Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 MR 9/20

Tenor

Die Satzung der Antragsgegnerin über den Bebauungsplan Nr. 35 „Heisch“ (Teilbereich 1) vom 19. Mai 2020 wird bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin (Az. 1 KN 18/20) außer Vollzug gesetzt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im Normenkontrollverfahren 1 KN 18/20 gegen den Bebauungsplan Nr. 35 „Heisch“ (Teilbereich 1) der Antragsgegnerin. Im vorliegenden Verfahren begehrt sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch die der Bebauungsplan vorläufig außer Vollzug gesetzt werden soll.

2

Die Antragstellerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist Eigentümerin des Grundstücks …, das im – dem Plangebiet gegenüberliegenden – Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 16 „Erweiterung Gewerbegebiet“ der Antragsgegnerin liegt, der ein Gewerbegebiet festsetzt. Das Grundstück der Antragstellerin ist L-förmig geschnitten und grenzt im südwestlichen Teil des Plangebiets an das in der Planzeichnung dargestellte Regenrückhaltebecken. Die Antragstellerin betreibt auf diesem Grundstück ein Unternehmen, das u. a. Lieferung von Schüttgütern, Abfuhr, sonstige Transportaufgaben, Tiefladertransporte, Winterdienst im Bereich der Straßen- und Autobahnmeistereien und Annahme von Boden und Bauschutt zum Gegenstand hat. Dafür sind an diesem Betriebsstandort 14 Lkw stationiert, die zum Teil vor 6:00 Uhr das Betriebsgelände verlassen, um ihre Einsatzorte zu erreichen. Im Zusammenhang mit dem Winterdienst kommt es zum Einsatz der Lkw rund um die Uhr. Sobald die Lkw zum Betriebsstandort zurückkehren, werden sie dort betankt und gereinigt; dies erfolgt ggf. auch zur Nachtzeit. Die Antragstellerin hat zudem die Absicht, ihre gewerblichen Tätigkeiten an diesem Standort zu erweitern. Hierzu erteilte sie bereits den Auftrag für die Erarbeitung einer Genehmigungsplanung für die Betriebserweiterung. So soll auf dem Betriebsgelände eine Anlage zur zeitweiligen Lagerung und Behandlung von Grünabfällen sowie – in Intervallen – eine mobile Schredderanlage errichtet und betrieben werden.

3

In südwestlicher Richtung schließt sich an das Grundstück der Antragstellerin südlich zur … hin ein weiteres, gewerblich genutztes Grundstück an (Flurstück … der Flur … der Gemarkung …), das sich im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Nr. 35 der Antragsgegnerin im Geltungsbereich ihres Bebauungsplans Nr. 16 befand. Zurzeit ist die Antragsgegnerin dabei, den Bebauungsplan Nr. 26 „Wiemelshorn“ aufzustellen, mit welchem das Flurstück … als eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt werden soll (vgl. Anlage AG 1 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. September 2020).

4

Der Bebauungsplan Nr. 35 wurde aufgrund des Beschlusses der Gemeindevertretung der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2017 (im Verfahrensvermerk heißt es insoweit irrtümlich: 1. Juni 2018) mit dem Ziel der Wohnbauentwicklung zur Bedarfsdeckung der Baulandnachfrage im Gemeindegebiet aufgestellt (Bl. 3 Beiakte D). Die ortsübliche Bekanntmachung dieses Beschlusses erfolgte durch Abdruck im amtlichen Bekanntmachungsblatt Nr. 8/2018 am 5. April 2018 (Bl. 65 Beiakte D). Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BauGB wurde am 14. März 2018 im Rahmen einer Einwohnerversammlung durchgeführt (Bl. 18 ff. Beiakte D). Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, die von der Planung berührt sein könnten, wurden gemäß § 4 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 BauGB mit Schreiben vom 9. Mai 2018 unterrichtet und zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Der Entwurf des Bebauungsplans mit Begründung wurde durch die Gemeindevertretung am 4. April 2019 mit Begründung beschlossen und zur Auslegung bestimmt. Der Entwurf des Bebauungsplans, bestehend aus der Planzeichnung (Teil A) und dem Text (Teil B), sowie die Begründung lagen in der Zeit vom 29. April 2019 bis zum 31. Mai 2019 öffentlich aus; dies wurde unter Hinweis darauf, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist von allen Interessierten schriftlich oder zur Niederschrift abgegeben werden könnten, am 18. April 2019 im amtlichen Bekanntmachungsblatt Nr. 07/2019 bekannt gemacht, wobei (irrtümlich) darauf hingewiesen wurde, dass die Beschlussfassung der Gemeindevertretung am 28. April 2019 erfolgt sei (Bl. 272 Beiakte D). Im amtlichen Bekanntmachungsblatt 08/2019 erfolgte sodann am 2. Mai 2019 eine Berichtigung dahingehend, dass die Beschlussfassung am 4. April 2019 erfolgt sei (Bl. 346 Beiakte D). Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, die von der Planung berührt sein könnten, wurden gemäß § 4 Abs. 2 BauGB mit Schreiben vom 24. April 2019 unterrichtet und zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Die Gemeindevertretung prüfte die Stellungnahmen der Öffentlichkeit und der Behörden sowie sonstigen Träger öffentlicher Belange am 14. November 2019 und beschloss eine Änderung des Entwurfs des Bebauungsplans (Bl. 645 Beiakte C). In der Einleitung zum Umweltbericht (Stand: 4. November 2019, Bl. 1016 Beiakte C) heißt es insoweit: „Nach Durchführung des weiteren Beteiligungsverfahrens fasste die Gemeinde den Beschluss, den Bebauungsplan aufgrund der bestehenden Immissionsproblematik in zwei Teilbereiche zu unterteilen und diese zeitlich versetzt bekannt zu machen. Damit wurde eine erneute Beteiligung erforderlich.“ Der geänderte Entwurf, bestehend aus der Planzeichnung (Teil A) und dem Text (Teil B), sowie die Begründung lagen in der Zeit vom 2. Dezember 2019 bis zum 18. Dezember 2019 öffentlich aus. Dabei wurde bestimmt, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten und ergänzten Teilen abgegeben werden könnten. Die erneute Auslegung wurde wiederum mit dem Hinweis, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist von allen Interessierten schriftlich oder zur Niederschrift abgegeben werden könnten, am 21. November 2019 im amtlichen Bekanntmachungsblatt (Nr. 21/2019) bekannt gemacht (Bl. 973 Beiakte C). Am 19. Mai 2020 beschloss die Gemeindevertretung den Teilbereich 1 des Bebauungsplans, bestehend aus Planzeichnung (Teil A) und Text (Teil B), als Satzung und billigte die Begründung (Bl. 1439 Beiakte B). Die Bekanntmachung erfolgte durch Abdruck im amtlichen Bekanntmachungsblatt (Ausgabe 12/2020) am 2. Juli 2020 (Bl. 1566 Beiakte B).

5

Im Parallelverfahren beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin zudem die 19. Änderung ihres Flächennutzungsplans. Die Bekanntmachung der Genehmigung des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein als höherer Verwaltungsbehörde erfolgte durch Abdruck im amtlichen Bekanntmachungsblatt am 2. Juli 2020 (Ausgabe 12/2020, Bl. 1564 Beiakte B).

6

Der am 3. Juli 2020 in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. 35 (Teilbereich 1) der Antragsgegnerin umfasst die Flurstücke 3 und 4 der Flur 9 der Gemarkung Westerrönfeld sowie einen Teil der Jevenstedter Straße (Flurstück 64/3 der Flur 4 der Gemarkung Westerrönfeld). Der Bebauungsplan setzt hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet fest (WA 1 bis 3). Darin sind Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Anlagen für Verwaltungen, Gartenbaubetriebe und Tankstellen nicht zulässig. Sonstige nicht störende Gewerbebetriebe, die der Versorgung des Gebietes dienenden Schank- und Speisewirtschaften, nicht störende Handwerksbetriebe sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke sind ausnahmsweise zulässig. Daneben setzt der Bebauungsplan u. a. Mindestgrundstücksgrößen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, die höchstzulässige Zahl der Wohnungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB und Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB fest.

7

Die Antragstellerin, die sich im Beteiligungsverfahren mit Schriftsätzen vom 29. Mai 2019 (Bl. 601 ff. Beiakte D) und vom 16. Dezember 2019 (Bl. 1374 ff. Beiakte B) geäußert hatte, hat mit Schreiben vom 16. Juli 2020 einen Normenkontrollantrag
(Az. 1 KN 18/20) gestellt und am 31. August 2020 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie macht im Wesentlichen geltend, eine solche sei zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten. Sie sei als Plannachbarin antragsbefugt, denn sie führe Tatsachen an, die eine Verletzung des Gebots auf gerechte Abwägung möglich erscheinen ließen. Sie habe ihre Belange – insbesondere an der Erhaltung bestehender Entwicklungsmöglichkeiten – mehrfach im Rahmen sowohl des Verfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplans, als auch des damit einhergehenden Verfahrens zur 19. Änderung des Flächennutzungsplans gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht. Die in den entsprechenden Schreiben geäußerten Belange seien von der Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung in verschiedener Hinsicht fehlerhaft behandelt worden.

8

So sei bereits die ordnungsgemäße Ermittlung der Vorbelastung durch den Schallgutachter unterblieben. Vorbelastung sei nämlich nach Nr. 2.4 der TA Lärm die Belastung eines Orts mit Geräuschimmissionen von allen Anlagen, für die diese Technische Anleitung gelte, ohne den Immissionsbeitrag der zu beurteilenden Anlage. Im Übrigen sei festzuhalten, dass der Schallgutachter zu Unrecht die nach seinen Annahmen von ihr an den Immissionsorten 1 und 2 verursachten Immissionsanteile als irrelevant angesehen habe, weil sie knapp mehr als 6 dB(A) unter dem Immissionsrichtwert lägen. Dabei habe der Schallgutachter nämlich verkannt, dass die Irrelevanzregelung aus Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm nicht für die Ermittlung der Vorbelastung, sondern nur für die von der zur Genehmigung gestellten Anlage ausgehende Zusatzbelastung Bedeutung habe. Die Abwägung beruhe daher jedenfalls auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage.

