Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 MB 25/15

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 09.09.2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf
  1.250,00 Euro
festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen den Vollzug einer Nutzungsuntersagungsverfügung mit Festsetzung eines Zwangsgeldes. Durch Bescheid vom 10.11.2010 wurde ihm aufgegeben, die

2

„bauaufsichtlich ungenehmigte Nutzung der zusätzlich errichteten Wohneinheiten im Bereich des KG sowie DG auf dem Grundstück …, … (...) ... innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung ... einzustellen und so lange nicht wieder aufzunehmen, solange die bisherige Rechtslage unverändert ist und [er] nicht im Besitz einer hierfür erforderlichen Baugenehmigung“ ist.

3

Für den Fall der Nichtbefolgung wurde dem Antragsteller ein Zwangsgeld i. H. v. 4.000,00 Euro angedroht.

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Den dagegen eingelegten Widerspruch hat der Antragsteller zurückgenommen.

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Aufgrund einer im Jahre 2013 festgestellten Vermietung der Kellerwohnung wurde gegen den Antragsteller mit Bescheid vom 16.09.2013 ein Zwangsgeld in Höhe von 1.300,00 Euro festgesetzt und für den Fall der weiteren Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 Euro angedroht. Das Zwangsgeld wurde vom Antragsteller bezahlt.

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Nachdem der Antragsgegner Mitte 2015 erneut eine Wohnnutzung „im Keller“ festgestellt hatte, setzte er mit Bescheid vom 14.07.2015 ein Zwangsgeld i. H. v. 2.500,00 Euro gegen den Antragsteller fest, forderte ihn zur Befolgung der Nutzugsuntersagungsverfügung vom 10.11.2010 innerhalb von 14 Tagen auf und drohte für den Fall der weiteren Nichtbefolgung ein erneutes Zwangsgeld i. H. v. 3.500,00 Euro an.

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Der Antragsteller hat dagegen Widerspruch erhoben und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt.

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Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag durch Beschluss vom 09.09.2015 entsprochen, soweit ein erneutes Zwangsgeld angedroht worden ist und den Antrag im Übrigen abgelehnt.

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Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

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Er ist der Ansicht, aus dem Bescheid vom 10.11.2010 sei nicht eindeutig zu entnehmen, dass er eine Wohnnutzung durch Dritte auch durch Kündigung einer vertragswidrigen Nutzung zu unterbinden habe. Der Zwangsgeldfestsetzung stehe ein Vollstreckungshindernis entgegen, das erst durch eine Duldungsverfügung an die Mieterin überwindbar sei; eine solche fehle.

II.

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Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein (noch) die Zwangsgeldfestsetzung. Das Verwaltungsgericht hat insoweit den Antrag des Antragstellers gem. § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt; die Beschwerde dagegen ist unbegründet. Die zur Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

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1. Die Zwangsgeldfestsetzung vom 14.07.2015 dient dem Vollzug der - bestandskräftigen - Nutzungsuntersagungsverfügung vom 10.11.2010 (§ 229 Abs. 1 Nr. 1 LVwG SH). Das festgesetzte Zwangsgeld ist in dem - ebenfalls bestandskräftigen - Bescheid vom 16.09.2013 angedroht worden (§ 236 Abs. 1 LVwG).

