Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 LB 8/14

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer, Einzelrichterin - vom 31. Oktober 2013 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Umzugskostenvergütung.

2

Der am ... geborene Kläger stand zuletzt im Rang eines Oberstleutnants (Besoldungsgruppe A 15) im Dienst der Beklagten und trat mit Ablauf des 31. Januar 2012 nach Überschreiten der besonderen Altersgrenze (§ 45 Abs. 2 SG) in den Ruhestand.

3

Unter dem 21. Dezember 2011 beantragte der Kläger bei der Wehrbereichsverwaltung West die Bewilligung einer Umzugskostenvergütung nach § 62 Abs. 3 SVG für einen in der Zeit vom 27. Februar 2012 bis 1. März 2012 von Köln, seinem Wohnort zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienst, nach Westerland/Sylt durchzuführenden Umzug. Die voraussichtlichen Kosten sollten 7.613,54 Euro betragen. In einem Begleitschreiben führte der Kläger aus, er wolle sich an seinem neuen Wohnort als Rechtsanwalt niederlassen.

4

Mit Bescheid vom 23. Januar 2012 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Umzugskostenvergütung ab. Nach § 62 Abs. 3 SVG könne eine solche nur gewährt werden, wenn die Ausübung des neuen Berufes am bisherigen Wohnort unmöglich sei. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil die vom Kläger angestrebte Tätigkeit als Rechtsanwalt auch an seinem jetzigen Wohnort in Köln ausgeübt werden könne.

5

Zur Begründung seiner dagegen unter dem 30. Januar 2012 eingelegten Beschwerde verwies der Kläger darauf, dass nach der einschlägigen Kommentierung zum Soldatenversorgungsgesetz Umzugskostenvergütung auch dann gewährt werden könne, wenn der Beruf am bisherigen Wohnort ergriffen werden könnte. Die Behörde habe nur zu prüfen, ob der Soldat zur Begründung des Berufes an den von ihm bestimmten Ort umziehen müsse oder er ihn wegen sehr geringer Entfernung vom bisherigen Wohnort aus ausüben könnte. Es mache einen Unterschied, ob der Beruf in einer Großstadt wie Köln oder einer ländlichen Gegend ausgeübt werde. Wegen der erheblichen Anwaltsdichte in Köln könne nicht davon ausgegangen werden, dass in absehbarer Zeit mit einem betriebswirtschaftlichen Gewinn gerechnet werden könnte. Der neue Beruf solle aber zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienen. Das sei auf Sylt eher als in Köln gegeben.

6

Das Verwaltungsgericht Köln lehnte den Antrag des Klägers, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen Abschlag in Höhe von 7.613,54 Euro auf die beantragte Umzugskostenvergütung zu gewähren, mit Beschluss vom 24. Februar 2012 - 9 L 165/12 - ab. Bei dem nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu beurteilenden Begehren des Klägers handele es sich um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Es sei schon nicht glaubhaft gemacht, dass dem Kläger ohne die begehrte Regelung unzumutbare Nachteile drohten, die nur durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewendet werden könnten. Darüber hinaus könne auch nicht festgestellt werden, dass das Begehren des Klägers in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben werde. Es sei - wenn überhaupt - als offen anzusehen, ob der Kläger Anspruch auf die begehrte Umzugskostenvergütung nach § 62 Abs.3 SVG habe. Selbst wenn durch die von der Beklagten vertretene einengende Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit eines Umzuges in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen werden sollte, könnte dieser Eingriff jedenfalls durch ausreichende Gründe des Allgemeinwohls - nämlich das Interesse der Allgemeinheit am wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz von Haushaltsmitteln - gerechtfertigt sein. Der Eingriff dürfte auch nicht unverhältnismäßig sein, da der Betroffene sich rechtzeitig auf diese Situation vorbereiten und eigene Rücklagen bilden könne, um einen derartigen Umzug zu finanzieren oder sich rechtzeitig um eine andere Finanzierung zu bemühen.

