Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 MB 42/19

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 1. Kammer - vom 12. April 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 12. April 2019 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

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1. Gegenstand des Verfahrens sind zwei tierschutzrechtliche Verfügungen der Antragsgegnerin vom 4. Februar 2019, mit denen gegenüber den Antragstellern jeweils die Veräußerung von sieben Pferden, elf Ziegen, zwei Gänsen und sechs Hühnern mit Sofortvollzug angeordnet wird; die Tiere waren den Antragstellern zuvor durch Verfügungen vom 14. Januar 2019 im Wege des Sofortvollzuges fortgenommen und untergebracht worden.

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2. In Bezug auf die Hühner hält das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO bereits für unzulässig. Den Antragstellern stehe insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis zu, da sie geltend machten, nicht Eigentümer der Hühner zu sein. Durch das Veräußerungsverbot werde nur der Eigentümer beschwert. Diese Auffassung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt. Die Antragsteller verweisen darauf, dass sie vertraglich zur Verwahrung verpflichtet seien und bei einer Fortnahme und Veräußerung aufgrund eines ihnen vorgeworfenen Verhaltens dem Eigentümer gegenüber schadensersatzpflichtig werden könnten. Damit benennen die Antragsteller keine Nachteile, denen in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu begegnen wäre. Eine Veräußerung und Übereignung der Hühner träfe nur die Eigentümerin. In Bezug auf die Antragsteller und eine etwaige Schadensersatzpflicht gegenüber der Eigentümerin ist darauf zu verweisen, dass der Besitzverlust und die zur Veräußerung berechtigende Verwahrung der Hühner durch die Antragsgegnerin nicht auf der Veräußerungsanordnung, sondern auf der zuvor verfügten und hier nicht im Streit befindlichen Fortnahme nebst Unterbringung beruhen (vgl. dazu OVG Bautzen, Beschl. v. 17.08.2016 - 3 B 173/16 - juris Rn. 8 f.). Dagegen wiederum erhoben die Antragsteller zwar Widerspruch, doch bleibt die gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnete Vollziehbarkeit davon unberührt, solange die aufschiebende Wirkung des Widerspruches nicht wiederhergestellt ist. Dessen ungeachtet ist nicht dargelegt, worin ein etwaiger Schaden aufseiten der Eigentümerin bestehen sollte. Adressaten und aus der getroffenen tierschutzrechtlichen Maßnahmen verpflichtet sind allein die Antragsteller. Die Eigentümerin ist demgegenüber weder verpflichtet, die Veräußerung zu dulden noch die Kosten der Verwahrung zu tragen. Möglicherweise wäre die Eigentümerin nach dem Maßstab eines sorgfältigen und verständigen Menschen (Lorenz in: BeckOK BGB, 50. Ed. 01.05.2019, BGB § 254 Rn. 27) nebenvertraglich sogar gehalten, einen etwaigen Schadenseintritt abzuwenden (§§ 280, 254 Abs. 2 Satz 1 BGB), indem sie ihr Eigentumsrecht bei der Antragsgegnerin geltend macht und die Hühner herausverlangt.Da sie ausweislich der Verwaltungsvorgänge bereits am 17. Januar 2019 eine Strafanzeige wegen Diebstahls der Hühner erstattete, ist nicht ersichtlich, was dem entgegenstehen sollte.

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3. Im Übrigen erweist sich der Antrag weiterhin als unbegründet.Der ungeordnete, den tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts nur schwer zuzuordnende Vortrag der Beschwerde stellt die Richtigkeit des Beschlusses nicht in Frage.

