Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 L 25/13
Gründe
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Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 22. Januar 2013 hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich nicht wegen der vom Kläger gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
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„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).
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Das Antragsvorbringen begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der angefochtenen Entscheidung.
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Die Antragsbegründungsschrift trägt vor, das Verwaltungsgericht habe überzogene Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Klägers hinsichtlich der Ursächlichkeit im Sinne des Dienstunfallrechtes gestellt. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Dienstsports das Vorliegen einer besonderen Beziehung zum Erfolg verneint. Fehlerhaft sei insbesondere, dass das Verwaltungsgericht - trotz Präzisierungen des Klägers - allein auf die Äußerungen in der Unfallanzeige abgestellt habe und zudem das gesamte Vorgeschehen für unbeachtlich erklärt habe.
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Eine Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Urteils ergibt sich hieraus nicht. Die vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegten rechtlichen Maßstäbe zur Ursächlichkeit im Sinne des Dienstunfallrechtes (vgl. S. 4 Abs. 3 der UA) und zur Geltung der allgemeinen Beweisgrundsätze (vgl. S. 7/8 der UA) entsprechen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2004 - 2 B 54.03 -, juris; Urteil vom 28. April 2011 - 2 C 55.09 -, juris). Das Verwaltungsgericht hat auch nicht allein auf die Angaben des Klägers in der Unfallanzeige vom 18. März 2010 abgestellt, sondern auch seine Angaben in der mündlichen Verhandlung mit berücksichtigt (vgl. S. 7 Abs. 2 der UA). Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Urteil, von einer außergewöhnlichen Unfallmechanik (etwa einem Umknicken, einem Wegrutschen, einem (Ver-)Stolpern, einer Dreh- und Ausweichbewegung, einem Schussversuch, einer gegnerischen Spielereinwirkung, einem plötzlichen Abbremsen oder einem schnellen Antritt) habe der Kläger gerade nicht berichtet, und der Hinweis auf die geringe Größe des Spielfeldes und typischerweise auftretende schnelle Sprints und plötzliche Stopps vermöge die Feststellung einer derartigen Belastung gerade im Zeitpunkt der Ruptur nicht zu ersetzen, werden von der Antragsbegründungsschrift mit dem Vorbringen, der Kläger habe sich nach Ballaufnahme in raschem Vorwärtsgang auf das gegnerische Tor zubewegt, nicht schlüssig in Frage gestellt.
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Die weiteren Ausführungen zu einem „schnellen Antritt“ und bewegungsintensiven Sportarten mit schnellem Richtungswechsel machen nicht plausibel, dass sich die Verletzung des Klägers gerade im Zusammenhang mit solchen Bewegungsabläufen ereignet hat. Vielmehr verweist die Antragsbegründungsschrift auf eine schnelle Vorwärtsbewegung des Klägers unter Führung des Balles. Soweit in diesem Zusammenhang die Behauptung aufgestellt wird, beim Führen des Balles werde der Fuß in besonderem Maße durch Seitwärtsdrehungen belastet, fehlen substantiierte Angaben dazu, inwiefern dieser Umstand zur Ruptur der Achillessehne beiträgt.
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Auch der Hinweis, dass der Kläger in seiner Freizeit keinen Fußball spiele und seine Sehne deshalb eine vergleichbare Belastung nicht gewohnt sei, erschöpft sich in einer bloßen Behauptung, die weder plausibel macht, warum das Führen des Balles eine Achillessehnenruptur auslösen soll, noch weshalb eine Belastbarkeit der Sehne nicht durch andere Sportarten in der Freizeit, häufigen Dienstsport oder nicht zuletzt durch entsprechende Aufwärmübungen vor Spielantritt gegeben sein kann.
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Soweit der Kläger auf eine erhöhte Rupturgefahr der Achillessehne durch mögliche Mikroverletzungen der Sehne in Folge einer länger andauernden Spielteilnahme vor dem eigentlichen Unfallereignis verweist, fehlt es bereits an der erforderlichen Feststellung der behaupteten Mikroverletzungen. Die Möglichkeit des Entstehens derartiger Mikroverletzungen bei der hier in Rede stehenden Sportart entbindet den Kläger nicht von der Nachweispflicht, dass entsprechende durch den Dienstsport ausgelöste Verletzungen tatsächlich vorgelegen haben. Erst recht wird hierdurch nicht das Fehlen einer degenerativen Vorschädigung der Achillessehne als maßgebliche Ursache für das Entstehen der Mikroverletzungen und die anschließende Ruptur ausgeschlossen.