9

Weiter sei festzuhalten, dass eine Abwägung, bei der ihr Interesse am Erhalt bestehender betrieblicher Entwicklungsmöglichkeiten und das Interesse an der Schaffung neuer Wohnbaumöglichkeiten im streitgegenständlichen Bereich einander gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen worden seien, nicht stattgefunden habe. Insoweit sei auf die in gleicher Weise im F-Plan-Änderungsverfahren und im B-Plan-Aufstellungsverfahren erfolgte Beschlussfassung der Antragsgegnerin verwiesen, in der es heiße: „Der Bebauungsplan Nr. 16 ist aus schalltechnischer Sicht kein uneingeschränktes Gewerbegebiet. Die Einschränkungen ergeben sich durch die bereits vorhandene Bebauung der bestehenden Betriebsleiterwohnungen innerhalb des Gewerbegebietes … . Durch den Bebauungsplan Nr. 35 verschlechtert sich die Situation der Betriebe im Bebauungsplan Nr. 16 nicht.“ Dass sich durch die Zulassung und Errichtung von Betriebsleiterwohnungen innerhalb des Gewerbegebiets … besondere Einschränkungen ergäben, sei indes schlicht unzutreffend, wie sich aus dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2020 (Az. – 1 MN 153/19 –, Rn. 20, juris), aber auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. Mai 1983 – 4 C 67.78 –, juris) ergebe. Grenzen ergäben sich lediglich aus den für ein Gewerbegebiet geltenden Immissionsrichtwerten. Zudem führe im Ergebnis die Festsetzung in Nr. 10 Abs. 2 dazu, ihr zulässiges Emissionsvolumen wie auch das der übrigen betroffenen Gewerbebetriebe im Gewerbegebiet … einzubetonieren und jede weitere Entwicklungsmöglichkeit, selbst die Möglichkeit eines Zurücks zu einer vorübergehend nicht gegebenen Vollauslastung zu nehmen.

10

Auch sei eine ordnungsgemäße Ermittlung der abwägungserheblichen Belange im Hinblick auf die Luftschadstoffbelastung unterblieben. Dies könne zu einem absoluten Verfahrensfehler führen (Beschluss des OVG Hamburg vom 8. Januar 2020 – 2 Bs 183/19 –, Rn. 44 ff., juris). Es sei festzustellen, dass sich die Feststellungen des Umweltberichts zum Schutzgut Luft auf weniger als eine DIN A4-Seite beschränkten, dass vorhandene Luftschadstoffemissionen im unmittelbar angrenzenden Gewerbegebiet nicht einmal ansatzweise behandelt worden seien und dass es an einer Befassung mit der Frage fehle, ob die beabsichtigte Zulassung von Wohnbebauung auf der anderen Straßenseite der … unter diesem Gesichtspunkt zu Beschränkungen der Entwicklungsmöglichkeiten im Gewerbegebiet … führen könne.

11

Damit leide der Bebauungsplan Nr. 35 bereits in mehrfacher Hinsicht unter Abwägungsfehlern, die offensichtlich seien und bei denen die konkrete Möglichkeit bestehe, dass ohne den Mangel im Planungsvorgang die Planung anders ausgefallen wäre, und die mithin auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen seien.

12

Zudem lägen Fehler im Rahmen der formellen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB vor. Denn die Auslegungsbekanntmachung sei durch das „Bekanntmachungsblatt Amt Jevenstedt“ Nr. 07/2019 vom 18. April 2019 erfolgt. In diesem sei mitgeteilt worden, dass die Gemeindevertretung in der Sitzung am 28. April 2019 den zur Auslegung bestimmten Entwurf des Bebauungsplans Nr. 35 gebilligt habe. Jedem Leser und jeder Leserin habe auf den ersten Blick deutlich werden können, dass dies so nicht stimmen könne, da in einem am 18. April 2019 veröffentlichen Bekanntmachungsblatt nicht auf einen zeitlich späteren Beschluss verwiesen werden könne. Es liege nahe, dass zumindest ein Teil der Leserinnen und Leser angenommen habe, dass es sich bei der Veröffentlichung um einen Entwurf gehandelt habe, der für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen gewesen und nur versehentlich in diese Ausgabe des Bekanntmachungsblatts geraten sei, sodass nicht auszuschließen sei, dass hierdurch jedenfalls einzelne Personen davon abgehalten worden seien, Einsicht in die Planunterlagen zu nehmen. Zudem werde um Prüfung gebeten, ob in einer Fassung des Planentwurfs, die Gegenstand der öffentlichen Auslegung gewesen sei, der Geltungsbereich des Bebauungsplans die Teilfläche 2 eingeschlossen habe, wofür die Darstellung des die Teilbereiche 1 und 2 einschließenden Gesamtbereichs als Geltungsbereich in der ausgelegten Begründung (Bl. 986 Beiakte C) spreche sowie der Umstand, dass auch in der ausgelegten Fassung des Schallgutachtens vom 23. Oktober 2019 (vgl. Übersichtslageplan auf Bl. 1166 Beiakte C) von einem Zuschnitt des Geltungsbereichs ausgegangen worden sei, welcher das Teilgebiet 2 einschließe. In diesem Fall liege ein Verstoß gegen § 214 Abs. 2 BauGB vor, denn in der endgültig beschlossenen, ausgefertigten und ortsüblich bekanntgemachten Fassung der Planzeichnung sei der Teilbereich 2 aus dem Geltungsbereich herausgenommen worden, ohne dass es zu einem nochmaligen Beteiligungsverfahren nach § 4a Abs. 3 BauGB gekommen sei.

13

Darüber hinaus weiche die textliche Festsetzung Nr. 10 Abs. 1 Satz 1 („Zum Schutz der Wohnnutzungen vor Gewerbelärm sind in den in der Planzeichnung dargestellten Bereichen für schutzbedürftige Räumen gemäß DIN 4109 bei den lärmzugewandten Fassadenseiten nur festverglaste Fenster zulässig.“) von dem in der Zeit vom 2. Dezember 2019 bis zum 18. Dezember 2019 gemäß § 3 Abs. 2 BauGB öffentlich ausgelegten Exemplar des Entwurfs des Bebauungsplans ab („Zum Schutz der Wohnnutzungen vor Gewerbelärm sind in den in der Planzeichnung dargestellten Bereichen für schutzbedürftige Räumen gemäß DIN 4109 bei den lärmabgewandten Fassadenseiten nur festverglaste Fenster zulässig.“). Von einem offensichtlichen Fehler könne nicht ausgegangen werden, weil auch in der Begründung des Entwurfs des Bebauungsplans die „lärmabgewandten Fassadenseiten“ genannt worden seien und kein Träger öffentlicher Belange diesen Fehler erkannt habe. Möglicherweise habe hier ein Denkfehler zugrunde gelegen. Ein solcher stelle aber keinen Fehler dar, der im Wege redaktioneller Korrektur behoben werden könne.

14

In materieller Hinsicht verstoße die Planung zudem gegen den Trennungsgrundsatz gemäß § 50 Satz 1 BImSchG. Die Antragsgegnerin habe nicht einmal den Versuch unternommen, darzulegen, dass und welche städtebaulichen Gründe von besonderem Gewicht es vorliegend rechtfertigen könnten, eine planerische Vorsorge durch räumliche Trennung zurücktreten zu lassen. Vielmehr machten ihre Ausführungen deutlich, dass sie vollständig verkannt habe, welche Bedeutung der Trennungsgrundsatz als Abwägungsdirektive habe. Denn für die Frage, ob schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete so weit wie möglich vermieden würden, sei es ohne jeden Belang, wie die zwischen einem Gewerbegebiet und einem geplanten allgemeinen Wohngebiet verlaufende Straße straßenrechtlich klassifiziert werde und welche straßenrechtliche Funktion ihr damit zukomme. Wenn die Antragsgegnerin gleichwohl hierauf abgestellt habe, so mache dies deutlich, dass ihre planerische Entscheidung zu dem mit dem Trennungsgebot verfolgten Ziel außer Verhältnis stehe und sich daher als abwägungsdisproportional darstelle. Auch liege ein Festsetzungsfehler vor, denn die textliche Festsetzung Nr. 1.2 beschränke die allgemeine Zulässigkeit in den festgesetzten allgemeinen Wohngebieten auf Wohngebäude und der Versorgung des Gebiets dienende Läden. Durch die textliche Festsetzung Nr. 1.1 würden die in § 4 Abs. 3 Nrn. 1, 3, 4 und 5 genannten baulichen Anlagen für nicht zulässig erklärt. Im Ergebnis würden damit die für ein allgemeines Wohngebiet gegenüber einem reinen Wohngebiet wesensprägenden zulässigen Nutzungen sowohl im Bereich der allgemeinen Zulässigkeit als auch der ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit ausgeschlossen, sodass die Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets nicht gewahrt bleibe. Zur weiteren Begründung werde auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. November 2019 (7 D 7/18.NE, Rn. 31, juris) Bezug genommen. Es liege ein Etikettenschwindel vor, weil der Wille der Antragsgegnerin in Wirklichkeit nicht darauf abziele, ein allgemeines Wohngebiet festzusetzen, sondern darauf, die höheren Immissionsrichtwerte in Anspruch nehmen zu können. Schließlich liege eine unzulässige Vorratsplanung vor, denn die Antragsgegnerin habe den „Teilbereich 2“ in den Geltungsbereich des Bebauungsplans einbezogen, ohne eine grundlegende Festsetzung – insbesondere eine solche über Art und Maß der baulichen Nutzung – zu treffen. Dies verstoße gegen § 1 Abs. 3 BauGB.

15

Die Antragstellerin beantragt,

16

gemäß § 47 Abs. 6 VwGO den Bebauungsplan Nr. 35 „Heisch“ der Antragsgegnerin vorläufig außer Vollzug zu setzen.

17

Die Antragsgegnerin beantragt,

18

den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO abzulehnen.

19

Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei weder zur Abwehr schwerer Nachteile erforderlich, noch aus anderen Gründen dringend geboten.

