28. August 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Vornahme von Grünschnittarbeiten entlang der Landesstraße L 158.

2

Die im Eigentum des Beklagten stehende L 158 verläuft durch das Gemeindegebiet der Klägerin und grenzt dort auf freier Strecke an einen ca. 1,67 km langen, der Klägerin gehörenden Grünstreifen, auf dem Laubgehölze wachsen.

3

Nachdem der Beklagte bis zum Beginn des Jahres 2015 den Beischnitt der in das Lichtraumprofil der Straße hineinwachsenden Gehölze vorgenommen hatte, forderte er die Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2015 auf der Grundlage der §§ 1004 und 906 BGB dazu auf, die von ihren Grundstücken in das Lichtraumprofil der L 158 hineinragenden Bäume und Hecken künftig selbst zurückzuschneiden.

4

Die Klägerin führte daraufhin die entsprechenden Arbeiten unter Verwahrung gegen eine diesbezügliche Rechtspflicht durch, erhob jedoch, nachdem sie eine Einigung mit dem Beklagten in der Sache bis dahin nicht erreicht hatte, am 16. Februar 2018 beim Verwaltungsgericht Trier eine auf die Feststellung gerichtete Klage, dass der Beklagte aufgrund von § 27 Landesstraßengesetz (LStrG) zur Durchführung des Grünschnitts auf dem Grünstreifen verpflichtet sei.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. August 2018 – 9 K 1247/18.TR – abgewiesen.

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Soweit diese das Eigentum des Beklagten nicht unmittelbar betreffende Grünschnittarbeiten – im Speziellen das Fällen morscher, sich zur Straße hinneigender Bäume – zum Gegenstand habe, fehle bereits das erforderliche berechtigte Interesse an einer Feststellung. Es handele sich insoweit vielmehr um eine abstrakte Rechtsfrage ohne konkreten Fallbezug. Der Beklagte habe die Klägerin lediglich aufgefordert, die Bepflanzung dergestalt zurückzuschneiden, dass die Äste nicht mehr in seinen Eigentumsbereich bzw. das Lichtraumprofil der Straße ragten. Die Frage, ob der Beklagte möglicherweise gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 LStrG verpflichtet sei, die sich zur Straße hinneigenden Bäume auf dem Grünstreifen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu beseitigen, sei hingegen bislang zwischen den Beteiligten nicht streitig.

7

Im Übrigen sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Den Beklagten treffe keine Verpflichtung, die überhängenden Zweige und Äste sowie das angefallene Totholz nach Maßgabe des § 27 LStrG zu beseitigen. § 27 Abs. 2 Satz 2 LStrG betreffe ausschließlich Maßnahmen auf dem der Straße benachbarten Grundstück selbst, nicht hingegen in den öffentlichen Straßenraum hineinragende Pflanzenteile.

8

Mit ihrer gegen das Urteil vom 20. August 2018 gerichteten Berufung macht die Klägerin geltend, dass das eigentlich wesentliche Klagebegehren die Arbeiten auf dem ihr gehörenden Grünstreifen seien. Hierauf habe sie entgegen den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil nicht erstmals in der mündlichen Verhandlung abgestellt, sondern schon mit Schriftsätzen vom 7. und 16. August 2018. Dass die Verantwortlichkeit für die Arbeiten auf dem Grünstreifen zwischen den Beteiligten streitig sei, ergebe sich bereits aus dem Schreiben der Klägerin vom 2. Februar 2015, mit dem sie Kritik an dem „Rückzug“ des diese Arbeiten bis dahin in eigener Regie wahrnehmenden Beklagten geäußert habe, sowie der sich anschließenden Korrespondenz, insbesondere auch den ergebnislosen Aufforderungen gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 8. September 2017 und 7. Februar 2018, den Grünschnitt wieder vorzunehmen. Auch handele es sich nicht um eine rein abstrakte Rechtfrage ohne konkreten Fallbezug.

