Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 LA 68/21

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer - vom 15. Dezember 2020 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beklagte begehrt die Zulassung der Berufung gegen das einem Informationsbegehren der Klägerin teilweise stattgebende Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2020.

2

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, welches sich u.a. auf die Errichtung, Vermietung und den Verkauf von modularen Containeranlagen spezialisiert hat. In der Vergangenheit stand sie mit dem Land Schleswig-Holstein in geschäftlicher Beziehung, zuletzt im Zuge des Zustroms von Asylsuchenden im Jahre 2015. Am 19. Oktober 2015 kam es zur Vergabenummer ZB-60-15-1023000-4121-2 zum Abschluss einer dritten Rahmenvereinbarung für die „Montage, Miete und Demontage von Wohn- und Sanitärcontainern (Rahmenvereinbarung) für bis zu 2.500 Personen“.

3

Ebenfalls am 19. Oktober 2015 kam es zu einer Auftragsvergabe des Beklagten an die Firmen E... (Vergabenummer ZB-60-15-0991000-4121.2) und A...(Vergabenummer ZB-60-15-0988000-4121.2). Wie die Auftragsvergabe an die Klägerin kam der Zuschlag auch hier ohne Teilnahmewettbewerb zustande. Der Auftrag an die Firma E... ist mit „Kauf einer Containeranlage“ näher beschrieben und sollte der Schaffung von Wohnkomplexen für Asylsuchende dienen. Zu einem Abruf von Wohn- und Sanitärcontainern kam es nicht. Stattdessen wurden Modulbauten in Holzbauweise abgerufen, die für den Aufbau von Büro- und Seminargebäuden u.a. an der Universität in Flensburg verwendet wurden.

4

Zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verwaltungsrechtsstreits sind derzeit zwei Verfahren vor Zivilgerichten anhängig, in denen es einerseits um Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der dritten Rahmenvereinbarung vom 19. Oktober 2015 und die Nichtberücksichtigung der Klägerin bei der Vergabe an ein anderes Unternehmen und andererseits um die Vergabe von Modulbauten durch den Beklagten an die Firma E... (letzteres anhängig beim Landgericht Kiel, Az. 13 O 379/19) geht.

5

Am 23. März 2017 beantragte die Klägerin Akteneinsicht für sämtliche Unterlagen, die die Vergabe an sie selbst betreffen (Vergabenummer ZB-60-15-1023000-4121-2) sowie die Vergabe an die Firmen E... (Vergabenummer ZB-60-15-09910004121.2) und A... (Vergabenummer ZB-60-15-0988000-4121.2). Außerdem beantragte sie, Akteneinsicht in sämtliche Unterlagen, die die Umwandlung von Containern für Flüchtlinge in Modulgebäude, insbesondere für Seminar- und Bürogebäude der Universität Flensburg betrafen, unabhängig davon, ob eine Vergabe stattgefunden habe oder nicht. Schließlich umfasste der Antrag auf Akteneinsicht die Unterlagen zu einer Veräußerung, versuchten Veräußerung, Schenkung oder versuchten Schenkung von Wohncontainern durch die Beklagte oder die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR (GMSH) an Dritte, sofern es sich dabei um Container handelt, die im Jahr 2015 mit oder ohne ein Vergabeverfahren durch ihn oder die GMSH an Dritte zum Zwecke der Unterbringung von Asylsuchenden beschafft worden waren. Die Klägerin begründete ihr rechtliches Interesse an der Einsicht mit dem Vorliegen von Vertragsverletzungen und Rechtsverstößen, die bei ihr zu einer achtstelligen Schadenssumme geführt habe.

6

Mit Bescheid vom 15. Mai 2017 gewährte der Beklagte der Klägerin zunächst Einsicht in die Unterlagen zur Vergabe an sie selbst, schloss den behördeninternen Schriftverkehr sowie Informationen zur Schätzung des Auftragswertes von dem Einsichtsrecht aber aus. Die übrigen Anträge lehnte der Beklagte ab, weil das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung das Auskunftsinteresse der Allgemeinheit überwiege. Den dagegen erhobenen Widerspruch wie der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2017 als unbegründet zurück.