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Des Weiteren reklamiert die Antragsbegründungsschrift das Fehlen einer Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG in Bezug auf die mit der Dienstsportausübung verbundene Gefährdung, die vom Arbeitgeber bzw. Dienstherrn nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG auch gegenüber Beamtinnen und Beamten zu erbringen sei. Das Vorliegen einer qualifizierten Gefährdungsbeurteilung hätte Informationen darüber liefern können, ob und unter welchen Bedingungen die Gefahr einer Ruptur der Achillessehne bestehe.
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Dieser Einwand macht indes nicht plausibel, dass eine Bewertung des konkreten Einzelfalles hierdurch entbehrlich wird und zeigt erst recht nicht auf, inwiefern sich aus der Gefährdungsbeurteilung über die vom Verwaltungsgericht zur Ursache einer Achillessehnenruptur verwerteten Erkenntnismittel hinaus, weitere Erkenntnisse ergeben hätten, die die hier entscheidungserhebliche Beweislastfrage in Bezug auf das Vorhandensein einer degenerativen Vorschädigung der Achillessehne einerseits und die Wesentlichkeit des Unfallgeschehens als Ursache für die Ruptur andererseits zu Gunsten des Klägers hätten beeinflussen können. Durch eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Abs. 1 ArbSchG erfahren weder die Arbeitsverhältnisse noch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten eine Änderung. Durch sie werden Maßnahmen des Gesundheitsschutzes erst vorbereitet. Die Gefährdungsbeurteilung stellt lediglich einen Erkenntnisprozess dar, der die Qualität des Arbeitsschutzes in der Dienststelle steuert. Durch sie wird nicht bereits die am Ende des Erkenntnisprozesses eventuell stehende Maßnahme des Gesundheitsschutzes vorweg genommen oder unmittelbar festgelegt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2011 - 16 A 1361/10. PVB -, juris).
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Soweit die Antragsbegründungsschrift vorträgt, im Falle der Erstellung einer ordnungsgemäßen Gefährdungsanalyse hätte die Sportart Hallenfußball auf Grund der mit der Sportart verbundenen Verletzungsrisiken nicht als Dienstsport in Betracht kommen dürfen, wird eine bloße Behauptung aufgestellt, der es insbesondere auch hinsichtlich der gezogenen Schlussfolgerung an der erforderlichen Substantiierung mangelt.
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Der Verweis auf eine, wegen des gesteigerten (Verletzungs-)Risikos, erforderliche intensivere Unterweisung (§ 12 ArbSchG) über die mit der Sportart verbundenen Risiken bzw. notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung dieser Risiken (qualifizierte Betreuung, intensive Aufwärmphase, zeitliche Limitierung der Spieldauer etc.) legt weder nachvollziehbar dar, dass es im Fall des Klägers an entsprechenden Hinweisen oder an das Verletzungsrisiko mindernden Maßnahmen gefehlt hat, noch inwiefern auf Grund von Unterweisungen und oben beschriebener Maßnahmen das Unfallgeschehen vermieden worden wäre. Für einen Zurechnungszusammenhang zwischen einem pflichtwidrigen Unterlassen und Schaden muss die unterbliebene Handlung hinzugedacht und festgestellt werden, dass der Schaden dann nicht eingetreten wäre; die bloße Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts genügt nicht (vgl. Schleswig-Holsteinische OLG, Urteil vom 17. Dezember 2003 - 9 U 120/02 -, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 19. Januar 2006 - 1 U 102/04 -, juris). Mangelt es hiernach schon nach dem Schadensersatzrecht an einem Ursachen- bzw. Zurechnungszusammenhang, ist erst recht nicht ersichtlich, inwiefern sich das Fehlen einer Gefährdungsbeurteilung entscheidungserheblich bei der Beurteilung der Wesentlichkeit des Unfallgeschehens als Ursache für den eingetretenen Körperschaden auswirken sollte, insbesondere zum Ausschluss einer Vorschädigung bzw. zur Feststellung einer wesentlichen Mitursache des Unfallgeschehens am Schadenseintritt beitragen könnte. Ursächlich im unfallfürsorgerechtlichen Sinn sind nur solche Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Hiernach ist unter mehreren zusammenwirkenden Bedingungen eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend am Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges hatte (vgl. Sächsische OVG, Beschluss vom 6. Februar 2012 - 2 A 171/09 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 1998 - 2 B 81.97 -, juris). Vorliegend vermochte der Kläger weder eine alleinige Ursache noch eine wesentliche (Mit-)Ursache des Unfallgeschehens für den Riss der Achillessehne nachzuweisen.