20

Voranzustellen sei, dass die von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren beschriebene Betriebskonfiguration zu keinem Zeitpunkt bauaufsichtlich zugelassen worden sei, wie eine Auswertung der erteilten Baugenehmigungen ergebe. Ihr sei mit Baugenehmigung vom 27. November 1991 der Neubau einer Maschinenhalle sowie mit Baugenehmigung vom 20. Juli 1992 der Neubau einer Maschinenhalle mit Anbau genehmigt worden, unter dem 14. Januar 1993 der Einbau einer Arbeitsgrube, unter dem 10. März 1993 der Neubau eines Bürogebäudes mit Betriebsleiterwohnung, am 13. Juli 1993 die Errichtung einer Selbstverbrauchertankanlage, unter dem 13. September 1999 der Einbau eines Wärmelufterzeugers und die Errichtung eines Stahlschornsteins sowie die Errichtung einer Doppelgarage unter dem 23. September 1993. Allen Baugenehmigungen fehle eine aussagekräftige Betriebsbeschreibung, sodass die tatsächliche Nutzung des Grundstücks von den erteilten Genehmigungen nicht gedeckt sei. Es werde die Beiziehung der Bauakten beantragt (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. September 2020, S. 6).

21

Im näheren Umfeld des Grundstücks der Antragstellerin seien zudem mehrere Gebäude vorhanden, die bauaufsichtlich zugelassen seien und in denen Wohngebäude vorhanden seien (im Einzelnen: Auflistung im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. September 2020, S. 7). Innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 16 seien daher neben der Betriebsleiterwohnung auf den Grundstücken der Antragstellerin weitere Wohnnutzungen zugelassen worden. Dies sei für die planungsrechtliche Beurteilung bedeutsam.

22

Im Rahmen eines Gesprächs am 27. Mai 2019 seien seitens der Gewerbetreibenden aus dem Gewerbegebiet Am Busbahnhof/Rolandskoppel hauptsächlich verkehrliche Bedenken geäußert worden; es sei befürchtet worden, dass es zu Stoßzeiten zu erheblichen Wartezeiten im Bereich der Einmündung in das Gewerbegebiet von der Lindenallee aus kommen werde. Hierbei habe die Antragstellerin auch geäußert, sie beabsichtige, Grünabfälle anzunehmen. Ihr sei mitgeteilt worden, dass sie dann ein Lärmgutachten einholen müsse. Es sei eingeräumt worden, dass es tagsüber nicht zu Problemen komme, dass aber nachts die Immissionsrichtwerte für Gewerbegebiete nicht eingehalten würden. Die nächtlichen lärmintensiven Arbeiten kollidierten bereits mit den vorhandenen betriebsbezogenen Wohnnutzungen im Gewerbegebiet selbst. Insbesondere das Be- und Entladen von Lkw zur Nachtzeit führe zu einer Überschreitung des Immissionswerts von 50 dB(A) nachts. Das habe sie im Rahmen der Planung indes auch berücksichtigt. So habe sie durch Gutachten vom 25. Juni 2019 und vom 23. Oktober 2019 die aus dem Gewerbegebiet auf das Wohngebiet einwirkenden Immissionen ermitteln und bewerten lassen. Der Gutachter sei jeweils zu der Einschätzung gelangt, dass der Tagesrichtwert von 55 dB(A) unterschritten werde; nachts werde der Wert von 40 dB(A) im überwiegenden Teil eingehalten oder unterschritten. Des Weiteren habe der Sachverständige Schallschutzmaßnahmen vorgeschlagen. Dem habe sie durch die Festsetzung nach § 9 Abs. 11 Nr. 24 BauGB Rechnung getragen. Soweit die Antragstellerin davon ausgehe, dass sich aus der Zulassung und Errichtung von Betriebsleiterwohnungen innerhalb des Gewerbegebiets keine besonderen Einschränkungen für ihren Betrieb ergäben, gehe sie zu Unrecht davon aus, dass sie sich selbst an die Immissionsrichtwerte für die Nachtzeit im Gewerbegebiet halte. Sie unterliege einer Fehlvorstellung, wenn sie meine, sie könne im Gewerbegebiet so laut sein, wie sie wolle.

23

Hinsichtlich ihrer Behauptung, die Luftschadstoffermittlung sei unvollständig erfolgt, bleibe die Antragstellerin einen Nachweis schuldig, was Veranlassung hätte geben sollen, in zusätzliche Untersuchungen einzutreten.

24

Die formelle Öffentlichkeitsbeteiligung sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Gegenstand der öffentlichen Auslegung sei präzise benannt worden, ebenso der Auslegungszeitraum. Auch die Fristen seien gewahrt worden. Allein aus der Nennung eines unrichtigen Beschlussdatums, das im Übrigen später korrigiert worden sei, könne nicht gefolgert werden, es habe sich bei der Veröffentlichung um einen Entwurf gehandelt, der für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen gewesen und nur versehentlich in die Ausgabe des Bekanntmachungsblatts vom 18. April 2019 geraten sei. Soweit es im öffentlich ausgelegten Entwurf des Bebauungsplans in der textlichen Festsetzung Nr. 10 Abs. 1 Satz 1 geheißen habe, dass bei den lärmabgewandten Fassadenseiten nur festverglaste Fenster zulässig seien, habe es sich um ein redaktionelles Versehen und nicht um einen Denkfehler gehandelt. Sie habe ersichtlich lediglich die Empfehlung des Schallgutachters umsetzen wollen.

25

Ihr Bebauungsplan Nr. 35 sei auch nicht in materieller Hinsicht fehlerbehaftet. So liege kein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz vor. Die Antragstellerin übersehe, dass die an das Gewerbegebiet angrenzende Tennisplatzanlage nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans liege, sondern überhaupt nicht überplant sei, sodass in diese Richtung eine Trennung erfolge. Zudem werde das Flurstück 61/54, das unmittelbar an das Grundstück der Antragstellerin anschließe, im Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplans Nr. 26 als eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt werden, sodass auch insoweit ein Puffer entstehe. Insbesondere dann, wenn ein auftretender Konflikt durch gezielte Schallschutzmaßnahmen vermieden werden könne, seien auch an sich eher unverträgliche Nutzungen nebeneinander möglich. Sie wolle die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung befriedigen und dafür entsprechende Baukapazitäten schaffen. Die Planung diene dem Wohl der Allgemeinheit; die Nachfrage nach Flächen zur wohnbaulichen Entwicklung sei nach wie vor hoch und das Angebot hinke der Nachfrage hinterher. Auch treffe es nicht zu, dass durch die Festsetzung Nr. 1 des Bebauungsplans Nr. 35 die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets nicht mehr gewahrt sei. Sie habe lediglich von den Gliederungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, welche ihr die BauNVO einräume. Es liege auch keine unzulässige Vorratsplanung vor, denn sie habe bislang allein den Teilbereich 1 des Bebauungsplans als Satzung beschlossen, nicht hingegen den Teilbereich 2, für welchen nach wie vor Planersatzrecht in Gestalt von § 35 BauGB Anwendung finde.

26

Der Bebauungsplan Nr. 35 erweise sich damit nicht als offensichtlich rechtsfehlerhaft, sodass von einem Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht ausgegangen werden könne. Die einstweilige Anordnung sei auch nicht aus anderen Gründen geboten. Schwere Nachteile seien nicht zu befürchten. Allein der Vollzug des Bebauungsplans stelle einen solchen nicht dar. Die Dringlichkeit ergebe sich auch nicht aus der Gefahr, dass in der Zwischenzeit Baugenehmigungen erteilt würden. Bislang seien solche noch nicht erteilt worden, wären aber auch aufgrund von § 68 LBO nicht erforderlich. Es sei zudem nicht ersichtlich, weshalb es der Antragstellerin nicht zuzumuten sei, zur Wahrung ihrer vermeintlichen Rechte gegen einzelne Vorhaben vorzugehen.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

28

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig (dazu: A.) und begründet (dazu: B.).

29

A. Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt. Erforderlich ist insoweit, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen darlegt und glaubhaft macht, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffenen Festsetzungen oder ihre Anwendung in einem eigenen Recht verletzt wird. Nicht abwägungserheblich – und damit (auch) nicht antragsbefugend – sind solche Belange, die – objektiv – geringwertig, die – sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang – nicht schutzwürdig, die für die Gemeinde nicht als abwägungserheblich erkennbar oder die sonst makelbehaftet sind (vgl. Schl.-Holst. OVG, Urteil vom 26. Juli 2017 – 1 KN 17/15 –, Rn. 46 ff., juris; Beschluss vom 10. Februar 2020 – 1 MR 3/19 – S. 3 –, n. v.; BVerwG, Beschluss vom 14. September 2015 – 4 BN 4.15 –, Rn. 10, juris).

30

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Antragstellerin antragsbefugt. Sie macht hinreichend substantiiert die Möglichkeit geltend, dass sie durch den hier angegriffenen Bebauungsplan in ihrem Recht auf gerechte Abwägung aus § 1 Abs. 7 BauGB verletzt sein kann. Wie bereits im Aufstellungsverfahren beruft sie sich auf ihr betriebliches Interesse, vor einer heranrückenden schutzbedürftigen (Wohn-)Bebauung geschützt zu werden, und auf ihr Eigentümerinteresse, ihr Grundstück weiterhin uneingeschränkt so nutzen zu können, wie es dessen Lage innerhalb des festgesetzten Gewerbegebiets (Bebauungsplan Nr. 16 „Erweiterung Gewerbegebiet“) entspricht. Sie hat dabei die von ihr betrieblich verursachten Geräuschimmissionen wie auch ihre betrieblichen Erweiterungsmöglichkeiten als private Belange (Lärm) benannt, in Bezug auf welche eine Konfliktlage zwischen den durch den Bebauungsplan Nr. 35 zugelassenen Nutzungen und ihrem im benachbarten Gewerbegebiet gelegenen Betrieb möglich erscheint, die in die Abwägung einzustellen war. Insoweit lässt sich nicht schon im Rahmen der beschränkten Zulässigkeitsprüfung sicher ausschließen, dass mehr als nur geringfügige Beeinträchtigungen in Rede stünden (vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2018 – 2 D 102/14.NE –, Rn. 83 f., juris). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Schalltechnische Gutachten Teil 2 vom 23. Oktober 2019 die berechneten Schallimmissionen an den Immissionsorten 1 und 2 im Bebauungsplangebiet als irrelevant beurteilt hat, weil sie jeweils mehr als 6 dB(A) unter dem Immissionsrichtwert für ein allgemeines Wohngebiet lägen (S. 10 des Gutachtens). Denn die Antragstellerin hat die Tragfähigkeit des Schalltechnischen Gutachtens insgesamt substantiiert angegriffen und dabei u. a. Ermittlungsdefizite hinsichtlich der Erfassung der Lärmvorbelastung im Plangebiet geltend gemacht.