9

In der Sache selbst folge die Rechtspflicht des Beklagten zur Vornahme des Grünschnitts aus § 27 i. V. m. § 48 LStrG, wonach der Beklagte die Unterhaltung der Straßen zu gewährleisten und die hierfür notwendigen Maßnahmen zu treffen habe.

10

Bei den Anpflanzungen handele es sich um Schutzeinrichtungen nach § 27 Abs. 1 LStrG, jedenfalls aber um Anpflanzungen im Sinne des § 27 Abs. 2 LStrG. Den Grundstückseigentümer träfen nach § 27 Abs. 1 und 2 LStrG grundsätzlich nur Duldungspflichten, wohingegen die aktive Durchführungspflicht in § 27 Abs. 3 LStrG der Straßenbaubehörde auferlegt werde. Der Eigentümer selbst dürfe nach § 27 Abs. 3 Satz 2 LStrG ohne die Zustimmung der Straßenbaubehörde gar nicht tätig werden und habe nach § 27 Abs. 4 LStrG selbst im Falle der Zustimmung einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten.

11

Damit erfolge per spezialgesetzlicher Anordnung eine Modifikation der eigentumsbezogenen Verantwortlichkeiten. Zur Gewährleistung einer effektiven Gefahrenabwehr werde eine klare Kompetenzzuweisung und -abgrenzung vorgenommen.
Insoweit unterscheide sich die Rechtslage von der in anderen Bundesländern, wo parallele Durchführungspflichten vorgesehen seien. Nur im hier nicht einschlägigen Falle des § 27 Abs. 5 LStrG sei ausnahmsweise eine aktive Handlungspflicht für die Eigentümer von Straßenrandgrundstücken mit korrespondierender Kostenlast konstituiert worden.

12

Die hier streitgegenständlichen Grünschnittarbeiten auf dem Grünstreifen unterfielen auch allesamt dem Regelungsregime des § 27 Abs. 2 LStrG. Bei den Bäumen handele es sich – jedenfalls auch mit Blick auf deren enge Reihung und Ausrichtung entlang der L 158 – um Schutzeinrichtungen für die Straße. Von daher sei jede von den Bäumen ausgehende Gefährdung zugleich auch eine Gefährdung der Straßenverkehrssicherheit im Sinne des § 27 Abs. 2 LStrG. Insbesondere sei teilweise eine Sichtbehinderung für den Verkehr bereits vor Übertritt der Anpflanzung in das Lichtraumprofil der Straße gegeben. Zudem führe jedenfalls das ungehinderte Weiterwachsen der Pflanzen zu deren Übertritt in das Lichtraumprofil. Eine Gefahr im Sinne des § 27 LStrG sei damit bereits vor dem Übertritt gegeben, da bei ungehindertem Verlauf in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu erwarten sei. Überdies sei eine konkrete Gefahr z. B. bei morschen und kranken Bäumen auf den Anliegergrundstücken zu bejahen, da die Möglichkeit eines unkontrollierten Niedergehens auf die Straße bestehe.