7

Am 29. September 2017 hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 15. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2017 zu verpflichten, ihr unbeschränkte Akteneinsicht entsprechend ihres Antrages vom 23. März 2017 in sämtliche Informationen in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenverarbeitungsform oder auf sonstigen Informationsträgern hinsichtlich der folgenden Vergabeverfahren und Informationen zu gewähren, dabei insbesondere jeweils in Bezug auf die Vergabeentscheidung, die vertraglichen Unterlagen, den Schriftverkehr mit dem jeweiligen Auftragnehmer (sofern nicht die Klägerin die Adressatin war),

9

den behördeninternen Schriftverkehr und den Schriftverkehr mit der Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR (GMSH)

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1. Vergabenummer ZB-60-15-1023000-4121.2 (Vergabe an die Klägerin, Auftrag vom 19. Oktober 2015),

11

2. Vergabenummer ZB-60-15-0988000-4121.2 (Vergabe an die Firma A... aus U..., Auftrag vom 19. Oktober 2015 von 3.000 Wohnmodulen),

12

3. Vergabenummer ZB-60-15-0991000-4121.2 (Vergabe an die Firma E... aus D... vom 19. Oktober 2015 zum Kauf von 1.670 Wohnmodulen),

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4. Vergabenummer unbekannt (Vergabe zur Umwandlung von Containern für Flüchtlinge in Modulgebäude, insbesondere für Seminar- und Bürogebäude der Universität Flensburg durch die Firma S.M. GmbH, die S.R. GmbH oder ein anderes Unternehmen oder mehrere andere Unternehmen; sollte keine Vergabe stattgefunden haben, so umfasst der Antrag auf Akteneinsicht alle Informationen, die den Vertragsschluss einschließlich der Vertragsanbahnung mit der entsprechenden Firma und die Durchführung der Maßnahmen betreffen, und alle direkt oder indirekt damit zusammenhängenden Informationen),

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5. Alle Informationen, welche die Veräußerung, versuchte Veräußerung, Schenkung oder versuchte Schenkung von Wohncontainern durch die Beklagte oder ihre Anstalt des öffentlichen Rechts an Dritte betreffen, sofern es sich dabei um Container handelt, die in 2015 mit oder ohne Vergabe durch den Beklagten oder ihre Anstalt des öffentlichen Rechts an Dritte zum Zwecke der Unterbringung von Flüchtlingen beschafft wurden.

15

Mit Urteil vom 15. Dezember 2020 hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Der Beklagte wurde darin unter insoweitiger Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2017 verpflichtet, der Klägerin sämtliche Informationen in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenträgerverarbeitungsform oder sonstigen Informationsträgern betreffend

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1. die Bekanntmachung der Aufträge zu den Vergabenummern ZB-6015-0988000-4121.2 sowie ZB-60-15-0991000-4121.2;

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2. die Umwandlung von Containern für Flüchtlinge in Modulgebäude, insbesondere für Seminar- und Bürogebäude der Universität Flensburg durch die Firma SM GmbH, die SR GmbH, die Firma E... oder ein anderes Unternehmen oder mehrere andere Unternehmen;

18

3. die Veräußerung, versuchte Veräußerung, Schenkung oder versuchte Schenkung von Wohncontainern durch die Beklagte oder die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR (GMSH) an Dritte, sofern es sich dabei um Container handelt, die im Jahr 2015 mit oder ohne ein Vergabeverfahren durch ihn oder die GMSH an Dritte zum Zwecke der Unterbringung von Asylsuchenden beschafft worden sind

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zu gewähren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