7

Die Beschwerde des Klägers wurde mit Beschwerdebescheid vom 5. April 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Die Vorschrift des § 62 Abs. 3 SVG sei eine Kann-Vorschrift, bei der die Ermessensausübung der Behörde durch Richtlinien beschränkt werden dürfe. Das Bundesministerium der Verteidigung habe für seinen Geschäftsbereich festgelegt, dass Umzugskostenvergütung nach der genannten Vorschrift nur zu gewähren sei, wenn die Ausübung des gewählten Berufes am bisherigen Dienstort nicht möglich sei. Im Rahmen der Ermessensausübung sei auch das Erfordernis der Erhaltung eines angemessenen Lebensunterhaltes zu berücksichtigen. Ein Umzug wegen Begründung eines neuen Berufs könne nach dem Normzweck des § 62 Abs. 3 SVG dann nicht als notwendig angesehen werden, wenn die Ausübung des gewählten Berufes bzw. die Schaffung einer neuen beruflichen Existenz auch am bisherigen Wohnort möglich sei. Gerade weil als neuer Beruf im Sinne der genannten Vorschrift praktisch jede nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis als Berufssoldat ausgeübte, auf Einkommenserzielung gerichtete Tätigkeit anzuerkennen sei, müsse das weitere Kriterium, die Notwendigkeit des Umzuges, sorgfältig geprüft werden. Die Beachtung dieser Vorgabe, umzugsrechtliche Leistungen nur in den Fällen zu gewähren, in denen die Ausübung des angestrebten Berufes am bisherigen Wohnort unmöglich sei, könne nicht als Beschneidung der freien Wohnsitzwahl angesehen werden. Sie stelle vielmehr eine sachgerechte Abgrenzung für den Einsatz öffentlicher Haushaltsmittel dar. Die Bewilligung umzugsrechtlicher Leistungen sei insofern durch den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingegrenzt. Die Ausgabe öffentlicher Mittel lasse sich nur durch ausdrückliche Notwendigkeit rechtfertigen. Die sowohl im Soldatenversorgungsgesetz als auch im Bundesumzugskostengesetz konkretisierte Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebiete es nur, den betroffenen Antragsteller unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen von den Umzugskosten freizustellen. Sei also einem aus dem Dienstverhältnis ausgeschiedenen Berufssoldaten die Berufsbegründung am bisherigen Wohnort durchaus möglich, erscheine ihm jedoch die Tätigkeit an einem anderen Ort aus seiner Sicht nützlicher, so bleibe ihm ein Umzug auf eigene Kosten unbenommen.

8

Der Kläger hat am 24. April 2012 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und zur Begründung seiner Klage sein bisheriges Vorbringen wiederholt und konkretisiert.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Januar 2012 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 5. April 2012 zu verpflichten, ihm umzugskostenrechtliche Leistungen nach § 62 Abs. 3 SVG für den vom 27. Februar 2012 bis 1. März 2012 von Köln nach Sylt/Westerland durchgeführten Umzug in Höhe von 7.613,54 Euro zu gewähren.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie sich auf den Inhalt des Beschwerdebescheides bezogen und ergänzend ausgeführt, eine Finanzierung des Umzuges aus öffentlichen Geldern sei nur dann angezeigt, wenn dies die einzige Möglichkeit darstelle, den entsprechenden Beruf überhaupt auszuüben. Auch die systematische Auslegung der Vorschrift des § 62 Abs. 3 SVG spreche für dieses Ergebnis. Eine andere Auslegung würde nämlich die Vorschrift des § 4 Abs.3 BUKG weitgehend funktionslos werden lassen. Nach dieser Vorschrift könne Umzugskostenvergütung dann aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses zugesagt werden, wenn entweder ein Verbleiben an Grenzorten, kleineren abgelegenen Plätzen oder Inselorten nicht zumutbar oder in den vorausgegangenen zehn Jahren mindestens ein Umzug mit Zusage der Umzugskostenvergütung an einen anderen Ort durchgeführt worden sei. Die Norm des § 62 Abs. 3 SVG diene insoweit unter sorgfältiger Abwägung des Einsatzes öffentlicher Mittel der Vermeidung unzumutbarer Härten, die durch die enge Regelung des § 4 Abs. 3 BUKG entstehen könnten. Hinsichtlich des in der Vorschrift des § 62 Abs. 3 SVG enthaltenen Begriffs der Erforderlichkeit werde auf den Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 16. Mai 1994 - S II 4(4) - Az. 21-10-02 Schu 1/94 - (Erlass) verwiesen.