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a. Das Verwaltungsgericht geht vorab davon aus, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Vorgaben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht, da die diesbezüglichen Erwägungen der Bescheide einen Einzelfallbezug erkennen ließen und verdeutlichten, dass sich die Antragsgegnerin der Ausnahmesituation bewusst sei. Sie gehe ausführlich darauf ein, dass das Abwarten eines etwaigen Hauptsacheverfahrens aus tierschutzrechtlichen Gründen nicht hinnehmbar sei. Den diesen Erwägungen zugrundeliegenden Maßstab greifen die Antragsteller nicht an. Sie machen vielmehr geltend, dass die Begründung nur formelhaft und inhaltlich unzureichend bzw. unzutreffend sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Die sich in der Beschwerdebegründung über zwei Seiten erstreckende Kritik an der Sofortvollzugsanordnung verwischt zum einen die Grenzen zwischen den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO und der materiellen Richtigkeit des Verwaltungsaktes selbst. Nicht die Begründung der Sofortvollzugsanordnung, sondern die des Verwaltungsaktes verweist auf die Fortnahmeverfügung vom 14. Januar 2019 und hier auf die Feststellung, dass die Antragsteller entgegen der dort getroffenen Aufforderung eine artgerechte Tierhaltung nicht nachgewiesen hätten. Dass die Kosten der Unterbringung die des Verkaufserlöses übersteigen würden, wird ebenfalls nur zur Begründung der Erforderlichkeit des Verwaltungsaktes selbst angeführt.

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Zum anderen hat das Verwaltungsgericht die sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Anforderungen zu Recht als erfüllt angesehen. Die Begründung zur sofortigen Vollziehung wiederholt nicht nur die Gründe, die den Erlass des Verwaltungsaktes selbst rechtfertigen, sondern führt zusätzlich aus, dass ein Verbleib der Tiere in den (Quarantäne-)Räumen der Verwahrstationen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorliegend nicht in Frage komme, wenn eine artgerechte, den Bedürfnissen der Tiere entsprechende Haltung (auch anderweitig) sichergestellt werden könne. Zudem scheide eine Rückgabe an die Antragsteller aufgrund des zwischenzeitlich erlassenen Haltungs- und Betreuungsverbotes aus. Dagegen ist formal nichts zu erinnern. Näherer Angaben zur Unterbringung der Tiere in den Verwahrstationen, d.h. zu dem Grund der Unterbringung, deren Dauer und voraussichtlichen Kosten bedurfte es an dieser Stelle nicht mehr. Auf die inhaltliche Richtigkeit der Sofortvollzugsbegründung kommt es im Übrigen hier nicht an, da die Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO allein verfahrensrechtlicher Natur sind. In Bezug auf das Bestehen eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung führt das Gericht an anderer Stelle eine eigene Interessenabwägung durch (vgl. Beschl. des Senats v. 23.01.2017 - 4 MB 2/17 -, juris Rn. 5 m.w.N.; VG Schleswig, Beschl. v. 02.12.2013 - 1 B 99/13 -, juris Rn. 59). Aus einer als unzutreffend erachteten Begründung ergäbe sich im Übrigen auch nicht, dass sie nur formelhaft erfolgte und den Einzelfall nicht ausreichend würdigt.

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b. Der Antrag sei laut Verwaltungsgericht unbegründet, weil das öffentliche Vollziehungsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiege. Die beiden Veräußerungsanordnungen seien offensichtlich rechtmäßig.

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Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 TierSchG kann ein fortgenommenes und anderweitig untergebrachtes Tier veräußert werden, wenn eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen ist.

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(1) Die laut Verwaltungsgericht inzident zu überprüfenden Voraussetzungen der Fortnahme gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 1 TierSchG lägen vor. In mehrfacher Hinsicht und in erheblicher Weise hätten die Antragsteller gegen die gesetzlichen Anforderungen an die Haltung von Tieren verstoßen und ihre Tiere dadurch vernachlässigt. Zur Begründung verweist das Verwaltungsgericht auf die Feststellungen der Antragsgegnerin, die sich ihrerseits weitgehend auf die Beurteilungen der amtstierärztlichen Stellungnahme vom 11. Januar 2019 stützten.

