Urteil vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 LB 28/20

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 8. Kammer, Einzelrichter – vom 7. November 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten verfügten Baueinstellung und der nachfolgend angeordneten Baustellenversiegelung.

2

Der Kläger erhielt im Rahmen einer notariell beurkundeten Versteigerung vom 13.04.2013 den Zuschlag zum Erwerb einer noch zu vermessenden, mit dem Bahnhofsgebäude bebauten und ca. 2.300 m² großen Teilfläche des insgesamt 54.529 m² großen Schleswiger Bahnhofsgrundstücks, deren Eigentümer er inzwischen ist (vgl. Auszug aus dem Liegenschaftskataster, Stand 11.09.2016, Beiakte A zu 1 MB 5/18, Bl. 3, im Folgenden: Beiakte A; Auszug aus dem Liegenschaftskataster, Stand 11.09.2017, Beiakte A zu 8 A 829/17, Bl. 105; vgl. zu den Einzelheiten des Erwerbs auch Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22.12.2020 – 9 U 39/20 –, Rn. 2 ff. bei juris).

3

Am 06.05.2015 stellte der Kläger bei der Beklagten als unterer Bauaufsichtsbehörde einen Bauantrag im Baugenehmigungsverfahren nach § 67 LBO für einen Sonderbau nach § 51 Abs. 2 LBO. Der Antrag war auf die Genehmigung einer Nutzungsänderung des Bahnhofs Schleswig, nämlich auf die „Umgestaltung zur Kultur- und Erlebnisgastronomie“ gerichtet.

4

Das von der Beklagten beteiligte Eisenbahn-Bundesamt nahm mit Schreiben vom 19.11.2015 wie folgt Stellung: Es sei die zuständige Planfeststellungsbehörde für die Betriebsanlagen und die Bahnstromfernleitungen (Eisenbahninfrastruktur) der Eisenbahnen des Bundes. Es prüfe als Träger öffentlicher Belange, ob die zur Stellungnahme vorgelegten Planungen bzw. Vorhaben die Aufgaben nach § 3 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz – BEVVG) berührten. Das Empfangsgebäude des Bahnhofs Schleswig sei Betriebsanlage der Eisenbahnen des Bundes, in dem sich bahnbetriebsnotwendige Anlagen befänden, weshalb eine Freistellung der Fläche von Bahnbetriebszwecken nach § 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) und damit ein Wechsel der Planungshoheit derzeit ausgeschlossen sei. Eine entsprechende Vorprüfung auf Freistellungsfähigkeit sei beim Eisenbahn-Bundesamt auf Anfrage des Klägers bereits durchgeführt worden. Neubau und Änderungen von Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes seien planfeststellungspflichtig gemäß § 18 AEG. Zuständige Behörde sei das Eisenbahn-Bundesamt. Nach den Plänen solle das Empfangsgebäude in Teilen geändert werden und der geänderte Bereich einer bahnfremden Nutzung dienen. Für Umbaumaßnahmen für baufremde Zwecke innerhalb einer gemischt genutzten Anlage (klassischer Fall: Empfangsgebäude) seien abweichend von der grundsätzlichen Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes die Bauaufsichtsbehörden gemäß der jeweiligen Landesbauordnungen zuständig. Einzige Voraussetzung sei, dass die Maßnahme nicht in betrieblich genutzte Anlagenteile (also im Empfangsgebäude vorhandene betriebsnotwendige Anlagen) eingreife oder die Maßnahme keine Auswirkungen auf die Gesamtsicherheit (Standsicherheit, Brandschutz) habe. Dem Vorhaben könne seitens des Eisenbahn-Bundesamtes demnach nur zugestimmt werden, wenn 1. die bahnbetriebsnotwendigen Anlagen im/am Empfangsgebäude in Lage und Funktion erhalten blieben, nicht geändert würden, nicht überbaut würden und die Räumlichkeiten, in denen sie sich befänden, frei zugänglich blieben und keiner anderen Nutzung zugeführten würden, weil sonst die Gefahr des Untergangs des Bahnzweckes bestehe, wogegen Einwendungen erhoben werden müssten, und wenn 2. die Gesamtsicherheit des Empfangsgebäudes uneingeschränkt gewährleistet sei. Sofern die genannten Voraussetzungen nicht vorlägen, müsse der Bauwillige über den Eisenbahnin-frastrukturunternehmer bzw. seinen Vertreter (DB Immobilien) beim Eisenbahn-Bundesamt einen Antrag auf Zulassung nach § 18 AEG stellen.

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Am 28.09.2016 stellte der Kläger erneut einen Bauantrag im Baugenehmigungsverfahren nach § 67 LBO für einen Sonderbau nach § 51 Abs. 2 LBO. Der Antrag war wieder auf die Genehmigung einer Nutzungsänderung des Bahnhofs Schleswig in Form einer „Umgestaltung zur Kultur- und Erlebnisgastronomie“ gerichtet. Die Pläne sehen u. a. die Errichtung einer Galerie in der Bahnhofshalle vor, ferner eine Sportsbar, eine Music-Lounge, ein Bistro und eine Cocktail-Bar (insgesamt 180 Gastplätze) und Bereiche für Kleinkunst (50 Gastplätze). An verschiedenen Stellen sind mit der Farbe Gelb gekennzeichnete „Abbrüche“ in Form von Wanddurchbrüchen und Entfernung von Wänden geplant. Mit Schreiben vom 29.09.2016 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass vor dem Zugang einer schriftlichen Baugenehmigung mit dem Bau nicht begonnen werden dürfe.

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Nachdem dennoch Bauarbeiten im Bereich des Bahnhofsgebäudes festgestellt worden waren, erging am 04.10.2016 eine mündliche Stilllegungsverfügung. Mit Schreiben vom 25.01.2017 machte der Kläger geltend, dass ihm als Bauherren bislang ein rechtsgültiger Baustopp nicht zugestellt worden sei und kündigte die Fortsetzung „nicht genehmigungspflichtiger Renovierungsarbeiten“ an. Mit Bescheid vom 02.02.2017 wurde die „bereits mündlich am 04.10.2016 verfügte Baueinstellung gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 1 LBO schriftlich bestätigt“. Zur Begründung führte die Beklagte unter Bezugnahme auf § 59 LBO aus, dass am 02.01.2017 zum wiederholten Male festgestellt worden sei, dass der Kläger auf dem Grundstück Bauarbeiten ausführe bzw. ausführen lasse, und zwar den Aushub von Unterboden im Kellergeschoss. Dabei handele es sich offensichtlich um eine genehmigungsbedürftige Maßnahme im Sinne von § 62 LBO. Da eine Baugenehmigung aufgrund fehlender Unterlagen bislang nicht habe erteilt werden können, habe der Kläger gegen § 73 Abs. 6 LBO verstoßen, wonach vor dem Zugang der Baugenehmigung mit der Bauausführung nicht begonnen werden dürfe. Das Bauen ohne die erforderliche Baugenehmigung stelle einen rechtswidrigen Zustand dar, der schon wegen seiner Rechtswidrigkeit beseitigt werden müsse.

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Die Beklagte ordnete gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an und wies den Kläger ergänzend auf § 59 Abs. 3 LBO hin, wonach die Bauaufsichtsbehörde die Baustelle versiegeln oder die an der Baustelle vorhandenen Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen könne, wenn unzulässige Arbeiten trotz einer schriftlich oder mündlich verfügten Einstellung fortgesetzt würden.

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Den mit Schreiben vom 06.02.2017 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Beklagte als untere Bauaufsichtsbehörde für die Baueinstellung nicht zuständig gewesen sei. Aus der Anlage 5.2 der Präsidialverfügung des Eisenbahn-Bundesamtes folge dessen Zuständigkeit.

