Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LA 228/19

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 1. Kammer - vom 7. Februar 2019 wird abgelehnt.

Die Klägerin und die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

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I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO bietet.

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II. Der fristgerecht gestellte und ebenso fristgerecht begründete Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Klägerin und die Kläger haben das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihnen geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).

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1. Der behauptete Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Anhaltspunkte für eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung i.S.d. § 138 Nr. 1 VwGO ergeben sich aus den klägerischen Darlegungen nicht. Das angefochtene Urteil ist im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergangen. Entgegen der Behauptung in der Begründungsschrift findet sich in der Gerichtsakte (Bl. 108) die Niederlegung eines Urteilstenors aufgrund einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Danach hat die Kammer am 7. Februar 2019 über die Klage gemeinsam mit zwei ehrenamtlichen Richtern entschieden. Einleitend heißt es: „... hat die 1. Kammer … ohne mündliche Verhandlung am 7. Februar 2019 durch die Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts …, den Richter am Verwaltungsgericht …, die Richterin … sowie die ehrenamtlichen Richter Frau … und Herrn … für Recht erkannt: …“. Der niedergelegte Tenor ist von allen fünf Richterinnen und Richtern unterschrieben. Die gleiche einleitende Formulierung findet sich in der Urschrift des vollständig begründeten und von den Kammermitgliedern unterzeichneten Urteils (Bl. 79). In der den Beteiligten übersandten Ausfertigung findet sich tatsächlich eine andere Formulierung („... hat die 1. Kammer … auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2019 …“), doch kann es dabei nur um einen Übertragungsfehler handeln, der Zweifel an einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung nicht zu begründen vermag.

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2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ergibt sich nicht.

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a. Als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfen wird die Frage:

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„Ist nur

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a) ein Hauptschulabschluss (bzw. ein höherer Schulabschluss) schulischer Erfolg iSd § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und ein „Einfügen in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland iSd § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG“ oder

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b) können bei einer geistigen Behinderung auch andere Lernerfolge unterhalb des Hauptschulabschlusses bereits als erfolgreicher Schulbesuch iSd § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und ein „Einfügen in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland iSd § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG“ zu werten sein?“

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Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass es zu dieser Rechtsfrage keine Rechtsprechung des OVG Schleswig und des BVerwG gebe, sie aber für eine Vielzahl von Verfahren Bedeutung habe, in denen Kinder oder Jugendliche aufgrund von geistigen Behinderungen oder Lernbehinderungen voraussichtlich keinen Hauptschulabschluss schaffen würden. Insoweit gehe es auch um die Auslegung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und im Kern um die Frage, ob ausschließlich Nützlichkeitskriterien maßgebend für die Auslegung des Wortes „Erfolg“ seien oder ob das Wort „Erfolg“ auch anhand von Maßstäben wie Menschenwürde und Diskriminierungsverboten auszulegen sei.

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Diese Begründung wird den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, muss nicht nur eine für fallübergreifend gehaltene Frage formuliert und ihre allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung angegeben werden, sondern darüber hinaus die Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Frage im Berufungsverfahren aufgezeigt in Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und
Literatur begründet werden, in welchem Sinne und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist, dass das angefochtene Urteil auf der falschen Beantwortung der Frage beruht und warum es folglich erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt (Roth in: BeckOK VwGO, 56. Ed., Stand 01.01.2021, § 124a Rn. 76 m.w.N.). Eine solche Auseinandersetzung mit der vom Verwaltungsgericht zahlreich zitierten Rechtsprechung und Literatur findet nicht statt. So bleibt insbesondere offen, ob die jedenfalls vom Verwaltungsgericht zitierten anderslautenden Stimmen von vornherein zu einer anderen Auslegung des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 AufenthG kommen, weil sie die Aussicht auf einen Hauptschulabschluss grundsätzlich für entbehrlich halten oder ob sie die auch vom Verwaltungsgericht vertretene und überwiegend geteilte Auffassung ihrerseits zunächst teilen, aber dann ergänzend die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG heranziehen, um zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Ebenso wenig wird aufgezeigt, dass das angegriffene Urteil auf der für falsch gehaltenen Beantwortung der Frage beruht. Dies wäre insbesondere deshalb geboten gewesen, weil sich das Verwaltungsgericht weitergehend auch mit der Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG befasst hat, auf diesem Weg aber auch zur Verneinung der Anspruchsvoraussetzungen gekommen ist, weil es das Vorliegen einer geistigen Behinderung i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG nicht festzustellen vermochte.

