Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 LB 7/10

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig- Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 7. Kammer- vom 19. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt auch im zweien Rechtszug einen Zuschlag von 20% (sog. Ledigenzuschlag) zu seiner Altersrente.

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Der 1948 geborene Kläger ist Rechtsanwalt und seit September 1986 Mitglied des beklagten Versorgungswerks. Seit dem 1. April 2008 bezieht er eine vorgezogene Rente vom Beklagten. Der Kläger ist seit 1999 geschieden, der Versorgungsausgleich ist bisher nicht durchgeführt worden. Der Kläger ist seiner geschiedenen Frau gegenüber nicht zum Unterhalt verpflichtet. Er hat einen 1983 geborenen Sohn, der sich bei Bewilligung der Rente noch in der Ausbildung befand. Vor der Beantragung der Rente erkundigte sich der Kläger wiederholt beim Beklagten, welche Auswirkungen die Tatsache, dass der Versorgungsausgleich noch nicht durchgeführt sei, auf den Zuschlag von 20 % haben würde. Ihm wurde daraufhin mitgeteilt, dass man sich ohne nähere Informationen zu dem schwebenden Versorgungsausgleichsverfahren nicht in der Lage sehe, seine Fragen zur Höhe der Rente und dem Zuschlag zu beantworten. Mit Schreiben vom 7. April 2008 stellte der Kläger vorsorglich einen Rentenantrag ab 1. April 2008, wobei er darauf hinwies, dass er davon ausgehe, dass der Inhalt seiner Ausführungen - d.h. die Fragen zum Zuschlag - zutreffend sei. Außerdem gehe er davon aus, dass er als Anwalt weiterarbeiten könne, ohne dass eine Anrechnung seiner Einkünfte auf die Rente erfolge. Diese Annahme bestätigte der Beklagte, und übersandte dem Kläger ein Formblatt für den Rentenantrag. In diesem Formblatt gab der Kläger seinen Sohn in der Spalte der über 18 Jahre alten Kinder, die sich in Schul- bzw. Berufsausbildung befinden, an.

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Mit Bescheid vom 10. Juni 2008 setzte der Beklagte die Altersrente auf 1.872,15 € fest. Wegen der vorzeitigen Rente erfolgte ein Abzug von 23,60 %, den sogenannten Ledigenzuschlag gewährte der Beklagte nicht. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 5. August 2008 als unbegründet zurück. Der Zuschlag in Höhe von 20 % nach § 13 Abs. 8 der Satzung des Beklagten könne nicht gewährt werden. Voraussetzung für den Zuschlag sei, dass auch in der theoretischen Betrachtung keine weiteren Personen vorhanden seien, die rentenberechtigt seien oder werden könnten. Sein 1983 geborener Sohn habe bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres Anspruch auf Waisenrente.

