Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 M 59/13
Gründe
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Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 29. April 2013, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Ergebnis nicht.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 1 M 1/07 -, juris [m. w. N.]).
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Beamte haben gegenüber dem Dienstherrn bei der Vergabe eines Beförderungsamtes nur den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl unmittelbar nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (vgl.: BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 36.04 -, juris [m. z. N.]). Ein Beförderungsbewerber hat dementsprechend einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet (so genannter Bewerbungsverfahrensanspruch, vgl.: BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2002 - 2 BvQ 25/02 -, NVwZ 2002, 1367, und Kammerbeschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 -, BVerwGE 118, 370 [m. z. N.]).
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Der Antragsteller begehrt hier indes unzulässigerweise vorbeugenden Rechtsschutz im Hinblick auf die erst noch zu treffende Auswahlentscheidung, ohne jedoch ein besonderes (qualifiziertes) Rechtsschutzinteresse hierfür im Einzelnen darzulegen (vgl. insoweit: OVG LSA, Beschluss vom 9. Februar 2006 - 1 O 30/06 - [m. w. N.]).
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Das Eilverfahren nach § 123 VwGO ist prinzipiell geeignet, den aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG resultierenden Bewerbungsverfahrensanspruch zu sichern (vgl. im Einzelnen: OVG LSA, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 1 M 125/10 -, juris [m. z. N.]). Insbesondere ist der Eingriff in den Bewerbungsverfahrensanspruch unterlegener Bewerber aus Gründen der beamtenrechtlichen Ämterstabilität mit dem Grundrecht auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG nur dann vereinbar, wenn unterlegene Bewerber ihren Bewerbungsverfahrensanspruch vor der Ernennung in der grundrechtlich gebotenen Weise gerichtlich geltend machen können (siehe: BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, BVerwGE 138, 102 [m. w. N.]). Es muss mithin sichergestellt sein, dass ein unterlegener Bewerber die Auswahlentscheidung des Dienstherrn vor der beamtenrechtlichen Ernennung in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen kann, das den inhaltlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügt (vgl. hierzu auch: BVerwG, a. a. O. [m. w. N.]). Insoweit muss der Dienstherr zunächst die Auswahlentscheidung vor deren Vollziehung den unterlegenen Bewerbern mitteilen (siehe: BVerwG, a. a. O. [m. w. N.]). Der Dienstherr darf den ausgewählten Bewerber indes erst ernennen, wenn feststeht, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung innerhalb angemessener Frist nicht gestellt wurde oder ein dahingehend gestellter Antrag aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keinen Erfolg hatte (vgl.: BVerwG, a. a. O. [m. w. N.]).
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Nichts Anderes gilt für den - hier gegebenen Fall - der Konkurrenz zwischen Beamten und Beschäftigten (siehe: OVG LSA, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 1 M 159/10 - und Beschluss vom 7. Juni 2012 - 1 M 60/12 -, jeweils juris).
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Dass hiervon ausgehend die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in Bezug auf einen Bewerbungsverfahrensanspruch konkret gegenüber der Antragsgegnerin ausnahmsweise nicht - mehr - gegeben sein sollte, zeigt die Beschwerde nicht plausibel auf. Insbesondere stellt sie die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes nicht schlüssig in Frage, soweit es auf die Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin rekurriert, wonach eine Vollziehung der Auswahlentscheidung erst nach Ergehen einer sog. Negativ-Mitteilung an die nicht berücksichtigten Bewerber und ein Abwarten innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist erfolge. Eine solche Negativ-Mitteilung hat der Antragsteller bislang - naturgemäß - noch nicht erhalten, weil der hier für die Ernennung und dauerhafte Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit organschaftlich zuständige Hauptausschuss der Antragsgegnerin eine Auswahlentscheidung - nach wie vor - noch gar nicht getroffen hat. Vielmehr liegt diesem lediglich ein vorbereitender Vermerk bzw. Beschlussvorschlag mit Begründung vor.
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Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. April 2006 in dem Verfahren 2 VR 2.05 (Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 33). Dieser hat schon einen anderen Verfahrensgegenstand zum Inhalt, nämlich die Zulassung zum - dortigen - nächsten Auswahlverfahren. Entsprechendes wird vorliegend vom Antragsteller aber nicht begehrt. Unabhängig davon ist im gegebenen Fall noch keine Entscheidung der zuständigen Stelle der Antragsgegnerin über den etwaigen Ausschluss des Antragstellers vom Auswahlverfahren getroffen worden. Es ist daher unklar bzw. gänzlich offen, ob der Hauptausschuss der Antragsgegnerin - insbesondere im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichtes in seinem Beschluss (siehe Seite 5 [unten] ff. der Beschlussabschrift) - nicht die Einbeziehung des Antragstellers in das hier streitgegenständliche Stellenbesetzungsverfahren geltend machen und hiernach den Antragsteller als leistungsstärksten Bewerber auswählen wird. Die Beschwerde führt im Übrigen anderweitig selbst aus, dass der dem Hauptausschuss der Antragsgegnerin bislang vorliegende Beschlussvorschlag schon in zeitlicher Hinsicht überholt sein dürfte.
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Ebenso wenig ist der Beschwerde auch darin zu folgen, dass im Fall einer Beschlussfassung durch den Hauptausschuss der Antragsgegnerin zugunsten des Beigeladenen dies keiner arbeitsvertraglichen oder beamtenrechtlichen Vollziehung, d. h. Umsetzung bedürfte. Eine Rechtswirkung ipso iure ist vielmehr weder dargelegt noch - wie die Beschwerde selbst andernorts ausführt - erkennbar.
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In Wahrheit begehrt der Antragsteller damit unzulässigerweise vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine - jedenfalls derzeit noch - nicht erfolgte Auswahlentscheidung, d. h. gegen eine verwaltungsinterne Zwischenentscheidung, gegen die er sich gemäß § 44a VwGO nicht isoliert wenden kann, weil es sich um eine bloße Verfahrenshandlung in Bezug auf die später erst noch zu treffende Auswahlentscheidung handelt (siehe insoweit auch: BVerwG; Beschluss vom 6. April 2006, a. a. O.). Es ist nicht Sache des Antragstellers, letztlich im Wege gerichtlichen Rechtsschutzes schon den verwaltungsinternen Ablauf zu beeinflussen, insbesondere bereits den Inhalt von internen Beschlussvorlagen zu bestimmen bzw. bestimmen zu lassen.
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Eine Rechtsvereitelung ist nach alledem derzeit nicht ernstlich zu befürchten. Dem Antragsteller ist vielmehr zuzumuten, die ihm schriftlich mitzuteilende Entscheidung - des Hauptausschusses - der Antragsgegnerin über die Stellenbesetzung abzuwarten und erst im Fall seines Unterliegens innerhalb der bereits zugesicherten Zwei-Wochen-Frist rechtzeitig um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht aus Gründen der Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären, da dieser sich weder dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt noch das Beschwerdeverfahren wesentlich gefördert hat.
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Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 5 Satz 2 GKG, wobei hier die Hälfte des 6,5-fachen Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 16 LBesO zugrunde zu legen war.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
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- § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- 2 BvR 857/02 1x (nicht zugeordnet)
- 1 M 125/10 1x (nicht zugeordnet)
- 1 M 159/10 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvQ 25/02 1x (nicht zugeordnet)
- § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 M 1/07 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 2x
- VwGO § 123 4x
- 1 O 30/06 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 1 und 5 Satz 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 146 1x
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- VwGO § 44a 1x
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x