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b. Die zweite als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,

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ob ein Urteil rechtsfehlerhaft ist, wenn es offenkundig um das Aufenthaltsrecht eines Kindes – des Klägers zu 3.) – geht, im Urteil aber nirgends Kindeswohlerwägungen zu entdecken sind,

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erfüllt die genannten Darlegungsanforderungen ebenfalls nicht. Es ist schon nicht erkennbar, dass es sich um eine verallgemeinerungsfähige Frage handelt, die sich losgelöst von den Bedingungen des Einzelfalls beantworten lässt und dass das Urteil auf einer fehlerhaft unterlassenen Befassung mit Kindeswohlerwägungen beruht.

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3. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht hinreichend dargelegt.

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Zutreffend weisen die Klägerseite darauf hin, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung schon dann begründet sind, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Kammerbeschl. v. 06.06.2018 - 2 BvR 350/18 -, juris Rn. 16). Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob solche ernstlichen Zweifel bestehen, ist stets die Prüfung, ob die Begründung der Entscheidung (un-)richtig ist. Darüber hinaus müssen Angriffe gegen die Entscheidungsgründe aber zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses begründen (Seibert in: Sodan/Ziekow, NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 98 f. m.w.N.). Darzulegen ist deshalb, dass und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf den als fehlerhaft gerügten Erwägungen beruht, d.h. die dargestellten Zweifel müssen im konkreten Fall entscheidungserheblich sein. Aus ihnen muss sich die Unrichtigkeit der Entscheidung im (allein relevanten) Ergebnis ergeben; betrifft der Zweifel nur die Begründung oder nur einen von mehreren, die Entscheidung tragenden Gründen, kann eine Zulassung nicht erfolgen (OVG Schleswig, Beschl. v. 14.05.1999 - 2 L 244/98 -, juris Rn. 20).

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a. Mit ihrem Vorbringen, die Urteilsgründe der angegriffenen Entscheidung seien in sich widersprüchlich, wird der Zulassungsantrag den genannten Anforderungen nicht gerecht. Gerügt wird, dass das Verwaltungsgericht einerseits für die Abweisung als unbegründet einer als Untätigkeitsklage erhobenen Bescheidungsklage vorgebe, dass das von der Behörde nicht beschiedene Sachbegehren offensichtlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben könne, andererseits aber zwecks Verneinung der geltend gemachten Anspruchsvoraussetzungen einen hohen Begründungsaufwand betreibe und sich dabei auch mit gegenläufigen Literaturstimmen auseinandersetzen müsse. Das zeige, dass der Rechtsstandpunkt des Gerichts keineswegs „offensichtlich“ der einzig ernsthaft vertretbare sei.

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(1) Mit dem Aufzeigen einer vermeintlichen Widersprüchlichkeit in der Urteilsbegründung wird zunächst kein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung bezeichnet und in Frage gestellt. Angriffspunkt ist allein die Schlüssigkeit der Begründung, ohne aber darzulegen, dass die Entscheidung auf dieser Widersprüchlichkeit beruht und sich daraus zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses ergeben.

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Der angeführte Rechtssatz des Verwaltungsgerichts, wonach eine auf Neubescheidung gerichtete Untätigkeitsklage von vornherein als unbegründet abgewiesen werden könne, wenn das von der Behörde nicht beschiedene Sachbegehren offensichtlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben könne, weil der mit dem Antrag geltend gemachte materielle Anspruch tatsächlich nicht bestehe, wird als solcher nicht angegriffen. Ob darüber hinaus die diesem Rechtssatz zwecks Aufzeigens der vermeintlichen Widersprüchlichkeit gegenübergestellten einzelnen Rechtsstandpunkte jeweils inhaltlich in Frage gestellt werden sollen, bleibt unklar; führt aber auch bei einer solchen Annahme nicht zum geltend gemachten Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Mit dem Vorbringen werden keine tragenden Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt:

