Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 MR 1/22

Tenor

Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

Das Verfahren wird an das Amtsgericht Plön verwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Amtsgericht Plön vorbehalten.

Gründe

1

Da der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist, ist dies durch Beschluss von Amts wegen auszusprechen und das Verfahren zugleich an das zuständige Gericht des zuständigen Rechtsweges zu verweisen (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).

2

Für eine Entscheidung über die von den Antragstellern mit Schriftsatz vom 27. April 2021 angeregten Maßnahmen gegenüber der Dörfergemeinschaftsschule ... ist das Amtsgericht Plön trotz des Verweisungsbeschlusses vom 7. Mai 2021 zuständig geblieben. Denn die Antragsteller haben entgegen den Ausführungen in dem Verweisungsbeschluss mit dem Schriftsatz vom 27. April 2021 tatsächlich kein Normenkontroll(eil-)verfahren gegen das Land Schleswig-Holstein eingeleitet, weswegen sich die Verweisung des Amtsgerichts in so qualifizierter Weise als verfahrensfehlerhaft erweist, dass sie keine Bindungswirkung zu entfalten vermag.

3

Die Auslegung des an das Amtsgericht Plön gerichteten Schriftsatzes der Antragsteller vom 27. April 2021 führt zu dem Ergebnis, dass diese kein im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gegen das Land Schleswig-Holstein gerichtetes Normenkontroll(eil-)verfahren in einem kontradiktorischen Beteiligtenstreit betreiben wollen (vgl. zur kontradiktorischen Ausgestaltung des Verfahrens nach § 47 VwGO: Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 47 Rn. 272). Das in dem an das Amtsgericht Plön gerichteten Schriftsatz vom 27. April 2021 zum Ausdruck kommende Begehren beschränkt sich nämlich eindeutig darauf, ein familiengerichtliches Einschreiten des Amtsgerichts beziehungsweise des dortigen Familiengerichts gegen die Schulleitung der Dörfergemeinschaftsschule ... sowie die an dieser Schule tätigen Lehrer auf der Grundlage des § 1666 Abs. 1 und 4 BGB anzustoßen. Demzufolge liegt kein verfahrenseröffnender Sachantrag als Verfahrens- oder Prozesshandlung vor, sondern lediglich eine an das Amtsgericht gerichtete Anregung gemäß § 24 Abs. 1 FamFG. Weder die in dem Schriftsatz vom 27. April 2021 benannten minderjährigen Kinder noch deren gesetzliche Vertreter wurden dadurch zu Antragstellern im verfahrensrechtlichen Sinne (Ahn-Roth, in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 24 Rn. 3). Ein Prozess- oder Verfahrensrechtsverhältnis wurde durch diese Anregung nicht begründet.

4

Die Zuständigkeit des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts ergibt sich vor diesem Hintergrund nicht aus § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG, weil der unanfechtbar gewordene Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Plön vom 7. Mai 2021 ausnahmsweise keine Bindungswirkung entfaltet.

5

Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ist ein Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, zwar grundsätzlich hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Die Bindungswirkung tritt auch bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss ein, etwa wenn der Rechtsweg zu dem verweisenden Gericht entgegen dessen Rechtsauffassung gegeben war (BVerwG, Beschl. v. 10.03.2016 – 6 AV 1.16 –, juris Rn. 4). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Entscheidung ausnahmsweise schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist, das heißt nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.06.2021 – 6 AV 1.21, 6 AV 2.21 –, juris Rn. 10 m.w.N.).

6

Der dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts zugrundeliegende Verfahrensverstoß erweist sich als in dieser Weise qualifiziert, denn er führt, wie das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof in vergleichbaren Verfahrenskonstellationen bereits umfänglich ausgeführt haben (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 16.06.2021 – 6 AV 1/21, 6 AV 2.21 –, juris Rn. 10 ff.; BGH, Beschl. v. 06.10.2021 – XII ARZ 35/21 –, juris Rn. 11), zu einem unauflösbaren systematischen Widerspruch mit den Prozessmaximen der Verwaltungsgerichtsordnung. Auf Grundlage des Schriftsatzes vom 27. April 2021 konnte beim Amtsgericht bereits kein kontradiktorisches Verfahren eröffnet werden, welches einer Verweisung an ein Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit allein zugänglich wäre, sondern allenfalls ein in der Zuständigkeit des Amts- beziehungsweise Familiengerichts liegendes (vgl. § 23a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG i.V.m. § 151 Nr. 1 FamFG) von Amts wegen zu betreibendes Verfahren. Ein derartiges Verfahren mit dem Ziel der Aufhebung schulischer Anordnungen ist der Verwaltungsgerichtsbarkeit beziehungsweise der insoweit maßgeblichen Verwaltungsgerichtsordnung jedoch wesensfremd und darf deshalb den Verwaltungsgerichten auch nicht im Wege der Verweisung „aufgedrängt“ werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.06.2021 – 6 AV 1.21, 6 AV 2.21 –, juris Rn. 13; BGH, Beschl. v. 06.10.2021, a.a.O., juris Rn. 11). Aus diesem Grund entfaltet der Verweisungsbeschluss vom 7. Mai 2021 ausnahmsweise keine Bindungswirkung und das Verfahren ist durch den Senat an das zuständige Amtsgericht Plön zu verweisen. Einer vorherigen Anhörung im Sinne des § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG bedurfte es insoweit nicht (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 41 Rn. 25), da die Beteiligten eine entsprechende Verweisung in den Stellungnahmen vom 11. beziehungsweise 12. Januar 2022 bereits übereinstimmend angeregt haben.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 GVG.

8

Anlass, gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG gegen diesen Beschluss die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zuzulassen, besteht nicht, da die Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht erfüllt sind.

9

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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