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Die von der Beschwerde dagegen vorgebrachten Gründe führen zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere kann den Antragstellern nicht darin gefolgt werden, dass das Verwaltungsgericht seine Erkenntnisse auf eine unvollständige und fehlerhafte Tatsachenlage stütze und die Stellungnahme der Amtstierärztin als Momentaufnahme ungeeignet sei, um sich ein ausreichendes Bild zu machen. Gleiches gilt für die Behauptung, dass die fotografische Dokumentation deshalb suggestiv und manipulativ sei. Der von der Amtstierärztin getroffene Befund beruhte auf einem Ortstermin vom 10. Januar 2019. Dass zu diesem Zeitpunkt keine vorübergehende Ausnahmesituation vorgelegen haben kann, ergibt sich schon daraus, dass die Antragsgegnerin sich bereits am 28. Dezember 2018 ein ähnliches Bild von den Zuständen auf der gepachteten Weide gemacht hatte. Von beiden Kontrollen sind Fotos gefertigt und zum Vorgang genommen worden. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass sich an den vorgefundenen Zuständen in der dazwischenliegenden Zeit etwas Wesentliches geändert hätte. Selbst die für die Pferde als Unterstand dienenden und bereits während eines Sturms am 22. Dezember 2018 zusammengebrochenen Partyzelte waren am 10. Januar 2019 noch nicht durch einen funktionstüchtigen Witterungsschutz ersetzt, sondern waren nach den Feststellungen der Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt in einem noch schlechteren Zustand als am 28. Dezember 2018. Sie verfügten über nur noch eine bzw. zwei kurze geschlossene Seiten und das Dach des größeren Zeltes war eingerissen. Hinzu kommt der festgestellte körperliche Zustand insbesondere der Pferde (Zähne unbehandelt, Hufe nicht geschnitten, Parasitenbefall, teilweise unterernährt, vgl. nur die Begründung des Haltungs- und Betreuungsverbotes vom 4. Februar 2019), der kein Ergebnis kurzfristiger Engpässe sein kann, sondern auf eine schon länger andauernde Vernachlässigung hindeutet. Auf Befragen soll die Antragstellerin zu 1. auch eingeräumt haben, dass zumindest die abgemagerte, nach eigenen Angaben 36-jährige dunkelbraune Stute schon länger nicht mehr von einem Tierarzt untersucht worden war. Ihr Zustand kann aus diesem Grunde auch nicht, wie es die Antragsteller versuchen, allein mit dem Alter erklärt werden.