13

Die materiell-rechtlichen Aussagen des Verwaltungsgerichts zu den bereits auf das Straßengrundstück überragenden Pflanzen beruhten auf der Annahme, dass die den Beklagten gemäß § 27 LStrG treffenden Handlungspflichten nicht auch solche Maßnahmen umfassten, die auf bzw. über dem Straßenkörper durchzuführen seien. Der Beklagte sei jedoch verpflichtet, bereits vor der Verdichtung der Gefahr durch ein Überragen der Anpflanzung auf die Straße auf dem Grünstreifen selbst den gebotenen Beischnitt vorzunehmen. Abgesehen davon sei selbst bei insoweit gegenteiliger Auffassung bzw. für den Fall, dass ein Grünschnitt auf dem Straßengrundstück selbst erfolgen müsste, der Beklagte auch hierfür zuständig, da eine effektive Gefahrenabwehr eine klar abgrenzbare und eindeutige Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung verlange, soweit nicht das Gesetz wie in § 27 Abs. 5 LStrG eine ausdrückliche Regelung enthalte. Insoweit handele es sich bei § 27 LStrG um eine spezielle öffentlich-rechtliche Rechtsgrundlage, welche die zivilrechtlichen Vorschriften verdränge. Dafür spreche auch § 27 Abs. 5 LStrG; die Gesetzesbegründung gehe davon aus, dass das Landesstraßengesetz ansonsten keine Regelung enthalte, die den Eigentümer eines Straßenrandgrundstücks zur Beseitigung des in den Straßenraum hineinragenden Bewuchses verpflichte. Im Übrigen verlangten auch die §§ 1004 und 910 BGB keine gegenteilige Bewertung. Während diese Vorschriften grundsätzlich das Vorliegen einer bereits eingetretenen Eigentumsstörung und damit einen Überwuchs voraussetzten, sei der Beklagte vorliegend nach § 27 LStrG verpflichtet, dieses Überwachsen und damit die Situation, in der ein Anspruch nach §§ 1004, 910 BGB überhaupt erst entstehen könne, bereits vorab zu verhindern. Soweit nach § 1004 BGB auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch in Betracht komme, sei § 27 LStrG mit den sich hieraus ergebenden straßenverkehrsbezogenen Gefahrenverhütungsvorschriften die speziellere Norm, und es sei treuwidrig, wenn der Beklagte seinen eigenen gesetzlich zugewiesenen Handlungspflichten nicht nachkomme, um sich dann später der Klägerin gegenüber auf Unterlassungsansprüche wegen Eigentumsbeeinträchtigung zu berufen.

14

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 28. August 2018 – 9 K 1247/18.TR – festzustellen, dass der Beklagte aufgrund des § 27 Landesstraßengesetz den Grünschnitt auf dem in der Anlage K 1 markierten Grünstreifen zwischen dem Schellhof an der Ortslage von Monzelfeld und der Gemarkungsgrenze zur Ortsgemeinde Longkamp durchzuführen und hierfür die Kosten zu tragen hat.

15

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Er tritt dem Vorbringen der Klägerin mit Sach- und Rechtsausführungen entgegen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakte des Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

19

Das Verwaltungsgericht ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klage nur teilweise zulässig ist, hat diese aber jedenfalls im Ergebnis zu Recht in vollem Umfang abgewiesen.

20

Gegenstand der Feststellungsklage wie auch der Berufung ist ausschließlich die Verpflichtung des Beklagten, auf der rechtlichen Grundlage des § 27 Landesstraßengesetz – LStrG – den Grünschnitt auf den von der Klägerin näher bezeichneten, in ihrem Eigentum stehenden Anliegergrundstücken der L 158 durchzuführen und die Kosten hierfür zu tragen.

21

I. Für dieses Begehren ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts das nach § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – erforderliche Feststellungsinteresse auch hinsichtlich der das Eigentum der Beklagten nicht unmittelbar betreffenden Grünschnittarbeiten auf den der Klägerin gehörenden Anliegergrundstücken – insbesondere hinsichtlich des Fällens sich zur Straße hinneigender morscher Bäume – gegeben.

22

Das festzustellende Rechtsverhältnis ist bereits hinreichend konkretisiert, d. h. es ist ein hinreichend bestimmter, bereits überschaubarer, nicht nur gedachter oder als möglich vorgestellter Sachverhalt gegeben, in Bezug auf den die Feststellung begehrt wird (vgl. dazu näher Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 17 m. w. N.). Der Beklagte hat auf einem von seiner Fläche her klar umrissenen, im Eigentum der Klägerin stehenden Grünstreifen entlang der Landesstraße L 158 unstreitig jahrzehntelang die zur Abwendung von Beeinträchtigungen im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 LStrG erforderlichen Grünschnittarbeiten auf eigene Kosten durchgeführt. Diese Verwaltungspraxis hat er zu Beginn des Jahres 2015 aus Kostengründen geändert, verbunden mit der Aufforderung an die Klägerin, die von ihren Grundstücken in das Lichtraumprofil der L 158 hineinragenden Bäume und Hecken selbst zurückzuschneiden sowie das dort angefallene Totholz zu beseitigen. Derartige Arbeiten fallen regelmäßig an. Die Klägerin hat diesbezüglich mehrfach dem Beklagten gegenüber schriftlich geltend gemacht, dass er aus ihrer Sicht (weiterhin) zu den entsprechenden Grünschnittarbeiten verpflichtet sei.