9

Bei einer bauaufsichtlichen Baustellenüberprüfung am 02.03.2017 ordnete die Beklagte eine Versiegelung der Baustelle mündlich an und führte sie durch. Mit Bescheid vom 09.03.2017 ordnete sie die Versiegelung ergänzend schriftlich und zudem die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die für die Erteilung einer Genehmigung erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorlägen. Insbesondere seien ein zwingend erforderlicher Standsicherheitsnachweis inklusive des Prüfvermerks eines Prüfingenieurs für Standsicherheit bisher nicht vorgelegt worden. Ihre Zuständigkeit zur Durchführung des Genehmigungsverfahrens ergebe sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 BEVVG und der ihr vorliegenden Bestätigung des Eisenbahnbundesamtes vom 19.11.2015. Die Durchführung einer Baustellenversiegelung sei das nach § 59 Abs. 3 LBO mildeste noch zur Verfügung stehende bauaufsichtliche Mittel zur Verhinderung weiterer Bautätigkeit und stelle auch das einzig geeignete Mittel dar, um weitere Bautätigkeit zu verhindern. Der Kläger sei mit Schreiben vom 30.09.2016, 11.01.2017, E-Mail vom 07.11.2016 und 24.11.2016 sowie mit E-Mails der unteren Denkmalschutzbehörde vom 22.12.2016 aufgefordert worden, die für die Erteilung einer Baugenehmigung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Dem sei er bislang leider nur in Teilen nachgekommen, habe aber, wie sich aus verschiedenen Hinweisen aus der Bevölkerung und nach ihrer eigenen Feststellung ergebe, mit umfassenden Baumaßnahmen begonnen und habe diese sowohl nach dem mündlich angeordneten Baustopp als auch nach dessen schriftlicher Bestätigung durch Bescheid vom 02.02.2017 fortgesetzt.

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Gegen diese Verfügung legte der Kläger mit Schreiben vom 18.03.2017 am 21.03.2017 Widerspruch ein. Die genehmigungspflichtigen Arbeiten unterlägen der Bauleitplanung des Eisenbahn-Bundesamtes. Zudem treffe es nicht zu, dass nach dem 02.02.2017 genehmigungspflichtige Arbeiten ausgeführt worden seien. Nach den Verkaufsunterlagen und der Verkaufsbeschreibung der DB Netz AG befinde sich das Objekt in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand. Es seien umfangreiche Renovierungs- und Sanierungsarbeiten erforderlich, welche nicht genehmigungspflichtig seien. Anderslautende Behauptungen könnten vor Ort widerlegt werden. So seien in dem am 09.03.2017 versiegelten Keller Reparatur- und Aufräumarbeiten aufgrund von Wassereinbrüchen durchgeführt worden.

11

Die Beklagte wies die Widersprüche gegen die Baueinstellung und die Versiegelung mit Bescheid vom 20.09.2017 zurück. Da es der beantragten Nutzung des Bahnhofsgebäudes als Kultur- und Erlebnisgastronomie an der Eisenbahnbetriebsbezogenheit fehle, sei in enger Abstimmung mit dem Eisenbahn-Bundesamt die Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde gegeben. Gemäß § 73 Abs. 6 LBO dürfe grundsätzlich bei einem Sonderbau erst nach Erteilung der Baugenehmigung und Abgabe einer Baubeginnanzeige mit Bauarbeiten begonnen werden. Die vom Kläger angenommene Fiktion der Genehmigung nach § 69 Abs. 9 LBO greife nicht, weil sie nur für vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gelte. Eine Genehmigung scheitere weiterhin daran, dass der Bauantrag immer noch nicht vollständig vorliege. Bei den am 04.10.2016 anlässlich eines Ortstermins festgestellten Bautätigkeiten an dem Gebäude .. habe es sich um Arbeiten gehandelt, die zum einen eine Abstimmung mit der unteren Denkmalschutzbehörde und zum anderen die Vorlage rechnerischer Nachweise zur Prüfung der Statik erforderlich gemacht hätten. Der Baustopp sei deshalb zu Recht verfügt worden. Da auch in der Folgezeit die zur Genehmigung erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht und trotz der schriftlich verfügten Baueinstellung weiterhin Bautätigkeiten ausgeführt worden seien, sei die Versiegelung der Baustelle rechtmäßig gewesen, da Arbeiten, die wegen Fehlens einer Genehmigung unzulässig gewesen seien, trotz verfügter Baueinstellung fortgesetzt worden seien. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Ordnungsverfügungen rechtmäßig und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergangen seien.

12

Die auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche bzw. später der Klage gegen die Baueinstellung und die Versiegelung gerichteten Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sind im Ergebnis erfolglos geblieben (vgl. im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Schl.-Holst. VG, Beschluss vom 06.10.2017 – 8 B 145/17 –, juris, Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 20.12.2017 – 1 MB 18/17 –, juris, und im Anhörungsrügeverfahren Beschluss vom 15.01.2018 – 1 MB 1/18 –, im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO Schl.-Holst. VG Beschluss vom 04.05.2018 – 8 B 145/17 –, Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 28.08.2018 – 1 MB 5/18 –, juris).

13

Der Kläger hat am 09.10.2017 Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Beklagte für den Erlass der streitgegenständlichen Verfügungen sachlich nicht zuständig sei. Die Bauarbeiten bezögen sich in Gestalt des Bahnhofsgebäudes (Empfangsgebäude) auf Betriebsanlagen einer Eisenbahn des Bundes, hinsichtlich derer die Bauaufsicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 BEVVG beim Eisenbahn-Bundesamt liege.

14

Nachdem der Senat in seinem Beschluss vom 20.12.2017 – 1 MB 18/17 – ausgeführt hatte, dass auch bei einem auf eine gemischte Nutzung gerichteten Bauvorhaben allein das Eisenbahn-Bundesamt für eine Baueinstellung zuständig sei, wenn durch Bauarbeiten die Standsicherheit (Statik) und der Brandschutz des gesamten Bahnhofsgebäudes infrage gestellt seien, hat der Kläger geltend gemacht, dass die von ihm angestrebten Umbau- bzw. Änderungsmaßnahmen unzweifelhaft und in erheblichem Maße in die Statik des eine Betriebsanlage im Sinne des § 18 AEG darstellenden Empfangsgebäudes des Bahnhofs Schleswig eingriffen.

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Die Versiegelung der Baustelle sei ferner deshalb rechtswidrig, weil sie einen unerlaubten Verstoß gegen die zeitlich vorausgehende Baueinstellungsverfügung voraussetze und lediglich sichernde provisorische Maßnahmen zur Gefahrenabwehr oder zum Schutz bisher errichteter Bauteile, die er bislang nur vorgenommen habe, keinen derartigen Verstoß darstellten.

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Der Kläger hat beantragt,

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1. die Bauordnungsverfügung der Beklagten vom 02.02.2017 (Baueinstellung) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.09.2017 aufzuheben,
18
2. die Bauordnungsverfügung der Beklagten vom 09.03.2017 (Versiegelung der Baustelle) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.09.2017 aufzuheben.
19

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

21

Sie hat geltend gemacht, dass mangels Vorlage der erforderlichen prüffähigen Unterlagen die Frage, ob ein Eingriff in die Standsicherheit des Gesamtgebäudes vorliege, weiterhin nicht abschließend geklärt werden könne. Die mit Schreiben vom 29.01.2018 übersandten statischen Berechnungen entsprächen nicht den Anforderungen eines Standsicherheitsnachweises gemäß § 70 Abs. 3 LBO. Eine weitere Berechnung sei erst nach Ablehnung des Bauantrages mit Bescheid vom 29.06.2017 erstellt worden, was dem Kläger auch mitgeteilt worden sei. Bei einem Eingriff in die Statik sei ein Planfeststellungsverfahren erforderlich und könne der Kläger erst nach Abschluss eines solchen Verfahrens mit den Baumaßnahmen im Gebäude beginnen. Die Erforderlichkeit eines Planfeststellungsverfahrens nach § 18 AEG habe jedoch keinen Einfluss auf ihre bauaufsichtsrechtliche Zuständigkeit, da die bauaufsichtliche Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes sich auf Bauherren beschränke, die durch das Allgemeine Eisenbahngesetz und seine Verordnungen verpflichtet würden.

22

Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland, die im vorliegenden Verfahren vom Eisenbahn-Bundesamt vertreten wird, hat keinen Antrag gestellt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte die sachlich zuständige Behörde für die streitgegenständlichen Verfügungen sei.