14

Mit Urteil vom 31. Oktober 2013 hat das Verwaltungsgericht, Einzelrichterin, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger umzugskostenrechtliche Leistungen nach § 62 Abs. 3 SVG für den vom 27. Februar 2012 bis 1. März 2012 von Köln nach Westerland/Sylt durchgeführten Umzug zu bewilligen. Die Voraussetzungen der Vorschrift des § 62 Abs. 3 SVG seien im Falle des Klägers erfüllt. Insbesondere sei der Umzug zur Begründung eines neuen Berufs erforderlich gewesen. Neuer Beruf sei hier die Tätigkeit des Klägers als selbständiger Rechtsanwalt, und zwar in der Kanzlei ... und ... in Westerland/Sylt. Der Umzug des Klägers nach Sylt sei auch zur Begründung des neuen Berufs erforderlich gewesen. Denn der Kläger sei wegen der Aufnahme seiner Tätigkeit in der Anwaltssozietät umgezogen. Ob der Kläger sich ebenso gut in Köln als selbständiger Anwalt hätte niederlassen können, worauf die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung stütze, sei unerheblich. Da durch § 62 Abs. 3 SVG die Freiheit der Berufswahl nicht eingeschränkt werden solle, könnten umzugskostenrechtliche Leistungen auch dann gewährt werden, wenn der Soldat an seinem bisherigen Wohnort einen neuen Beruf ergreifen könnte. Er sei in der Wahl des Berufes und des Ortes, an dem der Beruf ausgeübt werde, frei. Es sei deshalb nur zu prüfen, ob der Soldat zur Begründung des neuen Berufes an den von ihm bestimmten Ort umziehen müsse. Das sei hier zu bejahen. Es sei sinnvoll, dass ein selbständiger Rechtsanwalt in der Nähe des Sitzes seiner Kanzlei wohne. Von Köln aus hätte der Kläger seine neue Tätigkeit nicht ausüben können. Ein anderes Ergebnis lasse sich auch nicht mit dem von der Beklagten in der Klageerwiderung zitierten Erlass rechtfertigen. Entgegen der Ansicht der Beklagten beinhalte dieser Erlass keine Richtlinien für die Ermessensausübung, sondern diene der Auslegung des Begriffs der Notwendigkeit des Umzuges im Sinne des § 62 Abs. 3 SVG, wie sich aus dem Betreff eindeutig ergebe. Das Gebot, Haushaltsmittel sparsam zu verwenden, sei, für sich genommen, auch nicht geeignet, die Bewilligung der Umzugskostenvergütung abzulehnen, obwohl alle im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Weitere Gesichtspunkte, die im Rahmen der Ermessensausübung hier eine Rolle spielen könnten, habe auch der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht aufgezeigt, so dass vorliegend das Ermessen der Beklagten dahingehend reduziert sei, dass nur die Bewilligung der begehrten Leistung als ermessensfehlerfreie Entscheidung anzusehen sei.

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Auf Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 23. April 2014 zugelassen.