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1.1 Nach der Nutzungsuntersagungsverfügung vom 10.11.2010 hat der Antragsteller (u. a.) die Nutzung des Kellergeschosses seines Hauses „einzustellen und so lange nicht wieder aufzunehmen, solange die bisherige Rechtslage unverändert ist und [er] nicht im Besitz einer hierfür erforderlichen Baugenehmigung“ ist. Der Inhalt dieses Gebots ist hinreichend bestimmt; die Verfügung enthält - mit einem Wort - eine Unterlassungspflicht des Antragstellers, der als Grundstückseigentümer und (damit auch) als Vermieter angesprochen wird. Die Unterlassungspflicht bezieht sich auf eine „bauaufsichtlich ungenehmigte Nutzung“ und gilt für „die zusätzlich errichteten Wohneinheiten im Bereich des KG sowie DG“. Der Begriff „Nutzung“ wird umfassend gebraucht und umfasst somit sowohl eine eigene (ungenehmigte) Nutzung durch den Antragsteller als auch eine Nutzung durch Dritte. Inhaltlich enthält sie das Gebot, die beanstandete Nutzung (einmalig) einzustellen sowie - im Sinne eines Dauerverwaltungsakts - das Verbot, eine ungenehmigte Nutzung wieder aufzunehmen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 19.12.1995, 11 A 2734/93, UPR 1996, 458). Die Unterlassungspflicht gilt nach dem Wortlaut und dem erkennbaren Sinn des Bescheides vom 10.11.2010 für jedwede ungenehmigte Nutzung der betroffenen Räume, also nicht nur für eine (ungenehmigte) Wohnnutzung. Indem im Bescheid die „zusätzlich errichteten Wohneinheiten“ erwähnt werden, wird nicht der Inhalt des Verbots, sondern nur dessen gegenständlicher Bezugspunkt angegeben.

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1.2 Die Festsetzung eines Zwangsgeldes ist auf der genannten Grundlage zulässig, wenn der Pflichtige der Unterlassungspflicht zuwider handelt (§ 237 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 LVwG SH). Dabei kann jeder Verstoß gegen die Unterlassungspflicht zu einer Festsetzung von Zwangsgeld führen; dem entsprechend ist bereits der Zwangsgeldandrohung (hier: vom 16.09.2013) zu entnehmen, dass jede Zuwiderhandlung ohne Weiteres die Festsetzung und Beitreibung des Zwangsgeldes nach sich ziehen kann. Dies kann dem Antragsteller nicht entgangen sein.

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1.2.1 Der Antragsteller hat gegen die bestandskräftige Nutzungsuntersagungsverfügung vom 10.11.2010 - bereits - verstoßen, indem er die im Keller seines Hauses befindlichen Räume Dritten zu (Nutzungs-)Zwecken überlassen hat, die baurechtlich nicht genehmigt sind. Das ergibt sich aus dem vom Antragsteller - im erstinstanzlichen Verfahren - vorgelegten Mietvertrag „für Kontore, gewerbliche Räume ...“ vom 08.07.2014, der u. a. eine Nutzung als „Büro/Lagerfläche“ vorsieht. Eine Baugenehmigung, die solche Nutzungen abdeckt, liegt ersichtlich nicht vor. Insbesondere die Nutzung der Räume als Büro (Kontor) erfordert es, dass die Anforderungen an Aufenthaltsräume erfüllt sind (vgl. § 2 Abs. 5, § 48 LBO SH), was nicht der Fall ist (Schreiben des Antragsgegners vom 21.08.2009; Beiakte A, Bl. 20). Der Antragsgegner weist überdies - unwidersprochen - darauf hin, dass die Inneneinrichtung der überlassenen Kellerräume (Küche, Bad) der bereits 2008 festgestellten Inneneinrichtung entspricht (Schriftsatz vom 24.08.2015, S. 2).

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1.2.2 Ob ein - weiterer - Verstoß gegen die dem Antragsteller auferlegte Unterlassungspflicht darin liegt, dass er einer Untervermietung zu Wohnzwecken zugestimmt oder diese (bis dato) hingenommen hat (vgl. § 17 Abs. 1 des Mietvertrages), kann im Hinblick auf den bereits mit Abschluss des Mietvertrages vom 08.07.2014 gegebenen Verstoß offen bleiben.

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Der Umstand, dass der Antragsgegner dem bereits im Juli 2014 erfolgten Verstoß erst ein (knappes) Jahr später das festgesetzte Zwangsgeld hat folgen lassen, ist rechtlich unerheblich; aus den Akten ist ersichtlich, dass der Antragsgegner den Fall kontinuierlich unter Kontrolle gehalten und von dem Verstoß erst im Juni 2015 Kenntnis erlangt hat.