23

Hinsichtlich einer entsprechenden Verpflichtung des Beklagten ist die Rechtslage, wie der vorliegende Streit belegt, unklar und die Beteiligten vertreten gegensätzliche Rechtsaufassungen zur Verantwortlichkeit für den nach § 27 Abs. 2 LStrG erforderlichen Grünschnitt.

24

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an einer diesbezüglichen feststellenden Gerichtsentscheidung zum öffentlich-rechtlichen Pflichtenkreis der Straßenbaubehörde bei der Abwendung drohender Beeinträchtigungen im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 1 LStrG. Hieran kann sie sich nämlich sodann bei der Erfüllung der sie selbst treffenden Verkehrssicherungspflichten orientieren. Angesichts drohender Schäden für bedeutende Sachwerte und unter Umständen sogar für das Leben und die Gesundheit von Menschen kann der Klägerin nicht zugemutet werden, sie insoweit auf ein Abwarten und einen Haftungsprozess im Falle einer Schädigung zu verweisen.

25

II. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten, aufgrund von § 27 LStrG auf dem der Klägerin gehörenden Grünstreifen entlang der L 158 den Grünschnitt durchzuführen und die Kosten hierfür zu tragen, nicht besteht.

26

1. § 27 LStrG selbst enthält in Bezug auf Anpflanzungen, welche den Verkehr behindern oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch Sichtbehinderung oder in anderer Weise beeinträchtigen können, das Verbot, solche anzulegen (Abs. 2 Satz 1), sowie für den Fall, dass derartige Anpflanzungen bereits vorhanden sind, die Verpflichtung des Grundstückseigentümers und -besitzers, deren Beseitigung zu dulden (Satz 2).

27

Eine Rechtspflicht zur (aktiven) Beseitigung sieht § 27 LStrG hingegen nicht vor, und zwar – von dem hier nicht gegebenen Sonderfall eines Überwuchses innerhalb von geschlossenen Ortslagen (§ 27 Abs. 5 LStrG) einmal abgesehen – weder in Bezug auf den Eigentümer bzw. Besitzer des Straßenanliegergrundstücks noch auf die Straßenbaubehörde.

28

2. Eine straßenrechtliche Verpflichtung des Beklagten zu den streitgegenständlichen Grünschnittarbeiten ergibt sich auch nicht dann, wenn man – strenggenommen bereits über den Wortlaut des Klageantrags hinausgehend – weitere straßenrechtliche Vorschriften mit in die Betrachtung einbezieht.

29

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LStrG obliegt der Straßenbaubehörde u. a. die Unterhaltung der öffentlichen Straßen; nach Satz 2 der Vorschrift hat sie die hierfür notwendigen Maßnahmen zu treffen.

30

Danach ist die Straßenbaubehörde aufgrund der §§ 27 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 i. V. m. § 48 LStrG zwar jedenfalls befugt, Anpflanzungen an öffentlichen Straßen zu beseitigen, soweit sie den Verkehr behindern oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in anderer Weise beeinträchtigen können, mithin also auch dazu, diese Anpflanzungen beizuschneiden.

31

Demgegenüber besteht jedoch zumindest vom Grundsatz her keine straßenrechtliche Verpflichtung des Beklagten, den entsprechenden Grünschnitt durchzuführen und die Kosten hierfür zu tragen.

32

a) Dabei kann offenbleiben, ob eine – straßenrechtlich wie bereits dargelegt grundsätzlich nicht bestehende – Verpflichtung des Eigentümers bzw. Besitzers, die Anpflanzungen auf dem Grundstück so beizuschneiden, dass es nicht zu Beeinträchtigungen im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 1 LStrG kommt, aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften hergeleitet werden kann (in diesem Sinne etwa OVG Münster, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 11 A 701/07 – Rn. 20 ff., wonach es sich bei dem Überwuchs um eine unerlaubte Sondernutzung handeln soll, deren Beendigung die Straßenbaubehörde anordnen kann, und VG Koblenz, Urteil vom 8. August 2008 – 4 K 1831/07 – Rn. 20 ff., das von einer Anwendbarkeit der polizeilichen Generalklausel ausgeht).