31

Auch kann die Antragsgegnerin dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Antragstellerin verfüge jedenfalls in Bezug auf die von ihr im Verfahren dargelegte Betriebskonfiguration nicht über die erforderlichen Baugenehmigungen. Diesen Einwand, welchen die Antragsgegnerin von sich aus keinem normativen Prüfungspunkt zugeordnet hat, versteht der Senat als gegen die Schutzbedürftigkeit der vorgebrachten Belange gerichtet. Allein aus dem Umstand, dass es – nach den unbestrittenen Darlegungen der Antragsgegnerin (S. 5 f. des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 15. September 2020) – an einer Betriebsbeschreibung fehlt, vermag der Senat indes nicht zu schlussfolgern, dass die von der Antragstellerin benannten Belange als nicht schutzwürdig und damit nicht abwägungserheblich anzusehen wären. Aus den Baugenehmigungsunterlagen folgt bei summarischer Prüfung ohne Weiteres, dass die Antragstellerin an dieser Betriebsstätte eine größere Anzahl von „Baugeräten und Anhängern“ vorhält und diese zum Einsatz schickt. Anders lässt sich nicht erklären, weshalb die Antragstellerin die Baugenehmigungen für eine Maschinenhalle, eine weitere „Maschinenhalle für Baugeräte und Anhänger“ sowie ein Reifenlager, ein Ersatzteillager, ein Kleingerätelager, eine Arbeitsgrube in der Maschinenhalle, ein Bürogebäude nebst Betriebsleiterwohnung sowie eine Tankanlage mit 2000 l Dieselkraftstoff und einen Waschplatz mit Abscheideanlage beantragt und genehmigt bekommen hat. Art und Anzahl der vorgehaltenen Anlagen korrespondieren mit der im Verfahren getätigten Betriebsbeschreibung der Antragstellerin. Sie hat auch nicht vorgetragen, dass die Lastkraftwagen Be- und Entladevorgänge an diesem Betriebsstandort vornehmen würden, sondern dass sie hier stationiert seien und für Transporteinsätze vor- und nachbereitet würden, wozu neben dem Betanken auch Reinigungs- und Reparaturaufgaben gehören würden. Dass es neben oder sogar anstelle der erteilten Baugenehmigungen der Erteilung weiterer oder anderer (Betriebs-)Genehmigungen bedurft hätte, macht selbst die Antragsgegnerin nicht geltend. Dass die Baugenehmigungen möglicherweise ohne Vorlage einer Betriebsbeschreibung erteilt worden sind (vgl. § 9 Abs. 2 BauVorlVO), ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

32

Da der Senat nach alledem den seitens der Antragsgegnerin vorgetragenen und unbestrittenen Inhalt der erteilten Baugenehmigungen als zutreffend unterstellen kann, bedarf es der von der Antragsgegnerin beantragten Beiziehung der Bauakten betreffend das Betriebsgrundstück der Antragstellerin (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. September 2020, S. 6) nicht.

33

B. Der Antrag ist auch begründet. Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht im Rahmen eines Normenkontrollantrags eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

34

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 –, Rn. 12, juris m. w. N.). Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 –, Rn. 12, juris; Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 28. August 2020 – 1 MR 4/20 –, Rn. 13, juris).

35

Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung wird das Normenkontrollverfahren 1 KN 18/20 voraussichtlich erfolgreich sein (dazu: I.). Eine einstweilige Anordnung kann vorliegend ergehen, weil der (weitere) Vollzug des Bebauungsplans vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragstellerin günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (dazu: II.).

I.

36

1. Der Senat lässt offen, ob bereits die Bekanntmachung der Satzung über den Bebauungsplan Nr. 35 der Antragsgegnerin im Bekanntmachungsblatt Amt Jevenstedt vom 2. Juli 2020 (Bl. 1566 Beiakte B) fehlerhaft ist und nicht in Einklang mit höherrangigem Recht steht.

37

Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ortsüblich bekannt zu machen. Die Ortsüblichkeit im Sinne des § 143 Abs. 1 Satz 2 BauGB i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 2 bis 5 BauGB beurteilt sich nach Landes- und Ortsrecht. Das Landesrecht bestimmt nicht, welche Art der Bekanntmachung für die Gemeinden ortsüblich ist. § 68 Satz 1 und Satz 3 LVwG regelt für Satzungen, deren Geltungsbereich sich nicht auf das ganze Land erstreckt, lediglich, dass diese bekanntzumachen sind und eine örtliche Bekanntmachung ausreichend ist. Die Landesverordnung über die örtliche Bekanntmachung und Verkündung (BekanntVO), hier die BekanntVO vom 14. September 2015 (GVOBl. 2015, S. 338), regelt, in welcher Form die örtliche Bekanntmachung vorgenommen werden kann. Die Auswahl der Form obliegt den Gemeinden und wird durch das jeweilige Ortsrecht bestimmt (Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 24. September 2020 – 1 MR 5/20 –, Rn. 51, juris). Dementsprechend sieht die Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 11. September 2003 in § 9 Abs. 1 vor, dass Satzungen der Gemeinde durch Abdruck im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Amtes Jevenstedt veröffentlicht werden.

38

Ein Fehler könnte sich daraus ergeben, dass das amtliche Bekanntmachungsblatt des Amtes Jevenstedt nicht den Anforderungen von § 3 Abs. 1 Satz 1 BekanntVO genügt. Danach muss das amtliche Bekanntmachungsblatt durch seine Bezeichnung auf seinen amtlichen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung hinweisen, der es herausgibt, jahrgangsweise fortlaufend nummeriert sein und den Ausgabetag, die Erscheinungsweise sowie die Bezugsmöglichkeiten und -bedingungen angeben.

39

Das Bekanntmachungsblatt des Amtes Jevenstedt weist zwar durch seine Bezeichnung auf seinen amtlichen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung hin, der es herausgibt. Es ist auch jahrgangsweise fortlaufend nummeriert (hier die Nr. 12/2020) und gibt den Ausgabetag an (hier den 2. Juli 2020). Allerdings gibt es seine Erscheinungsweise nicht an und auch nicht seine Bezugsmöglichkeiten und Bezugsbedingungen. Diese Angaben sind weder auf dem Deckblatt noch im Impressum (Bl. 1574 Beiakte B) enthalten und finden sich auch sonst nicht in dem Bekanntmachungsblatt.

40

Bejahte man insoweit einen Fehler, wären diese Angaben auch nicht deshalb entbehrlich, weil § 13 Abs. 1 Satz 2 der Hauptsatzung des Amtes Jevenstedt vom 3. September 2013 regelt, dass das amtliche Bekanntmachungsblatt die Bezeichnung „Bekanntmachungsblatt des Amtes Jevenstedt“ trägt, bei Bedarf am 1. und 3. Donnerstag im Monat erscheint und bei der Amtsverwaltung in Jevenstedt kostenlos erhältlich ist. Zwar verweist die Hauptsatzung der Antragsgegnerin in § 9 Abs. 1 Satz 2 auf diese Regelung, wenn es dort heißt: „Hinsichtlich der Erscheinungsweise und der Bezugsmöglichkeiten gelten die entsprechenden Bestimmungen der Hauptsatzung des Amtes Jevenstedt.“. Allerdings enthält § 3 Abs. 1 Satz 1 BekanntVO gerade keine Vorgaben, welche die entsprechende Satzung enthalten muss, sondern Mindestvorgaben für den Inhalt des Bekanntmachungsblattes selbst. Der Verordnungsgeber hat diese Mindestangaben ausdrücklich neben den in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BekanntVO enthaltenen Mindestangaben für die Satzung normiert.

41

2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt allerdings kein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB vor. Danach sind Ort und Dauer der Auslegung sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen; dabei ist darauf hinzuweisen, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist abgegeben werden können und dass nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben können. Diese Voraussetzungen erfüllt die Auslegungsbekanntmachung der Antragsgegnerin im Bekanntmachungsblatt Amt Jevenstedt vom 18. April 2019 (Bl. 272 Beiakte A). Der Umstand, dass in der Bekanntmachung auf einen Beschluss der Gemeindevertretung vom 28. April 2019 Bezug genommen wird, beeinträchtigt nicht die gebotene Anstoßwirkung. Es handelte sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, der – unabhängig davon, dass dieser im Bekanntmachungsblatt Amt Jevenstedt vom 2. Mai 2019 berichtigt worden ist – nicht geeignet war, jemanden von der Einsicht in den ausgelegten Plan abzuhalten. Insbesondere wurde nicht der Eindruck vermittelt, es handele sich um einen bloßen Entwurf, der für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen war. Schon grammatikalisch wird klar, dass sich die Bekanntmachung auf einen bereits gefassten Beschluss der Gemeindevertretung bezieht („gebilligte und zur Auslegung bestimmte Entwurf des B-Planes Nr. 35“, Bl. 272 Beiakte D).

42

3. Auch teilt der Senat nicht die Rechtsauffassung der Antragstellerin, wonach es der Durchführung einer weiteren Auslegung gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB bedurft hätte. Die Antragstellerin begründet dies einerseits damit, dass die textliche Festsetzung Nr. 10 einen offensichtlichen Fehler enthalten habe, dessen Korrektur zur Neuauslegung habe führen müssen und andererseits damit, dass im Rahmen der zweiten Auslegung des Entwurfs des Bebauungsplans Nr. 35 der Geltungsbereich des Bebauungsplans den Teilbereich 2 – anders als in dem später bekannt gemachten Bebauungsplan – noch mit eingeschlossen habe. Beides führt nicht auf einen Verfahrensfehler.

43

§ 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB sieht vor, dass der Entwurf des Bauleitplans, wenn er nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt wird, erneut auszulegen ist und die Stellungnahmen erneut einzuholen sind. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass das Beteiligungsverfahren nicht um seiner selbst willen zu betreiben ist. Hat eine nach öffentlicher Auslegung vorgenommene Ergänzung einer Festsetzung lediglich klarstellende Bedeutung, so besteht kein Anlass zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung oder einer erneuten Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange, denn inhaltlich ändert sich am Planentwurf nichts. Entsprechendes gilt, wenn der Entwurf nach der Auslegung in Punkten geändert worden ist, zu denen die betroffenen Bürger, Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zuvor bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen beruhen und Dritte hierdurch nicht abwägungsrelevant berührt werden (BVerwG, Beschluss vom 18. April 2016 – 4 BN 9.16 –, Rn. 4, juris). So liegt es hier im Hinblick auf die Änderung des Wortlauts der textlichen Festsetzung Nr. 10 Abs. 1. Es handelt sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, der auf den Hinweis der Antragstellerin im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung beseitigt worden ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, dass hier tatsächlich ein Denkfehler der Antragsgegnerin vorgelegten haben könnte, denn es liegt auf der Hand, dass festverglaste Fenster als Instrumente passiven Schallschutzes im Rahmen der vorliegenden Planung nur auf der Gebäudeseite einen Sinn ergeben, welche der Lärmquelle zugewandt ist.