20

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Satz 1 IZG-SH für sämtliche Anträge gegeben seien, in Bezug auf den Antrag zu 1 aber der Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH und in Bezug auf die Anträge zu 2 und 3 – mit Ausnahme der Bekanntmachung der Aufträge (Urteilstenor zu 1) – die Ausschlussgründe des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und des § 10 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH entgegenstünden. Anders verhalte es sich mit dem Antrag zu 4. Für das Vorliegen von Ausschlussgründen obliege dem Beklagten die Darlegungslast. In Bezug auf die Umwandlung von Containern für Flüchtlinge in Modulgebäude sei weder hinreichend ersichtlich noch vorgetragen, dass ein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt worden sei. Der Beklagte habe in den angegriffenen Bescheiden allerdings allein zu solchen Ablehnungsgründen vorgetragen, die sich auf durchgeführte Vergabeverfahren bzw. auf die Notwendigkeit des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bezögen, ohne dies auf den im Klagantrag zu 4 benannten Vorgang zu konkretisieren. Auch der Grundsatz des Schutzes des Kernbereiches der exekutiven Eigenverantwortung stehe einer Informationserteilung nicht entgegen (Urteilstenor zu 2). An einer entsprechenden Darlegung von Ausschlussgründen durch den Beklagten mangele es schließlich auch in Bezug auf den Antrag zu 5 (Urteilstenor zu 3).

21

Gegen das am 17. März 2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 13. April 2021 einen auf den stattgebenden Urteilstenor zu 2 beschränkten Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen am 12. Mai 2021 begründet.

II.

22

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Vorbringen des Beklagten, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Das Vorliegen der Voraussetzungen des allein geltend gemachten und auf den stattgebenden Urteilstenor zu 2 beschränkten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

23

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung liegen vor, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung beantragt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist, wie ein Misserfolg (std. Rspr. des Senats, Beschl. v. 14.10.1999 - 4 L 83/99 -, juris Rn. 3). Für die Darlegung derartiger Zweifel bedarf es der Infragestellung eines einzelnen tragenden Rechtssatzes oder einer erheblichen Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten (Senat, Beschl. v. 27.01.2021 - 4 LA 165/19 -, juris Rn. 4; Beschl. v. 14.10.1999 - 4 L 83/99 -, juris Rn. 3; BVerfG, Beschl. v. 16.01.2017 - 2 BvR 2615/14 -, juris Rn. 19 m.w.N.). Der Antragsteller muss sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und im Einzelnen substantiiert ausführen, welche Erwägungen er für unzutreffend hält und aus welchen Gesichtspunkten sich die Unrichtigkeit dieser Erwägungen ergibt. Der Antragsteller muss ferner darlegen, dass und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf diesen – aus seiner Sicht fehlerhaften – Erwägungen beruht, d.h. die dargestellten Zweifel müssen im konkreten Fall entscheidungserheblich sein. Aus ihnen muss sich die Unrichtigkeit der Entscheidung im (allein relevanten) Ergebnis ergeben; auf die Richtigkeit einzelner Elemente der Urteilsbegründung kommt es nicht an (OVG Schleswig, Beschl. v. 27.01.2021 - 4 LA 165/19 -, juris Rn. 14; Beschl. v. 16.06.2021 - 3 LA 56/20 -, juris Rn. 31; Beschl. v. 14.05.1999 - 2 L 244/98 -, juris Rn. 19 f.). Entscheidend ist allein das Ergebnis der Entscheidung, also die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - juris Rn. 8 f.). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.

24

1. Dies gilt zunächst für die Rüge, der Urteilstenor zu 2 sei nicht ausreichend bestimmt und die darin enthaltene "Globalverpflichtung" zur Herausgabe "sämtlicher" Informationen nicht vollstreckungsfähig, weil nicht ersichtlich sei, welche konkreten Unterlagen, Informationen und Schriftstücke offenzulegen seien.