33

b) Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte und danach mangels Heranziehbarkeit des Eigentümers bzw. Besitzers zur Beseitigung der störenden Anpflanzungen möglicherweise eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Beklagten als für die Straßenunterhaltung zuständige Körperschaft aus den §§ 27 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, 48 LStrG in Betracht käme, würde das gleichwohl nicht die von der Klägerin begehrte Feststellung rechtfertigen.

34

Ausreichende Anknüpfungspunkte für die Annahme einer generellen Verpflichtung des Beklagten, auf der Grundlage des § 48 LStrG Grünschnittarbeiten im Sinne des § 27 Abs. 2 LStrG durchzuführen und die Kosten hierfür zu tragen, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

35

aa) Eine Beseitigung von Anpflanzungen nach § 27 Abs. 2 Satz 1 LStrG setzt bereits tatbestandlich voraus, dass diese im konkreten Einzelfall bereits den Verkehr behindern oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch Sichtbehinderung oder in anderer Weise beeinträchtigen können.

36

Schon von daher entzieht sich eine mögliche objektiv-rechtliche Verpflichtung des Beklagten auf der Grundlage der §§ 48 und 27 Abs. 2 LStrG der mit dem hiesigen Klageantrag verfolgten generalisierenden Feststellung.

37

Dem kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass bei einer Anpflanzung ein Zustand im Sinne des § 27 Abs. 2 LStrG bereits vor dem Übertritt der Pflanzen in das Lichtraumprofil der Straße gegeben sei, weil bei ungehindertem Weiterwachsen in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu erwarten sei. Der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 2 LStrG ist nämlich erst dann eröffnet, wenn die Anpflanzung die in Satz 1 der Vorschrift verbotene Wirkung im Einzelfall auch tatsächlich erreicht hat.

38

Der Begriff des „Anlegens“ von Anpflanzungen umfasst bereits nach dem Wortsinn, der auch eine mögliche Entwicklung und Entfaltung beinhaltet, nicht nur den Vorgang des Anpflanzens selbst, sondern auch das Wachsenlassen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 4. April 1995 – 3 ObOWi 30/95 –, juris, Rn. 5 m. w. N.). In Verbindung mit der Verwendung der Formulierung „soweit“ in § 27 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LStrG deutet dies darauf hin, dass sich das „Anlegen“ mit dem Wachstum der Pflanze sukzessive fortsetzt und sodann irgendwann ein konkretes Ausmaß erreicht, aufgrund dessen der Verkehr in der in § 27 Abs. 2 Satz 1 LStrG umschriebenen Weise beeinträchtigt werden kann. Wollte man demgegenüber – wie es die Klägerin tut – den Begriff des „Anlegens“ eng im Sinne von ausschließlichem (erstmaligem) Anpflanzen auslegen, so ergäbe die vom Gesetzgeber zweifach verwendete Formulierung „soweit“ letztlich keinen Sinn, sondern es müsste folgerichtig „wenn“ heißen: wenn eine Pflanze so stark wachsen kann, dass es später möglicherweise zu einer Verkehrsbeeinträchtigung kommt, dürfte diese erst gar nicht (erstmals) anlegt werden.

39

Abgesehen davon würde eine Auslegung des § 27 Abs. 2 LStrG im Sinne eines solchen strikten Verbots schon des (erstmaligen) Anpflanzens aber auch in unverhältnismäßiger Weise in das Eigentum eingreifen, da es zum Schutz der Belange der Straße ausreicht, die Gehölze jeweils so beischneiden zu müssen, dass die in der Vorschrift genannten Probleme für den Verkehr nicht entstehen. In diesem Fall kann dann der Eigentümer bzw. Besitzer selbst entscheiden, ob er auf dem Grundstück eine Pflanzung wegen des damit verbundenen Pflegeaufwands von vorneherein erst gar nicht anlegt oder aber sich für eine solche Bepflanzung entscheidet, diese jedoch sodann später fortlaufend in einem Zustand halten muss, bei dem keine Beeinträchtigungen des Verkehrs im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 1 LStrG zu befürchten sind.