16

Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und konkretisiert die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend macht sie geltend:

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Das Verwaltungsgericht habe den Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG in Abgrenzung zur Regelung in § 62 Abs. 2 SVG verkannt. Die Norm sei bewusst als Kann-Vorschrift ausgestaltet, um in eingeschränktem Umfang eine Ermessensentscheidung über eine Umzugskostenerstattung aus Fürsorgegründen zu ermöglichen. Ob dieser Weg eröffnet sei und Fürsorgegründe eine Zahlung erforderten/rechtfertigten, hänge aber nicht nur von subjektiven Wünschen des früheren Soldaten ab, sondern von der objektiven Erforderlichkeit (Notwendigkeit) eines Umzuges. Erst wenn dies der Fall sei, stelle sich die Frage der Ermessensausübung. Ob ein Umzug objektiv erforderlich sei, sei zunächst unter Anlegung eines strengen Maßstabes zu prüfen. Die Notwendigkeit des Umzuges - und damit die Möglichkeit der Kostenerstattung - könne daher nicht bejaht werden, wenn der neue Beruf auch am bisherigen Wohnort ausgeübt werden könne (so ausdrücklich auch Kupicki/Irlenbusch/Biel, Das Umzugsrecht des Bundes - Komm., Teil C S. 69 - Erl. zu § 62 Abs. 3 SVG).

18

Soweit man dem Verwaltungsgericht hinsichtlich des Vorliegens des in § 62 Abs. 3 SVG enthaltenen Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit folge, habe sie - so die Beklagte sinngemäß weiter - jedenfalls das ihr durch die genannte Gesetzesvorschrift eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Der von ihr in der Klageerwiderung zitierte Erlass

19

„Ein Umzug wegen Begründung eines neuen Berufes kann nach dem Normzweck des § 62 Abs. 3 SVG dann nicht als notwendig angesehen werden, wenn die Ausübung des gewählten Berufes bzw. die Schaffung einer neuen beruflichen Existenz auch am bisherigen Wohnort möglich ist.

20

Gerade weil als neuer Beruf im Sinne des § 62 Abs. 3 SVG, wie unter Nr. 1 bereits ausgeführt, praktisch jede nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis als Berufssoldat ausgeübte auf Einkommenserzielung gerichtete Tätigkeit anzuerkennen ist, muss das weitere Kriterium, die Notwendigkeit des Umzuges, sorgfältig geprüft werden. Die Beachtung dieser Vorgabe, umzugskostenrechtliche Leistungen nur in den Fällen zu gewähren, in denen die Ausübung des angestrebten Berufes am bisherigen Wohnort unmöglich ist, kann nicht als Beschneidung der freien Wohnsitzwahl angesehen werden. Sie stellt vielmehr eine sachgerechte Abgrenzung für den Einsatz öffentlicher Haushaltsmittel dar. Ist also einem aus dem Dienstverhältnis ausgeschiedenen bzw. ausscheidenden Berufssoldaten die Berufsbegründung am bisherigen Wohnort durchaus möglich, erscheint ihm jedoch die Tätigkeit an einem anderen Ort aus seiner Sicht nützlicher, bleibt ihm ein Umzug auf eigene Kosten unbenommen.“