23

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.11.2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es, wie schon in seinem Beschluss vom 04.05.2018 – 8 B 145/17 –, ausgeführt, dass gegenüber dem Kläger lediglich der Beklagten als unterer Bauaufsichtsbehörde ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse zustünden. Die Zuständigkeit der Beklagten als untere Bauaufsichtsbehörde folge aus § 58 Abs. 2 Satz 1 LBO in Verbindung mit § 1 8. VO-LBO. Zwar finde gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 LBO die Landesbauordnung keine Anwendung auf Anlagen des öffentlichen Verkehrs und deren Nebenanlagen. Hiervon ausdrücklich ausgenommen seien aber Gebäude. Diese landesrechtlich begründete Zuständigkeit werde auch nicht durch bundesrechtliche Vorschriften verdrängt. Die planfeststellungsrechtliche Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes aus § 18 AEG lasse die grundsätzliche, aus der Landesbauordnung folgende Zuständigkeit der Beklagten für die Erteilung einer Baugenehmigung an den Kläger unberührt. Bei gemischt genutzten Anlagen wie dem Schleswiger Bahnhofsgebäude, das als Empfangsgebäude noch Betriebsanlage der Eisenbahnen des Bundes sei, in dem der Kläger aber einen Eventbahnhof verwirklichen wolle, sei das der Planfeststellung unterliegende Vorhaben nicht die Gesamtanlage, sondern nur der bahnspezifische Teil der Anlage. Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten bestehe folglich auch dann fort, wenn durch die bahnfremde Nutzung die Statik und der Brandschutz des gesamten Bahnhofsgebäudes infrage gestellt würden und das Bedürfnis einer Planrechtsentscheidung nach § 18 AEG durch das Eisenbahn-Bundesamt ausgelöst werde. Konsequenterweise bestehe die sachliche Zuständigkeit der Beklagten auch im Hinblick auf bauordnungsrechtliche Maßnahmen. Die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für Bauaufsicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 BEVVG umfasse, wie der Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEVVG zeige, allein die Bauaufsicht hinsichtlich planfestgestellter Vorhaben. Von dieser Zuständigkeit würden nicht eisenbahnbetriebsbezogene Nutzungen nicht erfasst; sie unterfielen grundsätzlich weiterhin der allgemeinen Bauaufsicht durch die zuständigen Behörden. Dies gelte auch für das Vorhaben des Klägers, da es unabhängig von einer Planfeststellung gemäß § 18 AEG realisiert werden solle. Zwar möge eine Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes auch dann bestehen, wenn planfeststellungsbedürftige Bauarbeiten ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt würden, doch fehle es auch dann jedenfalls an einer das Eisenbahn-Bundesamt legitimierenden Eingriffsbefugnisnorm. Die Generalklausel des § 5a Abs. 1 AEG, wonach die Eisenbahnaufsichtsbehörden in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Maßnahmen zu treffen hätten, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften erforderlich seien, stelle eine solche Norm nicht dar. Sie ermächtige die Eisenbahnaufsichtsbehörden lediglich zum bauordnungsrechtlichen Einschreiten gegenüber den in § 5 Abs. 1 AEG Verpflichteten, zu denen private Betreiber von bahnbetriebsfremden Nutzungen innerhalb von Bahnbetriebsanlagen nicht gehörten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage lägen vor und die Beklagte habe von ihrem daraus folgenden Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Der Kläger habe gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 59 Abs. 1 Satz 2 LBO in Verbindung mit § 73 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LBO mit der Bauausführung vor Zugang einer Baugenehmigung begonnen. Eine solche sei ihm zu keinem Zeitpunkt erteilt worden; sie gelte vielmehr als zurückgenommen. Es sei unerheblich, welche konkreten Bauarbeiten er bereits durchgeführt habe bzw. ob es sich dabei teilweise auch um untergeordnete „Renovierungsarbeiten“ gehandelt habe. Werde offensichtlich gegen die grundlegende Vorschrift des § 73 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LBO verstoßen, dürfe die Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich die Einstellung sämtlicher Arbeiten verlangen. Abgesehen davon habe der Kläger aber unstreitig auch bereits wesentliche Arbeiten (wie Wanddurchbrüche und die Errichtung einer Galerie in der Bahnhofshalle) vorgenommen, die keinesfalls als (für sich gesehen) genehmigungsfreie „Renovierungsarbeiten“ qualifiziert werden könnten. Auch die Ermessenserwägungen der Beklagten seien nicht zu beanstanden. Nach gefestigter Rechtsprechung könne eine Baustilllegung schon dann ergehen, wenn mit der Bauausführung vor der Erteilung einer dem Bauvorhaben entsprechenden Baugenehmigung begonnen worden sei (formelle Illegalität). Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn das Vorhaben offensichtlich genehmigungsfähig und die Erteilung der Baugenehmigung alsbald zu erwarten sei. Dies sei hier unzweifelhaft nicht der Fall gewesen. Im Gegenteil habe zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids noch nicht einmal (mehr) ein wirksamer Bauantrag vorgelegen. Die Voraussetzungen für eine Versiegelung gemäß § 59 Abs. 3 LBO hätten vorgelegen, da unzulässige Arbeiten nach § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBO trotz einer Einstellung fortgesetzt worden seien. So sei ein Stahlbetonpodest im unterkellerten Bereich der Eingangshalle eingebaut und eine Stahlbetondecke auf einer Holzbalkenlage im obersten Geschoss errichtet worden. Die zuerst angebrachten Siegel seien sogar im Beisein von Mitarbeitern vom Kläger wieder entfernt worden. Die Beklagte habe auch ihr Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt und darauf abgestellt, dass eine Versiegelung eine geeignete Maßnahme zur Verhinderung weiterer Bautätigkeiten sei und noch das mildeste Mittel darstelle (vor dem Hintergrund, dass § 59 Abs. 3 LBO es auch gestatte, die an der Baustelle vorhandenen Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam zu bringen).

24

In einem weiteren gegen die Beklagte als untere Bauaufsichtsbehörde gerichteten Klageverfahren hatte der Kläger mit seinem auf Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben „Umgestaltung des Bahnhofsgebäudes Schleswig zur Kultur- und Erlebnisgastronomie“ gerichteten Antrag keinen Erfolg, weil einer Erteilung der Baugenehmigung entgegenstand, dass der Bauantrag wegen der Nichtvorlage zu Recht nachgeforderter Unterlagen als zurückgenommen galt (Schl.-Holst. VG, Urteil vom 07.11.2018 – A 828/17 –, Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 18.08.2020 – 1 LA 58/18 –).

25

In gegen die Denkmalschutzbehörde des Kreises Schleswig-Flensburg gerichteten Klageverfahren hatte der Kläger weder mit seinem Antrag auf Feststellung, dass die erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigung wegen Fristablaufs gemäß § 13 Abs. 1 DSchG als fiktiv erteilt gelte (Schl.-Holst. VG, Urteil vom 07.11.2018 – 8 A 685/17 –, Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 18.08.2020 – 1 LA 3/19 –) noch mit seiner Klage gegen die Untersagung der Wiederaufnahme von Bauarbeiten durch Bescheid vom 23.10.2017 und Widerspruchsbescheid vom 07.11.2017 (Schl.-Holst. VG, Urteil vom 07.11.2018 – 8 A 829/17 –, Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 18.08.2020 – 1 LA 2/19 –) Erfolg.

26

Durch Beschluss vom 18.08.2020 – 1 LA 1/19 –, dem Kläger zugestellt am 19.08.2020, hat der Senat die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Frage, ob die Beklagte als untere Bauaufsichtsbehörde zum Erlass der ein Bahnhofsgebäude betreffenden streitgegenständlichen Ordnungsverfügungen (Baueinstellung vom 04.10.2016, bestätigt durch Verfügung vom 02.02.2017 und Versiegelung vom 02.03.2017, bestätigt durch Verfügung vom 09.03.2017) zuständig war oder diese Maßnahmen in die Zuständigkeit einer für Eisenbahnrecht zuständigen Behörde fielen, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweise, wie sich aus den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidungen, insbesondere dem Beschluss des Senats vom 28.08.2018 – 1 MB 5/18 – (bei juris, Rn. 11 ff.) ergebe.