40

bb) Zudem würde die beantragte Feststellung auf der Rechtsfolgenseite voraussetzen, dass sich im Falle einer Beeinträchtigung der Straße durch unzulässige Anpflanzungen im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 2 LStrG die Durchführung des Grünschnitts durch den Beklagten und auf dessen Kosten als die einzige in Betracht kommende „notwendige Maßnahme“ (§ 48 Abs. 1 Satz 2 LStrG) darstellen würde und rechtmäßige Alternativen hierzu nicht in Betracht kämen.

41

Dies ist indessen in mehrfacher Hinsicht nicht der Fall:

42

(1) Zum einen steht es dem Beklagten rechtlich vom Grundsatz her frei, sich statt beispielsweise eines Grünschnitts für eine andere die Belange der Straße im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 1 LStrG ebenfalls wahrende Form des Einschreitens zu entscheiden. So könnte sich der Beklagte in Konstellationen wie der hier streitgegenständlichen je nach den konkreten Verhältnissen vor Ort jedenfalls theoretisch auch etwa für die Errichtung eines Schutzzaunes oder einer Schutzmauer entscheiden, um so eines ständigen Beischneidens enthoben zu sein. Zudem könnte er, wenn er die notwendigen Schnittarbeiten – die er ja im Falle der Annahme einer hierzu bestehenden Rechtspflicht unter Umständen an tausenden Straßenkilometern erbringen müsste – nach seiner Leistungsfähigkeit nicht allesamt zeitnah durchführen kann, sich in Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 4 LStrG entschließen, eine Gefahrenquelle im Einzelfall zunächst einmal nur durch ein entsprechendes Warnzeichen zu „entschärfen“.

43

(2) Abgesehen davon regelt das Landesstraßengesetz vom Grundsatz her aber auch nicht, mit welchen Mitteln – eigene Durchführung oder Heranziehung Dritter hierzu auf öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage – die Straßenbaubehörde bei der Erfüllung ihrer Unterhaltungspflicht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LStrG tätig zu werden hat. Lediglich vereinzelt räumt das Gesetz der Straßenbaubehörde bestimmte Befugnisse ausdrücklich ein, so z. B. im Falle des § 27 Abs. 5 Satz 2 LStrG, wonach in den dort näher umschriebenen Fällen die Kosten der Beseitigung ausnahmsweise durch einen gegen den Eigentümer bzw. den Besitzer gerichteten Leistungsbescheid geltend gemacht werden können.

44

Danach kann sich der Beklagte zur Erfüllung seiner Unterhaltungspflicht grundsätzlich auch der Mittel des Zivilrechts bedienen. Dies gilt auch für die Geltendmachung für Ansprüchen aus dem Eigentum, insbesondere von solchen nach den §§ 1004 und 910 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Diese sind nach zutreffender herrschender Meinung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Juni 1979 – V ZR 46/78 –, OVG NW, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 11 A 701/07 –, und VG Koblenz, Urteil vom 8. August 2008 – 4 K 1831/07 –, jeweils in juris, sowie Bitterwolf in PdK, LStrG, § 27 Ziff. 1, Zeitler, BayStrWG, Art. 29 Rn. 45 m. w. N. und Müller/Schulz, FStrG, § 11 Rn. 12) neben dem Straßenrecht anwendbar – und stellen für den sogenannten „Überwuchs“ von dem Anliegergrundstück auf das Straßengrundstück (vgl. etwa OVG NW und VG Koblenz, a. a. O., sowie Bitterwolf, a. a. O. Ziff. 3.3) sogar die alleinige Rechtsgrundlage für einen Beseitigungsanspruch des Beklagten gegen den Eigentümer bzw. Besitzer dar.