21

beschränke sich nur in seinem Betreff auf den Begriff der Notwendigkeit des Umzuges, regele aber tatsächlich zugleich die Ausübung des der Behörde gesetzlich eingeräumten Ermessens und enthalte insoweit ausdrücklich Ausführungen zum Einsatz öffentlicher Haushaltsmittel. Im Sinne einer einheitlichen Verwaltungspraxis zur Wahrung des Gleichheitssatzes binde der Erlass die Ausübung des Ermessens für die Fälle, in denen weder Fürsorgepflicht noch Billigkeit die Gewährung einer Umzugskostenvergütung erforderten. Im Falle des Klägers hätten die „vorgenommenen Abwägungen“ im Hinblick auf die beschränkten Haushaltsmittel ergeben, dass eine Umzugskostenvergütung nicht zu gewähren sei. Dem Kläger wäre eine Tätigkeit als (selbständiger) Rechtsanwalt objektiv ohne weiteres auch in Köln möglich und zumutbar gewesen. Ein wirtschaftlicher Erfolg sei an keinem Niederlassungsort garantiert oder ausgeschlossen. Das vom Verwaltungsgericht herangezogene Merkmal der „Aufrechterhaltung des Lebensstandards“ führe im Falle des Klägers nicht zu einem Anspruch auf Gewährung der Umzugskostenvergütung. Normzweck sei nicht die Erhaltung des bisherigen Einkommensniveaus, sondern die Unterstützung einer weiteren beruflichen Tätigkeit, soweit die gewährte Versorgung im Hinblick auf das Eintrittsalter in den Ruhestand als nicht mehr ausreichend anzusehen sei. In Fällen wie jenem des Klägers bedürfe es keiner substantiellen Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit, um einen angemessenen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Es handele sich um einen Stabsoffizier der Besoldungsgruppe A 15, der dem Regelfall entsprechend mit Ablauf des 59. Lebensjahres in den Ruhestand getreten sei, also nur drei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 SG. Ein derartiger Offizier habe - die Besonderheiten eines Seiteneinstieges als Jurist nicht berücksichtigend - ein beträchtliches laufendes Ruhegehalt zu erwarten. Hinzu trete ein Ausgleich nach § 38 SVG. Als früherer Berufssoldat im Rang eines Stabsoffiziers und mit der Befähigung zum Richteramt sei er zur Aufstockung seines Ruhegehaltes auf ein der Fürsorgepflicht des Dienstherrn entsprechendes Niveau nicht angewiesen. Insbesondere sei er nicht darauf angewiesen, aus dem Raum Köln wegzuziehen. Im Hinblick auf die Lebenshaltungskosten auf Sylt würde die Aufnahme einer rechtsanwaltlichen Tätigkeit in Köln zur Aufrechterhaltung eines angemessenen Lebensstandards mit Blick auf die umfangreiche Versorgung des Klägers
- wenn überhaupt - einen vergleichsweise deutlich niedrigeren Zuverdienst erfordern. Auch deshalb komme sie, die Beklagte, zu der Einschätzung, dass es dem Kläger im Jahr 2012 auch in Köln möglich gewesen wäre, als selbständiger Rechtsanwalt einen Lebensstandard zu erhalten, der aus Fürsorgegründen keiner weiteren Unterstützung bedürfe. Vor diesem Hintergrund könne der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt werden, wonach das Ermessen im vorliegenden Falle dahingehend reduziert gewesen sei, dass nur die Bewilligung der beantragten Umzugskostenvergütung als ermessensfehlerfreie Entscheidung anzusehen sei.

22

Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer, Einzelrichterin - vom 31. Oktober 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

26

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht ergänzend geltend, die Argumentation der Beklagten, ihm, dem Kläger, sei eine Tätigkeit als (selbständiger) Rechtsanwalt auch in Köln möglich und zumutbar gewesen, gehe fehl. Er sei in der Rechtsanwaltskanzlei ... und ... auf Sylt als Arbeitnehmer - zunächst als juristischer Mitarbeiter, sodann als Rechtsanwalt - tätig. Daher sei es unerheblich, ob er sich in Köln als selbständiger Anwalt hätte niederlassen können. Für die Begründung seines Berufes als angestellter Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft in der Kanzlei ... und ... in Westerland/Sylt habe er dorthin umziehen müssen. Doch auch eine Aufnahme des Berufes als selbständiger Einzelanwalt in Köln hätte mit Blick auf die dortige Anwaltsdichte nicht dazu geführt, dass er als 59-jähriger Berufsanfänger ohne weitere Spezialisierung in absehbarer Zeit mit einem betriebswirtschaftlichen Gewinn hätte rechnen können. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei es unerheblich, ob es keiner substantiellen Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit bedurft hätte, um einen angemessenen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Durch die Argumentation der Beklagten würde die Freiheit der Berufswahl eingeschränkt. Schließlich sei mit dem Verwaltungsgericht darauf zu verweisen, dass der genannte Erlass keine Richtlinien für die Ermessensausübung beinhalte, sondern der Auslegung des Begriffs der Notwendigkeit des Umzuges im Sinne des § 62 Abs.3 SVG diene. Auch der Verweis auf das Gebot, Haushaltsmittel sparsam zu verwenden, sei für sich genommen nicht geeignet, die Bewilligung der Umzugskostenvergütung abzulehnen. Von einer Ermessensreduzierung auf Null sei zudem auszugehen, wenn man berücksichtige, dass es sich bei der Stadt Köln gerade nicht um einen von ihm, dem Kläger, selbst gewählten Wohnort handele.