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Der Kläger hat am 18. August 2008 Klage erhoben mit der er geltend gemacht hat, dass es hier nicht darum gehe, dass sein Sohn zwar theoretisch rentenberechtigt werden könne. Die Satzung stelle bewusst nicht auf die Prüfung eines theoretischen Anspruchs ab, sondern ausschließlich auf eine vom Mitglied abzugebende verbindliche Erklärung. Hätte der Satzungsgeber eine Prüfverpflichtung des Beklagten gewollt, hätte er nicht die Notwendigkeit einer verbindlichen Erklärung formuliert. Eine solche Erklärung habe niemand von ihm gefordert, er gebe sie hiermit aber ab. Sein Sohn sei ihm gegenüber nicht unterhaltsberechtigt. Er sei zwar noch in der Ausbildung, habe aber Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen von über 700 € im Monat. Nach diesen Einkünften sei nie gefragt worden. Ersichtlich würden Kinder, die Einkünfte erzielten, schlechter behandelt als solche, die Ausbildungsvergütungen erhielten. Wäre sein Sohn nicht in der Ausbildung, hätte er - der Kläger - den Zuschlag von 20 % erhalten. Außerdem könne sein Sohn auf die Bewilligung von Waisenrente verzichten, was er im März 2008 getan habe. Die Erklärung hat der Kläger im Termin vor dem Verwaltungsgericht eingereicht.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid vom 10. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm dem Kläger - einen Zuschlag von 20 % nach § 13 Abs. 8 Versorgungssatzung auf die Rente zu bewilligen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat geltend gemacht, dass der Sohn des Klägers zum Beginn des Rentenbezugs 25 Jahre alt gewesen sei und sich in der Ausbildung befunden habe. Die eindeutige, in der Satzung enthaltene Formulierung zeige, dass es nicht nur auf die Gegenwart, sondern auch auf die Zukunft, mithin eine theoretische Betrachtungsweise ankomme. Bei einem in Ausbildung befindlichen Kind entfalle der Anspruch auf Waisenrente nur dann, wenn ihm aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge von mindestens 614 € monatlich zustünden, was hier nicht der Fall sei. Auf sonstige Einkünfte komme es nicht an. Diese seien im Übrigen nicht belegt. Ein Verzicht auf einen Anspruch auf Waisenrente sei nicht möglich, weil ein solcher in der Satzung nicht vorgesehen sei. Im Übrigen stehe einem Verzicht die Vorschrift des § 1614 BGB entgegen. Schließlich könne auch wegen des laufenden Versorgungsausgleichsverfahrens kein Zuschlag bewilligt werden. Der Zuschlag nach § 13 Abs. 8 der Satzung sei gemindert, solange in Folge des Versorgungsausgleichs die Anwartschaft im Versorgungswerk gemindert sei. Ein laufendes Versorgungsausgleichsverfahren stehe in Ansehung dieser Bestimmungen auch der Gewährung des Zuschlages entgegen. Nach Beginn des Rentenbezugs sei auch ein Auffüllen der übertragenen Anwartschaften nicht mehr möglich.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den Einzelrichter durch Urteil vom 19. Mai 2009 abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei bei Beginn der Altersrente mit seinem Sohn eine Person vorhanden gewesen, die rentenberechtigt hätte werden können. Dieser habe sich bei Rentenbeginn noch in der Ausbildung befunden und sei keine 27 Jahre alt gewesen. Seine Einkünfte, die zudem nicht belegt seien, seien keine „Bezüge aus einem Ausbildungsverhältnis“ und führten daher nicht zu einem Entfallen des Anspruchs auf Waisenrente. Das Risiko, Hinterbliebenenrente gewähren zu müssen, sei nicht durch die Verzichtserklärung des Sohnes aus März 2008 entfallen. Zum einen sei nicht nachvollziehbar, warum diese angeblich aus März 2008 stammende Erklärung erst jetzt vorgelegt werde und nicht bereits bei Stellung des Rentenantrags. Es sei auch fraglich, ob auf einen in der Zukunft liegenden Anspruch auf Waisenrente überhaupt wirksam verzichtet werden könne. Entscheidend sei jedoch, dass ein solcher Verzicht, wenn er denn erklärt werden könne, hier unbeachtlich sei. Der Sohn habe den Verzicht nur deswegen erklärt, um seinem Vater den Zuschlag zur Rente zu sichern. Damit habe er die satzungsrechtlichen Regelungen umgehen wollen. Es liege mithin ein Gestaltungsmissbrauch vor. Da bereits aus diesem Grund der Zuschlag entfalle, bedürfe es keiner Entscheidung mehr, ob auch das noch nicht abgeschlossene Versorgungsausgleichsverfahren der Zuschlaggewährung entgegenstünde.

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Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Ein Verzicht, wie ihn sein Sohn erklärt habe, sei nach der Satzung möglich. Schließlich komme es auf die verbindliche Erklärung des Mitglieds bei Rentenbeginn an, dass keine Personen vorhanden seien, die rentenberechtigt werden könnten. Er habe diese Erklärung bei Rentenbeginn abgegeben und immer wiederholt. Der Beklagte dürfe sich nach Treu und Glauben nicht auf Versäumnisse des Klägers im Zusammenhang mit der Abgabe einer Erklärung berufen und ihm deshalb die Erhöhung versagen, weil er selbst gegen § 35 der Satzung, wonach dem Versorgungswerk die allgemeine Aufklärung ihrer Mitglieder und Rentenempfänger über deren Rechte und Pflichten obliege, verstoßen habe.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 19. Mai 2009 zu ändern und den Bescheid vom 10. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm einen Zuschlag in Höhe von 20 % nach § 13 Abs. 8 VersS auf die Rente zu gewähren und zwar ab 1. April 2008.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil und legt Berechnungen vor, wonach die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu einer höheren Belastung des Versorgungsträgers führen könne, was die Streichung des „Ledigenzuschlag“ rechtfertige.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Zuschlags von 20 % auf seine Altersrente.

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Nach § 13 Abs. 8 der Satzung über das Schleswig-Holsteinische Versorgungswerk für Rechtsanwälte vom 6. Juni 2007 - im Folgenden VerS - erhält das versorgungsberechtigte Mitglied einen Zuschlag von 20 v. H. zu der festgesetzten Altersrente, wenn nach verbindlicher Erklärung des Mitgliedes bei Beginn der Altersrente keine sonstigen Personen vorhanden sind, die rentenbezugsberechtigt sind oder werden können.