27

Der Kläger begründet die Berufung mit am 07.09.2020 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag wie folgt: Maßgebend für die Entscheidung des Rechtsstreits sei die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten für den Erlass der angefochtenen Bauordnungsverfügung. Zutreffend habe der Senat in seinem Beschluss vom 20.12.2017 – 1 MB 18/17 – ausgeführt, dass die sachliche Zuständigkeit der Beklagten nur so lange bestehe, wie nicht Standsicherheit (Statik) und der Brandschutz des gesamten Bahnhofsgebäudes infrage gestellt seien. Vorliegend sei die Statik betroffen, wie aus der (nochmals) mit Schreiben vom 29.01.2018 vorgelegten vorhabenbezogenen Statik folge. Auch die eingereichten Planunterlagen belegten eindeutig, dass seine Baumaßnahmen nahezu in allen Umbaubereichen gravierend in bahnbetrieblich notwendige Anlagenbereiche eingriffen und die von ihm vorgenommenen Veränderungen nicht als reine Nutzungsänderung bahnfremder Nutzungsbereiche anzusehen seien. Zudem werde in erheblichem Maße in allen Umbaubereichen in die Standsicherheit und in den Brandschutz eingegriffen. Der Kläger verweist insoweit auf den Einbau einer Stahlgalerie und eines Aufzugs in die Wartehalle für Reisende, auf die Verlegung der öffentlichen, für Reisende vorgehaltenen WC-Anlagen, auf die Verlegung der Kommunikations-Einrichtung und von Teilen der Stromversorgung, auf die Überbauung der Entwässerungskanäle der Bahnsteige im Außenbereich, ferner auf den Umbau mit Statikeingriff der bestehenden Bahnhofsgaststätte und deren Wiederinbetriebnahme, auf die Schaffung eines Cafés/Bistros für Reisende im Bereich der ehemaligen Gepäckhalle und auf den Umbau des Deckenbereichs der von der DB-Netz genutzten Räumlichkeiten. Dennoch habe sich die Beklagte weiterhin als alleinig zuständige Behörde auch für die Bauaufsicht angesehen, obwohl eine Übertragung der diesbezüglichen Zuständigkeit auf eine kommunale Baubehörde bei baulichen Veränderungen an Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes nach § 18 AEG nach der Präsidialverfügung zu entwidmungsrechtlichen Fragestellungen vom 01.09.2003 des Eisenbahn-Bundesamtes vom 15.01.2004 gar nicht zulässig sei. Ferner verweist der Kläger auf die Verwaltungsvorschrift über die Bauaufsicht im Ingenieurbau, Oberbau und Hochbau (VV Bau) des Eisenbahn-Bundesamtes vom 01.07.2013 und die dortigen Regelungen zur Bauaufsicht sowie dazu, dass das Bauordnungsrecht der Länder nicht unmittelbar anzuwenden, aber zu beachten sei (§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 VV Bau, Nr. 1, 2, 6, 18 und 26.3 Anhang 1 der VV Bau).

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Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass trotz des Erfordernisses einer Planfeststellung durch das Eisenbahn-Bundesamt gemäß § 18 AEG eine grundsätzliche, aus der Landesbauordnung folgende Zuständigkeit der Beklagten sowohl für die Erteilung von Baugenehmigungen für bahnfremde Nutzungen als auch im Hinblick auf bauordnungsrechtliche Maßnahmen wie eine Baueinstellung oder eine Versiegelung bestehe, sei unzutreffend. Sie sei nicht nur im Hinblick auf die damit verbundenen schwierigen Abgrenzungsfragen abzulehnen. Das ergebe sich nicht nur aus der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren 1 MB 5/18 angeführten Handreichung der Baubehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, sondern etwa auch aus dem an die untere Bauaufsichtsbehörde gerichteten Positionspapier des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 15.06.1998 (Nr. II B 4 – 3542 -001/97, zitiert nach Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Nr. 67 „Bauaufsichtliche Behandlung von Bahnanlagen“). Zu Unrecht meine das Verwaltungsgericht, dass die eisenbahnrechtlichen Vorschriften der Beigeladenen keine ordnungsrechtlichen Kompetenzen zuwiesen. Da nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BEVVG dem Eisenbahn-Bundesamt „die Bauaufsicht für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes“ obliege, sei die sachliche Zuständigkeit für bauaufsichtliche Maßnahmen im Hinblick auf (bahnbetriebsspezifische) Betriebsanlagen der Eisenbahn eindeutig dahingehend geregelt, dass dieselbe beim Eisenbahn-Bundesamt liege. Nicht nachzuvollziehen sei die Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass es aber an einer legitimierenden Eingriffsnorm fehle. Wolle man die materielle Legitimität für bauaufsichtliche Maßnahmen nicht bereits aus der Kompetenznorm des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BEVVG (selbst) ableiten, so sei nicht ersichtlich, warum nicht auch auf die seitens des Verwaltungsgerichts in Bezug genommene Vorschrift des § 5a AEG zurückgegriffen werden könne. § 5a AEG verliere seine Qualität als Eingriffsnorm nicht dadurch, dass er den Adressatenkreis etwaiger hierauf gestützter Ordnungsverfügungen einschränke. Ferner sei unzutreffend, dass zu den Adressaten des § 5 Abs. 1 AEG, auf welchen § 5a Abs. 2 AEG verweise, im wesentlichen lediglich Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen, Halter von Eisenbahnfahrzeugen, Hersteller und Inverkehrbringer von Eisenbahnen sowie die für die Instandhaltung zuständigen Stellen gehörten. Tatsächlich sei der Adressatenkreis weitaus größer und umfasse gemäß § 5a Abs. 2 AEG all diejenigen, „die durch die in § 5 Abs. 1 (AEG) genannten Vorschriften verpflichtet werden“. Zu diesen Vorschriften gehörten das AEG sowie gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AEG die „darauf beruhenden Rechtsverordnungen“. Zu Letzteren gehöre u. a. auch die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO), welche aufgrund des § 3 Abs. 1 AEG ergangen sei und, etwa in § 2 EBO, Anforderungen (auch) an Bahnbetriebsanlagen definiere und hierbei auch ihn, den Kläger, verpflichten könne, wenn durch von ihm beabsichtigte Baumaßnahmen deren Gesamtsicherheit im Hinblick auf Statik und Brandschutz tangiert werde.

29

Ergänzend weist der Kläger darauf hin, dass die Beigeladene mitgeteilt habe, dass eine Freistellung nach § 23 Abs. 2 AEG nicht in Betracht komme, weil Eisenbahninfrastrukturanlagen vorhanden seien, für die ein Verkehrsbedürfnis bestehe und langfristig eine Nutzung im Rahmen der Zweckbestimmung zu erwarten sei. Es handele sich deshalb beim Empfangsgebäude des Bahnhofs Schleswig trotz Verkaufs an einen privaten Eigentümer weiterhin um eine gewidmete Bahnanlage gemäß § 4 EBO. Diese unterliege nach Maßgabe der Richtlinien über den Erlass von Planrechtsentscheidungen für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes nach § 18 AEG (Planfeststellungsrichtlinien), Stand März 2017, Referat 51 (Planfeststellung) dem Fachplanungsvorbehalt des § 18 AEG (§ 38 BauGB). Entsprechendes habe das Eisenbahn-Bundesamt, Außenstelle Hamburg/Schwerin, auch in seinem Schreiben vom 19.11.2015 an die Beklagte mitgeteilt.

30

Zu den weiteren Voraussetzungen der Baueinstellungsverfügung und der Anordnung der Versiegelung hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht vorgetragen.

31

Der Kläger beantragt,

32

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 07.11.2018 zu ändern und die Bauordnungsverfügung der Beklagten (Baueinstellung) vom 04.10.2016, bestätigt durch Verfügung vom 02.02.2017, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2017 sowie die Bauordnungsverfügung der Beklagten (Versiegelung) vom 02.03.2017, bestätigt durch Verfügung vom 09.03.2017, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2017 aufzuheben.

33

Die Beklagte beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das Erfordernis eines Planfeststellungsverfahrens nach § 18 AEG bei Eingriffen in Statik und Brandschutzbelange sei unstreitig, da es sich bei dem Bahnhofsgebäude um eine gewidmete Betriebsanlage der Eisenbahn handele. Daneben bestehe ihre Zuständigkeit als untere Bauaufsichtsbehörde für die Genehmigung von Vorhaben in abgrenzbaren Gebäudeteilen, die nicht in Statik und Brandschutz eingriffen, sowie für die Genehmigung der Nutzung für Zwecke, die nicht dem Eisenbahnbetrieb zuzuordnen seien.

36

Zum klägerischen Vortrag zu den Statikberechnungen macht die Beklagte geltend, dass zwar aufgrund der massiven baulichen Maßnahmen in und an dem Gebäude von einem Eingriff in die Statik ausgegangen werden könne, eine formale Prüfung mangels Vorlage des Standsicherheitsnachweises gemäß § 70 Abs. 3 LBO jedoch nicht möglich gewesen sei. Die ihr vorgelegten statischen Berechnungen entsprächen nicht den Erfordernissen eines Standsicherheitsnachweises für Sonderbauten.

37

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

38

Sie wiederholt und vertieft ihre Ausführungen zur sachlichen Zuständigkeit der Beklagten für den Erlass der streitgegenständlichen Verfügungen und legt dar, dass weder das Positionspapier des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 15.06.1998 noch die Handreichung der Baubehörde (Amt für Bauordnung und Hochbau) der Freien und Hansestadt Hamburg (Bauprüfdienst 4/1999) für die Abgrenzungsfragen maßgeblich seien.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogenen Akten 8 B 145/17, 8 A 828/17, 8 A 829/17 und 8 A 685/17 nebst Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

40

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die als Anfechtungsklage gegen die Baueinstellung und die Versiegelung der Baustelle zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide vom 04.10.2016/02.02.2017 bzw. vom 02.03.2017/09.03.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20.09.2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

41

Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für den Erfolg der vorliegenden Anfechtungsklage ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und nicht der Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verfügungen oder des Widerspruchsbescheids. Denn es handelt sich bei der Baueinstellungsverfügung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Rechtmäßigkeit sich nach der jeweils aktuellen Rechtslage beurteilt (vgl. dazu Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 05.03.2020 – 1 LB 2/17 –, Rn. 29 bei juris, m. w. N.; Bay. VGH, Beschluss vom 14.04.2020 – 1 CS 20.143 –, Rn. 9 f. bei juris). Das gilt in gleicher Weise für die Anordnung der Versiegelung der Baustelle (BVerwG, Urteil vom 22.01.1971 – IV C 62.66 –, Rn. 29 bei juris).