44

Das Erfordernis einer erneuten Auslegung ergab sich auch nicht aus dem Umstand, dass während der zweiten Auslegung der Teilbereich 2 – anders als in dem später bekannt gemachten Bebauungsplan – noch in der Planzeichnung enthalten gewesen ist. Die Anstoßfunktion wurde auch insoweit nicht verfehlt. Denn bei verständiger Lesart des Entwurfs des Bebauungsplans (Bl. 985 Beiakte C) einschließlich dessen Legende und des Begründungsentwurfs wird deutlich, dass die Antragsgegnerin sich zu der zweiten Auslegung gerade deshalb veranlasst gesehen hatte, weil sie den Teilbereich 2 aus dem übrigen Plangebiet „herauslösen“ wollte. Zwar hätte es zur Verbesserung der Lesbarkeit der einzelnen Festsetzungen durchaus nahegelegen, den Teilbereich 2 weiß und das übrige Plangebiet farbig zu gestalten. Allerdings ist dies nicht zwingend; unter Einbeziehung des ebenfalls ausgelegten Begründungsentwurfs (S. 5, 22, Bl. 990, 1007 Beiakte C) sowie des Umweltberichts (S. 3, Bl. 1016 Beiakte C) lässt sich bei verständiger Lesart hinreichend deutlich erkennen, dass die Antragsgegnerin aufgrund der erst zu einem späteren Zeitpunkt möglichen Verlagerung des emissionsstarken Gewerbetriebs „…“ zunächst nur die Bekanntmachung des Bebauungsplans für das Teilgebiet 1 anstrebte, während der Bebauungsplan für das Teilgebiet 2 zu einem späteren Zeitpunkt erlassen werden sollte. Auch der durch eine rote Umrandung deutlich hervorgehobene Zusatz auf dem Planentwurf, wonach nur Änderungen und Ergänzungen farbig dargestellt sind, bringt zum Ausdruck, dass der Teilbereich 2 deshalb farbig gekennzeichnet ist, weil er aus der Planung herausgenommen wird.

45

4. Auch liegen die von der Antragstellerin behaupteten Festsetzungsfehler nicht vor. Zwar verhält es sich so, dass entsprechend der textlichen Festsetzung Nr. 1.1 Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Anlagen für Verwaltung, Gartenbaubetriebe und Tankstellen nicht zulässig sind und gemäß Nr. 1.2 sonstige nicht störende Gewerbebetriebe, die der Versorgung des Gebiets dienenden Schank- und Speisewirtschaften, nicht störende Handwerksbetriebe sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke ausnahmsweise zulässig sind. Damit ist der Antragstellerin zwar darin zuzustimmen, dass abweichend von § 4 Abs. 2 BauNVO nur noch Wohngebäude und die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden allgemein zulässig sind, während die weiteren als allgemein zulässig vorgesehenen Nutzungen nur ausnahmsweise zulässig sind. Hiermit hält sich die Antragsgegnerin indes nach Auffassung des Senats noch in den Grenzen von § 1 Abs. 5 BauNVO. Danach kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. So liegt es hier. Zwar weist die Antragstellerin zu Recht darauf hin, dass sich das allgemeine Wohngebiet durch die Zuordnung wohnaffiner Nutzungen von dem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO unterscheidet, das ausschließlich dem Wohnen dient. Mit dem vollständigen Ausschluss der nach § 4 Abs. 2 BauNVO zulässigen Nutzungen wäre daher die allgemeine Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets nicht mehr gegeben (OVG NRW, Urteil vom 29. November 2019 – 7 D 7/18.NE –, Rn. 31, juris). Die Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO sind der Wohnnutzung nämlich zugeordnet, damit im Wohngebiet selbst eine Versorgungsinfrastruktur bereitgestellt werden kann, mit der sich die Grundbedürfnisse der Bevölkerung befriedigen lassen (BVerwG, Urteil vom 7. September 2017 – 4 C 8.16 –, Rn. 7, juris). Dem trägt die Antragsgegnerin aber Rechnung, indem sie die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden als allgemein zulässig festsetzt. Damit normiert sie einen noch ausreichenden Unterschied zum reinen Wohngebiet, in dem Läden, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, nur ausnahmsweise zulässig sind und wahrt damit die Zweckbestimmung des allgemeinen Wohngebiets. Der Ausschluss der ausnahmsweise zulässigen Nutzungen in § 4 Abs. 3 Nr. 1 und 3 bis 5 BauNVO findet seine Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO, wonach im Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 BauNVO vorgesehen sind, nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden.

46

5. Der Bebauungsplan Nr. 35 erweist sich indes als voraussichtlich in mehrfacher Hinsicht gegen das Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 7 BauGB verstoßend.

47

Das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB, nach dem bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind, stellt inhaltliche Anforderungen an den Abwägungsvorgang und an das Abwägungsergebnis und unterliegt dabei insgesamt allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die elementare planerische Entschließung der Gemeinde über die städtebauliche Entwicklung und Ordnung und kein aufsichtlich oder gerichtlich nachvollziehbarer Vorgang (Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 18. Juni 2019 – 1 MR 1/19 –, Rn. 29, juris; Urteil vom 15. März 2018 – 1 KN 4/15 –, Rn. 67, juris). Gemäß § 214 Abs. 3 BauGB ist für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung – vorliegend am 19. Mai 2020 – maßgebend (Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 28. August 2020 – 1 MR 4/20 –, Rn. 22, juris).

48

Die Antragsgegnerin hat nach summarischer Prüfung im Eilverfahren voraussichtlich sowohl gegen das Gebot verstoßen, gemäß § 2 Abs. 3 BauGB bei der Aufstellung des Bebauungsplans die Belange, die für die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten (dazu: a)) als auch der Abwägungsdirektive des § 50 Satz 1 BImSchG nicht Rechnung getragen (dazu: b)).

49

a) Die seitens der Antragsgegnerin durchgeführten Ermittlungen erweisen sich nach derzeitigem Kenntnisstand im Eilverfahren hinsichtlich der Ermittlung der Vorbelastung durch Immissionen sowie in Bezug auf die betrieblichen Interessen der Antragstellerin als defizitär. Dieser Verfahrensmangel ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans auch beachtlich.

50

aa) Dies gilt zunächst, soweit die Antragsgegnerin die Immissionsvorbelastung im Gebiet des Bebauungsplans Nr. 35 durch die im gegenüberliegenden Gewerbegebiet im Bereich ihres Bebauungsplans Nr. 16 angesiedelten Gewerbebetriebe ermittelt hat. Zwar ist sie damit im Grundsatz der Kritik des LLUR in seinem Schreiben vom 23. Mai 2018 gefolgt, wonach aus immissionsschutzrechtlicher Sicht gegen die geplante Ausweisung eines WA-Gebiets gegenüber dem bestehenden Gewerbegebiet (uneingeschränkt) und dem geplanten erweiterten Gewerbegebiet (B-Plan Nr. 26) erhebliche Bedenken bestünden und daher zunächst eine schalltechnische Begutachtung durchgeführt und zur Prüfung übersandt werden müsse (Bl. 174 Beiakte D). Allerdings erweist sich das Schallgutachten Teil 2 (Schallimmissionen durch Gewerbelärm) vom 23. Oktober 2019 voraussichtlich nicht als taugliche Grundlage für die im Rahmen von § 3 Abs. 2 BauGB gebotene Ermittlung der abwägungserheblichen Belange.

51

Zum einen legt es seine Tatsachengrundlage nicht ausreichend offen. Insoweit ergibt sich zwar aus Ziffer 5 „Grundlagen“, dass der Gutachter einen Übersichtslageplan im Maßstab 1:5000, einen Katasterplan im Maßstab 1:1000, Planungsunterlagen der Ingenieurgesellschaft Gosch-Schreyer-Partner und eine Auskunft der Antragsgegnerin über die Bauleitplanung zugrunde gelegt hat (S. 5 des Gutachtens). Allerdings fehlt es an der Offenlegung der jeweils zugrunde gelegten Betriebsabläufe, welche der Gutachter als Grundlage für die berechnete Schallleistung in Tabelle 1 herangezogen hat. Insoweit verweist das Gutachten lediglich auf eine Befragung der im Gewerbegebiet ansässigen Betriebe, die ergeben habe, dass auf mehreren Betriebsgrundstücken lärmrelevante Tätigkeiten während der Nacht zu erwarten seien (S. 7 des Gutachtens). Dies genügt nicht, um nachzuvollziehen, ob die jeweiligen Betriebsabläufe zutreffend und vollständig zugrunde gelegt worden sind, was die Antragstellerin für ihr Unternehmen bereits im Beteiligungsverfahren bestritten hat (vgl. S. 50 der Abwägungstabelle vom 4. November 2019, S. 712 Beiakte C). Erforderlich wären Angaben zu den einzelnen Betriebsabläufen, insbesondere die Bezeichnung der konkreten Schallquellen. Nur so können die von der Planung Betroffenen, aber auch die Gemeinde – und schließlich der Senat – Vollständigkeit und Richtigkeit der vom Gutachter aufgestellten Prämissen nachprüfen. Unklar ist in diesem Zusammenhang vor allem, weshalb der Gutachter diese Anforderungen allein in Bezug auf das Unternehmen „…“ – insoweit werden Betriebsabläufe und Schallquellen bezeichnet – erfüllt, nicht aber in Bezug auf die weiteren Betriebe.