25

a. Für diese Rüge kommt eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO von vornherein nicht in Betracht. Denn dieser Zulassungsgrund dient der inhaltlichen Kontrolle der erstinstanzlichen Entscheidung (Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 74). Die in Rede stehende „Richtigkeit“ meint die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel und damit deren (Ergebnis-)Richtigkeit (BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - juris Rn. 8 f.). Dies erklärt, warum Gegenstand der Darlegung ernstlicher Zweifel die Urteilsgründe und mit ihnen die die Entscheidung tragenden Rechtssätze oder hierfür erhebliche Tatsachenfeststellungen sind, die zu dem in der Urteilsformel ausgedrückten Sachausspruch geführt haben. Derartige Darlegungen enthält die Begründung der Rüge des nicht hinreichend bestimmten Urteilstenors nicht und könnten vom Beklagten insoweit auch nicht erbracht werden, da es ihm an dieser Stelle nicht um die inhaltliche Richtigkeit des Sachausspruchs, sondern „nur“ um dessen Bestimmtheit und Vollstreckbarkeit geht.

26

b. Gründe für eine Zulassung der Berufung ergeben sich darüber hinaus auch nicht aus dem denkbaren Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen Vorliegens eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die den Verfahrensablauf regelt, also den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses, nicht aber die sachliche Entscheidung und deren Inhalt betrifft (Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 187). Da bereits der Klageantrag den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, ist insoweit an die Regelung des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO anzuknüpfen. Danach soll die Klage – neben der Bezeichnung der Beteiligten und des Klagebegehrens – einen bestimmten Antrag enthalten. Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes und der Streitgegenstand richten sich nach dem Klageantrag; schon er muss deshalb hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. Aus dem Klageantrag kann ein stattgebendes Urteil erwachsen mit einer Urteilformel i.S.d. § 117 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; aus dieser wiederum soll schließlich eine Zwangsvollstreckung zu erwarten sein, die das Vollstreckungsverfahren nicht unter Fortsetzung des Streits mit Sachfragen überfrachtet. Welche Anforderungen sich aus dem Bestimmtheitsgebot ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG, Urt. v. 05.09.2013 - 7 C 21.12 -, juris Rn. 54; Riese in: Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, § 82 Rn. 25). Dass die Urteilsformel genau formuliert sein muss, verdeutlicht sich im Übrigen in § 168 Abs. 2 VwGO, weil für die Zwecke der Vollstreckung ein Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe ausgefertigt werden kann (Kilian/Hissnauer in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 117 Rn. 72). Der Beklagte macht allerdings weder einen entsprechenden Verfahrensmangel geltend noch ergibt sich, dass ein solcher Verfahrensmangel bezüglich des Urteilstenors zu 2 tatsächlich vorliegt. Die Unbestimmtheit wird unter Verweis auf eine – nicht näher erläuterte – „Globalverpflichtung“ zur Herausgabe „sämtlicher“ Informationen nur behauptet. Es wird aber nicht dargelegt, dass die gerügte Urteilsformel auch dann als zu unbestimmt anzusehen ist, wenn man sie in ihrem Kontext liest, sie anhand von Tatbestand und Entscheidungsgründen auslegt und sie vor dem Hintergrund des der Sachentscheidung zugrundeliegenden materiellen Rechts – etwa der Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 1 IZG-SH – bewertet. Schließlich kennen weder das Gericht noch die antragstellende oder eine sonstige außenstehende Person den Bestand an Akten und Informationen und die Form der Vorgangsverwaltung einer informationspflichtigen Stelle. Diese ist deshalb nach § 4 Abs. 2 Satz 4 IZG-SH auch gehalten, die antragstellende Person bei der Stellung und Präzisierung ihres Antrages zu unterstützen. Umso mehr ist es an ihr, überzeugende Gründe vorzutragen, warum ein auf Informationszugang gerichteter Antrag und ein darauf aufbauendes stattgebendes Verpflichtungsurteil nicht ausreichend bestimmt sein sollte, um gegebenenfalls auch vollstreckt werden zu können.