42

A. Die Baueinstellungsverfügung ist rechtmäßig.

43

Die Bauaufsichtsbehörden haben gemäß § 59 Abs. 1 LBO bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Sie haben die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBO können sie insbesondere die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden; dies gilt gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a LBO auch dann, wenn die Ausführung eines Vorhabens entgegen den Vorschriften des § 73 Abs. 6 und 8 LBO begonnen wurde. Gemäß § 73 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LBO darf mit der Bauausführung oder mit der Ausführung des jeweiligen Bauabschnitts erst begonnen werden, wenn die Baugenehmigung der Bauherrin oder dem Bauherrn zugegangen ist.

44

Die Voraussetzungen für eine Anordnung der Einstellung der Arbeiten durch die Bauaufsicht der Beklagten sind erfüllt.

45

1) Der sachliche Anwendungsbereich der Landesbauordnung ist gemäß § 1 LBO eröffnet. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 LBO gilt die Landesbauordnung für bauliche Anlagen und Bauprodukte. Das Bahnhofsgebäude in Schleswig ist eine bauliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 LBO. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 LBO gilt die Landesbauordnung nicht für Anlagen des öffentlichen Verkehrs einschließlich Zubehör, Nebenanlagen und Nebenbetriebe, ausgenommen Gebäude. Anlagen des öffentlichen Verkehrs sind alle Arten von Verkehrsanlagen, die dem öffentlichen Verkehr dienen, zum Beispiel Straßen- und Schienenanlagen, Wasserstraßen und öffentliche Flugplätze. Eine öffentliche Verkehrsanlage ist infolge ihrer fachrechtlich festgelegten Zweckbestimmung (Widmung) grundsätzlich von jedermann benutzbar (Möller/Bebensee, Landesbauordnung Schleswig-Holstein 2016, § 1 Rn 3). Das Gelände des Schleswiger Bahnhofs, das aus dem Bahnhofsgebäude, den Bahnsteigen, den Schienen usw. besteht, ist eine Anlage des öffentlichen Verkehrs in diesem Sinne.

46

An der Einordnung als Anlage des öffentlichen Verkehrs hat der Erwerb eines Teilstücks durch den Kläger nichts geändert. Gemäß § 23 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) stellt die zuständige Planfeststellungsbehörde für Grundstücke, die Betriebsanlage einer Eisenbahn sind oder auf dem sich Betriebsanlagen einer Eisenbahn befinden, auf Antrag des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, des Eigentümers des Grundstücks oder der Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, die Freistellung von den Bahnbetriebszwecken fest, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist (vgl. zum Regelungsgehalt von § 23 AEG BVerwG, Beschluss vom 21.03.2014 – 6 B 55.13 –, Rn. 13 bei juris). Eine Freistellung von den Bahnbetriebszwecken ist nicht erfolgt und auch nicht beabsichtigt. Der Kläger selbst hat darauf hingewiesen, dass Regelungen im Kaufvertrag der Entwidmung entgegenstünden und er vergeblich einen Antrag auf Entwidmung gestellt habe (vgl. E-Mail vom 26.04.2017 an die Beklagte, Beiakte A, Bl. 201; Schriftsatz vom 07.09.2020, Seite 7). Der Schleswiger Bahnhof ist weiterhin in Betrieb. Dieser Betrieb umfasst auch Teilbereiche des Bahnhofsgebäudes, zum Beispiel die Bahnhofshalle als Wartebereich für Reisende und als Durchgang zur Fahrkartenverkaufsstelle (DB-Schalter) und zu den Gleisen.

47

Da § 1 LBO mit der Formulierung „ausgenommen Gebäude“ eine sogenannte Rückausnahme für Gebäude enthält, ist der Anwendungsbereich der Landesbauordnung aber weiterhin für das im Eigentum des Klägers stehende Bahnhofsgebäude eröffnet (vgl. die entsprechende Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LBO Bad.-Württ., § 1 Abs. 2 Nr. 1 BauO NRW, abweichend Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayBO, der nur eine Rückausnahme für Gebäude an Flugplätzen regelt).

48

2) Die Beklagte ist untere Bauaufsichtsbehörde und als solche für den Erlass von Verwaltungsakten auf der Grundlage von § 59 LBO zuständig.

49

Gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2 LBO sind untere Bauaufsichtsbehörden die Landrätinnen und Landräte und Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister der kreisfreien Städte. Gemäß § 58 Abs. 2 LBO kann die oberste Bauaufsichtsbehörde durch Verordnung die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde auf amtsfreie Gemeinden und Ämter übertragen. Dies ist durch die Landesverordnung zur Übertragung von Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde auf amtsfreie Gemeinden und Ämter (8. VO-LBO) vom 19.09.1974 (GVOBl. 1974, 349) geschehen. Gemäß § 1 8. VO-LBO werden die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde nach (damals noch) § 81 Abs. 1 bis 3 der Landesbauordnung unter anderem auf die amtsfreie Gemeinde Schleswig, d. h. auf die Beklagte, übertragen.

50

3) Der Kläger hat entgegen § 73 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LBO vor Zugang der nach der Landesbauordnung erforderlichen Baugenehmigung mit der Bauausführung begonnen.

51

a) Für das auf eine Nutzungsänderung in Form der „Umgestaltung des Bahnhofsgebäudes zur Kultur- und Erlebnisgastronomie“ gerichtete Bauvorhaben des Klägers ist eine Baugenehmigung nach der Landesbauordnung erforderlich.

52

Gemäß § 62 Abs. 1 LBO bedürfen die Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und die Beseitigung von Anlagen der Baugenehmigung, soweit in den §§ 63, 68, 76 und 77 LBO nichts anderes bestimmt ist. Die Nutzungsänderung des Bahnhofsgebäudes ist auf die Schaffung eines Sonderbaus im Sinne von § 51 Abs. 2 Nr. 8 LBO gerichtet und für Sonderbauten ist in den §§ 63, 68, 76 und 77 LBO nichts anderes bestimmt. Gemäß § 51 Abs. 2 LBO sind Sonderbauten Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung, u. a. gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 8 LBO Schank- und Speisegaststätten mit mehr als 40 Gastplätzen. Die Zahl von 40 Gastplätzen wird ausweislich der vorgelegten Pläne selbst bei Außerachtlassung der für Kleinkunst vorgesehenen 50 Gastplätze mit 180 Plätzen im Gastronomiebereich deutlich überschritten.

53

Der Erforderlichkeit einer Baugenehmigung nach der Landesbauordnung steht nicht entgegen, dass das Vorhaben des Klägers einer vorherigen Planfeststellung durch das Eisenbahn-Bundesamt nach § 18 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) bedarf (aa). Denn die Planfeststellung erfasst nur einen Teilaspekt des klägerischen Vorhabens. Das Eisenbahn-Bundesamt kann den Bau oder die Änderung einer Anlage im Wege der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nur für eisenbahnbetriebsbezogene Nutzungen zulassen; nur diese Nutzung wird vom Zweck der Planfeststellung erfasst. Soll eine Anlage in nicht unwesentlichem Umfang für bahnfremde Zwecke genutzt werden, fehlt dieser Nutzung die erforderliche Eisenbahnbetriebsbezogenheit; die Zulassung der Anlage – auch – für diesen Nutzungszweck kann von einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nicht umfasst werden. Für die nicht der Planfeststellung zugänglichen Nutzungen bedarf es einer Zulassungsentscheidung der dafür jeweils zuständigen Behörden (so ausdrücklich zu § 18 AEG BVerwG, Urteil vom 19.02.2015 – 7 C 10.12 –, Rn. 38 f. bei juris, für den Fall des Ausbaus eines Hafens zur Schaffung zusätzlicher Kapazitäten für den sogenannten trimodalen Umschlag des Güterverkehrs zwischen den Verkehrsträgern Wasser, Schiene und Straße) (bb).

54

aa) Das Vorhaben des Klägers bedarf einer Planfeststellung nach § 18 AEG.