45

Nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer, sofern sein Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigungen verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Unterlassung klagen.

46

So kann der Grundstückseigentümer jedenfalls dann, wenn es – wie hier – bereits zuvor Fälle unzulässigen Überwuchses oder des Herabstürzens von Totholz auf sein Grundstück gegeben hat, auch schon vor einem erneuten Überwachsen oder Anfall von Totholz mit einer Unterlassungsklage nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen den Eigentümer des Nachbargrundstücks vorgehen. Geschuldet wird in diesen Fällen nicht nur eine künftige Untätigkeit, sondern vielmehr ein (aktives) Verhalten, welches den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung bewirkt (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2003 – V ZR 98.03 –, Rnrn. 9 ff., 13 ff.; Palandt, BGB, § 1004 Rn. 33), vorliegend also etwa ein rechtzeitiges Schneiden bzw. Fällen von Gehölzen, damit diese erst gar nicht über die Grenze wachsen bzw. stürzen können.

47

Danach kann der Beklagte im Falle einer gegen § 27 Abs. 2 Satz 1 LStrG verstoßenden Anpflanzung seiner Unterhaltungspflicht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LStrG durchaus auch dadurch nachkommen, dass er den Eigentümer des Anliegergrundstückes nach § 1004 Abs. 1 BGB auf Abhilfemaßnahmen in Anspruch nimmt – sei es hinsichtlich des Überwuchses aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB oder hinsichtlich einer Anpflanzung, welche zwar noch nicht auf das Straßengrundstück vorgedrungen ist, jedoch gleichwohl zu einer Beeinträchtigung im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 1 LStrG zu führen droht, gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.

48

Dem kann die Klägerin im Übrigen auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie nach § 27 Abs. 3 Satz 2 LStrG insoweit nur mit Zustimmung der Straßenbaubehörde tätig werden dürfe. Zum einen bezieht sich § 27 Abs. 3 Satz 2 LStrG („die Maßnahmen“) auf den vorangehenden Satz 1, der sich in Bezug auf Anpflanzungen allein mit deren Beseitigung nach § 27 Abs. 2 Satz 2 LStrG durch die Straßenbaubehörde nach vorheriger Ankündigung gegenüber dem Betroffenen befasst. § 27 Abs. 3 Satz 2 LStrG regelt damit allein den Fall einer beabsichtigten Beseitigung durch die Straßenbaubehörde und hat zum Inhalt, dass der Eigentümer bzw. Besitzer „die“ konkret geplanten behördlichen Maßnahmen mit Zustimmung der Behörde an deren Stelle selbst durchführen können soll, etwa um Kosten zu vermeiden. Eine Einschränkung dahingehend, dass der Eigentümer Anpflanzungen auf seinem Grundstück nicht auch kraft seines Eigentums zurückschneiden und beseitigen dürfte, ist damit hingegen nicht verbunden. Die Zustimmung der Straßenbaubehörde gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 LStrG bewirkt vielmehr allein, dass durch das im Einklang hiermit erfolgende eigene Tätigwerden des Eigentümers bzw. Besitzers ein drohender Eingriff seitens der Straßenbaubehörde abgewendet werden kann. Abgesehen davon wäre selbst dann, wenn man dies anders sehen wollte, in einer möglichen Aufforderung des Beklagten an die Klägerin nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, Rückschnitt- bzw. Fällungsarbeiten auf ihren Anliegergrundstücken durchzuführen, jedenfalls aber auch eine Zustimmung im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 2 LStrG zu sehen.

49

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht die Feststellungsklage mangels entsprechender rechtlicher Verpflichtung des Beklagten im Ergebnis zu Recht abgewiesen, womit auch die Berufung zurückzuweisen war.