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Auch die übrigen tatsächlichen Einwendungen gegen die amtstierärztlichen Feststellungen überzeugen nicht. Die Beschwerde setzt sich nicht mit der vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen sachverständigen Stellung der Amtstierärzte auseinander, die für Aufgaben wie für die Einschätzung, ob ein Tier erheblich vernachlässigt wird, eigens bestellt sind und deren fachlicher Beurteilung daher besonderes Gewicht zukommt. Hieraus folgt, dass schlichtes Bestreiten die Aussagekraft einer amtstierärztlichen Beurteilung nicht zu entkräften vermag (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.06.2010 - 5 S 10/10 -, juris Rn. 9). Dies gilt vorliegend etwa in Bezug auf die Feststellungen zum Pflegezustand der Pferde und der weiteren Tiere. Darüber hinaus sieht das Verwaltungsgericht die Beurteilung der Amtstierärztin durch die Erkenntnisse aus dem vorliegenden Verwaltungsvorgang, hier insbesondere den Fotos, und der Gerichtsakte bestärkt. Was an den Fotos manipulativ sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Auch der Senat geht deshalb davon aus, dass für sämtliche Pferde und die drei Ziegenböcke kein den tierschutzrechtlichen Anforderungen genügender Witterungsschutz mit ausreichender Stand- und Liegefläche vorhanden war. Dass die beschädigten Zelte in tierschutzwidriger Weise innen mit mehrreihig gespannten Elektrolitzen ausgekleidet waren, wird von der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Ihr Einwand, dass die Umzäunung mit Elektrolitzen nur ein vorrübergehender Zustand sei, bezieht sich offenbar nicht auf die Unterstände, sondern auf den abgetrennten Auslauf oder die Weide. Die Anbringung sei aus Sicherheitsgründen erfolgt, um ein Entweichen zur nahegelegenen Bundesstraße zu verhindern. Dass die Antragsteller insgesamt eine Weide von 1,2 ha zur Verfügung haben, ändert des Weiteren nichts daran, dass die abgetrennten Ausläufe (Paddocks) für die Pferde deutlich zu klein waren. Zudem war nicht nur der Untergrund der (zu kleinen) Ausläufe aufgeweicht und nass, sondern selbst der in den (zu kleinen) Unterständen, weil hier die Einstreu fehlte. So fanden die Pferde nirgendwo geschützte trockene Stand- und Liegeplätze. Der insoweit bestehende Bedarf ist in der Fortnahmeverfügung beschrieben und wird nicht in Frage gestellt. Feststehen dürfte auch, dass zumindest eines der abgemagerten Pferde nicht tierärztlich versorgt war. Dass sich die Amtstierärztin zu den anderen Pferden nicht weiter äußerte, spielt unter den soeben beschriebenen Umständen keine Rolle. Dessen ungeachtet ist später festgestellt worden, dass die Zähne und Hufe bei allen Pferden vernachlässigt worden waren und sie von Parasiten befallen waren. Schließlich stellt das Verwaltungsgericht fest, dass auch die Haltungsbedingungen der Ziegen und Gänse nicht artgerecht waren. Der Unterstand für die drei Böcke bestand aus Plastikplanen und Baustahlmatten und bot für die gegenüber Nässe und Wind empfindlichen Tiere keinen ausreichenden Schutz, weil er nach zwei Seiten offen war; für einen der Böcke war er überwiegend zu flach. Der Wasserbottich der Gänse war nur mit verdrecktem, graubraun gefärbtem Wasser gefüllt und der im Ziegenschuppen war leer. Entgegen der Behauptung der Antragsteller wurde von der Amtstierärztin festgehalten, dass offensichtlich alle Ziegen durstig waren. Zunächst habe nur eine Ziege getrunken, danach aber auch weitere Ziegen.

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Mit der Beschwerde wird weiter geltend gemacht, dass die beanstandeten Mängel zwischenzeitlich jedenfalls teilweise behoben seien und insoweit eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung sichergestellt sei. Dies betrifft nach den beigefügten Fotos die Unterbringung der drei Ziegenböcke und der übrigen Ziegen, den Unterstand für zwei Hengste und einen mobilen größeren Gänsestall mit Gehege. Weiter wird angeführt, dass größere und festere Stallzelte beschafft werden sollten. Dieser Vortrag kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren von vornherein keine Beachtung finden. Auf die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit der Stallzelte kommt es deshalb an dieser Stelle nicht an. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