55

Gemäß § 18 Satz 1 AEG dürfen Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Das Schleswiger Bahnhofsgebäude ist eine Betriebsanlage einer Eisenbahn in diesem Sinne.

56

Eisenbahnen sind gemäß § 2 Abs. 1 AEG öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsdienste erbringen (Eisenbahnverkehrsunternehmen) oder eine Eisenbahninfrastruktur betreiben (Eisenbahninfrastrukturunternehmen). Eisenbahnverkehrsunternehmen sind alle Eisenbahnen, deren Tätigkeit im Erbringen von Eisenbahnverkehrsdiensten zur Beförderung von Gütern oder Personen besteht (§ 2 Abs. 3 AEG). Die Eisenbahninfrastruktur umfasst die Betriebsanlagen der Eisenbahnen einschließlich der Bahnstromfernleitungen (§ 2 Abs. 6 AEG). Die Deutsche Bahn AG, deren Konzernunternehmen DB Station & Service AG den Schleswiger Bahnhof betreibt, ist eine Eisenbahn in diesem Sinne.

57

Betriebsanlagen einer Eisenbahn sind in Anlehnung an die Definition des Begriffs der Bahnanlage in § 4 Abs. 1 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) alle Grundstücke, Bauwerke und sonstigen Einrichtungen einer Eisenbahn, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs auf der Schiene erforderlich sind. Dazu gehören auch Nebenbetriebsanlagen sowie sonstige Anlagen einer Eisenbahn, die das Be- und Entladen sowie den Zu- und Abgang ermöglichen oder fördern. Es gibt Bahnanlagen der Bahnhöfe, der freien Strecke und sonstige Bahnanlagen. Fahrzeuge gehören nicht zu den Bahnanlagen. Gemeinsames Kriterium für die (objektive) Zugehörigkeit zur Bahnanlage ist damit unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse die Eisenbahnbetriebsbezogenheit, d. h. die Verkehrsfunktion und der räumliche Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb (vgl. stRspr des Bundesverwaltungsgerichts, Urteile vom 19.02.2015 – 7 C 10.12 –, Rn. 36 bei juris, vom 28.05.2014 – 6 C 4.13 –, Rn. 13 bei juris, vom 23.09.2014 – 7 C 14.13 –, Rn. 10 bei juris, und vom 27.11.1996 – 11 A 2.96 –, Rn. 21 bei juris). Das Bahnhofsgebäude ist in diesem Sinne schon wegen des räumlichen Zusammenhangs der Fahrkartenverkaufsstelle mit dem Eisenbahnbetrieb eine Bahnanlage bzw. eine Betriebsanlage.

58

Soweit in älterer Literatur noch problematisiert wird, ob Bahnhofsgebäude Betriebsanlagen einer Eisenbahn sind, beruht dies ersichtlich auf einer früheren Fassung von § 18 AEG und ist deshalb überholt. § 18 AEG bestimmte in der bis zum 02.08.2001 gültigen Fassung noch, dass Schienenwege von Eisenbahnen einschließlich der für den Betrieb der Schienenwege notwendigen Anlagen und der Bahnstromfernleitungen (Betriebsanlagen der Eisenbahn) nur gebaut oder geändert werden dürfen, wenn der Plan zuvor festgestellt worden ist, und es wurde problematisiert, ob Bahnhofsgebäude als für den Betrieb der Schienenwege notwendige Anlage anzusehen sind (vgl. problematisierend Grigoleit/Otto, Verfassungsrecht vergeht – Fachplanungsrecht besteht? – Zur Reichweite des Eisenbahnplanungsrechts beim Bahnhofsbau –, DÖV 2000, 182, 184; Betriebsanlage bejahend: Wegener, Bahnprivatisierung und Eisenbahnverkehrsverwaltung – Strukturprobleme der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nach der Bahnstrukturreform –, DÖV 1996, 305, 310; Nickel/Kopf, Einzelhandelsnutzungen in Bahngebäuden, GewArch 2003, 182, 184). Diese Frage stellt sich nicht mehr, da § 18 AEG in der seit dem 03.08.2001 geltenden Fassung auf Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen abstellt. Hinzu kommt, dass die Begriffsbestimmungen in § 2 AEG dahin erweitert worden sind, dass Bahnhofsgebäude schon danach und ohne Rückgriff auf § 4 EBO als Betriebsanlage einer Eisenbahn angesehen werden können. Aus einer Zusammenschau der Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 1, Abs. 6, Abs. 9 und Abs. 11 AEG in der seit dem 02.09.2016 geltenden Fassung und des Verweises auf die Anlage 2 Nr. 2a des Eisenbahnregulierungsgesetzes in § 2 Abs. 9 AEG folgt, dass Serviceeinrichtungen Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind, dass die Eisenbahninfrastruktur die Betriebsanlagen der Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen umfasst und dass zu den Serviceeinrichtungen u. a. Personenbahnhöfe, deren Gebäude und sonstige Einrichtungen einschließlich geeigneter Örtlichkeiten für den Fahrscheinverkauf gehören.

59

Als Betriebsanlage einer Eisenbahn darf ein Bahnhofsgebäude nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist (§ 18 Satz 1 AEG). Es gelten die §§ 72 bis 78 VwVfG nach Maßgabe des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Antragstellerin im Planfeststellungsverfahren kann nur die Eisenbahn sein, um deren Betriebsanlage es geht. Da der Kläger weder Eisenbahnverkehrsunternehmen noch Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist, kann er einen Antrag auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nicht stellen. Einen solchen Antrag stellen könnte nur die im Rahmen des Konzerns der Deutschen Bahn AG für Bahnhöfe zuständige DB Station & Service AG. Auf eine entsprechende Antragstellung hat der Kläger bislang nicht hingewirkt.

60

Eine entsprechende Antragstellung ist hier aber erforderlich. Wenn die Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahn der Planfeststellung bedarf und maßgeblich für das Vorliegen einer Betriebsanlage die Eisenbahnbetriebsbezogenheit, d. h. die Verkehrsfunktion und der räumliche Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb ist, dann erfordert die Änderung eines Bahnhofsgebäudes dann und soweit eine Planfeststellung, wie die Eisenbahnbetriebsbezogenheit betroffen ist. Letzteres ergibt sich hier schon daraus, dass von den geplanten Umbauten die Bahnhofshalle als Wartebereich für Reisende und als Durchgang zur Fahrkartenverkaufsstelle (DB-Schalter) und zu den Gleisen betroffen ist.

61

bb) Aus dem für die Anwendbarkeit von § 18 AEG erforderlichen Zusammenhang mit der Eisenbahnbetriebsbezogenheit folgt aber auch, dass die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes dort endet, wo das Bauvorhaben keinen Bezug zum Eisenbahnbetrieb hat (BVerwG, Urteil vom 19.02.2015 – 7 C 10.12 –, Rn. 38 f. bei juris). Keinen Bezug zum Eisenbahnbetrieb hat die Nutzungsänderung als solche, das heißt alle baurechtlichen Fragen, die sich daraus ergeben, dass der Kläger eine Kultur- und Erlebnisgastronomie schaffen will. Insoweit bedarf es einer Baugenehmigung nach der Landesbauordnung.

62

Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsauffassung der Beigeladenen, wie sich aus ihren Schriftsätzen und den Richtlinien des Eisenbahn-Bundesamtes über den Erlass von Planrechtsentscheidungen für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes nach § 18 AEG sowie der Magnetschwebebahnen nach § 1 MBPlG (Planfeststellungsrichtlinien, Stand März 2017) ergibt (vgl. ferner Pietrzyk, Referent im Eisenbahn-Bundesamt, Brandschutz in gemischt genutzten Betriebsanlagen der Eisenbahn, UPR 2015, 470 ff.). Diese Planfeststellungsrichtlinien (PF-RL), die ausdrücklich unmittelbar nur die Mitarbeiter des Eisenbahn-Bundesamtes binden und, soweit sie Ausführungen enthalten, die den Zuständigkeitsbereich anderer Behörden betreffen, lediglich die verfahrensrechtlichen Zusammenhänge verdeutlichen sollen (Vorbemerkungen Absatz 1 und Absatz 5), bestimmen für gemischt genutzte Anlagen, insbesondere Bahnhofsgebäude, dass (zwar) der Bau der Gesamtanlage einer Zulassungsentscheidung nach § 18 AEG unterliegt, wenn nur ein Teil einer Anlage für betriebliche Zwecke der Eisenbahnen des Bundes genutzt werden soll, dass dies aber nicht für ausschließlich bahnfremd genutzte, abgrenzbare Teilanlagen gilt. Diese bedürfen einer Zulassungsentscheidung nach § 18 AEG durch das Eisenbahn-Bundesamt nur dann, wenn die Maßnahme für betriebliche Zwecke der Eisenbahnen des Bundes genutzte Anlagenteile betrifft oder Auswirkungen auf die Gesamtsicherheit der Anlage (Standsicherheit der Gesamtanlage und/oder Brandschutz der Gesamtanlage unmittelbar betroffen) hat (PF-RL I. 1. Absatz 5). Die Zulassungsentscheidung trifft dann aber keine Entscheidung zur Genehmigung bahnfremder Nutzungen (PF-RL I. 1. Absatz 5, III. 22. Absatz 4).