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1.3 Der die Zwangsgeldfestsetzung begründende Verstoß gegen die Unterlassungspflicht gem. Bescheid vom 10.11.2010 (oben 1.2.1) lässt sich - entgegen der Ansicht des Antragstellers - nicht dadurch in Frage stellen, dass sich seine Mieterin „nicht an die mietvertragsrechtlichen Vereinbarungen hält.“ Das Verhalten (oder Unterlassen) der Mieterin liegt zeitlich nach dem Verstoß des Antragstellers gegen die ihm auferlegte Unterlassungspflicht. Der Antragsteller hat durch eine Überlassung der Kellerräume zu einer nicht genehmigten Nutzung als Aufenthaltsraum (Kontor, Büro o. a.) gleichsam „Fakten“ geschaffen, die durch die im Bescheid vom 10.11.2010 bestimmte Unterlassungspflicht gerade vermieden werden sollten.

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Soweit der Antragsteller (mit Hinweis auf den Beschluss des OVG Münster vom 24.11.1988, 7 B 2677/88, Juris) meint, der Antragsgegner hätte sich nicht an ihn als Eigentümer und Vermieter, sondern an die Mieterin bzw. Untermieterin halten müssen, betrifft dies die sog. Störerauswahl, die bereits im bestandskräftigen Bescheid vom 10.11.2010 erfolgt ist. Anzumerken ist, dass eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Eigentümer und Vermieter nicht nur nach dem Inhalt der Unterlassungspflicht (oben 1.1), sondern auch deshalb sachgerecht ist, weil die Mieter bzw. Untermieter der betroffenen Räume der zuständigen Behörde nicht bekannt waren (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.09.2015, 1 ME 118/15, Juris). Das Vorgehen gegen den Vermieter fördert dann eine effektive Gefahrenabwehr.

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1.4 Der mit der Zwangsgeldfestsetzung verbundene Beugezweck des Verwaltungsvollzugs bleibt erhalten. Der Antragsteller kann der fortbestehenden Unterlassungspflicht mit geeigneten zivilrechtlichen Mitteln entsprechen; welche Maßnahmen er insoweit gegenüber der Mieterin bzw. (auch) der Untermieterin, die - ersichtlich - keinen Anspruch auf Erteilung einer sog. Untermieterlaubnis hat, ergreift, bleibt ihm überlassen (vgl. §§ 540 Abs. 1 S. 1, 541, 543, 546 Abs. 2 BGB). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Antragsteller die Geltendmachung und Durchsetzung seiner Rechte als Vermieter gegenüber der Mieterin bzw. der Untermieterin rechtlich unmöglich oder unzumutbar war und ist.

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1.5 Die Ansicht des Antragstellers, die Zwangsgeldfestsetzung verfehle ihren Zweck, weil sie der Mieterin weiterhin die Möglichkeit belasse, die Mieträume im Keller illegal zu nutzen, vermag den Erfolg seiner Beschwerde nicht zu begründen. Das Gleiche gilt für die Annahme, dass es einer Duldungsverfügung an die Mieterin bedürfe. Der Antragsteller übersieht, dass das festgesetzte Zwangsgeld nicht dem Vollzug einer Handlungspflicht, sondern demjenigen einer Unterlassungspflicht dient.

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Wäre der Antragsteller nach dem Inhalt der Nutzungsuntersagung unmittelbar zu einem positiven „Tun“ verpflichtet, etwa zur Räumung der Mieträume, wäre an die Möglichkeit zu denken, dass die Mieterin bzw. die Untermieterin den Vollzug einer solchen Pflicht des Antragstellers (Vermieters) aus rechtlichen Gründen zumindest temporär verhindern könnte; in diesem Fall wäre der Erlass einer (sofort vollziehbaren) Duldungsverfügung an die Mieterin bzw. Untermieterin zu erwägen. Eine Duldungsverfügung darf indes nicht rein vorsorglich ausgesprochen werden; ein Bedarf dafür besteht nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Mieterin bzw. Untermieterin gegen den Vollzug aus „eigenem“ Recht Einwände erheben wird (vgl. OVG Münster, Beschl., v. 09.04.2014, 15 B 234/14, ZMR 2014, 757 sowie Beschl. v. 22.11.2013, 2 A 923/13, BauR 2014, 1276).