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Dem herausgearbeiteten Rechtssatz des Verwaltungsgerichts, wonach nur ein Hauptschulabschluss (bzw. ein höherer Schulabschluss) ein schulischer Erfolg i.S.d. § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG und ein Einfügen in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland i.S.d. § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG sein könne, stellt die Klägerseite zwar ihren eigenen Rechtsstandpunkt gegenüber, wonach bei einer geistigen Behinderung auch andere Lernerfolge unterhalb des Hauptschulabschlusses bereits als erfolgreicher Schulbesuch und ein Einfügen in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland zu werten sein könnten, setzt sich mit den Argumenten des Verwaltungsgericht und denen der von ihm zitierten Rechtsprechung und Literatur aber wiederum nicht auseinander. Allein der Hinweis auf zwei gegenläufige Literaturstimmen und eine gegenläufige Entscheidung eines anderen Verwaltungsgerichts genügt den Darlegungsanforderungen nicht, zumal deren Argumente noch nicht einmal wiedergegeben werden.

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Weiter wird angeführt, dass sich das Gericht im Anschluss seitenlang mit der Frage eines Verstoßes seiner Rechtsauffassung gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG habe auseinandersetzen müssen. Allein der Hinweis, dass der vom Gericht eingenommene Standpunkt keineswegs „offensichtlich“ der einzig ernsthaft vertretbare Rechtsstandpunkt sei, enthält noch kein schlüssiges Gegenargument.

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Schließlich sei es keineswegs selbstverständlich, dass das Vorhandensein einer geistigen Behinderung nur aufgrund eines (fach-)ärztlichen Befundes, nicht aber von pädagogischer Seite festgestellt werden könne. Eine derartige Beweisregel gebe es nicht. Damit greift die Klägerseite das Ergebnis einer vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Tatsachenwürdigung an, setzt sich aber nicht mit dem rechtlichen Ausgangspunkt der Würdigung auseinander. Selbst wenn man § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG im Falle des Klägers zu 3) zur Anwendung bringen wollte, hätte es nach Auffassung des Verwaltungsgerichts der substantiierten Darlegung und des Nachweises durch ein ärztliches Attest bedurft, dass zwischen der Krankheit oder Behinderung und dem Unvermögen, bestimmte Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, ein ursächlicher Kausalzusammenhang besteht. Dabei müsse sich aus dem ärztlichen Gutachten nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt habe und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstelle. An einem solchen Attest fehle es. Dass die Anforderungen des Verwaltungsgerichts fehlerhaft formuliert sein könnten bzw. dass auch pädagogische Unterlagen den Anforderungen genügen könnten, wird wiederum zwar behauptet, aber nicht schlüssig dargelegt.

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(2) Darüber hinaus besteht die angeführte Widersprüchlichkeit in der Urteilsbegründung tatsächlich nicht. Insoweit scheint die Klägerseite die Ausführungen zur Begründetheitsprüfung einer auf Neubescheidung gerichteten Untätigkeitsklage missverstanden zu haben.