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Die angeblich fehlende Gefährdungsbeurteilung würde auch zu keiner Beweiserleichterung für den Kläger, bei dem grundsätzlich die materielle Beweislast für das Vorliegen eines Dienstunfalles liegt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 LA 155/07 -, juris, m. w. N.), führen. Die Feststellung des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Urteil zur mangelnden Einschlägigkeit des Beweises des ersten Anscheins (S. 8 Abs. 2 der UA) stellt die Antragsbegründungsschrift nicht schlüssig in Frage. Soweit sinngemäß eine Umkehr der Beweislast unter Verweis auf eine fehlende Gefährdungsanalyse, die Verwirklichung des besonderen, der Sportart anhaftenden Risikos beim Beschäftigten und die Meidung vergleichbarer Risikosportarten in der Freizeit durch den Beschäftigten geltend gemacht wird, greift dieser Einwand nicht durch.
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Der Gedanke einer Beweislastumkehr knüpft an eine schuldhafte Beweisvereitelung einer Verfahrenspartei bzw. an eine Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung unter Verletzung der möglichen und zumutbaren Mitwirkungspflicht an, mit der Folge, dass ohne entsprechende Korrektur die Rechtsposition des Inhabers der materiellen Beweislast in einem Maße eingeschränkt wird, das das Gebot der Wirksamkeit des Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG verletzen würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 11 B 76.00 -, juris; Urteil vom 28. April 2011 - 2 C 55.09 -, juris; Urteil vom 18. Dezember 1987 - 7 C 49.87 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 108 Rdnr. 5). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen legt die Antragsbegründungsschrift indes nicht schlüssig dar. Abgesehen davon, dass die Existenz einer ausreichenden Gefährdungsanalyse zwischen den Verfahrensbeteiligten streitig ist, legt die Antragsbegründungsschrift jedenfalls weder eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten noch nachvollziehbar dar, inwiefern das Fehlen einer Gefährdungsbeurteilung zu einer Beweisvereitelung führt oder eine die Wirksamkeit des Rechtschutzes in Frage stellende Erschwernis bei der Sachverhaltsaufklärung zur Folge hat. Nicht zuletzt ist - wie bereits ausgeführt - nicht ersichtlich, inwiefern Ermittlungen zur Gefährdungssituation den Schluss rechtfertigen könnten, diese Gefährdung habe sich realisiert und stelle zugleich die wesentliche (Allein- oder Mit-)Ursache für den durch das Unfallgeschehen eingetretenen Körperschaden dar.
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Weiter wendet die Antragsbegründungsschrift ein, das Verwaltungsgericht habe zu strenge Anforderungen an den Nachweis des Nichtvorliegens eines degenerativen Vorschadens gestellt. Die Bescheinigung des Hausarztes vom 24. Juni 2011 besage, dass der Kläger nie wegen Achillessehnenbeschwerden behandelt worden sei und auch sonst keine Hinweise auf eine Vorschädigung bestünden. Das Gedächtnisprotokoll des Chirurgen stütze das Fehlen einer Vorschädigung. Soweit für das Verwaltungsgericht die Frage der Vorschädigung bzw. ihres Grades offen geblieben sei, überzeuge der Verweis auf die Aussage des Chirurgen, dass sich „keine Bereiche einer gesunden von eine kranken Sehne differenzieren“ ließen, und der Hinweis auf das Fehlen eines histologischen Gutachtens nicht.
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Eine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung begründende fehlerhafte Beweiswürdigung ergibt sich aus dem klägerischen Vorbringen nicht. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es darf bei seiner Überzeugungsbildung allerdings nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen- oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Bei Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung als tatsächliche Grundlage eines Urteiles ist von einer schlüssigen Gegenargumentation daher erst dann auszugehen, wenn gute Gründe dafür aufgezeigt werden, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung mit Blick auf eine entscheidungserhebliche Tatsache von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder wenn die vom Erstrichter vorgenommene Sachverhaltswürdigung im Lichte der Begründung des Zulassungsantrages fragwürdig erscheint, weil die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstliche zweifelhaft ist, insbesondere bei Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung. Allein die Möglichkeit einer anderen Wertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 L 159/11 -, juris, m. w. N.).