63

Zusammenfassend gilt, dass bei gemischt genutzten Anlagen nur der bahnspezifische Teil des Vorhabens der Planfeststellung unterliegt (insoweit offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 19.02.2015 – 7 C 10.12 –, Rn. 38 bei juris) und nicht das Vorhaben insgesamt. Das hat zur Folge, dass die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 75 VwVfG) sich nicht auf die Gesamtanlage erstreckt (BVerwG, Urteil vom 19.02.2015 – 7 C 10.12 –, Rn. 39 bei juris; vgl. auch vorgehend OVG NRW, Urteil vom 15.03.2011 – 20 A 2147/09 –, Rn. 166 bei juris; Ronellenfitsch, Bauleitplanung und eisenbahnrechtliche Fachplanung, VerwArch 1999, 581, 594). Auch die Durchführung eines einheitlichen Planfeststellungsverfahrens gemäß § 78 VwVfG scheidet aus. Gemäß § 78 Abs. 1 VwVfG findet nur ein Planfeststellungsverfahren statt, wenn mehrere selbstständige Vorhaben, für deren Durchführung Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben sind, derart zusammentreffen, dass für diese Vorhaben oder für Teile von ihnen nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist, und mindestens eines der Planfeststellungsverfahren bundesrechtlich geregelt ist. Diese Vorschrift könnte ohnehin nur analog Anwendung finden, weil vorliegend nicht mehrere selbstständige Vorhaben zusammentreffen. Der Kläger verfolgt ein einheitliches Vorhaben, das die Rechtskreise unterschiedlicher Behörden berührt. Jedenfalls fehlt eine planwidrige Regelungslücke, weil dem Gesamtvorhaben durch parallele Genehmigungen einerseits nach Bundesrecht, andererseits nach Landesrecht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Ein materielles Interesse an der planerischen Koordination verschiedener Belange rechtfertigt für sich genommen noch nicht, die gesetzliche Verfahrenszuständigkeit zu ändern und den Anwendungsbereich des Planfeststellungsverfahrens über seine tatbestandlichen Voraussetzungen hinaus zu erweitern, sondern ergibt nur die Notwendigkeit, die verschiedenen Verfahren aufeinander abzustimmen (BVerwG, Urteil vom 19.02.2015 – 7 C 10.12 –, Rn. 39 bei juris).

64

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen führt das vom Kläger angeführte und für den Senat ohnehin nicht bindende Positionspapier des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 15.06.1998 zu keiner anderen Bewertung. Soweit es dort heißt, dass für bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren in der Reichweite der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung kein Raum ist, ist dem entgegen zu halten, dass die Reichweite der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung die bahnfremde Nutzungsänderung gerade nicht umfasst. Hinsichtlich der vom Kläger herangezogenen Handreichung der Baubehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, Bauprüfdienst 4/1999 (Anlage Ast 7 zum Schriftsatz vom 28.05.2018 im Verfahren 1 MB 5/18), hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 28.08.2018 – 1 MB 5/18 – ausgeführt, dass diese für den Senat nicht bindend und vom Kläger, der eine alleinige Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes aus Ziffer 3.2 der Handreichung ableitet, unvollständig zitiert worden ist. Zu Ziffer 4.2 wird dort ausgeführt, dass bahnverträgliche Vorhaben, wie zum Beispiel Läden und Restaurants in einem Bahnhof, in materiell-rechtlicher Hinsicht den Vorschriften des allgemeinen Baurechts, nicht dem (Bahn-)Fachplanungsrecht unterliegen und dass für Vorhaben, die nicht nur den untergeordneten Teil eines Betriebsgebäudes betreffen, die Bauprüfabteilung der Freien und Hansestadt Hamburg zuständig ist.

65

Der Senat hält angesichts der vorstehenden Erwägungen nicht mehr an seiner Auffassung fest, dass die im Hinblick auf bahnfremde bauliche Maßnahmen und Nutzungen im Bahnhof Schleswig begründete sachliche Zuständigkeit der Beklagten nur so lange besteht, wie nicht die Standsicherheit (Statik) und der Brandschutz des gesamten Bahnhofsgebäudes in Frage gestellt sind (Beschluss vom 20.12.2017 – 1 MB 18/17 –, Rn. 30 bei juris). Hat eine zur Genehmigung anstehende bahnfremde Nutzung entsprechende – eisenbahnbetriebsbezogene – Auswirkungen, so führt dies dazu, dass der Bauherr sowohl ein Planfeststellungsverfahren nach § 18 AEG als auch ein Genehmigungsverfahren nach der Landesbauordnung durchführen muss.

66

Dieses Nebeneinander von Planfeststellung nach § 18 AEG und Genehmigung nach allgemeinem Baurecht, sog. Trennungsprinzip, wird (inzwischen) auch in Literatur und Rechtsprechung vertreten (vgl. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Stand August 2020, § 38 Rn. 27 f., 77 f.; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 38 Rn. 12 f., 24; Gruber, Bauaufsichtliche Behandlung bahnfremder Nutzung von Eisenbahnbetriebsgelände, BauR 2000, 499; OLG Schleswig, 2. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 09.11.2017 – 2 SsOWi 126/17 –, Rn. 17 bei juris; OVG NRW, Urteil vom 27.04.1998 – 7 A 3818/96 –, Rn. 22, 28 bei juris; OVG NRW, Urteil vom 15.03.2011 – 20 A 2148/09 –, Rn. 143 ff. bei juris; OVG NRW, Beschluss vom 29.07.2010 – 20 B 1320/09 –, Rn. 61 ff. bei juris; VG Potsdam, Beschluss vom 14.09.2000 – 4 L 1039/00 –, Rn. 29 ff. bei juris; a. A. noch Bay. VGH, Urteil vom 20.10.1998 – 20 A 98.40022 –, Rn. 17 ff. bei juris, mit kritischer Anmerkung Jäde, BayVBl. 1999, 149 f.), auch wenn es Unterschiede im Detail gibt (vgl. Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, 4. Kap., Rn. 31 – 34, 72 – 74: Zuständigkeit beider Behörden nur bei eindeutig durchführbarer Unterscheidung zwischen betriebsbezogenen und nicht betriebsbezogenen Anlagen) und auf schwierige Abgrenzungsfragen bei Parallelgenehmigungen hingewiesen wird (Vallendar/Wurster, in: Hermes/Sellner, Beck’scher AEG Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 18 Rn. 61, 31, 10f.; Nickel/Kopf, Einzelhandelsnutzungen in Bahngebäuden, GewArch 2003, 182,186). Es wird ferner vertreten, dass unabhängig von der Frage der Genehmigungszuständigkeit jedenfalls ein bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde gegen eine ungenehmigte bahnfremde Nutzung möglich ist (Bay. VGH, Beschluss vom 11.03.2009 – 15 BV 08.1306 –, Rn. 18, 22 bei juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 31.05.1996 – 6 L 3564/93 –, Rn. 4 bei juris; vgl. zum bauaufsichtlichen Einschreiten auch Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 5. Aufl. 2015, Rn. 3842; Nickel/Kopf, Einzelhandelsnutzungen in Bahngebäuden, GewArch 2003, 182, 186).

67

b) Da eine Baugenehmigung nach der Landesbauordnung erforderlich ist, kann bei deren Fehlen gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1, § 73 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LBO bauaufsichtlich eingeschritten werden.

68

Dem Kläger ist zu keinem Zeitpunkt die erforderliche Baugenehmigung erteilt worden. Sie ist auch nicht fiktiv entstanden, vielmehr gilt der Bauantrag, wie auf Grund des Beschlusses des Senats vom 18.08.2020 im Verfahren 1 LA 58/18 rechtskräftig feststeht, als zurückgenommen.

69

Auch insoweit gelten keine spezielleren eisenbahnrechtlichen Vorschriften. Entsprechendes folgt weder aus § 3 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz – BEVVG) noch aus § 5a AEG.