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Die streitgegenständliche Veräußerung nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 TierSchG baut nicht nur auf einer (rechtmäßigen) Fortnahme, sondern auch auf einer (rechtmäßigen) anderweitigen Unterbringung auf, da die der Fortnahme nachfolgende Unterbringung den Rechtsgrund für die weitere öffentlich-rechtliche Verwahrung der Tiere bildet. Fortdauernde Voraussetzung für die Unterbringung ist deshalb, dass eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres weiterhin nicht sichergestellt ist. Eine nachträgliche Veränderung der Sach- und Rechtslage kann insoweit dazu führen, dass ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt nachträglich rechtswidrig und aufhebbar wird (vgl. VG Aachen, Urt. v. 25.10.2006 - 6 K 3359/04 -, juris Rn. 112-114 m.w.N.). Auch eine wegen veränderter Umstände eintretende Rechtswidrigkeit der Unterbringung setzt sich deshalb in der Veräußerung fort und kann so lange geltend gemacht werden, wie eine erlassene Fortnahme- und Unterbringungsverfügung – wie hier – noch nicht bestandskräftig ist (vgl. VG Aachen, Beschl. v. 18.03.2011 - 6 L 545/10 -, juris Rn. 77). Bei einer nunmehr mangelfreien Haltung wären die Tiere zurückzugeben, statt sie weiter zu verwahren und zu veräußern (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3 Aufl., § 16a Rn. 32 m.w.N.). Eine Rückgabe kommt allerdings nicht in Frage, wenn gegen die Antragsteller als Halter zugleich ein rechtlich nicht zu beanstandendes vollziehbares Haltungs- und Betreuungsverbot besteht, weil es in der Vergangenheit zu wiederholten oder groben Zuwiderhandlungen gegen § 2 TierSchG gekommen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.03.2018 - OVG 5 S 16.17 -, juris Rn. 27). So liegt es hier. Entsprechende Ordnungsverfügungen sind zeitgleich mit der Veräußerungsanordnung am 4. Februar 2019 unter Anordnung des Sofortvollzuges gegenüber beiden Antragstellern als Haltergemeinschaft ergangen und wurden sowohl mit den aktuell festgestellten Verstößen als auch mit früheren Verstößen gegen die Anforderungen des § 2 TierSchG begründet, die bis in das Jahr 2010 zurückreichen. Dagegen wurde zwar jeweils Widerspruch erhoben, doch ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass auch insoweit ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gestellt worden ist. Soweit sich die Beschwerde überhaupt zum Haltungs- und Betreuungsverbot äußert, stellt sie deren Rechtmäßigkeit nicht in Frage. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, wenn zur Begründung des Tatbestandes „wiederholter Zuwiderhandlungen“ und der erforderlichen Gefahrenprognose auf abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit verwiesen wird. Im Übrigen steht bzw. stand es den Antragstellern frei, die Wiedergestattung des Haltens oder Betreuens von Tieren gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG zu beantragen, wenn die Gründe für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen tatsächlich entfallen sein sollten.

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Soweit die Antragsteller bestreiten, dass die Tiere tatsächlich anderweitig untergebracht worden sind, bleibt dies ohne Substanz. Im Verwaltungsvorgang finden sich ausreichende Belege dafür, dass die Tiere andernorts pfleglich untergekommen und dort tierärztlich untersucht worden sind.

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Zweifel an der ordnungsgemäßen Betätigung des Ermessens in Bezug auf die Fortnahme- und Unterbringungsverfügung wirft die Beschwerde nicht auf. Liegen die speziellen Voraussetzungen für eine Fortnahme vor, besteht von Gesetzes wegen kein zwingender Vorrang milderer Maßnahmen i.S.d. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG wie etwa einer Aufforderung zur Herstellung tierschutzgerechter Zustände (VGH München, Beschl. v. 22.09.2009 - 9 CS 08.2859 -, juris Rn. 4). Der Annahme der Antragsgegnerin und des Verwaltungsgerichts, dass die Antragsteller tatsächlich nicht in der Lage waren, die umfassend festgestellten Mängel in der Tierhaltung von selbst oder auf der Grundlage von milderen (Einzel-) Maßnahmen kurzfristig zu beseitigen, stellt die Beschwerdebegründung keine substantiierten Einwände entgegen. Inwieweit es an dieser Stelle maßgeblich auf die finanziellen / wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller, insbesondere auf den angenommenen Wert der Tiere ankommen soll, wird nicht näher erläutert. Auch der Hinweis auf den bewerkstelligten Umzug der Tiere von Willinghusen nach A-Stadt ist kein Argument dafür, dass die Antragsteller willens und in der Lage gewesen wären, die hergestellten Provisorien für die Unterbringung zu ertüchtigen und etwas an der mangelhaften Pflege und Versorgung der Tiere zu ändern, zumal sie es zuvor über mehrere Wochen nicht geschafft hatten, tierschutzgerechte Zustände herzustellen. Schließlich war es auch nicht unverhältnismäßig, sämtliche Tiere und nicht nur einige fortzunehmen. Für die Annahme einer erheblichen Vernachlässigung i.S.d. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 1 TierSchG muss es nicht bereits zu Leiden, Schmerzen oder Schäden gekommen sein, eine diesbezügliche Gefahr genügt. Im Interesse eines wirksamen Tierschutzes kann deshalb auch die Fortnahme des gesamten Bestandes gerechtfertigt sein, selbst wenn nicht bei allen Tieren eine Vernachlässigung festgestellt wird, um jedenfalls künftige Verstöße auf Dauer zu verhindern (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3 Aufl., § 16a Rn. 22, 24 m.w.N. aus der Rspr.). Einer weitergehenden Abwägung bedurfte es deshalb nicht.