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Hieran gemessen enthalten die Ausführungen in der Antragsbegründungsschrift zum Beweiswert des Gedächtnisprotokolls des Chirurgen lediglich eine andere Bewertung des Beweismittels; eine evident sachwidrige oder gar willkürliche Beweiswürdigung ergibt sich hieraus nicht. Ebenso wenig besteht Anlass für die Annahme, das Verwaltungsgericht sei bei seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen bzw. dessen tatsächliche Feststellungen seien augenscheinlich nicht zutreffend und würden insbesondere gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten unter Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen enthalten. Auch der vom Verwaltungsgericht wegen Zeitablaufes angenommene eingeschränkte Beweiswert des Gedächtnisprotokolls des Chirurgen wird nicht dadurch schlüssig in Frage gestellt, dass sich nach Auffassung des Klägers wegen der präzisen Angaben des Chirurgen ein ausreichendes Erinnerungsvermögen unterstellen lasse. Die Antragsbegründungsschrift nimmt insoweit lediglich eine Gegenposition zum Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichtes ein und setzt ihre Bewertung des Beweismittels an Stelle der des Gerichtes. Eine ergebnisrelevante fehlerhafte Beweiswürdigung des Gerichtes ergibt sich hieraus nicht.
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Hinsichtlich des Unterlassens einer histologischen Untersuchung reklamiert die Antragsbegründungsschrift eine Umkehr der Beweislast bzw. Beweiserleichterungen, weil die Beklagte ihre Untersuchungspflicht gemäß § 45 Abs. 3 BeamtVG verletzt habe. Sie habe den Kläger nicht auf die Notwendigkeit der Beweissicherung in Form eines histologischen Gutachtens hingewiesen. Die Beklagte habe auch die behandelnde Vertragsklinik nicht über die Notwendigkeit der Durchführung einer histologischen Untersuchung in derartigen Fällen informiert. Schließlich sei mangels Gefährdungsanalyse keine regelgerechte Unterweisung nach § 12 ArbSchG erfolgt, zu der auch ein Hinweis auf ein dienstunfallrechtlich adäquates Verhalten im Falle eines Sehnenrisses gehört hätte. Der Dienstherr verfüge vorliegend hinsichtlich der Möglichkeiten und Erfordernisse der Sachverhaltsaufklärung über einen weit überlegenen Kenntnisstand.
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Die Richtigkeit des Urteilsergebnisses stellt dieses Vorbringen nicht schlüssig in Frage. Eine schuldhafte Verletzung einer Aufklärungs- oder Beratungspflicht des Dienstherrn ergibt sich hieraus nicht. Der Dienstherr ist aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis grundsätzlich nicht verpflichtet, den Beamten über dessen Rechte und Pflichten jederzeit umfassend und aktuell zu informieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 5.06 -, juris). Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet eine Behörde grundsätzlich nicht den Beamten über die Möglichkeiten der Beweissicherung zu belehren oder solche Maßnahmen vorsorglich für den an sich (materiell) beweisbelasteten Beamten zu veranlassen (zumal im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im medizinischen Bereich) bzw. die behandelnde Vertragsklinik über die Notwendigkeit beweissichernder Maßnahmen zu informieren. Der Untersuchungsgrundsatz stellt keine Eingriffsermächtigung für die Beschaffung der erforderlichen Informationen bzw. die Erhebung der erforderlichen Beweise dar. Es erscheint auch, ungeachtet der konkreten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses mit der behandelnden Klinik, völlig überzogen, vom Dienstherrn zu erwarten, dass er prophylaktisch für bestimmte Erkrankungen oder Körperschädigungen einen Katalog möglicher Beweissicherungsmaßnahmen erstellt und die Klinik (bei Einverständnis des Patienten) um deren Beachtung ersucht.