27

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten - diese haben dem Senat vorgelegen - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die Berufung ist zulässig und begründet.

29

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung der von ihm beantragten Umzugskostenvergütung.

30

Nach § 62 Abs. 3 SVG können einem Berufssoldaten, der vor Erreichen der nach § 45 Abs. 1 des Soldatengesetzes geltenden allgemeinen Altersgrenze in den Ruhestand getreten oder wegen Dienstunfähigkeit entlassen worden ist, auf Antrag einmalig die Leistungen nach den §§ 6 bis 8 und 9 Abs. 1 und 3 des Bundesumzugskostengesetzes bewilligt werden (Satz 1). Die Bewilligung ist nur zulässig, wenn der Umzug an einen anderen Ort als den bisherigen Wohnort zur Begründung eines neuen Berufs erforderlich gewesen und aus besonderen Gründen innerhalb eines Jahres vor Beendigung des Dienstverhältnisses oder innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt in den Ruhestand oder nach der Entlassung durchgeführt und Umzugskostenvergütung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr.1 des Bundesumzugskostengesetzes noch nicht gewährt worden ist (Satz 2).

31

Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG ist nicht erfüllt, wenn die Begründung des neuen Berufs auch am bisherigen Wohnort des die Umzugskostenvergütung begehrenden Soldaten möglich und ihm zumutbar gewesen wäre. Das ergibt sich bereits aus dem Begriff der Erforderlichkeit und dem Regelungszusammenhang der genannten Gesetzesvorschrift. Danach soll eine Umzugskostenvergütung nur dann bewilligt werden, wenn der Umzug an einen anderen Ort als den bisherigen Wohnort unabdingbare Voraussetzung für die Begründung des jeweils in Frage stehenden neuen Berufs ist und dieser Beruf somit gerade nicht am bisherigen Wohnort ergriffen und ausgeübt werden kann. Darüber hinaus ist bei der Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit im Sinne der genannten Gesetzesvorschrift zu berücksichtigen, dass die Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes die Fürsorgepflicht des Dienstherrn konkretisieren und daher lediglich eine durch sonstige Regelungen - insbesondere Alimentations-regelungen - nicht abgedeckte Fürsorgebedürftigkeit der betreffenden Soldaten voraussetzen. In umzugsrechtlicher Hinsicht ist eine Fürsorgebedürftigkeit im Hinblick auf die „Begründung eines neuen Berufs“ objektiv dann grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Beruf auch am „bisherigen Wohnort“ begründet und ausgeübt werden kann. Das entspricht auch dem insoweit zu beachtenden haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Allein die vorangehend dargestellte Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit vermag einen möglichst sparsamen Einsatz öffentlicher Haushaltsmittel zu garantieren. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil der Begriff „neuer Beruf“ entsprechend dem Erlass weit auszulegen und hierunter jeder nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis als Berufssoldat auszuübende Beruf zu verstehen ist, der zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, nicht nur vorübergehend ausgeübt wird und den ehemaligen Berufssoldaten überwiegend, also nicht nur geringfügig, in Anspruch nimmt.

32

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Bewilligung einer Umzugskostenvergütung im Falle des Klägers unzulässig, weil sein Umzug von Köln nach Westerland/Sylt zur Begründung seines neuen Berufs „als Rechtsanwalt“ - eine weitere Differenzierung hat der Kläger in dem seinem Antrag auf Bewilligung einer Umzugskostenvergütung beigefügten Begleitschreiben nicht vorgenommen - nicht erforderlich gewesen ist. Denn der Kläger hätte seinen neuen Beruf „als Rechtsanwalt“ auch in Köln begründen und ausüben können. Durchgreifende Hinderungsgründe sind vom Kläger insoweit nicht geltend gemacht worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich. Keinesfalls ausreichend ist insoweit der nicht weiter substantiierte klägerische Hinweis auf die in Köln bestehende größere Anwaltsdichte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen, der Kläger sei in der Kanzlei ... und ... in Westerland/Sylt als freier Mitarbeiter tätig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gehindert gewesen wäre, eine derartige Tätigkeit auch in einer Rechtsanwaltskanzlei in Köln aufzunehmen.