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(2) Auch die Veräußerungsvoraussetzung, dass eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Halter nach Fristsetzung nicht sicherzustellen ist, bejaht das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend. Die Richtigkeit des Ergebnisses wird von der Beschwerdebegründung nicht in Frage gestellt. Auf die vom Verwaltungsgericht und den Antragstellern erörterte Möglichkeit, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Fristsetzung ausnahmsweise verzichtbar sei, kommt es nicht an. Vor der Anordnung der Veräußerung ist mit den Fortnahmeverfügungen vom 14. Januar 2019 eine Fristsetzung erfolgt. Bei verständiger Würdigung des Regelungsgehaltes und der dazu gegebenen Begründung ergibt sich, dass die Antragsgegnerin den Antragstellern bereits eingangs der jeweiligen Verfügung bis zum 29. Januar 2019 Gelegenheit gab, „eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende tierschutzkonforme Haltung für die auf Ihrer Weide sichergestellten Tiere nachzuweisen“ und dass die Benennung eines Dritten, „bei dem nachweislich (…) die vorgenannten kostenintensiven Haltungs- und Betreuungsanforderungen gewährleistet sind“, nur für den „nach derzeitigen Erkenntnissen“ angenommenen Fall erfolgte, dass die Antragsteller selbst „nicht über die erforderlichen eigenen Möglichkeiten verfügen, für die künftig anstehende tierschutzrechtlich erforderliche Unterbringung, Versorgung, Behandlung und Pflege der Tiere aufzukommen“. Im Rahmen der Begründung auf Seite 9 der Bescheide heißt es (mittig) ganz allgemein, dass Gelegenheit bestehe, „binnen 2 Wochen nach der hier schriftlich bestätigten Fortnahme geeignete Haltungseinrichtungen nachzuweisen“ bzw. (unten), dass den Antragstellern „unter Setzung einer angemessenen Frist die Möglichkeit gegeben (worden sei), künftig eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung wiederherzustellen. Aufgrund der hier angenommenen mangelnden finanziellen Leistungsfähigkeit besteht dies darin, dass Sie mir einen Dritten benennen, bei dem …“.

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Die Antragsteller behaupten nunmehr, dass sie den geforderten Nachweis bei entsprechender Fristsetzung hätten erbringen können. Wenn dem so sein sollte, ist nicht erklärlich, warum sie dies trotz der erfolgten Aufforderungen tatsächlich nicht getan haben. Bis zum Erlass der Veräußerungsanordnung am 4. Februar 2019 erbrachten sie weder einen Nachweis über die Herstellung tierschutzgerechter Bedingungen noch benannten sie einen Dritten. Aus Sicht des Senats kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass sie tatsächlich nicht willens oder in der Lage waren, zeitnah für eine tierschutzgerechte Unterbringung bei sich oder bei Dritten zu sorgen. Damit wiederum bestätigt sich die entsprechende Erwartung des Verwaltungsgerichts, aufgrund derer eine Fristsetzung ausnahmsweise sogar verzichtbar gewesen wäre.