27

Dies alles berücksichtigend erscheint der Urteilstenor zu 2 für einen Außenstehenden im Übrigen nicht als zu unbestimmt. Die Verpflichtung ist inhaltlich und zeitlich auf den Vorgang der „Umwandlung von Containern für Flüchtlinge in Modulgebäude, insbesondere für Seminar- und Bürogebäude“ einer Universität begrenzt. Schon anhand des Urteilstatbestandes und der -gründe müsste sich dieser „Vorgang der Umwandlung“ bei chronologischer Aktenführung hinreichend klar von dem des vorangegangenen Vergabeverfahrens, welches mit dem Zuschlag i.S.d. § 127 GWB n.F. endet, und des in diesem Rahmen geschlossenen Kaufvertrages abgrenzen und trennen lassen. Ausweislich der Urteilsgründe bezieht sich der gewährte Schutz aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 IZG-SH nur auf das Verfahren der Auftragsvergabe und die inter-und intrabehördlichen Informationen, die im Rahmen des vergaberechtlichen Entscheidungsprozesses ausgetauscht worden sind (insbesondere der vorbereitende behördeninterne Schriftverkehr und Informationen zur Schätzung bzw. Zusammensetzung des Auftragswertes), nicht aber auf die spätere Ausführung des Auftrags i.S.d. § 128 GWB n.F. und der Abwicklung der Kaufverträge. Bestätigt wird dies durch das Vorbringen des Beklagten zur Begründung des Zulassungsantrages, wonach die Umwandlung tatsächlich nicht im Rahmen eines neuerlichen Vergabeverfahrens, sondern im Rahmen der Abwicklung durch eine Vertragsänderung erfolgte, nachdem im Verlauf des Jahres 2016 klargeworden war, dass die gekauften Container für den ursprünglich vorgesehenen Zweck nicht mehr benötigt würden. Auf Seite 7 im 4. Absatz der Begründung führt der Beklagte in einem anderen Zusammenhang aus, dass es sich „bei der angesprochenen ‚Umwandlung von Containern‘ genau um den soeben dargestellten Vorgang“ handele.

28

2. Weiter macht der Beklagte geltend, dass die Ausführungen des Gerichts zum klägerischen Antrag zu 4 (Urteilsabdruck S. 30 f.) in tatsächlicher Hinsicht unzutref-fend seien. Fehlerhaft gehe es davon aus, dass die Nichtdurchführung eines Vergabeverfahrens zur „Umwandlung von Containern“ dazu führe, dass die vorgetragenen Ablehnungsgründe nicht trügen. Dem liege offenbar in tatsächlicher Hinsicht ein Missverständnis bzw. ein Fehler bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes zugrunde. Um die aus Sicht des Beklagten bestehenden Missverständnisse auszuräumen, stellt er sodann den entsprechenden Sachverhalt im Zusammenhang dar. Auch dies führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

29

a. Mit diesem Vorbringen rügt der Beklagte vorrangig verwaltungsgerichtliche Tatsachenfeststellungen, auf denen sodann fehlerhafte rechtliche Annahmen beruhen sollen. Er lässt aber offen, ob er geltend machen will, dass das Gericht einen bereits vorliegenden Sachverhalt falsch gewürdigt – und somit gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen – oder ob es den aus Sicht des Beklagten maßgeblichen Sachverhalt entgegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht ausreichend aufgeklärt haben soll. Beide Varianten bleiben ohne Erfolg.

30

aa. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Bestimmung ist grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen (materiellen) Recht zuzurechnen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.03.2021 - 4 BN 35.20, juris Rn. 15 m.w.N.), da sie – ebenso wie etwa eine unrichtige Gesetzesauslegung – den inneren Vorgang der richterlichen Rechtsfindung betrifft (BVerwG, Beschl. v. 02.11.1995 - 9 B 710.94 -, juris Rn. 4; VGH München, Beschl. v. 27.02.2017 - 20 ZB 17.30078 -, juris Rn. 2 m.w.N.). Ein Verstoß gegen diese Bestimmung liegt vor, wenn das Gericht das vorliegende Tatsachenmaterial unzureichend verwertet, indem es den ermittelten oder vorgetragenen Sachverhalt unrichtig oder nicht vollumfänglich erfasst bzw. übergeht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.02.2012 - 9 B 77.11 -, juris Rn. 7; Beschl. v. 28.03.2012 - 8 B 76.11 -, juris Rn. 7; Beschl. v. 02.11.1995 - 9 B 710.94 -, juris Rn. 4).