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Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. In dem Formularantrag auf Altersrente, den der Kläger am 10. Mai 2008 unterschrieben hat, hat der Kläger unter Nummer 3 b) „Name der Kinder über 18 Jahre, die sich in Schul- bzw. Berufsausbildung befinden oder infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten“, seinen damals 25-jährigen Sohn angegeben. Eine verbindliche Erklärung, dass dieser nicht rentenberechtigt werden könne, war dem Formular nicht beigefügt. Die angeblich im März 2008 vom Sohn des Klägers abgegebene Erklärung, dass er auf die Waisenrente verzichte, da er demnächst 27 Jahre alt werde, die Ausbildung im Jahr 2009 ende und er über genügend eigene Einkünfte verfüge, hat der Kläger ebenso wie seine eigene Erklärung von März 2008, dass keine weiteren rentenberechtigt werdenden Personen vorhanden seien, erst im Termin vor dem Verwaltungsgericht eingereicht. Damit lag die entsprechende Erklärung bei Rentenbeginn nicht vor. Wäre der Kläger nach Rentenbeginn verstorben, hätte sein Sohn Anspruch auf Waisenrente bis zum 27. Lebensjahr gehabt.

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Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, dass der Beklagte ihn nie zu einer verbindlichen Erklärung aufgefordert habe. Mit dem Formblatt zum Antrag auf Altersrente ist der Kläger zur Abgabe verbindlicher Angaben aufgefordert worden. Dass der Beklagte die Angabe von Kindern über 18 Jahre, die sich in der Ausbildung befinden, fordert, kann nur bedeuten, dass dieser Personenkreis beim Tod des Mitglieds rentenberechtigt werden kann. Wenn der Kläger schon damals die Verzichtserklärung seines Sohnes besessen hätte, hätte nichts näher gelegen, als diese sofort einzureichen. Es mag nämlich Konstellationen geben, wo ein solcher Verzicht wirksam erklärt werden kann, etwa wenn das Mitglied dem Sohn gegenüber nicht mehr unterhaltspflichtig ist, weil z.B. schon eine Ausbildung finanziert worden ist. Es bestand für den Beklagten auch kein Anlass, den Kläger schon im Vorwege über die Folgen für seine Rente zu unterrichten, da der Beklagte keine Kenntnis von der Existenz eines Sohnes in Ausbildung hatte.

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Unabhängig vom Sohn ist aber noch eine weitere Person vorhanden, die rentenberechtigt werden kann, nämlich die geschiedene Ehefrau des Klägers. Die Ehe des Klägers ist zwar seit Jahren geschieden, ein Versorgungsausgleich ist jedoch nicht durchgeführt worden. Wenn der Kläger jetzt, also vor der rechtskräftigen Durchführung des Versorgungsausgleichs, stürbe, hätte die geschiedene Ehefrau nach heutigem Recht Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung gegen den Beklagten entweder nach § 25 Abs. 1 Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG - oder aber nach § 31 VersAusglG. Dieser Anspruch ist zwar gegen die Erben geltend zu machen, die Rente müsste aber der Beklagte leisten. Das Versorgungsausgleichsgesetz ist allerdings erst am 1. September 2009 und damit nach Rentenbeginn in Kraft getreten.

23

Nach der bei Beginn der Rentenzahlung geltenden Rechtslage wäre die Ehefrau des Klägers in der Zeit zwischen rechtskräftiger Scheidung (Verlust der Hinterbliebenenrente) und Durchführung des Versorgungsausgleichs (Übertragung von Anwartschaften für eine eigene Rente) ebenfalls nicht schutzlos gewesen ist. Nach § 1587e Abs. 4 BGB in der bis 31. August 2009 geltenden Fassung erlosch der Ausgleichsanspruch nicht mit dem Tod des Verpflichteten. Er war gegen die Erben geltend zu machen. Die geschiedene Ehefrau hätte bei Tod des Klägers das anhängige Verfahren über den Versorgungsausgleich gegen den Erben des Klägers fortsetzen müssen, mit der Folge, dass sie aus der Versorgung des Klägers Rente bzw. Rentenanwartschaften erhalten hätte. Damit war sowohl zum Zeitpunkt des Rentenbeginns, auf den es nach der Satzung ankommt, als auch jetzt noch mit der geschiedenen Ehefrau des Klägers eine Person vorhanden, die rentenberechtigt werden kann. Damit kommt es auf die vom Senat zwischenzeitlich erhobenen Erwägungen, ob mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs eine Risikoerhöhung verbunden ist und ob hinsichtlich des Sohnes wegen der zu erwartenden relativ geringen Waisenrente für eine kurze Zeit die Streichung des Zuschlag für die gesamte Rentenbezugsdauer gerechtfertigt ist, nicht an.

24

Weil die geschiedene Ehefrau nach dem Tod des Klägers Ansprüche gegen den Beklagten erworben hätte - und auch jetzt noch erwürbe -, ein Anspruch auf Zahlung des „Ledigenzuschlags“ aber die Beendigung der Rentenzahlung mit dem Tod des Mitglieds voraussetzt, fehlen die Voraussetzungen für den Zuschlag, sodass die Berufung zurückzuweisen ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

26

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.


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