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Im vorliegenden Fall stellen sich diese Fragen nicht, denn der Vollzug gilt einer Unterlassungspflicht (s.o. 1.1), die allein dem Antragsteller auferlegt ist und deren Beachtung schon im Ansatz zu keiner Berührung mit Rechten Dritter - der Mieterin bzw. der Untermieterin - führt. Die vom Antragsteller als „rechtshindernd“ eingewandten Betroffenheiten der Mieterin bzw. der Untermieterin sind erst durch sein eigenes, die Unterlassungspflicht verletzendes Verhalten entstanden. Das an die vorherige Verletzung der Unterlassungspflicht anknüpfende Zwangsgeld wird dadurch in keiner Weise in Frage gestellt.

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1.6 Im Hinblick auf das weitere Verfahren wird angemerkt, dass das festgesetzte Zwangsgeld die fortwirkende Verbindlichkeit der Nutzungsuntersagung vom 10.11.2010 unberührt lässt. Der Antragsteller ist danach - jeden Tag neu - verpflichtet, eine ungenehmigte Nutzung der von der genannten Verfügung betroffenen Räume in seinem Haus einzustellen bzw. nicht wieder aufzunehmen, also zu unterlassen.

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Nachdem er gegen diese Verpflichtung - wie ausgeführt (oben 1.2.1) - bereits im Juli 2014 verstoßen hat, konkretisiert sich seine Unterlassungspflicht dahingehend, dass er die Folgen seines pflichtwidrigen Tuns in zumutbarer Zeit effektiv zu beseitigen hat. Dies ist von dem Vollzugstitel im Bescheid vom 10.11.2010 mit umfasst: Indem der Antragsteller den durch seine eigene Pflichtwidrigkeit entstandenen Zustand aufrecht erhält, verstößt er fortlaufend weiter gegen die ihm auferlegte Unterlassungspflicht. Ihm obliegt es - mit anderen Worten - durch geeignete Maßnahmen einen seiner Unterlassungspflicht entsprechenden Zustand herbeizuführen (vgl. Gruber, MüKo ZPO, 2012, § 890 Rn. 6, 7), indem er die ungenehmigte Nutzung der im Bescheid vom 10.11.2010 genannte Räume in seinem Haus zeitnah und effektiv beendet. Der Antragsteller verkennt diese Situation, wenn er annimmt, ihn treffe kein „aktives ... Handlungsgebot, durch Kündigung die Wohnnutzung durch Dritte zu beenden“ (S. 5 der Beschwerdebegründung).

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Nach dem (insoweit hier nicht angefochtenen) Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 09.09.2015 (S. 4 d. Abdr.) wird der Antragsgegner über eine angemessene Frist zur Befolgung der Nutzungsuntersagung durch den Antragsteller zu befinden haben. Gegen die Unterlassungspflicht würde der Antragsteller - erneut (mit Zwangsgeldfolge) - verstoßen, wenn er diese Frist durch „Nichtstun“ verstreichen ließe, was auch der Fall wäre, wenn zivilrechtliche Möglichkeiten nicht effektiv ausgeschöpft würden. Insoweit bedarf es keiner vorherigen Duldungsverfügung an die Mieterin bzw. Untermieterin (s. o. 1.5). Legt man den vom Antragsteller vorgelegten Mietvertrag vom 08.07.2014 zugrunde, stehen einer Kündigung Schutzvorschriften des Wohnraummietrechts von vornherein nicht entgegen, so dass an die Effizienz des rechtlichen Vorgehens des Antragstellers zur Befolgung der bestandskräftigen Nutzungsuntersagung vom 10.11.2010 erhöhte Anforderungen zu stellen sind.

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2. Die Beschwerde ist nach alledem zurückzuweisen.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG (1/2 des festgesetzten Zwangsgeldes).

29

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


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