33

Eine für den Kläger im Ergebnis günstigere Beurteilung ergäbe sich auch dann nicht, wenn man entsprechend der Ansicht des Verwaltungsgerichts das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG als erfüllt ansähe. Für diesen Fall hat die Beklagte hilfsweise das ihr insoweit zustehende Ermessen fehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass dem Kläger die beantragte Umzugskostenvergütung nicht zu bewilligen sei. Auch wenn die Beklagte ihr Ermessen im Ausgangsbescheid vom 23. Januar 2012 noch nicht betätigt hat, so hat sie dieses jedoch im Beschwerdebescheid vom 5. April 2012 getan und ihre diesbezüglichen Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO in ihrer Berufungsbegründung ergänzt. Dabei kann es auf sich beruhen, ob der Erlass sich auf die Konkretisierung des Begriffs der Erforderlichkeit im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 2 SVG beschränkt oder im Ergebnis auch die Ausübung des Ermessens gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 SVG im Sinne einer einheitlichen Verwaltungspraxis zur Wahrung des Gleichheitssatzes für die Fälle bindet, in denen weder Fürsorgepflicht noch Billigkeit die Gewährung einer Umzugskostenvergütung erfordern. Entscheidend ist insoweit allein, dass - hiervon ist nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung auszugehen - die ständige Verwaltungspraxis der Beklagten hinsichtlich der Bewilligung einer Umzugskostenvergütung nach § 62 Abs. 3 SVG den Regelungen des Erlasses im Ergebnis entspricht und danach die Umzugskostenvergütung nicht bewilligt wird, wenn die Ausübung des gewählten Berufs bzw. die Schaffung einer neuen beruflichen Existenz auch am bisherigen Wohnort möglich ist und die Fürsorgepflicht oder die Billigkeit die Gewährung einer Umzugskostenvergütung nicht erfordern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei ihrer Ermessensausübung an diese Verwaltungspraxis angeknüpft hat und bei der Abwägung der im vorliegenden Einzelfall maßgeblichen Ermessensgesichtspunkte - insbesondere Fürsorgepflicht, Alimentationsgrundsatz, amtsangemessene Versorgung, Aufrechterhaltung des Lebensstandards, Höhe des Ruhegehalts, haushaltsrechtlicher Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - zu dem Ergebnis gelangt ist, auch die Fürsorgepflicht und die Billigkeit erforderten im Falle des Klägers, der als Oberstleutnant (Besgr. A 15 BBesO) mit Erreichen der Altersgrenze nach § 45 Abs. 2 SG und damit mit Erreichen der für seinen Dienstgrad vorgesehenen Altersbezüge in den Ruhestand getreten ist, die Bewilligung der von ihm beantragten Umzugskostenvergütung nicht. Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch durch die Beklagte sind vom Kläger nicht (substantiiert) geltend gemacht worden und auch im Übrigen nicht erkennbar.

34

Doch selbst wenn die im Beschwerdebescheid enthaltenen Ermessenserwägungen der Beklagten - isoliert beurteilt - als unzureichend und die in der Berufungsbegründung enthaltenen diesbezüglichen Erwägungen nicht als bloße Ergänzungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO anzusehen wären, hätte die Beklagte die ordnungsgemäße Ermessensausübung in ihrer Berufungsbegründung gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 VwVfG zulässigerweise nachgeholt (vgl. zum Verhältnis von § 45 Abs. 2 VwVfG einerseits und § 114 Satz 2 VwGO andererseits Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 114 Rdnr. 51).

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

36

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.


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