70

Gemäß § 3 Abs. 1 BEVVG obliegt dem Eisenbahn-Bundesamt die Planfeststellung für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BEVVG) und die Bauaufsicht für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BEVVG). Ein Fall der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur für die Einhaltung der Rechtsvorschriften über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur gemäß § 4 Abs. 1 BEVVG ist nicht gegeben. Aus dem Zusammenhang der Regelungen folgt, dass die Zuweisung der Aufgabe „Bauaufsicht“ allein die Bauaufsicht hinsichtlich planfestgestellter Vorhaben betrifft. Sie soll den Bau begleiten und die Einhaltung baurechtlicher, insbesondere bauordnungsrechtlicher Vorschriften sicherstellen. Von dieser Zuständigkeit werden nicht eisenbahnbetriebsbezogene Nutzungen nicht erfasst; sie unterfallen grundsätzlich weiterhin der allgemeinen Bauaufsicht durch die zuständigen Behörden (Kühlwetter/Kramer, Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz, 2012, § 3 BEVVG Rn. 5, unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung). Deshalb steht auch die vom Kläger angeführte Regelung in § 2 EBO, wonach Bahnanlagen und Fahrzeuge so beschaffen sein müssen, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen, einer Auslegung nicht entgegen, nach der die bauaufsichtliche Befugnis des Eisenbahn-Bundesamtes sich auf den planfestgestellten Teil des Bauvorhabens beschränkt. Mit diesem eingeschränkten Verständnis greift die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes vorliegend schon deshalb nicht, weil ein Planfeststellungsverfahren gemäß § 18 AEG nicht stattgefunden hat, sondern der Kläger (bislang nur) den Bauantrag nach der Landesbauordnung gestellt hat.

71

Gemäß § 5a AEG haben die Eisenbahnaufsichtsbehörden die Aufgabe, die Einhaltung der in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften zu überwachen, soweit im Allgemeinen Eisenbahngesetz nichts Besonderes bestimmt ist. Sie haben dabei insbesondere die Aufgabe, Gefahren abzuwehren, die beim Betrieb der Eisenbahn entstehen oder von den Betriebsanlagen ausgehen, und gefährliche Ereignisse im Eisenbahnbetrieb zu untersuchen. Gemäß § 5a Abs. 2 AEG können die Eisenbahnaufsichtsbehörden in Wahrnehmung ihrer Aufgaben gegenüber denjenigen, die durch die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften verpflichtet werden, die Maßnahmen treffen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften erforderlich sind. § 5 AEG enthält keine Vorschriften, die den privaten Eigentümer eines Bahnhofsgebäudes verpflichten. Geregelt wird die Eisenbahnaufsicht für Eisenbahnen, für Eisenbahnverkehrsunternehmen und für Eisenbahninfrastrukturunternehmen (§ 5 Abs. 1a, 1b AEG). Dieser Kreis wird ausgedehnt auf Halter von Eisenbahnfahrzeugen, Hersteller und Inverkehrbringer von Eisenbahnmaterial, die für die Instandhaltung zuständigen Stellen, aber auch auf durch die Fahrgastrechteverordnung verbundene Unternehmen (Hermes/Schweinsberg in: Hermes/Sellner, Beck’scher AEG Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 5 Rn. 12; § 5a AEG Rn. 34).

72

Hieraus folgt, dass ein Einschreiten des Eisenbahn-Bundesamtes wegen Gefahren, die auf Grund von Bauarbeiten von den Betriebsanlagen ausgehen, nur gegenüber der DB Station & Service AG als Betreiberin der Infrastruktur des Schleswiger Bahnhofs möglich wäre, die wiederum (zivilrechtlich) auf den Kläger einwirken müsste.

73

Für die zu dieser Problematik vom Kläger angeführte Anlage 5.2 der Präsidialverfügung zu entwidmungsrechtlichen Fragestellungen vom 01.09.2003 des Eisenbahnbundesamtes vom 15.01.2004 und die Verwaltungsvorschrift über die Bauaufsicht im Ingenieurbau, Oberbau und Hochbau (VV Bau) des Eisenbahn-Bundesamtes vom 01.07.2013 (Anlagen BK 1 und BK 2 zum Schriftsatz vom 07.09.2020) gilt, dass diese den Senat nicht binden und im Übrigen mit den Ausführungen des Senats vereinbar sind. In der Anlage 5.2 der Präsidialverfügung wird im Abschnitt I 3, Seite 3, ausgeführt, dass für Verfahren bei baulichen Änderungen an und in gewidmeten Empfangsgebäuden keine Sonderregelungen gelten. Es wird u. a. auf die gesetzlichen baurechtlichen Regelungen und die Planfeststellungsrichtlinie verwiesen. Reine Nutzungsänderungen im Hinblick auf bahnfremde Nutzungen liegen danach in der Zuständigkeit der kommunalen Baubehörden. Die Zitate aus der VV Bau (§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 sowie Nr. 1, 2, 6, 18 und 26.3 des Anhangs 1) stehen der oben dargelegten eingeschränkten Auslegung der Vorschriften zur Bauaufsicht ebenfalls nicht entgegen. Das gilt insbesondere für die Formulierung in § 2 Abs. 2 VV Bau, wonach das Bauordnungsrecht der Länder nicht unmittelbar anzuwenden, aber zu beachten sei. Diese Regelung betrifft nach dem Zusammenhang der VV Bau nicht die Frage, wann die Bauaufsichtsbehörden zuständig sind, sondern allein die Frage, ob die Aufsichtsbehörden der Eisenbahn in ihrem Zuständigkeitsbereich an das Bauordnungsrecht der Länder gebunden sind.

74

c) Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die weiteren Voraussetzungen für eine Baueinstellung gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1, § 73 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LBO vor.

75

Der Kläger hat ohne Genehmigung mit der Ausführung seines Vorhabens begonnen. Demgegenüber kann er nicht damit durchdringen, dass er bislang nur genehmigungsfreie Renovierungsarbeiten vorgenommen habe. Zum einen gilt, dass für die Beurteilung der Baugenehmigungsfreiheit oder Baugenehmigungspflicht das Vorhaben insgesamt in den Blick zu nehmen ist und es nicht darauf ankommt, ob einzelne Baumaßnahmen für sich genommen baugenehmigungsfrei sind (OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 22.12.2016 – OVG 10 S 42.15 –, Rn. 6 ff. bei juris). Zum anderen hat der Kläger unstreitig bereits wesentliche Arbeiten, wie Wanddurchbrüche und die Errichtung einer Galerie in der Bahnhofshalle, vorgenommen, die einen Beginn des Bauvorhabens „Umgestaltung zur Kultur- und Erlebnisgastronomie“ darstellen.

76

Die Entscheidung der Beklagten ist auch ermessensfehlerfrei ergangen. Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine Baueinstellungsverfügung nur die formelle Illegalität eines Bauvorhabens voraus, d. h. den Baubeginn ohne Vorliegen der erforderlichen Genehmigung. Eine abschließende Prüfung der materiellen Zulässigkeit von Vorhaben ist insoweit nicht vorgesehen. Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn das Vorhaben offensichtlich genehmigungsfähig wäre und die Erteilung der Baugenehmigung deshalb alsbald zu erwarten wäre (vgl. Schl.-Holst. OVG, Beschluss vom 26.04.2017 – 1 MB 2/17 –, Rn. 4 bei juris). Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil trotz Aufforderung zu keinem Zeitpunkt die erforderlichen Unterlagen vollständig vorgelegt worden sind und der Bauantrag deshalb inzwischen rechtskräftig als zurückgenommen gilt.

77

B. Auch die Anordnung der Versiegelung der Baustelle ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

78

Gemäß § 59 Abs. 3 LBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Baustelle versiegeln oder die an der Baustelle vorhandenen Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam nehmen, wenn unzulässige Arbeiten nach § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBO trotz einer schriftlich oder mündlich verfügten Einstellung fortgesetzt werden. Aus den Ausführungen zu A. folgt, dass die Beklagte auch für die Anordnung der Versiegelung der Baustelle als Maßnahme gemäß § 59 Abs. 3 LBO zuständig war. Der Kläger hat trotz der sofort vollziehbaren Baueinstellungsverfügung vom 02.02.2017 die Bauarbeiten fortgesetzt. Wegen der Einzelheiten insoweit und der nicht zu beanstandenden Ermessensausübung wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, denen der Kläger im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten ist.

79

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

80

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19.02.2015 – 7 C 10.12 –, juris) und im Übrigen um Fragen der Auslegung nicht revisiblen Landesrechts.

81

Beschluss

82

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 110.000 € festgesetzt.

83

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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