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Auch aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) lässt sich keine allgemeine Beratungspflicht des Dienstherrn ableiten; indessen ist nicht ausgeschlossen, dass besondere Umstände eine Belehrungspflicht auslösen können. Diese Umstände können auch derart sein, dass sich die Notwendigkeit eines Hinweises an den Beamten so aufdrängt, dass der Dienstherr zur Erteilung eines Rates auch ohne ausdrückliche Bitte des Beamten verpflichtet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. September 2001 - 2 B 8.01 -, juris). Solche besonderen, eine Belehrungspflicht auslösenden Fallgestaltungen hat die Rechtsprechung - neben der bereits erwähnten ausdrücklichen Bitte des Beamten um eine Auskunft - ferner bei einem vom Dienstherrn erkannten oder erkennbaren Irrtum des Beamten in einem bedeutsamen Punkt sowie bei Bestehen einer allgemeinen Verwaltungspraxis des Dienstherrn bejaht (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2005 - 2 C 5.04 -, juris; Beschluss vom 6. März 2002 - 2 B 3.02 -, juris). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ergibt sich vorliegend indes keinen Anhalt. Die Antragsbegründungsschrift macht auch nicht plausibel, dass sich der Beklagten eine Belehrung zur Notwendigkeit der Einholung eines histologischen Gutachtens aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen bzw. wegen überlegenen Kenntnisstandes hätte aufdrängen müssen.
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Soweit die Antragsbegründungsschrift vorträgt, die Notwendigkeit einer histologischen Untersuchung bei einer Sehnenruptur wäre im Falle einer Gefährdungsanalyse bei regelgerechter Unterweisung erfolgt, wird eine bloße Behauptung aufgestellt, ohne deren Richtigkeit nachvollziehbar darzulegen. Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit (vgl. § 2 Abs. 1 ArbSchG). Ein histologisches Gutachten dient weder der Unfallverhütung noch der Arbeitsplatzgestaltung. Soweit der Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Einholung eines histologischen Gutachtens nach einem Unfall geeignet ist, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu beeinflussen. Die Unterweisungspflicht des § 12 ArbSchG gibt dem Arbeitgeber auf, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen (Abs. 1 Satz 1); die Unterweisung umfasst Anweisungen und Erläuterungen die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich des Beschäftigten ausgerichtet sind (Abs. 1 Satz 2). Inwiefern sich hieraus die Notwendigkeit von Hinweisen zur Beweissicherung nach Eintritt eines Unfalls ergibt, macht die Antragsbegründungsschrift nicht plausibel.
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Soweit die Antragsbegründungsschrift auf den überlegenen Kenntnisstand des Dienstherrn verweist, ergeben sich hieraus keine besonderen Umstände des Einzelfalles, wonach sich dem Dienstherrn die Notwendigkeit eines Hinweises gerade gegenüber dem Kläger hätte aufdrängen müssen. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass dem Dienstherrn des Klägers vor dessen ärztlicher Behandlung überhaupt hinreichende Erkenntnisse über die Art und die Ursache der Verletzung zur Verfügung standen, die eine Meinungsbildung über beweissichernde Maßnahmen überhaupt erlaubt hätte bzw. dass im Rahmen der Nachsorge die Einholung eines histologischen Gutachtens noch möglich gewesen wäre. Letztlich begründet die dienstliche Erfahrung mit bestimmten Arten von Dienstunfällen noch keinen dergestalt überlegenen Kenntnisstand des Dienstherrn, den sich der Beamte als Patient durch entsprechende Nachfrage beim behandelnden Arzt über die Ursache und Art seiner Verletzung und welche Nachweismöglichkeiten ihm diesbezüglich zur Verfügung stehen, nicht genauso gut und vor allem zeitnäher, nämlich während der ärztlichen Behandlung, hätte beschaffen können.
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Ergibt sich nach alldem bereits keine Belehrungs- oder Informationspflicht des Dienstherrn, ist erst recht nicht ersichtlich, dass dem Dienstherrn ein schuldhaftes Verhalten oder Unterlassen zur Last gelegt werden könnte. Einer Beweislastumkehr kommt daher nach den o. g. Voraussetzungen nicht in Betracht.
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Des Weiteren macht die Antragsbegründungsschrift geltend, der Kläger habe darauf vertraut, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht alle weiteren erforderlichen Maßnahmen ergreifen werde, insbesondere die Vertragsklinik über ein geeignetes Vorgehen in entsprechenden Fällen instruieren würde bzw. instruiert hätte und sich ein solches Vertrauen aus der Tatsache rechtfertige, dass die Beklagte auf Grund der Dauerbeziehung zu dieser Klinik über gesteigerte Einflussmöglichkeiten verfüge.