31

Die Rüge einer fehlerhaften Sachverhalts- bzw. Beweiswürdigung ist grundsätzlich geeignet, das Vorbringen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu stützen. Hierfür bedarf es der Darlegung gewichtiger Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder etwa wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind (Beschl. des Senats v. 27.01.2021 - 4 LA 165/19 -, juris Rn. 8 f. m.w.N.). Dergleichen lässt sich den Ausführungen im Zulassungsantrag nicht entnehmen. Der Beklagte legt nicht dar, dass die gerügte Fehlerhaftigkeit der tatsächlichen Feststellungen darauf beruhen könnte, dass der nunmehr im Zusammenhang dargestellte Sachverhalt entweder dem Verwaltungsgericht bereits bekannt gewesen sein sollte oder dass er – der Beklagte – den Sachverhalt bereits erstinstanzlich vorgetragen hätte und dass dieser sodann vom Gericht nicht richtig erfasst bzw. übergangen worden wäre.

32

bb. Naheliegender erscheint es deshalb, dass der Beklagte einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO rügen will. Danach erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen und zieht dabei die Beteiligten heran. Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht handelt es sich zwar um einen Verfahrensmangel (Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, VwGO § 124 Rn. 191 m.w.N.), doch können sich die Gründe, aus denen heraus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung bestehen, auch aus einer verfahrensfehlerhaften Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ergeben. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen Vorliegens eines Verfahrensfehlers kommt aber nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge über § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu einer Zulassung führen würde. Dies ist geboten, um die Konsistenz der Zulassungsgründe zu sichern. Eine Verfahrensrüge wiederum erfordert die Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (Senat, Beschl. v. 27.01.2021 - 4 LA 165/19 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Zudem muss entweder dargelegt werden, dass bereits in der Vorinstanz auf die Vornahme der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Ausgangsgericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Beschl. v. 06.03.1995 - 6 B 81.94 -, juris Rn. 3). Dies leistet der Zulassungsantrag nicht.

33

Der Beklagte legt schon nicht dar, warum die von ihm nunmehr vorgetragenen Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen hätten aufgeklärt und sich insoweit eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen bzw. eine solche geboten gewesen wäre. Unberücksichtigt bleibt, dass das Verwaltungsgericht dem Beklagten in Bezug auf den Klageantrag zu 4 und hier in Bezug auf das Vorliegen von Ausschlussgründen i.S.d. §§ 9 und 10 IZG-SH ausdrücklich die Darlegungslast auferlegt und dazu ausgeführt hat, dass die erforderlichen Angaben so detailliert und nachvollziehbar sein müssten, dass das Vorliegen des Geheimhaltungsgrundes tatsächlich angenommen werden könne. Sodann hat es festgestellt und begründet, warum es daran mangele (ab Seite 30, 2. Absatz des Urteils). Weder tritt der Beklagte der Auferlegung der Darlegungslast und den vom Gericht formulierten Anforderungen entgegen noch bedenkt er die Folgen für die von ihm angenommene gerichtliche Aufklärungspflicht.