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(3) Weiter geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Veräußerungsanordnung nicht unter Ermessensfehlern i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO leide. Außerdem halte sich die Beeinträchtigung des Eigentums des Tierhalters angesichts des Staatszieles in Art. 20a GG im Rahmen der von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG gezogenen Schranken und Begrenzungen. Damit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht in gebotener Weise auseinander. Soweit Ermessensfehler geltend gemacht werden, dürfte sich dies auf die inzident überprüfte Fortnahme- und Unterbringungsanordnung beziehen, nicht aber auf die eigentlich streitgegenständliche Veräußerungsanordnung. Aber auch wenn man die Kritik der Antragsteller, dass ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht ausreichend geprüft worden sei, zu ihren Gunsten auch darauf beziehen wollte, ergäbe sich daraus kein Ermessensfehler. Die Antragsgegnerin ging davon aus, dass „die finanzielle Leistungsfähigkeit … nach vorliegendem Sachstand“ nicht darauf ausgerichtet sei, die Kosten der Unterbringung, die den Verwertungserlös bei weitem übersteigen würden, aufzubringen. Dazu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass es letztlich offenbleiben könne, ob die Antragsteller wirtschaftlich und finanziell in der Lage seien, der Antragsgegnerin die Kosten zu ersetzen; zumindest könne dies anhand der eingereichten Lohnabrechnungen der Antragstellerin zu 1. nicht beurteilt werden, da die bis jetzt angefallenen Kosten bereits eine beträchtliche Höhe erreicht hätten. Dazu verhält sich die Beschwerde nicht. Jedenfalls liefert sie keine Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungsfähigkeit der Antragsteller derart unterschätzt worden sein sollte, dass eine Veräußerung der Tiere nicht erforderlich wäre. Ohne solche Anhaltspunkte hat es bei der Einschätzung zu bleiben, dass die Antragsteller in absehbarer, der öffentlichen Hand noch zumutbaren Zeit nicht in der Lage sein werden, eine ordnungsgemäße Tierhaltung zu gewährleisten, zumal dies, wie das amtsärztliche Gutachten veranschaulicht, nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist. Auch Gründe, die gegen die Verhältnismäßigkeit der beabsichtigten Veräußerung sprechen, sind nach alledem nicht überzeugend dargelegt oder ersichtlich.

19

c. Zur Begründung eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses stellt das Verwaltungsgericht über die offensichtliche Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes hinaus zutreffend auf die hohen Kosten ab, die durch die Unterbringung entstehen. Nach Angaben der Antragsgegnerin sind dies allein für die Pferde 1.800,- Euro im Monat, während bei einem Verkauf pro Tier mit einem Erlös von 300 bis 500,- Euro zu rechnen sei; nennenswerte Erlöse für die übrigen Tiere seien kaum zu erwarten. Später hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass insgesamt nur ein Verkaufspreis von 1.670,- Euro erwartet werde, während die Antragsteller behaupten, dass die Pferde „mit einem Gesamtwert von EUR 16.500,00 zu veranlagen“ seien. Dies erscheint in Anbetracht des überwiegenden Alters sowie des Gesundheits- und Pflegezustandes der Pferde nicht realistisch. Zudem besagt der (subjektiv) angenommene Wert nichts über den bei einer Veräußerung zu erlangenden Preis. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass selbst eine baldige Veräußerung die Kosten einer seit Mitte Januar 2019 andauernden Verwahrung schon nicht mehr kompensieren wird.

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d. Soweit die Beschwerde ergänzend „auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen des Klägers“ Bezug nimmt, ist darin eine bloße Formalbegründung zu sehen, auf die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht weiter einzugehen hat. Ein solcher Pauschalverweis wird den besonderen Darlegungslasten und -anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO nicht gerecht, weil darin keine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung liegt. Eines gesonderten Hinweises hierzu bedurfte es im Hinblick auf die anwaltliche Vertretung der Antragsteller (§ 67 Abs. 4 VwGO) nicht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28.09.2018 - 1 M 111/18 -, juris Rn. 15).

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

22

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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