52

Zum anderen erweist sich das Gutachten, das unter der Prämisse erstellt worden ist, die auf das künftige allgemeine Wohngebiet einwirkende Lärmvorbelastung zu ermitteln (und nicht die Genehmigungsfähigkeit einer Anlage zu beurteilen) als – auch für die Beschlussfassung der Gemeinde – in methodischer Hinsicht nicht nachvollziehbar. Eingangs vermisst der Leser bereits eine detaillierte Beschreibung der zugrunde gelegten Methodik. Eine solche wäre jedenfalls deshalb erforderlich gewesen, weil der Gutachter mit der TA Lärm eine von ihrem Anwendungsbereich zumindest nicht unmittelbar eröffnete Verwaltungsvorschrift anwendet. Der Anwendungsbereich der TA Lärm umfasst Anlagen, die als genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürftige Anlagen den Anforderungen des Zweiten Teils des BImSchG unterliegen, mit Ausnahme bestimmter in Nr. 1 TA Lärm aufgeführter Anlagen. Der Gutachter erläutert insoweit lediglich, dass er – in Abstimmung mit dem LLUR – so vorgegangen sei, dass er die nächtlichen Schallimmissionen nicht nach der DIN 18005, sondern auf Grundlage der TA Lärm ermittelt habe.

53

Dabei hat er zunächst dargestellt, welche Betriebe im gegenüberliegenden Gewerbegebiet vorhanden sind und welche Schallemissionen sie während der lautesten Nachtstunde verursachen (S. 7 und Tabelle 1 des Gutachtens). Insoweit ist aus Sicht des Senats bereits der letzte Textabschnitt auf Seite 7 des Gutachtens, mit welchem der Inhalt von Tabelle 1 erläutert wird, nicht nachvollziehbar, wenn es dort heißt, die folgende Tabelle zeige die betroffenen Firmen und die errechneten Schallleistungen, die in der Zeit von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr eine Einhaltung der nächtlichen Immissionsrichtwerte vor den nächstgelegenen vorhandenen Wohnhäusern sicherstellen. Denn Tabelle 1 enthält lediglich errechnete Schallleistungen der im Gewerbegebiet vorhandenen neun Firmen, bzgl. der Antragstellerin etwa von 94,2 dB(A). Diese Werte stellen indes lediglich die Schallemissionen dar, treffen aber noch keine Aussage darüber, ob an den Immissionsorten die Immissionsrichtwerte eingehalten werden. Unabhängig davon ist unklar, was der Gutachter mit den „nächstgelegenen vorhandenen Wohnhäusern“ meint, denn das Plangebiet, in dem sich die Immissionsorte finden, war im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung noch nicht erschlossen, geschweige denn bebaut.

54

In einem zweiten Schritt hat der Gutachter sodann berechnet, welche Schallimmissionen die jeweiligen Gewerbebetriebe – für sich gesehen – an den Immissionsorten 1 und 2 verursachen (S. 10 des Gutachtens). Dabei hat er diejenigen Schallimmissionen ausgeschieden, die mehr als 6 dB(A) unter dem Immissionsrichtwert von 40 dB(A) für ein allgemeines Wohngebiet liegen, weil sie nach der TA Lärm als nicht relevant anzusehen seien (zu dieser Begründung: S. 6, 10 des Gutachtens). Dabei benennt das Gutachten für dieses Vorgehen keine konkrete Grundlage in der TA Lärm. Sofern man mit der Antragstellerin davon ausgeht, dass sich der Gutachter für dieses Vorgehen der Sache nach wohl auf Ziffer 3.2.1 TA Lärm bezieht – die Antragsgegnerin hat sich gegen die Angriffe der Antragstellerin gegen das Schalltechnische Gutachten im Verfahren nicht verteidigt – ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass sich ein solches Vorgehen als voraussichtlich zur Ermittlung der von der Planung betroffenen Belange ungeeignet erweisen würde; jedenfalls fehlt es insoweit an einer – auch für die Beschlussfassung der Gemeinde – schlüssigen Herleitung.

55

Nach Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm (Prüfung im Regelfall) ist vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 bis 5 der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 nicht überschreitet. Die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen setzt nach Nr. 3.2.1 Abs. 7 TA Lärm in der Regel eine Prognose der Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage und – sofern im Einwirkungsbereich der Anlage andere Anlagengeräusche auftreten – die Bestimmung der Vorbelastung sowie der Gesamtbelastung nach Nummer A.1.2 des Anhangs voraus. Die Bestimmung der Vorbelastung kann im Hinblick auf Absatz 2 entfallen, wenn die Geräuschimmissionen der Anlage die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 um mindestens 6 dB(A) unterschreiten. Nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm darf die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet.

56

Diese Regelung bezieht sich unmittelbar nur auf die Neuzulassung einer genehmigungsbedürftigen Anlage nach dem BImSchG und ermöglicht die Zulassung einer solchen trotz Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung, wenn ihr eigener Immissionsanteil nicht relevant ist. Außerdem entfällt die Bestimmung der Vorbelastung und der Gesamtbelastung (vgl. Nr. 2.4 TA Lärm), wenn die Geräuschimmissionen die Immissionsrichtwerte um mindestens 6 dB(A) unterschreiten. Damit gilt die Irrelevanzregelung originär aber nicht für die Ermittlung der Vorbelastung, auf die sich vorliegend gerade der Gutachtenauftrag bezog, sondern nur für die Zusatzbelastung.

57

Dass diese Regelung darüber hinaus in der Weise angewendet werden kann, dass jede vorhandene Anlage bereits im Rahmen der Vorbelastung außer Betracht gelassen wird, wenn sie mehr als 6 dB(A) unter dem Immissionsrichtwert für ein allgemeines Wohngebiet bleibt, ergibt sich jedenfalls aus dem Gutachten selbst nicht. Der Gutachter erläutert sein methodisches Vorgehen auch insoweit nicht. Es liegt auch nicht auf der Hand, dass diese Vorgehensweise methodengerecht ist. Denn der sog. Irrelevanzklausel liegt die einschränkende Auslegung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zugrunde, wonach von einer Anlage nicht jede von ihr hervorgerufene, insbesondere nicht jede geringfügige Immission als kausaler Beitrag zu einer schädlichen Umwelteinwirkung zugerechnet werden darf; ein nicht relevanter Immissionsbeitrag stellt keine Verletzung der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar (Feldhaus/Tegeder, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar, Band 4, B 3.6 Rn. 23). Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass die energetische Addition zweier Schallpegel, die sich um 6 dB(A) unterscheiden, einen Summenschallpegel ergibt, der um 1 dB(A) über dem größeren der beiden Schallpegel liegt. Änderungen des Schalldruckpegels bis zu etwa 1 dB(A) werden vom menschlichen Gehör im Allgemeinen subjektiv nicht wahrgenommen, soweit sich der Geräuschcharakter dabei nicht signifikant ändert. Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm markiert somit eine Irrelevanzschwelle (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 12. August 2019 – 9 N 17.1046 –, Rn. 45, juris). Danach ist es aber keinesfalls zwingend, dass bereits im Rahmen der Vorbelastung nicht nur eine einzelne, sondern eine Vielzahl – vorliegend sieben von neun betrachteten Anlagen – aufgrund der als jeweils um 6 dB(A) unter dem maßgeblichen Wert von 40 dB(A) bleibend errechneten Werte als irrelevant ausgeschieden werden dürfen. Ein solches Vorgehen bedürfte zumindest eingehender gutachterlicher Erläuterung, die vorliegend unterblieben ist. Dies gilt umso mehr, als die Regelung in Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm wohl schon im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Prüfung von Anlagen im Anwendungsbereich der TA Lärm nicht anwendbar sein dürfte, wenn diese Ausnahmevorschrift bezogen auf ein und denselben Immissionsort (innerhalb kurzer Zeit) mehrfach zur Anwendung gelangt, denn dies führt zu einer mehrfachen Erhöhung der dort bereits vorhandenen schädlichen Umwelteinwirkungen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2018 – 2 D 102/14.NE –, Rn. 96, juris). In der Literatur wird etwa vertreten, dass die Regel der Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm nicht herangezogen werden könne, wenn im Falle des Absatzes 2 mehr als fünf gleichartige Anlagen auf den Immissionsort einwirkten oder damit zu rechnen sei, dass in einer überschaubaren Zukunft mehrere Anlagen, deren Zusatzbelastung bezogen auf denselben Immissionsort 6 dB(A) unterhalb des Richtwertes lägen, zugelassen werden sollten. Vielmehr sei dann eine qualitative Prüfung nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm erforderlich (Hansmann in: Landmann/Rohmer, UmweltR, TA Lärm, Stand: Februar 2020, Nr. 3 3. Rn. 16; Feldhaus/Tegeder, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar, Band 4, B 3.6 Rn. 23). Erst recht aber dürfte die mehrfache Anwendung der Irrelevanzregelung fraglich sein, wenn gutachterlich nicht die Zulassung einer Anlage, sondern die Ermittlung der Vorbelastung selbst zu prüfen ist.

58

Nur ergänzend merkt der Senat an, dass dem Schalltechnischen Gutachten Teil 2 auch nicht mit hinreichender Deutlichkeit die exakte Lage der Immissionsorte zu entnehmen ist. Der Textteil verweist lediglich auf die Beilage Nr. 2, welche die gewählten Immissionsorte als Punkte auf dem Flurstück 4 erkennen lässt, ohne dass aber erkennbar wird, welche Position im Bebauungsplan sie einnehmen und weshalb sie ausgewählt worden sind.

59

Aus Vorstehendem folgt, dass die Antragsgegnerin entgegen § 2 Abs. 3 BauGB die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt hat. Dieser Mangel ist auch offensichtlich, denn die Antragstellerin hat schon im Beteiligungsverfahren anwaltlich unvertreten darauf aufmerksam gemacht, dass der Gutachter keine „Gesamtbetrachtung Gewerbelärm“ vorgenommen habe (Abwägungsvorgang vom 4. November 2019, S. 51, Bl. 713 Beiakte C). Der Mangel ist auch auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Eine Kausalität ist schon dann zu bejahen, wenn sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann, d. h., wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre (Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 6. Oktober 2020 – 1 MR 7/20 –, S. 16, juris m. w. N.). So liegt es hier, denn die Ermittlung der Lärmschutzbelange, insbesondere der vom Gewerbegebiet ausgehenden Lärmbelastung stellt sich als elementare Grundlage der Planungsentscheidung der Antragsgegnerin, an dieser Stelle ein allgemeines Wohngebiet festzusetzen, dar. Erweist sich aber diese Grundlage als nicht valide, ist es angesichts der im Rahmen der Vorbelastungsermittlung ausgeschiedenen Immissionen nicht ausgeschlossen, dass die Gesamtbelastung an den Immissionsorten sich als höher erweisen wird. Damit wäre aber durchaus eine Rückkehr der Antragsgegnerin zu der von ihr ursprünglich ins Auge gefassten Teilausweisung des Plangebiets als Mischgebiet greifbar.