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Dieses Vorbringen macht weder plausibel, dass der Kläger berechtigterweise darauf vertrauen durfte, noch dass die Beklagte oder andere Bedienstete seines Dienstherrn Anlass hatten, eine solche Fehleinschätzung zu erkennen und zu korrigieren. Die Behauptung, die Beklagte habe auf Grund der Dauerbeziehung zu der behandelnden Klinik über gesteigerte Einflussmöglichkeiten verfügt, ist unsubstantiiert, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte in vertraglicher oder sonstiger Beziehung zu dieser Klinik steht. Erst recht ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Dauer einer vertraglichen Beziehung einem Vertragspartner Einfluss auf die Art und Weise der medizinischen Behandlung eines Dritten ermöglichen sollte oder dass der konkrete Vertrag eine derartige Einflussnahme auch nur zulässt. Schließlich ergibt sich auch kein Anhalt für die Annahme, die Beklagte bzw. der Dienstherr des Klägers habe (rechtzeitig) erkennen können, dass der Kläger wegen der Behandlung in der Vertragsklinik davon ausgegangen ist, dass die Verantwortung für eine sachgerechte Abwicklung des Unfallgeschehens nicht mehr bei ihm, sondern bei der Beklagten bzw. seinem Dienstherrn liege und deshalb Anlass bestand, diesen Irrtum zu korrigieren.
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Soweit die Antragsbegründungsschrift vorbringt, der Nachweis des Fehlens degenerativer Vorschäden habe nicht von der Vorlage eines histologischen Gutachtens abhängig gemacht werden dürfen, und für den Kläger müsse die Möglichkeit eines alternativen Nachweises bestehen, den er auch erbracht habe, begründet dieses Vorbringen keine Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Der Kläger war an der Erbringung alternativer Nachweise nicht gehindert. Das Verwaltungsgericht hat sie allerdings als nicht ausreichend angesehen, um eine Vorschädigung der Achillessehne ausschließen bzw. um das Unfallgeschehen jedenfalls als wesentliche (Mit-)Ursache für die Ruptur der Sehne einzustufen. Die rechtliche Bewertung stellt die Antragsbegründungsschrift mit einer lediglich vom Verwaltungsgericht abweichenden Beweiswürdigung nicht schlüssig in Frage.
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Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht wegen der von der Antragsbegründungsschrift geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
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Soweit die Antragsbegründungsschrift die Frage, welche Auswirkungen die Verletzung präventiver Arbeitsschutzpflichten und nachfolgender Untersuchungspflichten auf die beweisrechtlichen Grundsätze im Dienstunfallrecht hat, als rechtlich besonders schwierig bezeichnet, ist im Hinblick auf die Ausführungen des Senat zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO weder ersichtlich, dass sich die aufgeworfene Frage in entscheidungserheblicher Weise stellt, noch dass ihre Beantwortung rechtlich besonders schwierig ist und sie sich insbesondere mit der o. g. höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Ursachenzusammenhang und zu den Beweisgrundsätzen im Dienstunfallrecht nicht beantworten lässt.
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Die am Ende der Antragsbegründungsschrift erfolgte Bezugnahme auf den gesamten Sach- und Rechtsvortrag aus erster Instanz ist für die Darlegung eines Zulassungsgrundes im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO nicht geeignet. Eine schlichte Bezugnahme auf bestimmte frühere Anträge oder Schriftsätze, erstinstanzlich in das Verfahren eingeführte Unterlagen etc. oder gar ein Pauschalverweis auf das erstinstanzliche Vorbringen oder den Inhalt der Gerichtsakten bzw. Verwaltungsvorgänge ist im Hinblick auf die durch § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO normierten besonderen Darlegungslasten und -anforderungen unzureichend, weil die Antragsschrift aus sich heraus verständlich sein muss und die Zulassungsgründe unter substantiiertem Vorbringen konkret aufgezeigt werden müssen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 L 18/08 -, m. w. N.).
- 31
Soweit zu Beginn der Antragsbegründungsschrift auch der Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend gemacht wird, wird dieser nachfolgend nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt. Auf die mehrfach gerügte Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes durch die Beklagte kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nur Verfahrensmängel des erstinstanzlichen Gerichtes erfasst.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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