34

Inhaltlich ist gegen die Auferlegung der Darlegungslast nichts zu erinnern. Sie ist materiell-rechtlich begründet mit der Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Informationszugangsfreiheit und Informationsrestriktion (so zum Bundesrecht: Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. 2016, Vorb. §§ 3 bis 6 Rn. 61 ff.), wie sie sich auch im schleswig-holsteinischen Landesrecht findet. Beruft sich die informationspflichtige Stelle auf eine Ausnahme von dem grundsätzlich nach Maßgabe des § 3 IZG-SH gegebenen Informationsanspruch, muss sie eine ernsthafte und konkrete Gefährdung des geschützten öffentlichen Interesses anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar, d.h. schlüssig, darlegen (OVG Schleswig, Beschl. v. 28.02.2017 - 15 P 1/15 -, juris Rn. 29). Dieser rechtliche Ansatz wurde mit Einführung des Transparenzgebotes in Art. 53 der Landesverfassung (GVOBl. Schl.-H. 2014 S. 328) und den Anpassungen im Informationszugangsgesetz speziell in den §§ 9 und 10 (GVOBl. Schl.-H. 2017 S. 328) vom Gesetzgeber letztlich bestätigt. Ausdrücklich hat er das bei der Frage der Auskunftsverweigerung bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt. Während früher bei Vorliegen von Auskunftsverweigerungstatbeständen das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegen musste, muss nunmehr ein überwiegendes öffentliches oder privates Informationsverweigerungsinteresse bestehen (LT-Drs. 18/2115 S. 31 und 18/4409 S. 14 f.).

35

Von einer bestehenden Darlegungslast im erstinstanzlichen Verfahren ausgehend hätte der Beklagte im Zulassungsverfahren darlegen müssen, warum das Verwaltungsgericht dennoch veranlasst gewesen sein sollte, den Sachverhalt durch eigene Ermittlungen weiter aufzuklären und wie diese Ermittlungen hätten aussehen sollen in einem Fall, in dem die relevanten Tatsachen und Erkenntnismöglichkeiten nur dem Beklagten selbst bekannt sind. Auch dass er selbst auf die Vornahme einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte, ergibt sich nicht. Schließlich wird auch eine etwaige Verletzung richterlicher Hinweispflichten (§ 86 Abs. 3 VwGO) nicht gerügt. Nach alledem lässt sich anhand des Vorbringens im Zulassungsverfahren eine Verletzung der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht nicht feststellen, so dass auch ernstliche Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Urteils nicht festgestellt werden können.

36

b. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte das Zulassungsverfahren zum Anlass nimmt, den entsprechenden Sachverhalt nunmehr „im Zusammenhang“ darzustellen, um das von ihm angenommene „Missverständnis in tatsächlicher Hinsicht“ auszuräumen. Die vom Beklagten in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellte These, dass für die Vertragsänderung kein neues formelles Vergabeverfahren durchzuführen gewesen wäre und deshalb kein vergaberechtswidriges Vorgehen festzustellen sei, aber dennoch Ablehnungsgründe i.S.d. §§ 9, 10 IZG-SH gegeben sein könnten, weil sich das ursprüngliche Vergabeverfahren insoweit fortsetze, ist vorliegend nicht zu klären und eröffnet daher auch nicht den Weg in die Berufung.

37

Zwar ist für den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im Grundsatz anerkannt, dass der Antragsteller bis zum Ablauf der Antragsbegründungsfrist die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch durch neues Vorbringen in Frage stellen kann und zwar auch dann, wenn die Tatsachen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bereits vorlagen und dem Antragsteller bekannt waren, er sie also schon in erster Instanz hätte vortragen können (Senat, Beschl. v. 14.10.1999 - 4 L 83/99 -, juris Rn. 4; Rudisile in: Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, § 124 Rn. 26f-k m.w.N.). Allerdings bedarf dies wegen der unter a. bb. genannten Konsistenz der Zulassungsgründe einer Einschränkung für den Fall, dass der Antragsteller – wie hier – die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf den Verfahrensfehler einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht stützt. Denn die Aufklärungsrüge stellt ihrerseits kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Vorinstanz zu kompensieren (BVerwG, Urt. v. 20.03.2012 - 5 C 1.11 -, juris Rn. 25; OVG des Saarl., Beschl. v. 08.03.2022 – 2 A 49/21 –, juris Rn. 19, beide m.w.N.), so dass ein eigenes erstinstanzliches Versäumnis nicht mehr nachgeholt werden kann, um damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

39

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

40

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

41

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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