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Ein Bescheidungsausspruch kommt gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO von vornherein nur in Betracht, wenn zwar das Vorliegen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen festgestellt werden kann, die Sache aber wegen eines verbleibenden Ermessensspielraums aufseiten der beklagten Behörde noch nicht spruchreif ist. Ziel des Rechtsschutzes ist es in diesem Fall, die (Neu-)Bescheidung des Antrags mit der Chance auf eine dem Kläger günstigeren Entscheidung zu erreichen (Wolff in: Sodan/Ziekow, NK-VwGO, 5. Aufl. 2018 § 113 Rn. 446). Fehlt es hingegen – wie hier vom Verwaltungsgericht angenommen – schon an der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen, ist zugleich klar, dass eine Verletzung klägerischer Rechte durch Ablehnung oder Unterlassung einer behördlichen Entscheidung von vornherein nicht in Frage kommt und eine (neuerliche) Bescheidung durch die beklagte Behörde von vornherein nicht zu einer günstigeren Entscheidung führen kann. Zwar besteht für diejenigen, die einen von der Rechtsordnung eingeräumten materiell-rechtlichen Anspruch verfolgen, grundsätzlich ein davon unabhängiger, gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Bescheidung des darauf gerichteten Antrages, der gegebenenfalls gemäß § 75 VwGO im Wege der Untätigkeitsklage geltend gemacht werden kann und dies ohne Rücksicht auf den positiven oder negativen Inhalt des zu erlassenden Verwaltungsaktes. Mit einer solchen Klage soll erreicht werden, dass das materielle Begehren von der Verwaltungsbehörde geprüft und einer Sachentscheidung zugeführt wird. Doch ist dieses dem Rechtsschutzsuchenden eingeräumte Recht auf Bescheidung kein Selbstzweck, sondern dient immer nur der Durchsetzung materieller Ansprüche. Besteht ein solcher materieller Anspruch jedoch nicht, ist es dem Gericht nicht verwehrt, daraus im Rahmen eines in dem dargelegten Sinne eingeschränkten Klagebegehrens rechtliche Folgerungen zu ziehen und die Untätigkeitsklage als unbegründet abzuweisen (BVerwG, Urt. v. 28.03.1968 - VIII C 22.67 -, BVerwGE 29, 239 ff., juris Rn. 10; OVG Bln.-Brbg., Beschl. v. 02.04.2015 - OVG 5 M 11.15 -, juris Rn. 5, 7).

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Wenn das Verwaltungsgericht in dieser Konstellation mit dem OVG Magdeburg (Beschl. v. 22.10.2010 - 2 O 116/10 - juris Rn. 14) davon spricht, dass das nicht beschiedene Sachbegehren „offensichtlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben kann“, kann damit nur gemeint sein, dass es schon an den Anspruchsvoraussetzungen fehlt und es auf eine (neuerliche) Ermessensbetätigung nicht mehr ankommen kann mit der Folge, dass der geltend gemachte Anspruch auf (Neu-)Bescheidung „offensichtlich“ nicht besteht und die Bescheidungsklage deshalb auch im Gewand einer Untätigkeitsklage sogleich als unbegründet abgewiesen werden kann (statt das Verfahren nach § 75 Satz 3 VwGO auszusetzen oder zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu verpflichten, dessen Inhalt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts schon feststeht). Nicht zu fordern ist hingegen, dass der mit dem Antrag geltend gemachte materielle Anspruch „offensichtlich“ nicht besteht.

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b. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus dem hier wiederholten Vorbringen, wonach der Tenor des Urteils wahrheitswidrig angebe, dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe und sich die ordnungsgemäße Besetzung der Kammer nicht feststellen lasse.

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Zwar können sich die Gründe, aus denen heraus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung bestehen, auch aus einer verfahrensfehlerhaften Vorgehensweise des Gerichts ergeben. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt dann aber nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge über § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu einer Zulassung führen würde (OVG Schleswig, Beschl. v. 27.01.2021 - 4 LA 165/19 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Dies ist, wie unter II. 1. ausgeführt, nicht der Fall.

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c. Das bereits im Gewand einer Grundsatzfrage gerügte Fehlen von Kindeswohlerwägungen begründet ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Auch hier fehlt es an einer Darlegung, dass das Urteil bei Befassung mit Kindeswohlerwägungen anders ausgefallen wäre.

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4. Offen bleibt schließlich, welchem der geltend gemachten Zulassungsgründe der neue Tatsachenvortrag zugeordnet werden soll. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht bei der Beurteilung des Zulassungsgrundes des – hier naheliegenden – § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch solche nach materiellem Recht entscheidungserheblichen und vom Zulassungsantragsteller innerhalb der Antragsfrist vorgetragenen Tatsachen zu berücksichtigen, die erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts entstanden sind (vgl. nur OVG Schleswig, Beschl. v. 14.10.1999 - 4 L 83/99 -, juris Rn. 6; Roth in: BeckOK VwGO, 56. Ed., Stand 01.01.2021, § 124 Rn. 27 m.w.N.), so dass an die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu denken ist. Doch fehlen in der Begründungsschrift weitergehend auch jegliche Ausführungen dazu, inwieweit durch den neuen Tatsachenvortrag die Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils in Bezug auf die Klägerin zu 1), den Kläger zu 2) und den Kläger zu 3) in Frage gestellt wird.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

32

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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