50

3. Der Vollständigkeit halber sei abschließend noch auf Folgendes hingewiesen:

51

a) Ob im Ergebnis möglicherweise etwas Anderes gelten könnte, sofern es sich – wie von der Klägerin vermutet – bei den streitgegenständlichen Anpflanzungen um Schutzeinrichtungen der Straße im Sinne des § 27 Abs. 1 LStrG handeln würde, kann hier letztendlich dahinstehen.

52

aa) Zum einen sind zureichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Laubgehölzen um eine Schutzeinrichtung im Sinne des § 27 Abs. 1 LStrG handeln könnte, deren Anlegung der Beklagte veranlasst und die Klägerin zu dulden hat, weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

53

Soweit die Klägerin hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 4. Juli 2019 eine Beweiserhebung

„zum Charakter der in Rede stehenden Anpflanzungen als Schutzeinrichtungen für Schneeverwehungen und zur Anpflanzung der betreffenden Pflanzen durch das Land“

im Wege der

„Hinzuziehung der Akten des in Rede stehenden Grünstreifen umfassenden Flurbereinigungsverfahren, welches im Jahre 1959 lief“

beantragt hat, handelt es sich um einen unzulässigen „Ausforschungsbeweis-antrag“, mit dem unter lediglich formalem Beweisantritt eine Behauptung aufgestellt wird, für deren Wahrheit nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. dazu näher Kopp/Schenke, VwGO, § 86 Rn. 18a m. w. N.) besteht. Angesichts des Gegenstands der Flurbereinigung, zur Verbesserung der Produktionsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung ländlichen Grundbesitz neu zu ordnen (§ 1 Flurbereinigungsgesetz), fehlt es diesbezüglich nämlich bereits vom Regelungsgegen-stand her an einem hinreichenden Bezug zum Schutz der öffentlichen Straßen vor nachteiligen Einwirkungen der Natur.

54

bb) Unabhängig davon spricht aber auch vieles dafür, dass selbst im Falle des Vorliegens einer Schutzeinrichtung im Sinne des § 27 Abs. 1 LStrG hieraus nicht ohne Weiteres eine Reduzierung des Auswahlermessens der Straßenbaubehörde hinsichtlich der „notwendigen Maßnahmen“ (§ 48 Abs. 1 Satz 2 LStrG) dahingehend folgen würde, die Beseitigung störender Anpflanzungen selbst vorzunehmen. Denkbar wäre insoweit mit Blick auf die in § 27 Abs. 3 LStrG für nach den Absätzen 1 und 2 verursachte Aufwendungen und Schäden allein vorgesehenen Vergütungs-pflicht ebenso gut eine Veranlassung der notwendigen Arbeiten durch den Eigentümer bzw. Besitzer, denen dann die entsprechenden Aufwendungen lediglich nach § 27 Abs. 4 Satz 1 LStrG zu erstatten wären.

55

Entsprechendes gilt auch für ähnlich gelagerte Fallkonstellationen wie etwa diejenigen, dass die Anpflanzung bereits bei Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes vorhanden war oder dass die Voraussetzungen für ihre Beseitigung nur deswegen eingetreten sind, weil die Straße neu angelegt oder ausgebaut worden ist (vgl. hierzu etwa § 27 des Sächsischen Straßengesetzes).

56

b) Im Übrigen würde eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Beklagten zur Vornahme des streitgegenständlichen Grünschnitts auf der Grundlage der §§ 48 i. V. m. 27 Abs. 2 LStrG, da derartige Maßnahmen allein dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen bestimmt sind (vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 7. April 2009 – 8 ZB 09.767 –, juris, und Bitterwolf, a. a. O., Ziff. 3.3), auch kein einklagbares subjektives Recht der Klägerin auf Durchsetzung dieser Verpflichtung begründen.

57

Damit könnte die Klägerin, da angesichts des wie bereits ausgeführt bestehenden Nebeneinanders von öffentlich-rechtlichem Straßenrecht und Zivilrecht ihre eigene Verkehrssicherungspflicht für die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke unberührt bliebe, auch von daher ihr letztendliches Klageziel einer Freizeichnung von einer eigenen Haftung vorliegend nicht erreichen.

58

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

59

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

60

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000, -- € festgesetzt (§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).

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