60

bb) Unabhängig davon hat es die Antragsgegnerin unterlassen, die betrieblichen Interessen der Antragstellerin hinreichend zu ermitteln.

61

Der Schutz privater Eigentümerinteressen nach Art. 14 Abs. 1 GG und damit die von den Festsetzungen des Bebauungsplans gestaltete Nutzbarkeit von Grundstücken gehört in hervorgehobener Weise zu den geschützten abwägungserheblichen Belangen. Zu den von § 1 Abs. 7 BauGB bei der Abwägung zu berücksichtigenden und damit auch gemäß § 2 Abs. 3 BauGB zu ermittelnden privaten Belangen zählt neben dem Eigentumsschutz auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb. Der Inhaber eines Betriebs im Sinne eines auf Erwerb ausgerichteten Unternehmens kann sich daher auf sein Interesse am Erhalt der planungsrechtlichen Grundlagen für die Genehmigung von Vorhaben auf dem Betriebsgrundstück berufen. Dieses erfasst sowohl den betrieblichen Bestand als auch die Möglichkeiten, im Rahmen einer normalen Betriebsentwicklung Kapazitäten zu erweitern und Anlagen zu modernisieren, soweit dies zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich ist. Abwägungserheblich ist die Entwicklung eines Betriebs allerdings nur, wenn sie entweder bereits konkret ins Auge gefasst ist oder bei realistischer Betrachtung der Entwicklungsmöglichkeiten naheliegt; unklare oder unverbindliche Absichtserklärungen hinsichtlich der Entwicklung eines Betriebs sind nicht erheblich (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. März 2018 – 5 S 1873/15 –, Rn. 58, juris).

62

Nach derzeitigen Erkenntnisstand liegt es nahe, dass die Antragsgegnerin bereits die bestehenden betrieblichen Nutzungen der Antragstellerin jedenfalls unvollständig ermittelt und in ihre Abwägung eingestellt hat. Dem Schallgutachten Teil 2 lässt sich dies mangels einer Beschreibung der zugrunde gelegten betrieblichen Abläufe, wie bereits ausgeführt, nicht im Einzelnen entnehmen. Für den Senat ist jedenfalls nicht nachvollziehbar, welche Tätigkeiten der Gutachter im Einzelnen eingestellt hat. Auf den Einwand der Antragstellerin im Beteiligungsverfahren, die Angaben im Lärmgutachten zu ihrem Betrieb seien nicht nachvollziehbar (S. 50 der Abwägungstabelle vom 4. November 2019, S. 712 Beiakte C), hat die Antragsgegnerin nur erwidert, das Schallgutachten berücksichtige, welche Lärmeinschränkungen heute schon durch bestehende Betriebe und bestehende Betriebsleiterwohnungen vorhanden seien. Diese Aussage kann allerdings ohnehin nur Geltung für den nächtlichen Betrieb beanspruchen, denn zur Ermittlung der Schallimmissionen am Tag hat der Gutachter einen flächenbezogenen Schallleistungspegel von 60 dB(A)/m² zugrunde gelegt; individuelle Ermittlungen sind offenbar insoweit seitens des Gutachters überhaupt nicht angestellt worden. Weitere Ermittlungen der Antragsgegnerin in Bezug auf die tatsächlichen Betriebsabläufe im Gewerbegebiet (Bebauungsplan Nr. 16), speziell im Hinblick auf die Antragstellerin, aber auch im Hinblick auf die übrigen Gewerbebetriebe, lassen sich dem Abwägungsvorgang sowie dem Verwaltungsvorgang nicht entnehmen. Dies bestätigt auch der Vortrag im Eilverfahren, wonach der Antragsgegnerin offenbar – auch nach Auswertung der Baugenehmigungsakten betreffend das Betriebsgrundstück – keine aussagekräftige Betriebsbeschreibung vorliegt. Fehlt es aber an der Ermittlung der vollständigen tatsächlichen Betriebsabläufe im (genehmigten) Bestand, erscheint es schon bei summarischer Prüfung naheliegend, dass in die Abwägung das Interesse der Antragstellerin, ihren Betrieb im Rahmen des bestehenden und des genehmigten Umfangs nutzen zu können (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2019 – 2 B 1425/18.NE –, Rn. 29, juris) nicht zutreffend eingestellt worden ist.

63

Als bei summarischer Prüfung unvollständig erweist sich der Abwägungsvorgang zudem in Bezug auf die Ermittlung der seitens der Antragstellerin vorgebrachten betrieblichen Erweiterungsmöglichkeiten. Die Antragstellerin hat mit ihren Schreiben vom 29. Mai 2019 und vom 16. Dezember 2019 die Antragsgegnerin darauf aufmerksam gemacht, dass das Schallgutachten ihre zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten nicht berücksichtigt habe. In ihrer Einwendung vom 29. Mai 2019 hat sie ausgeführt, Erweiterungsmöglichkeiten seien nicht diskutiert worden. Für ihr Erweiterungsvorhaben würde eine Ausweisung als allgemeines Wohngebiet dazu führen, dass in circa 100 m Entfernung ein Immissionsrichtwert von 55 dB(A) bzw. 40 dB(A) einzuhalten wäre. Der Irrelevanznachweis (– 6 dB(A)) für die Erteilung einer entsprechenden Genehmigung könne nicht geführt werden (Bl. 602 Beiakte D). Zwischen den Beteiligten ist insoweit auch unstreitig, dass am 27. Mai 2019 ein Gespräch zwischen der Antragsgegnerin und den Gewerbetreibenden aus dem Gewerbegebiet Busbahnhof/Rolandskoppel stattgefunden hat, im Rahmen dessen für die Antragstellerin vorgetragen worden ist, sie plane, an diesem Betriebsstandort Grünabfälle anzunehmen (vgl. Schriftsatz der Antragstellerin vom 7. September 2020, S. 5, Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. September 2020, S. 8). Im Eilverfahren hat die Antragstellerin – ohne dass die Antragsgegnerin dem entgegengetreten ist – ausgeführt, sie habe seit längerem die Absicht, das Spektrum ihrer gewerblichen Tätigkeiten zu erweitern, und habe hierzu dem Ingenieurbüro … einen Auftrag für eine Genehmigungsplanung für die Betriebserweiterung erteilt. Das LLUR als Genehmigungsbehörde habe indes zum Ausdruck gebracht, im Falle der Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets keine Genehmigung zur Lagerung und Behandlung von Grünabfällen erteilen zu wollen. Den von der Antragstellerin geäußerten Erweiterungsabsichten ist die Antragsgegnerin nicht weiter nachgegangen, obgleich sich die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen aufgedrängt hätte.

64

Als abwägungsfehlerhaft erweist sich in diesem Zusammenhang zudem die Aussage der Antragsgegnerin in der Abwägungstabelle, der Bebauungsplan Nr. 16 sei aus schalltechnischer Sicht kein uneingeschränktes Gewerbegebiet, wobei die Einschränkungen sich bereits durch die vorhandene Bebauung mit Betriebsleiterwohnungen innerhalb des Gewerbegebiets ergäben, welche hinsichtlich bestehender Schutzansprüche zu berücksichtigen seien. Durch den Bebauungsplan Nr. 35 verschlechtere sich die Situation der Betriebe im Bebauungsplan Nr. 16 nicht (vgl. Abwägungsvorgang vom 4. November 2019, S. 51, 52, 63, 69, 72, 93, Bl. 713, 714, 725, 731, 734, 755 Beiakte C). Die heranrückende Wohnbebauung könne den Konflikt nicht lösen, da eine Begrenzung der Schallimmissionen bereits durch vorhandene Wohnhäuser und Betriebsleiterwohnungen im Gewerbegebiet … erfolge (Abwägungsvorgang vom 22. April 2020, S. 33, Bl. 1423 Beiakte B).

65

Dies trifft in rechtlicher Hinsicht nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht Betriebsinhaber- und Betriebsleiterwohnungen ein geringerer Schutz gegen Immissionen (auch fremder) Betriebe zu als sonstigen Wohnungen; diese müssen sich vielmehr mit den Immissionen abfinden, die generell im Gebiet der Hauptnutzung üblich sind (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1983 – 4 C 67.78 –, Rn. 19, juris; Urteil vom 16. März 1984 – 4 C 50.80 –, Rn. 15, juris). Den innerhalb des Bebauungsplangebiets Nr. 16 genehmigten Betriebsleiterwohnungen steht nur der Schutzanspruch eines Gewerbegebiets zu. Das gilt selbst dann, wenn die Wohnnutzung mittlerweile – legal oder illegal – ohne Betriebsbezug stattfindet (Nds. OVG, Urteil vom 12. Mai 2015 – 1 KN 238/13 –, Rn. 34, juris; vgl. auch Beschluss vom 28. Februar 2020 – 1 MN 153/19 –, Rn. 20, juris). Nicht die Betriebe, die sich innerhalb des zulässigen Störgrads halten, sind zu Maßnahmen verpflichtet, die das Wohnen zumutbar erscheinen lassen, sondern die Nutzer der betriebsbezogenen Wohnungen (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand: Mai 2020, § 8 Rn. 40). Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung als Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO funktionslos geworden ist, hat der Senat nicht. Funktionslos kann eine bauplanerische Festsetzung sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre (Fort-)Geltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient (BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1997 – 4 NB 6.97 –, Rn. 10 f., juris). Zur Darlegung dieser Voraussetzungen genügt der von der Antragsgegnerin im Eilverfahren ausgeführte Umstand nicht, dass sich im näheren Umfeld des Grundstücks der Antragstellerin mehrere Gebäude befänden, die bauaufsichtlich zugelassen seien und in denen Wohnungen vorhanden seien (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. September 2020, S. 7).

66

Auch soweit die Antragsgegnerin im Abwägungsvorgang vom 22. April 2020 ausgeführt hat, aufgrund der bereits innerhalb des Gewerbegebiets befindlichen Betriebsleiterwohnungen dürfe die Grenze an den entsprechenden Betriebsleiterwohnhäusern durch alle gewerblichen Nutzungen nachts pro Stunde 50 dB(A) bereits in der Bestandssituation nicht überschritten werden […]; das bestehende Gewerbegebiet habe bereits jetzt den entsprechenden Schutzanspruch zu gewährleisten, sodass durch das geplante Wohngebiet im Rahmen des Bebauungsplans Nr. 35 keine weiteren Nutzungskonflikte geschaffen würden (Abwägungsvorgang vom 22. April 2020, S. 33, Bl. 1423 Beiakte B), verdeutlicht dies noch, dass die Antragsgegnerin fehlerhaft davon ausgeht, dass bereits heute im Bebauungsplangebiet Nr. 16, in welchem die Antragstellerin ansässig ist, nur Lärm verursacht werden dürfe, der im Bebauungsplangebiet Nr. 35 die Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet einhält. Nur so lässt sich erklären, dass die Antragsgegnerin meint, es entstehe kein weiterer Nutzungskonflikt und das Gewerbegebiet habe bereits jetzt „den entsprechenden Schutzanspruch zu gewährleisten“.

67

b) Zudem verstößt die gemeindliche Abwägungsentscheidung aller Voraussicht nach gegen § 50 Satz 1 BImSchG.

68

Im Rahmen ihrer Abwägung, insbesondere bei der Neuplanung von Wohngebieten, hat die Gemeinde – worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist – auch die Abwägungsdirektive des § 50 Satz 1 BImSchG zu berücksichtigen, wonach bei raumbedeutsamen Planungen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen so weit wie möglich vermieden werden (BVerwG, Urteil vom 22. März 2007 – 4 CN 2.06 –, Rn. 14, juris). Dabei erweist sich eine Bauleitplanung regelmäßig als verfehlt, wenn sie – unter Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz des § 50 Satz 1 BImSchG – dem Wohnen dienende Gebiete anderen Gebiete so zuordnet, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die Wohngebiete nicht so weit wie möglich vermieden werden. Der Grundsatz der zweckmäßigen Zuordnung von unverträglichen Nutzungen ist ein wesentliches Element geordneter städtebaulicher Entwicklung und damit ein elementares Prinzip städtebaulicher Planung. Anders als bei einer durch ein bereits vorhandenes Nebeneinander konfliktträchtiger Nutzungen geprägten Gemengelage darf die Gemeinde deshalb nicht ohne zwingenden Grund selbst die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Vorbelastungen dadurch schaffen, dass sie in einen durch ein erhöhtes Immissionspotenzial gekennzeichneten Bereich ein störempfindliches Wohngebiet hineinplant und damit aus einem Wohngebiet in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht in Wahrheit ein Dorf- oder Mischgebiet macht (BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2006 – 4 BN 17.06 –, Rn. 5, juris). Der Trennungsgrundsatz stellt jedoch kein zwingendes Gebot dar, sondern eine Abwägungsdirektive. Er kann im Rahmen der planerischen Abwägung durch andere Belange von hohem Gewicht überwunden werden. Der Rechtsprechung zu § 50 Satz 1 BImSchG ist nicht zu entnehmen, dass eine Zurückstellung immissionsschutzrechtlicher Belange nur dann abwägungsfehlerfrei ist, wenn die Planung durch entgegenstehende Belange mit hohem Gewicht "zwingend" geboten ist. Ob sich eine Abwägungsdirektive wie der Grundsatz der Trennung unverträglicher Raumnutzungen in der Abwägung durchsetzt, entscheidet sich erst in einer Bewertung der konkreten Einzelfallumstände. Vom Trennungsgrundsatz gemäß § 50 Satz 1 BImSchG sind Ausnahmen zulässig, wenn sichergestellt werden kann, dass von der projektierten Nutzung im Plangebiet nur unerhebliche Immissionen ausgehen, und wenn im Einzelfall städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht hinzutreten, die es rechtfertigen, eine planerische Vorsorge durch räumliche Trennung zurücktreten zu lassen (BVerwG, Urteil vom 19. April 2012 – 4 CN 3.11 –, Rn. 29, juris).

69

Gemessen daran liegt nach derzeitigem Erkenntnisstand ein Verstoß gegen § 50 Satz 1 BImSchG vor. Die Antragsgegnerin setzt sich zwar mit dieser Vorschrift an mehreren Stellen des Abwägungsvorgangs auseinander. Die beiden von ihr in diesem Zusammenhang aber ausschließlich verwendeten und von ihr offensichtlich als abwägungserheblich empfundenen Aspekte machen indes deutlich, dass sie den Gehalt des Trennungsgrundsatzes verkannt und diesen demzufolge im Ergebnis unzutreffend gewichtet hat.

70

Dies gilt zunächst, soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang wiederum darauf abstellt, dass es sich bei dem Bebauungsplangebiet Nr. 16 „aus schalltechnischer Sicht“ um kein unbeschränktes Gewerbegebiet handele. Diesen – wie bereits ausgeführt – in rechtlicher Hinsicht unzutreffenden Belang stellt sie nicht nur den vor dem Hintergrund von § 50 Satz 1 BImSchG vorgebrachten Belangen der Antragstellerin gegenüber (vgl. Abwägungsvorgang vom 4. November 2019, S. 52, Bl. 714 Beiakte C), sondern auch denen weiterer von der Planung betroffener Privatpersonen (vgl. Abwägungsvorgang vom 4. November 2019, S. 49, 56, 63, 69, 72, 93, Bl. 711, 718, 725, 731, 734, 755 Beiakte C).

71

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Argumentation der Antragsgegnerin, die Jevenstedter Straße, die im Rahmen der 19. Änderung des Flächennutzungsplanes als örtlicher Hauptverkehrszug dargestellt werde, da sie im Straßennetz der Antragsgegnerin eine althergebrachte Verbindungsfunktion zur Gemeinde Jevenstedt habe, bewirke für sich bereits eine ausreichende Trennung des Gewerbegebiets Nr. 16 von dem geplanten allgemeinen Wohngebiet. Das ist nicht der Fall. Die Jevenstedter Straße kann angesichts ihrer geringen Breite weder als Argument für eine ausreichende räumliche Trennung durch angemessene Abstände (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 50 Rn. 18) herangezogen werden, noch als sonstige Schutzmaßnahme bei ansonsten fehlenden oder nur beschränkten Separationsmöglichkeiten der divergierenden Nutzungen (vgl. Tophoven in: BeckOK UmweltR, Stand: 1. Juli 2020, § 50 Rn. 19). Vielmehr verursacht sie ihrerseits Immissionen im Plangebiet, welche die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Abwägung zu berücksichtigen hatte (vgl. Schallgutachten Teil 1: Schallimmissionen durch Straßenverkehrslärm vom 27. Juni 2018).

72

Soweit die Antragsgegnerin im Eilverfahren vorgetragen hat, eine räumlich trennende Wirkung ergebe sich auch aus der westlich des Gewerbegebiets gelegenen Tennisanlage sowie der künftigen Überplanung des Flurstücks 61/54 als eingeschränktes Gewerbegebiet, waren diese Erwägungen schon nicht Gegenstand der Abwägungsentscheidung; sie werden in den beiden Abwägungstabellen vom 4. November 2019 und vom 22. April 2020 nicht erwähnt. Die künftige planungsrechtliche Entwicklung des Flurstücks 61/54 konnte im Zeitpunkt der gemeindlichen Beschlussfassung über den vorliegenden Bebauungsplan auch noch keine Berücksichtigung finden, denn der Bebauungsplan Nr. 26 befindet sich nach den Darlegungen im Eilverfahren noch im Aufstellungsverfahren (vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. September 2020, S. 4). Die Tennisanlage dürfte zudem allenfalls geeignet sein, eine Trennung des Gewerbegebiets in die westliche Richtung und damit in Bezug auf die bereits bestehenden Wohngebiete im Bereich Sandkoppel und Hökerkoppel der Antragsgegnerin herzustellen.

73

II. Eine einstweilige Anordnung kann vorliegend ergehen, weil der (weitere) Vollzug des Bebauungsplans Nr. 35 vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragstellerin günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist.

74

Nach den gemachten Ausführungen spricht nach dem bisherigen Erkenntnisstand Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin die von der Planung betroffenen betrieblichen Belange der Antragstellerin im Zusammenhang mit der heranrückenden Wohnbebauung nicht ausreichend betrachtet und abgewogen hat. Dies kann bei Vollzug des auf dieser Abwägungsentscheidung basierenden Bebauungsplans Nr. 35 zu nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Beschränkungen ihrer Betriebsbetätigung (vgl. § 24 BImSchG) führen, wie auch zur Beeinträchtigung bereits verdichteter betrieblicher Erweiterungsmöglichkeiten. Sollte die durch den Bebauungsplan ermöglichte Wohnbebauung bis zum Abschluss des Normenkontrollhauptsacheverfahrens weitgehend verwirklicht sein, würde der Antragstellerin der spätere Erfolg in jenem Verfahren möglicherweise nichts mehr nützen. Die Eigentümer genehmigter Bauvorhaben im Plangebiet könnten sich, sofern die Antragstellerin nicht jede einzelne Baugenehmigung mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifen würde, auf die Legalisierungswirkung der Baugenehmigungen berufen (OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2005 – 10 B 2657/04.NE –, Rn. 15, juris). Hierauf muss sich die Antragstellerin entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht verweisen lassen. Wenn eine Baugenehmigung bereits erteilt worden ist, ist (auch einstweiliger) Rechtsschutz dagegen nur noch im Wege des Widerspruchs (und ggf. der Klage) und eines Antrags nach § 80a VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO zu erlangen. Da der einstweilige Rechtsschutz gemäß § 80a VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO einem anderen „Prüfprogramm“ folgt als derjenige nach § 47 Abs. 6 VwGO und insbesondere nicht ohne Weiteres auch die Prüfung eventueller Abwägungsmängel des der Baugenehmigung zugrundeliegenden Bebauungsplans mit umfasst, würde die Antragstellerin nach Ergehen einer Baugenehmigung irreversible Einschränkungen ihres (einstweiligen) Rechtsschutzes erleiden. Nichts anderes gilt, soweit es vorliegend aufgrund von § 68 LBO der Erteilung einer Baugenehmigung nicht bedürfte, denn in diesem Fall wäre einstweiliger Rechtsschutz nur nach § 123 Abs. 1 VwGO zu erlangen.

75

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Das führt – orientiert an den regelmäßigen Streitwertannahmen des Senats zu Normenkontrollverfahren zum Schutz von Gewerbebetrieben – zu einem Hauptsachestreitwert von 40.000 Euro, der für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu 50 % in Ansatz gebracht wird.

76

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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